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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 13 Ta 818/07
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, KSchG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 33
BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1
BetrVG § 111
KSchG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15.11.2007 - 3 BVGa 8/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 13.666,55 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

A.

Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der Betriebsrat in der Hauptsache verlangt, die Arbeitgeberin solle es unterlassen, den Bereich Fahrdienst mit 41 Beschäftigten auszugliedern und in einen anderen Betrieb einzugliedern, hilfsweise die betroffenen Arbeitnehmer zu versetzen, äußerst hilfsweise das Direktionsrecht einer anderen Betriebsleitung zu übertragen. Nach einer außergerichtlichen Einigung wurden die Anträge zurückgenommen.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.11.2007 den Gegenstandswert auf 4.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich deren Beschwerde, mit der sie begehren, einen Gegenstandswert in Höhe von 27.306,00 € (= 666,00 € x 41) zu bestimmen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

B.

Die gemäß § 33 RVG zulässige (befristete) Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist in dem aus den Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO § 8; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 169, 181, 266).

Hier liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil es dem Betriebsrat um die Wahrung der Beteiligungsrechte im Rahmen einer von ihm angenommenen Betriebsänderung gemäß § 111 f. BetrVG ging.

Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4.000,00 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 132 b, 264).

Maßgeblich ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.

Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit und daneben auf den Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommt (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Maßgeblich sind also nicht nur die unmittelbar mit dem Verfahren verfolgten Ziele, sondern auch die weiteren Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Stellung und das Ansehen der Beteiligten (BVerfG, a.a.O.).

Auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit können bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen sein.

Allerdings müssen beide Gesichtspunkte in Relation zur Bedeutung der Sache gesehen werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).

Andererseits ist der im Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, bei ihm nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 265; vgl. auch § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden.

Nach alldem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).

Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt es entscheidend auf das Interesse an, das im konkreten Beschlussverfahren durchgesetzt werden soll.

In dem Zusammenhang entspricht es der ständigen Rechtsprechung beider Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm (Beschl. v. 07.03.2005 - 13 TaBV 139/04; Beschl. v. 11.05.2005 - 10 TaBV 61/05; Beschl. v. 10.10.2005 - 10 TaBV 102/05; Beschl. v. 05.03.2007 - 13 (6) Ta 787/06), sich bei einer Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus an den Zahlenwerken des § 17 Abs. 1 KSchG zu orientieren und dabei den Grundfall von sechs Entlassungen mit dem Auffangwert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs. RVG in Höhe von 4.000,00 € und pro weiteren Arbeitnehmer einen Teilwert von 666,67 € (4000,00 € : 6) in Ansatz zu bringen.

In Fällen wie hier, wo es "nur" um Veränderungen in unstreitig fortbestehenden Arbeitsverhältnissen ging, betriebsverfassungsrechtlich also keine Entlassungen, sondern allenfalls Versetzungen im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG im Raum standen, ist es sachgerecht, das vom Betriebsrat verfolgte Interesse, auch in einer solchen Konstellation seine Beteiligungsrechte gewahrt zu wissen, wegen der geringeren Bedeutung regelmäßig mit der Hälfte der für Entlassungen angenommenen Werte einzustufen.

Daraus folgt hier bei insgesamt 41 betroffenen Arbeitnehmern folgende Berechnung:

2000,00 € für die ersten 6 Arbeitnehmer und jeweils 333,33 € für die weiteren 35 Arbeitnehmer, insgesamt also 13.666,55 €.

Obwohl der Betriebsrat den Weg der einstweiligen Verfügung gewählt hat, war gegenüber dem entsprechenden Hauptsacheverfahren kein weiterer Abschlag vorzunehmen.

Regelmäßig werden nämlich - wie auch hier - in Beschlussverfahren, gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung, nicht nur vorläufige Regelungen angestrebt; vielmehr ist die Streitigkeit mit Abschluss eines solchen Verfahrens in aller Regel beendet. Zur Einleitung eines Hauptsacheverfahrens kommt es gar nicht mehr, was nicht zuletzt daran liegt, dass ein auf diesem Wege ergangener Beschluss - anders als bei einstweiligen Verfügungen (vgl. § 85 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ArbGG) - regelmäßig erst nach Rechtskraft vollstreckt werden kann (vgl. § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG und § 101 S. 2 BetrVG).

Ende der Entscheidung

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