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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 137/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.06.2005 - 1 BV 13/05 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der antragstellende Betriebsrat begehrt die Feststellung, dass die beiden beteiligten Unternehmen t1x P1xxxxxxx gGmbH (im folgenden k3xx: t1x P1xxxxxxx) und t1x B3xxxxx GmbH (im folgenden kurz: t1x B3xxxxx) einen gemeinsamen Betrieb führen.

Die t1x P1xxxxxxx und t1x B3xxxxx sind Tochtergesellschaften der ebenfalls in P1xxxxxxx ansässigen Stiftung B3xxxxx und H2xxxxxx. Zweck dieser Stiftung ist die Förderung der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich des Handwerks, des Handels, des Gewerbes und im Bereich der medien- und informationsverarbeitenden Berufe sowie die Förderung der Wissenschaft und Forschung von Mildtätigkeit. Die Stiftung wird geleitet von einem geschäftsführenden Vorstand, dessen Vorsitzender Herr J1xxx T2xx ist. Den Satzungszweck erfüllt sie durch die Förderung entsprechender Einrichtungen, die zumeist in der Form einer gemeinnützigen GmbH organisiert sind und deren alleiniger oder Mehrheitsgesellschafter die Stiftung ist. Dazu gehören auch die beiden an der W1xxxxxxxxxx S1xxxx 12 in P1xxxxxxx in Räumen der Stiftung untergebrachten Firmen t1x P1xxxxxxx und t1x B3xxxxx, für deren Mitarbeiter zentral bei der Stiftung die Personalabrechnungen vorgenommen werden.

Alleiniger Geschäftsführer der t1x P1xxxxxxx, die den Zweck verfolgt, die Berufungsausbildung, die berufliche Fortbildung und Umschulung zu fördern, als Träger von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen aufzutreten und als Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege notleidende und gefährdete Menschen, die keine Arbeit finden können, zu unterstützen, ist J1xxx T2xx. Es handelt sich um einen Betrieb mit derzeit (noch) 51 Mitarbeitern, für den der antragstellende siebenköpfige Betriebsrat gewählt worden ist. Als sogenannter "t1x-Leiter" fungiert Herr F2xxx M4xxx, der damit betraut ist, die Personalangelegenheiten zu regeln einschließlich der verbindlichen Vorbereitung personeller Einzelmaßnahmen; deren Durchführung obliegt dann den Bereichsverantwortlichen S5xxxxxxxx, B5xx, G4xxxx und S3xxxxxxx. Zu diesem Zweck befinden sich auch unter anderem die Personalakten der t1x P1xxxxxxx-Mitarbeiter bei der dortigen Verwaltungsleiterin. Ansprechpartner des Betriebsrates sind in erster Linie die Herren T2xx und M4xxx.

Die t1x B3xxxxx mit aktuell 120 Mitarbeitern verfolgt den Zweck, die Berufungsausbildung, die berufliche Fortbildung und Umschulung zu fördern, als Träger von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen aufzutreten und als Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege notleidende und gefährdete Menschen, die keine Arbeit finden können, zu unterstützen. Ihr alleiniger Geschäftsführer ist Herr A1xxx A2xxxxxx, der bis vor einiger Zeit auch Mitgeschäftsführer der t1x P1xxxxxxx war. Das Unternehmen ist aufgeteilt in nunmehr fünf regionale Zentren mit jeweiligen Standortleitern vor Ort. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Arbeitgeberschriftsatz vom 03.01.2006 als Anlage 2 eingereichte Übersicht (Bl. 125 d. Akten). Arbeitskräfte werden vor Ort akquiriert, aber der Abschluss der Arbeitsverträge erfolgt durch die in P1xxxxxxx ansässige Geschäftsleitung in Person des Geschäftsführers A2xxxxxx unter Einschaltung der Fachgebietsangestellten W2xxxx, O1x, S6xxxxxx und S4xxxxxxxx; dort werden auch die Personalakten der Beschäftigten geführt.

