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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 13 TaBV 116/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.06.2007 - 2 BV 7/07 - abgeändert.

Das mit Wirkung ab 01.02.2007 begründete Arbeitsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und dem beteiligten Arbeitnehmer D1 R1 wird aufgelöst.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines (ehemaligen) Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Ab dem 01.09.2003 absolvierte der Beteiligte R1 bei der Arbeitgeberin aufgrund eines schriftlichen Vertrages vom 05.06.2003 (Bl. 22 d. A.) eine Ausbildung zum Energieelektroniker. Als aufgerücktes Ersatzmitglied nahm er am 02.01.2007 an einer Sitzung der Jugend- und Auszubildendenvertretung teil.

Zur Herstellung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Werkes B1 führt die Arbeitgeberin seit Anfang des Jahres 2005 ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm durch. Dieses sieht vor, dass bis Ende des Jahres 2007 im Werk B1 ein Personalabbau von 2.570 Vollzeitarbeitsplätzen erfolgen muss, der vor allem mittels Aufhebungsverträgen sowie Übergang in Qualifizierungsgesellschaften erfolgen soll. Grundlage der umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen ist eine mit dem im Betrieb der Arbeitgeberin bestehenden Betriebsrat, dem Beteiligten zu 3., abgeschlossene Betriebsvereinbarung 2005/0130/A ("Zukunftsvertrag 2010") vom 17.03.2005. Unter Ziffer D "Berufsausbildung/Übernahme von Auszubildenden" ist in dieser Betriebsvereinbarung folgendes vereinbart:

"Es besteht Einvernehmen, dass die Geschäftsleitungen hinsichtlich der Auszubildenden, die in den Jahren 2006 und 2007 ihre Ausbildung erfolgreich beenden, mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats von der tarifvertraglich geregelten Übernahmeverpflichtung befreit werden, da die Voraussetzungen des § 3 Ziff. 2 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung (Tarifgebiet Hessen/Rheinland-Pfalz) bzw. des § 8 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke (Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen) erfüllt sind."

Mit Schreiben vom 24.10.2006 (Bl. 23 d. A.) teilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten R1 mit, dass er nach Beendigung der Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden könne. Daraufhin richtete der Beteiligte R1 unter dem 19.01.2007 ein Schreiben an die Arbeitgeberin mit folgendem Inhalt:

...

hiermit beantrage ich gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG in meiner Eigenschaft als Jugend- und Auszubildendenvertreter die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im erlernten Beruf im Anschluss an meine Ausbildung.

Sollte eine entsprechende Beschäftigung nicht möglich sein, so wäre ich hilfsweise auch bereit, zu anderen als den sich aus § 78a BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.

Nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung am 31.01.2007 wurde der Beteiligte R1 als Fertigungsfacharbeiter am Band in der Abteilung Fertigungsmontage eingesetzt, weil es für ihn unstreitig keinen ausbildungsadäquaten freien Arbeitsplatz gab.

Im Rahmen ihres Auflösungsbegehrens hat die Arbeitgeberin vorgetragen, es sei für den Beteiligten R1 auch kein freier, unbefristeter Vollzeitarbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen vorhanden gewesen. Davon abgesehen habe dieser es unterlassen, in seinem Schreiben vom 19.01.2007 die angedachte Beschäftigungsmöglichkeit konkret zu beschreiben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

das am 19.01.2007 begründete Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 2), Herrn D1 R1, aufzulösen.

Der Beteiligte R1 hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, es seien namentlich in der Abteilung, in der er derzeit arbeite, dauerhaft zu wenig Mitarbeiter. Im Übrigen gebe es diverse freie Stellen; hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen auf dessen Schriftsatz vom 22.02.2007 (Bl. 35 f. d. A.).

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, aus bestimmten betrieblichen Vereinbarungen werde deutlich, dass es für den Beteiligten R1 eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gebe. Dies zeigten auch seine tatsächliche Beschäftigung sowie die Tatsachen, dass Überstunden gefahren würden und Leiharbeitnehmer zum Einsatz kämen.

Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich die Arbeitgeberin gegen den Standpunkt des Arbeitsgerichts und bekräftigt nochmals, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kein freier Arbeitsplatz bestanden habe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.06.2007 - 2 BV 7/07 - abzuändern und das mit Wirkung ab 01.02.2007 begründete Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer D1 R1 aufzulösen.

Der Beteiligte R1 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er wiederholt ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und weist ergänzend darauf hin, dass unternehmensweit nach Einsatzmöglichkeiten hätte gesucht werden müssen.

B.

Auf die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin war ihrem auf § 78a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG gestützten Antrag, dass mit dem Beteiligten R1 ab dem 01.02.2007 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen, wegen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung stattzugeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Beschl. v. 15.11.2006 - 7 ABR 15/06 - AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 38 Rdnr. 21 m. w. N.) sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses im Betrieb des Arbeitgebers kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft tätig werden kann.

Fehlt es an einer solchen ausbildungsadäquaten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, ist der Auszubildende aber bereit, auch zu geänderten Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich nach der Nichtübernahmeanzeige (§ 78a Abs. 1 BetrVG) mitteilen. Dabei darf er sich nicht darauf beschränken, allgemein sein Einverständnis zu erklären; vielmehr muss er die angedachte Beschäftigungsmöglichkeit so konkret beschreiben, dass der Arbeitgeber erkennen kann, wie sich der Auszubildende seine Weiterarbeit vorstellt (BAG, a.a.O., Rdnr. 43).

Die genannten Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

I.

Wie in der mündlichen Anhörung am 08.02.2008 klargestellt wurde, gab es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses Ende Januar 2007 keinen freien, der Ausbildung als Energieelektroniker adäquaten freien Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin.

II.

Alle Hinweise des Beteiligten R1 auf andere freie Arbeitsplätze können sein Begehren schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es seinerseits an einer ordnungsgemäßen Bereitschaftserklärung fehlt.

Insoweit ist schon äußerst zweifelhaft, ob er durch sein Schreiben vom 19.01.2007 überhaupt noch unverzüglich nach der bereits am 24.10.2006 erfolgten Nichtübernahmemitteilung die Möglichkeiten anderweitiger Beschäftigung aufgezeigt hat.

Abgesehen davon hat er sich im zweiten Absatz seines Schreibens vom 19.01.2007 darauf beschränkt, pauschal auf eine Beschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen hinzuweisen, statt von ihm angedachte Einsatzmöglichkeiten - gegebenenfalls unter vorheriger Einschaltung seiner Interessenvertretungen - möglichst konkret aufzuzeigen. Deshalb war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, diesem Einwand nachzugehen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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