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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.11.2004
Aktenzeichen: 13 Sa 891/04
Rechtsgebiete: BGB, BBiG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 612
BBiG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 17.03.2004 - 3 Ca 2301/03 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 01.07.2003 bis einschließlich 31.07.2003 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die Beklagte wird verurteilt,

a) der Klägerin für den Monat Juli 2003 auf der Basis einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR eine Abrechnung zu erteilen,

b) an die Klägerin 2.000,00 EUR brutto zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen

Tatbestand: Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen für eine bestimmte Zeit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und dementsprechend eine Abrechnungs- und Zahlungsverpflichtung gegeben ist. Die Klägerin, eine gelernte Zahntechnikerin, wurde in der Vergangenheit wegen nachlassender Leistungsfähigkeit ihrer Augen in einer von der BfA geförderten Maßnahme zur EDV-Sachbearbeiterin weitergebildet. Anschließend nahm sie an einem arbeitsmarktpolitischen Orientierungsseminar für Rehabilitanden mit dem Ziel einer Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess teil. Träger dieser Maßnahme war die FAA Bildungsgesellschaft Ahlen mbH (im Folgenden kurz: FAA). Durch Vermittlung dieser Gesellschaft kam die Klägerin ab dem 10.03.2003 im Zahntechnikerbetrieb der Beklagten als Praktikantin im Bereich der Bürofachkrafttätigkeiten zum Einsatz. Die Parteien schlossen drei befristete Praktikumsverträge, und zwar am 07.03.2003 für die Zeit vom 10.03. bis 28.03.2003 (Bl. 5 ff. d.A.), am 31.03.2003 für die Zeit vom 31.03. bis zum 30.04.2003 (Bl. 8 ff. d.A.) und am 28.05.2003 rückwirkend für die Zeit vom 05.05. bis 27.06.2003 (Bl. 11 ff. d.A.). Ab dem 01.07.2003 bis zum 31.07.2003 wurde die Klägerin weiter im Betrieb der Beklagten tätig, ohne dass die Parteien einen weiteren schriftlichen Vertrag schlossen. Mitte Juli 2003 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Mitarbeiterin der FAA, M3xxxxxx. Diese wies den Geschäftsführer darauf hin, dass weitere Fördermittel nur gewährt werden könnten, wenn die Beklagte sich verpflichte, die Klägerin mindestens 18 Monate fortzubeschäftigen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Beklagten bereits ein Schreiben der Gmünder Ersatzkasse vom 09.07.2003 vor mit der Aufforderung, die Klägerin zur Krankenversicherung anzumelden. Nachdem die Beklagte in der Folgezeit keinen weiteren Förderantrag stellte, schlossen die Parteien unter dem 31.07.2003 eine schriftliche Vereinbarung über die "Beendigung des Praktikums", die wie folgt lautet: "Hiermit beendigen wir das von der FAA in Ahlen geförderte Praktikum im beiderseitigem Einvernehmen durch Unterschrift." Mit Schreiben vom 13.08.2003 kündigte die Beklagte ein eventuell mit der Klägerin zustande gekommenes Arbeitsverhältnis zum 30.09.2003 (Bl. 20 d.A.). Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ab dem 01.07.2003 sei zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Insoweit habe sie mit dem Geschäftsführer Ende Juni 2003 eine Einigung erzielt, wobei man sich auf eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR verständigt habe. Dieses Arbeitsverhältnis sei erst durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 13.08.2003 mit Ablauf des 30.09.2003 zu Ende gegangen. Die Klägerin hat beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die mündliche Kündigung vom 31.07.2003 beendet wurde, sondern bis zum 30.09.2003 fortbestanden hat, 2. die Beklagte zu verurteilen, für den Monat Juli 2003 an die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von 2.000,00 EUR zu zahlen und eine entsprechende Abrechnung zu erteilen und 3. die Beklagte zu verurteilen, für den Monat August 2003 an die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von 2.000,00 EUR zu zahlen und eine entsprechende Abrechnung zu erteilen. Daraufhin erging am 06.11.2003 antragsgemäß ein Versäumnisurteil, das der Beklagten am 14.11.2003 zugestellt wurde und gegen das sie am 21.11.2003 Einspruch eingelegt hat. Daraufhin hat die Beklagte beantragt, 1. das Versäumnisurteil vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, 2. die Klägerin widerklagend zu verurteilen, an die Beklagte 4.132,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2003 zu zahlen. Sie hat bestritten, mit der Klägerin ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen zu haben. Vielmehr sei sie von einer Fortsetzung des Praktikums im Juli 2003 ausgegangen. Dies sei mit der Vereinbarung vom 31.07.2003 beendet worden. Vor diesem Hintergrund sei auch die Widerklageforderung gerechtfertigt, weil die Klägerin den nach Erlass des Versäumnisurteils im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Betrag nicht beanspruchen könne. Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.03.2003 das Versäumnisurteil aufgehoben, die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht hinreichend substanziiert dargelegt, dass es zum mündlichen Abschluss eines Arbeitsverhältnisses gekommen sei. Die Fortsetzung der Tätigkeit ab Anfang Juli 2003 spreche in Anbetracht der vorangegangenen Praktikumszeit auch nicht für eine arbeitsvertragliche Vereinbarung. Schließlich stehe dem auch die getroffene schriftliche Abrede von Ende Juli 2003 über die "Beendigung des Praktikums" entgegen. Gegen dieses ihr am 06.04.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.05.2004 Berufung eingelegt und diese am 04.06.2004 begründet. Sie behauptet, im Juni 2003 sei es in Gesprächen mit dem Geschäftsführer der Beklagten zum Abschluss eines mündlichen Arbeitsvertrages ab dem 01.07.2003 mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Geschäftsführer nämlich bereits gewusst, dass eine Fortbeschäftigung in einem Praktikumsverhältnis nicht mehr in Betracht gekommen sei. Dementsprechend habe man in die schriftliche Abrede von Ende Juli 2003 auch kein Beendigungsdatum für das Praktikum aufgenommen. Nachdem die Klägerin für die mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom 04.06.2004 die Sachanträge wie in der ersten Instanz angekündigt hatte und die Parteien zu Beginn der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit hinsichtlich des Widerklagebegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin nunmehr - unter Rücknahme der Klage im Übrigen mit Einwilligung der Beklagten -, das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 17.03.2004 - 3 Ca 2301/03 - abzuändern und 1. festzustellen, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 01.07.2003 bis einschließlich 31.07.2003 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und 2. die Beklagte zu verurteilen, a) der Klägerin für den Monat Juli 2003 auf der Basis einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR eine Abrechnung zu erteilen, b) an die Klägerin 2.000,00 EUR brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass es zum Abschluss eines Arbeitsverhältnisses gekommen sei. Zu den Daten und zum Inhalt der behaupteten Gespräche führe die Klägerin wenig Konkretes aus. Im Übrigen sei es keinesfalls zwingend, dass diese nach der vorangegangenen Praktikumszeit in ein Arbeitsverhältnis gewechselt sei. Schließlich widerspreche die unmissverständliche Aufhebungsvereinbarung vom 31.07.2003 dem Rechtsstandpunkt der Klägerin. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung ist begründet. I. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist zwischen den Parteien mit Wirkung ab 01.07.2003 ein Arbeitsverhältnis mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR zustande gekommen. In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob anhand der bestrittenen Angaben der Klägerin feststellbar ist, dass bereits im Juni 2003 eine mündliche Abrede über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses getroffen wurde. Denn indem die Klägerin ohne eine vorangegangene Verständigung über eine Fortsetzung des zum 27.06.2003 ausgelaufenen Praktikums mit Wissen des Geschäftsführers ab 01.07.2003 ihre Tätigkeit im Betrieb der Beklagten fortsetzte, konnte dies aus der Sicht eines verständigen Dritten nur als Angebot zur Fortsetzung der Zusammenarbeit in einem vergütungspflichtigen Arbeitsverhältnis aufgefasst werden. Wie sich nämlich der Grundregel des § 611 Abs. 1 BGB entnehmen lässt, werden in einem Betrieb vom Inhaber geduldete Tätigkeiten regelmäßig in einem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung eines entsprechenden Entgelts erbracht. Daran knüpft auch die Bestimmung des § 625 BGB an. Ausnahmsweise ist dies nur dann anders, wenn im Rahmen des § 19 BBiG zulässigerweise Praktikumsverhältnisse vereinbart werden, namentlich wenn sie entgegen der Grundregel des § 10 BBiG ohne die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung geschlossen werden. Daraus folgt vorliegend, dass die Parteien ausdrücklich für die Zeit vom 10.03. bis zum 27.06.2003, insgesamt also über 3,5 Monate, ohne jede Entgeltpflicht für die Beklagte insgesamt drei befristete Praktikumsverträge geschlossen haben, um der Klägerin als Rehabilitandin in einer von der FAA getragenen und von der BfA finanzierten Maßnahme die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu ermöglichen. Ziel war es nach Ziffer 4 des jeweiligen Vertrages, die bei der Klägerin bereits vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten durch praktische Arbeitsaufgaben zu ergänzen bzw. zu vertiefen. Allgemein wird durch solche