Der Betriebsrat hat behauptet, die Büro- und Verwaltungseinrichtungen und alle sonstigen Arbeitsmittel am Standort P1xxxxxxx würden gemeinsam genutzt. Die Geschäftsführung erfolge einheitlich in erster Linie über den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, T2xx. Zumindest konkludent hätten die t1x P1xxxxxxx und die t1x B3xxxxx eine Vereinbarung über eine einheitliche Leitung eines gemeinsamen Betriebes abgeschlossen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass die Betriebsstätten der Beteiligten zu 2) und 3) in P1xxxxxxx einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG bilden und der Antragsteller auch für die Arbeitnehmer/innen, die in P1xxxxxxx in einem Arbeitsverhältnis zu der Beteiligten zu 3) stehen, die zuständige betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretung ist.

Die t1x P1xxxxxxx und t1x B3xxxxx haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben in Abrede gestellt, dass ein gemeinsamer Betrieb bestehe. So gebe es getrennte Geschäftsführungen. Es erfolge auch keine Arbeitsteilung bzw. -vermischung. Vielmehr würden unterschiedliche Aufgaben- und Arbeitsstrukturen in beiden Unternehmen bestehen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.06.2005 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Vortrag des Betriebsrates lasse keine Rückschlüsse auf das Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparates zu. Neben der fehlenden gemeinsamen räumlichen Unterbringung könne auch von keiner gemeinsamen Nutzung der technischen und immateriellen Betriebsmittel ausgegangen werden. Vielmehr würden die jeweiligen Arbeitnehmer im Rahmen der getrennt vorgenommenen Ausschreibungen entweder für die t1x P1xxxxxxx oder die t1x B3xxxxx tätig.

Gegen den dem Betriebsrat am 08.07.2005 zugestellten Beschluss hat dieser am 02.08.2005 Beschwerde eingelegt und sie am 08.09.2005 begründet.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, der Betriebszweck beider Unternehmen sei identisch. Als maßgeblicher Leitungsapparat im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung sei die Stiftung mit ihrem verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden T2xx anzusehen. Sie sei für die Personalaufgaben des gesamten Bildungsverbundes mit den beiden beteiligten Bildungsgesellschaften zuständig. Dort lagerten alle dafür wesentlichen Unterlagen. Es habe bis zuletzt ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz stattgefunden, z. B. in den Fällen G4xxxx, H1xxxxxxxx, G5xxx und K4xxx.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.06.2005 - 1 BV 13/05 - abzuändern und festzustellen, dass die Arbeitgeberinnen zu 2) und 3) an der W1xxxxxxxxxx S1xxxx 12 in P1xxxxxxx einen gemeinsamen Betrieb führen.

Die Arbeitgeberinnen zu 2) und 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weisen darauf hin, dass alle Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten ausschließlich vom jeweiligen Geschäftsführer mit den ihnen unterstellten Mitarbeitern ausgeübt würden. Es komme zu keiner abgestimmten Wahrnehmung der geschilderten Kompetenzen - auch nicht über die am Verfahren gar nicht beteiligte Stiftung. Wenn überhaupt, fänden lediglich gemeinsame Übungen im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen statt, wobei die t1x P1xxxxxxx vornehmlich die überbetriebliche handwerkliche Ausbildung sowie die Meistervorbereitung bediene, während sich die t1x B3xxxxx überwiegend dem äußerst intensiven Preiswettbewerb der überregionalen Ausschreibung stelle.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag, gerichtet auf die Feststellung, die t1x P1xxxxxxx und t1x B3xxxxx führten an der W1xxxxxxxxxx S1xxxx 12 in P1xxxxxxx einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG, abgewiesen.

