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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.10.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 70/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1
BetrVG § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.11.2004 - 1 (10) BV 138/03 - teilweise abgeändert.

Die Anträge, die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsrat von den Kosten für die Seminarteilnahme des Betriebsratsmitglieds I1x D2x-xxxxxx gegenüber den Rechtsanwälten T1xxxx & S2xxxxxx in Höhe von 939,50 Euro freizustellen und dem Betriebsratsmitglied I1x D2xxxxxx Reisekosten in Höhe von 72,83 € zu erstatten, werden auch abgewiesen.

Gründe: A. Die Beteiligten streiten um die Freistellung bzw. um die Erstattung von Kosten für eine Schulungsveranstaltung. Bei der Arbeitgeberin, einen Luftfahrtunternehmen, besteht für den Bodenbetrieb in D3xx-xxxx ein Betriebsrat, der das vorliegende Verfahren eingeleitet hat. Die Beteiligte D2x-xxxxxxxx ist seit dem 04.02.2000 Betriebsratsmitglied und hat im Jahre 2001 den Betriebsratsvorsitz übernommen; seit dem 15.01.2003 ist sie auch Mitglied des Gesamtbetriebsrats für als Bodenbetriebe und fungiert seit dem 04.02.2003 als dessen Vorsitzende. Vom 04.12.2000 bis zum 26.05.2003 gehörte sie auch dem Wirtschaftsausschuss an. Der ebenfalls Beteiligte K3xxxxxx ist seit dem Jahr 2002 Mitglied des Betriebsrats. Beide Beteiligten haben in der Vergangenheit Schulungen zum Betriebsverfassungsrecht besucht. Am 19.02.2003 beschloss der Betriebsrat die Teilnahme der beiden genannten Mitglieder an einer Schulungsveranstaltung der Anwaltkanzlei T1xxxx vom 30.06. bis zum 04.07.2003 am T2xxxxxxx. Nach der schriftlichen Ankündigung des Veranstalters handelte es sich um eine Betriebsräteschulung "Grundkenntnisse im Arbeitsrecht"; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 23.09.2003 eingereichte Kopie (Bl. 6. d. A.). Laut Teilnahmezertifikat vom 04.07.2003, auf dessen Inhalt als Anlage zum Antragsschriftsatz vom 23.09.2003 ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 14 d.A.), ist es um "Aktuelle Rechtsprechung zum Arbeitsrecht" gegangen. Es gibt zu der Veranstaltung weiterhin ein Skript mit den Teilnehmerunterlagen, auf dessen Inhalt als Anlage zum Schriftsatz des Betriebsrats vom 07.09.2004 ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 57 bis 92 d. A.). In der Folgezeit machten die Rechtsanwälte T1xxxx & S2xxxxxx gegenüber dem Betriebsrat Seminarkosten in einer Gesamthöhe von 3.136,50 € geltend, und zwar Seminargebühren in Höhe von 1.620,00 € (2 x 810,00 €) zzgl. 16 Prozent Mehrwertsteuer, 1.243,40 € ( 2 x 621,70 €) Hotelkosten sowie 13,90 € für Gesetzestexte. Die Arbeitgeberin lehnte die Begleichung dieser Kosten ab - ebenso wie die Erstattung von Reisekosten für die Beteiligte D2xxxxxxxx in Höhe von 72,83 € (Bl. 11 d. A.) und für den Beteiligten K3xxxxxx in Höhe von 257,68 € (Bl. 12 f. d. A.). Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Seminar habe den beiden Mitgliedern ausweislich der vorliegenden Unterlagen erforderliche Grundkenntnisse im Arbeitsrecht vermittelt. Der Betriebsrat hat beantragt, 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller von den Kosten für die Seminarteilnahme der Betriebsratsmitglieder I1x D2xxxxxxxxx und U1x K3xxxxxx gegenüber Herrn Rechtsanwalt T1xxxx in Höhe 3.136,50 Euro freizustellen. 2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Betriebsratsvorsitzenden I1x D2xxxxxxxxx Reisekosten in Höhe von 72,83 € und dem Betriebsratsmitglied U1x K3xxxxxx Reisekosten in Höhe von 257,68 € zu erstatten. Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der Einladung keine allgemeine Einführung in das Arbeitsrecht stattgefunden habe. Vielmehr seien konkrete Situationen angesprochen worden, die überhaupt nicht auf den eigenen Betrieb zutreffen würden, so z. B. Fragen des Arbeitsentgeltes unter besonderer Berücksichtigung von Betrieben ohne Tarifbindung. Beim Direktionsrecht seien Versetzungen angesprochen worden, die schon in Betriebsratsseminaren behandelt worden seien, an denen die Betroffenen teilgenommen hätten. Arbeitnehmerhaftung und Mobbing seien klare Spezialthemen ohne aktuelle Erforderlichkeit. Im Übrigen benötige die Betriebsratsvorsitzende angesichts der Dauer und Qualität ihrer bisherigen Betriebsratsarbeit keine Einführung in das Arbeitsrecht mehr. Letztlich seien auch die angefallenen Kosten unverhältnismäßig. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.11.2004 den Anträgen in Höhe der Seminargebühren und der geltend gemachten Reisekosten stattgeben; im Übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, in der Veranstaltung seien tatsächlich Grundkenntnisse des Arbeitsrechts vermittelt worden, wie sich der Ankündigung und den eingereichten Schulungsunterlagen entnehmen lasse. Für das erstmals gewählte Betriebsratsmitglied K3xxxxxx sei die Vermittlung dieses Basiswissens ohne weiteres erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit sei auch im Falle der Betriebsratsvorsitzenden D2xxxxxxxxx zu bejahen, da sie noch keine komplette Wahlperiode im Amt gewesen und nicht erkennbar sei, dass sie in der Vergangenheit vertiefte Kenntnisse im Arbeitsrecht erworben hätte. Die angefallenen Hotelkosten seien hingegen nicht erforderlich gewesen, weil man ein insoweit preiswerteres Seminar in der Nähe hätte besuchen können. Gegen diesen ihm am 29.03.2005 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 28.04.2005 Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 30.06.2005 - am 29.06.2005 begründet. Demgegenüber hat der Betriebsrat die von ihm eingelegte Beschwerde in der mündlichen Anhörung am 21.10.2005 zurückgenommen. Die Arbeitgeberin streicht heraus, dass es nach Vorlage der Seminarthemenliste in der Veranstaltung nicht um Grundkenntnisse des Arbeitsrechts gegangen sei. Vielmehr habe man durchweg nur spezielle Themen behandelt, wie sich aus dem Zertifikat ergebe; dass der insoweit gewählte Titel irrtümlich gewählt worden sei, müsse bestritten werden. Davon abgesehen müsse im Falle der Beteiligten D2xxxxxxxx in jedem Fall von einer fehlenden Erforderlichkeit ausgegangen werden. Sie sei nämlich im maßgeblichen Zeitpunkt fast 31/2 Jahre im Betriebsrat gewesen, so dass aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse keine Grundschulung zum Arbeitsrecht mehr erforderlich gewesen sei. In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass - unstreitig - der D1xxxxxxxx Betriebsrat im Jahre 2002 noch rund 600 Bodenmitarbeiter zu vertreten hatte; in der Folgezeit kam es zu Betriebsänderungen mit einer Vielzahl von Kündigungen, so dass die heutige Belegschaftszahl noch bei rund 300 liegt. Die speziell auch dadurch gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen führten dazu, die Erforderlichkeit abzulehnen. Die Arbeitgeberin beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.11.2004 - 1 (10) BV 138/03 - teilweise abzuändern und den Antrag des Betriebsrats insgesamt abzuweisen. Der Betriebsrat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er weist unter anderem darauf hin, dass die Beteiligte D2xxxxxxx zu keiner Zeit die Möglichkeit gehabt habe, sich die Grundlagen des Arbeitsrechts anzueignen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen. B. Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin war hinsichtlich der für die Beteiligte D2x-xxxxxxxx geltend gemachten Seminarkosten in Höhe von 939,50 € (Hälfte der erstinstanzlich zugesprochenen 1.879,00 €) und der Reisekosten in Höhe von 72,83 € zur Entscheidung reif, so dass ein Teilbeschluss zu erlassen war (§ 301 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das Rechtsmittel ist insoweit begründet. Es besteht weder beim Betriebsrat noch bei der Beteiligten D2xxxxxxxxx ein aus § 40 Abs. 1 BetrVG ableitbarer Anspruch auf Freistellung bzw. Erstattung von Kosten, die durch die Teilnahme der Betriebsratsvorsitzenden an dem von der Anwaltskanzlei T1xxxx in der Zeit vom 30.06. bis zum 04.07.2003 am T2xxxxxxx veranstalteten Seminar entstanden sind. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG liegen nämlich insoweit nicht vor. Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136, 106, 67) ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten nur dann im Sinne des § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit Letzterer seine derzeitigen und demnächst anfallenden Aufgaben ordnungsgemäß erledigen kann. Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben gerade die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich macht, ist abzustellen auf die aktuellen Verhältnisse im jeweiligen Betrieb und zu prüfen, ob dort Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats und seiner Aufgabenverteilung eine Schulung gerade dieses Betriebsratsmitgliedes geboten erscheint (BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106). Einer solchen näheren Darlegung der Erforderlichkeit der aktuellen Schulungsmaßnahme bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen namentlich im Betriebsverfassungsrecht und dem allgemeinen Arbeitsrecht für erstmals fungierende Betriebsratsmitglieder handelt (BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35, 54, 58, 67, 113, 136 sowie § 40 Nr. 57). Denn Grundlagenwissen in den genannten Bereichen ist ein unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit. In dieser Konstellation kann es aber aus der Sicht eines vernünftigen Dritten im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats bei Abwägung der betrieblichen Interessen einerseits und der Arbeitnehmerinteressen andererseits an der Erforderlichkeit einer (weiteren) Informationsvermittlung mangeln, wenn bei dem betroffenen Betriebsratsmitglied einschlägige Vorkenntnisse gegeben sind (BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58). Dazu gehört namentlich das durch einen langjährige Amtstätigkeit erworbene Erfahrungswissen. Daher wird im Regelfall die Entsendung eines bereits längere Zeit dem Betriebsrat angehörenden Mitglieds zu einer Grundlagenschulung im Arbeitsrecht nicht (mehr) erforderlich sein. Nach diesen Grundsätzen durfte hier der Betriebsrat im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums die Schulung der Betriebsratsvorsitzenden D2xxxxxxxxx Mitte des Jahres 2003 nicht mehr für erforderlich halten. In dem Zusammenhang soll trotz der inhaltlich nicht unerheblichen Differenzen namentlich zwischen der Seminarankündigung einerseits und des eingereichten Skriptinhalts andererseits zugunsten des Betriebsrats davon ausgegangen werden, dass es sich zumindest überwiegend um eine Wochenschulung zu Grundkenntnissen des Arbeitsrechts gehandelt hat. Die beschlossene Entsendung der Betriebsratsvorsitzenden zu dieser Veranstaltung ist aber nicht mehr von § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG gedeckt. Denn im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats gehörte die Beteiligte D2xxxxxxxxx bereits mehr als 3 Jahre und zu Beginn der Schulung weitere knapp 5 Monate dem Betriebsrat an, konnte also für die Zeitdauer fast einer Wahlperiode von jetzt 4 Jahren (§ 13 Abs. 1 S. 1 BetrVG) ausreichend Erfahrungswissen unter anderem im Arbeitsrecht erwerben. Nimmt man ihre zusätzlichen Funktionen besonders als Betriebsratsvorsitzende, aber auch als Gesamtbetriebsratsmitglied und Gesamtbetriebsratsvorsitzende sowie zeitweilig auch als Mitglied des Wirtschaftsausschusses hinzu, kann bei Unterstellung einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung dieser Ämter davon ausgegangen werden, dass sie im Laufe der Jahre, beginnend mit den Rechtsquellen des Arbeitsrechts über die Anbahnung bis zum Abschluss und die Durchführung von Arbeitsverhältnissen einschließlich Fragen des Direktionsrechts, des Entgelts, des Urlaubs, der Gleichbehandlung, des Mobbings und der Arbeitnehmerhaftung (siehe die 36seitigen Seminarunterlagen), Kenntnisse erlangt hat, die ausreichen, um auch die nach dem 04.07.2003 angefallenen Arbeiten sachgerecht erledigen zu können. Entgegen stehende Anhaltspunkte, die darauf hindeuten könnten, dass sie keine entsprechenden Erfahrungen sammeln konnte, sind hier nicht ersichtlich, z. B. ein längerer Ausfall während ihrer knapp 31/2-jährigen Betriebsratstätigkeit (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58). Im Übrigen darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass ausweislich des Themenkatalogs besprochene Fragen, z. B. Betriebsvereinbarungen, § 80 BetrVG, Personalfragebogen bei der Einstellung, Versetzung, Urlaub unter dem Gesichtspunkt des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, die Interessenvertretung von Frauen nach dem BetrVG sowie andere Beteiligungsrechte des Betriebsrats und deren Durchsetzung schon bei den Schulungen zum Betriebsverfassungsrecht behandelt worden sein müssen, an der die Beteiligte D2xxxxxxxxx unstreitig teilgenommen hat. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

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