Praktika das Ziel verfolgt, dass der jeweilige Praktikant anschließend in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird (vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit). Wenn in einer solchen Konstellation, in der bereits das Praktikum "meistens" im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages abgeleistet wird (vgl. z.B. Gedon/Spiertz, BBiG, Stand 2004, § 19 Rdn. 11; Nebeling, NZA-RR 2004, 617, 618), nach Ablauf von dreieinhalb Monaten die Tätigkeit ohne weitere konkrete Absprachen fortgesetzt wird, kann dies nur als (konkludentes) Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages verstanden werden. In der Entgegennahme der Leistung durch den Geschäftsführer der Beklagten liegt (ebenfalls konkludent) die Annahme dieses Angebots. Selbst wenn es dabei zu keiner Verständigung über die Höhe der zu zahlenden Vergütung gekommen sein sollte, ändert dies nichts an einem wirksamen Vertragsschluss; denn in einer solchen Konstellation gilt gemäß § 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Nach alledem wäre es die Aufgabe der Beklagten gewesen, rechtzeitig vor Ablauf des 27.06.2003 eine anderweitige Regelung herbeizuführen, statt die Klägerin ohne eine weitere schriftliche Vereinbarung ab dem 01.07.2003 für den Betrieb weiter tätig werden zu lassen. Vor allem gilt dies für die Zeit nach dem Telefonat mit der Zeugin M3xxxxxx von der FAA Mitte Juli 2003, in dem dem Geschäftsführer der Beklagten - insoweit unwidersprochen - mitgeteilt worden war, es komme fortan eine Förderung nur noch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in Betracht. Nach alledem ist zwischen den Parteien aufgrund der Fortbeschäftigung der Klägerin ab Anfang Juli 2003 mangels anderweitiger zulässiger Vereinbarung, die von der Beklagten hätte dargelegt werden müssen, ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Dieses ist frühestens aufgrund der schriftlichen Abrede vom 31.07.2003 zu Ende gegangen, so dass dem zuletzt gestellten Feststellungsantrag in vollem Umfang stattzugeben war. II. Der Abrechnungsanspruch für den Monat Juli 2003 folgt aus § 108 Abs. 1 GewO. III. Gemäß §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB kann die Klägerin von der Beklagten auch die Zahlung der begehrten Vergütung in Höhe von 2.000,00 EUR für den genannten Monat verlangen. Zwar hat sie nicht substanziiert vorgetragen, wann genau sich die Parteien im Juni 2003 auf diesen Betrag geeinigt haben sollen. Sie hat sich aber hilfsweise auf die Üblichkeit des Entgelts für die Vollzeittätigkeit einer Bürokraft berufen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Deshalb konnte im Rahmen des § 612 Abs. 2 BGB von den geltend gemachten 2.000,00 EUR brutto ausgegangen werden. Im Rahmen der einheitlich im Urteil zu treffenden Kostenentscheidung ist als Streitwert für den bis zur mündlichen Verhandlung am 10.11.2004 gestellten Feststellungsantrag von 3.000,00 EUR (ein halber Regelstreitwert gem. § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) zuzüglich 750,00 EUR für die Abrechnungsansprüche und 6.000,00 EUR entsprechend der begehrten Zahlung auszugehen, insgesamt also von 9.750,00 EUR. Der Widerklageantrag bleibt wegen der insoweit gegebenen wirtschaftlichen Teilidentität mit der Klage unberücksichtigt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG; vgl. LAG Berlin, LAGE Nr. 3 zu § 19 GKG). Ab der mündlichen Verhandlung am 10.11.2004 ergibt sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 3.250,00 EUR (1.000,00 EUR für den auf ein Monat begrenzten Feststellungsantrag zuzüglich 250,00 EUR und 2.000,00 EUR). Daraus errechnen sich folgende Gebühren: Gerichtsgebühren erster Instanz: für Streitwert von 3.250,00 EUR = 130,00 EUR für Streitwert von 6.500,00 EUR = 130,00 EUR (da die Klägerin in Höhe von 6.500,00 EUR die Klage zurückgenommen hat, ermäßigt sich die Gebühr insoweit um die Hälfte von 260,00 EUR auf 130,00 EUR). Gerichtsgebühren zweiter Instanz: für Streitwert von 6.500,00 EUR = 60,40 EUR (4/10 Verfahrensgebühr für die teilweise zurückgenommene Klage) für Streitwert von 3.250,00 EUR = 116,40 EUR (Verfahrensgebühr) 116,40 EUR (Urteilsgebühr) . Rechtsanwaltsgebühren zweiter Instanz: für Streitwert von 9.750,00 EUR = 631,80 EUR (13/10 Prozessgebühr)

für Streitwert von 3.250,90 EUR = 282,10 EUR (13/10 Verhandlungsgebühr). Von der Klägerin sind zu tragen: 130,00 EUR erstinstanzliche Gerichtsgebühren, 60,40 EUR zweitinstanzliche Verfahrensgebühren sowie 99,40 EUR Rechtsanwaltsgebühren (Differenz bei der Prozessgebühr zwischen den beiden Streitwerten). Daraus resultiert ein Kostenanteil von abgerundet 1/3 der Gesamtkosten des Rechtsstreits. Die verbleibenden 2/3 der Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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