Nach der zu folgenden gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt z.B. AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 8, 12, 22, 23; AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15; DB 2005, 1914; zustimmend z. B. Fitting, 23. Auflage, § 1 Rdnr. 58 f. m.w.N.) ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern unter Einsatz sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dabei kann auch ein Betrieb von mehreren Arbeitgebern gemeinsam geführt werden (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BetrVG). Dies bedingt, dass die beteiligten Unternehmen auf der Basis einer zumindest stillschweigend erfolgten rechtlichen Verbindung zu einer gemeinsamen Führung die in einer Betriebsstätte vorhandenen Betriebsmittel materieller und immaterieller Art zusammengefasst, geordnet und gezielt einsetzen. Dabei muss der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden, wobei sich die institutionalisierte Leitung vor allem auf die wesentlichen arbeitgeberseitigen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken muss. So wird dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung getragen, einen Betriebsrat dort zu errichten, wo arbeitgeberseits die Entscheidungen in beteiligungsrelevanten Bereichen fallen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, führen die t1x P1xxxxxxx und die t1x B3xxxxx aufgrund der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung am 17.11.2006 bestandenen Leitungsstrukturen keinen gemeinsamen Betrieb. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass beide genannten Unternehmen einen einheitlichen Leitungsapparat unterhalten, der die wesentlichen arbeitgeberseitigen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten umfasst.

So hat zum Beispiel der Betriebsratsvorsitzende in der letzten Anhörung erklärt, seine Ansprechpartner in beteiligungsrechtlichen Fragen seien bei der t1x P1xxxxxxx der alleinige Geschäftsführer T2xx und der Leiter M4xxx. Dazu passt, dass die Personalakten der dort beschäftigten Mitarbeiter bei deren Verwaltungsleiterin geführt werden. Üblicherweise werden diese Unterlagen nämlich dort vorgehalten, wo auch die maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen werden, während "bloße Serviceleistungen" an Dritte vergeben werden können, wie hier die Personalabrechnung an die Stiftung (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 22).

Dem steht eine selbständige Organisationsstruktur auf Seiten der t1x B3xxxxx gegenüber, ohne dass sich ausreichende Anhaltspunkte für eine enge Verzahnung in den Bereichen personeller und sozialer Angelegenheiten ergibt. Im Gegenteil nimmt der dortige Geschäftsführer A2xxxxxx gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG mit seinen Beschäftigten vor Ort und den Leitern der nunmehr fünf regionalen Zentren für die aktuell insgesamt 120 Beschäftigten unter Verwendung der beim alleinigen Geschäftsführer geführten Personalakten alle wesentlichen Maßnahmen personeller und sozialer Art selbständig vor, ohne dabei auf eine von der Stiftung bzw. den Stiftungsvorstandsvorsitzenden T2xx ausgehende koordinierende Leitungsmacht zurückzugreifen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im letzten Schriftsatz des Betriebsrates vom 29.03.2006 aufgeführten Fällen. So kann zum Beispiel aus der Tatsache, dass die Arbeitnehmer G4xxxx und H1xxxxxxxx der t1x P1xxxxxxx im Dezember 2005 noch bestimmte Aufgaben erledigten, bevor ab dem 01.01.2006 ein Trägerwechsel auf die t1x B3xxxxx vonstatten ging, keinerlei Rückschluss auf einen im Personaleinsatz koordinierend tätig werdenden Leitungsapparat gezogen werden. Entsprechendes gilt für die Tätigkeiten der bei der t1x B3xxxxx angestellten Beschäftigten G5xxx und K4xxx sowie alle sonstigen im Schriftsatz vom 29.03.2006, Seite 4 f., aufgelisteten Fälle. Namentlich führt eine zugunsten des Betriebsrates unterstellte gemeinsame Nutzung von im Eigentum der Stiftung stehenden Räumlichkeiten, von Material und von Ausstattung nicht dazu, dass die von beiden Unternehmen eingesetzten Mitarbeiter von einer einheitlichen Leitungsmacht geführt werden. Es ist nämlich nichts besonderes, dass bei einem Projekt Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen absprachegemäß gemeinsam zum Einsatz kommen können, ohne dass dadurch schon ein für einen gemeinsamen Betrieb erforderlicher einheitlicher Leitungsapparat entsteht.

Das gilt auch für die Tatsache, dass beide Unternehmen in einem einheitlichen Gebäudekomplex an der W1xxxxxxxxxx S1xxxx 12 in P1xxxxxxx untergebracht sind (vgl. BAG, a.a.O.).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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