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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 14 Sa 1075/03
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 25
Keine Haftung nach § 25 HGB, wenn der Sohn die vom Vater aufgegebene Gaststätte neu anpachtet und dabei den Gaststättennamen ändert.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.06.2003 - 5 Ca 3989/02 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten als Firmennachfolger seines Vaters in Anspruch.

Der Kläger war seit 1980 als angelernter Koch in der Schank- und Speisewirtschaft "B2x M1xxxxx" in H1xxx tätig. Dieses Lokal wurde zuletzt vom Vater des Beklagten S5xxxxxxx D1 D2xx betrieben. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger endete am 31.12.2000. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Lohnrückstände von mehreren 10.000,-- DM angehäuft. Der Kläger und S5xxxxxxx D1 D2xx schlossen vor dem Arbeitsgericht Herne in dem Verfahren 5 Ca 4380/00 am 23.02.2001 einen Vergleich dahingehend, dass der damalige Beklagte, also der Vater des jetzigen Beklagten, ein rückständiges Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 30.000,-- DM an den Kläger in Raten zu zahlen habe. Der Vater des Beklagten blieb jedoch auch mit der Ratenzahlung rückständig. Es stehen derzeit noch 9.290,93 EUR zugunsten des Klägers offen.

Der Schuldner stellte zum 01.03.2002 den Gaststättenbetrieb ein und meldete sein Gewerbe ab. Ferner gab er eine Offenbarungsversicherung ab.

Mit Pachtvertrag vom 26.03.2002 übernahm zum 01.04.2002 der jetzige Beklagte die Gaststätte. Diesem war es vertraglich untersagt, den bisherigen Gaststättennamen weiterzuführen. Das Lokal nennt sich jetzt "D3 P1xx".

Der Kläger möchte nunmehr die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 23.02.2001 gegen den Beklagten als Firmenübernehmer des bisherigen Schuldners betreiben und hat daher am 13.11.2002 die vorliegende Klauselklage nach § 731 ZPO bei dem Arbeitgericht Herne erhoben. Er hat vorgetragen, dass der Beklagte die Schank- und Speisewirtschaft seines Vaters unverändert weiterführe. Der Familienname des Inhabers sei der gleiche geblieben, sodass auch nach außen hin eine Kontinuität des Geschäftsbetriebes dokumentiert werde. Bei der Kundschaft sei der Wechsel der Inhaberschaft kaum wahrgenommen worden, zumal Personal, Betriebsräume und Telefonnummer die gleichen geblieben seien.

Der Kläger hat beantragt,

durch Versäumnisurteil festzustellen, dass der Beklagte Rechtsnachfolger des S5xxxxxxx D1 D2xx für die durch rechtskräftigen Vergleich in der Sache des Klägers gegen S5xxxxxxx D1 D2xx vom 23. Februar 2001, Aktenzeichen: 5 Ca 4380/00, titulierte Forderung ist und dem Kläger entsprechende Vollstreckungsklausel zur Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu erteilen ist.

Im Kammertermin vom 04.06.2003 ist der Beklagte säumig geblieben. Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu erlassen. Das Arbeitsgericht Herne hat jedoch durch Urteil vom 04.06.2003 die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Klage nicht schlüssig sei, weshalb dem Kläger ein Versäumnisurteil versagt bleiben müsse. Denn nach dem Vortrag des Klägers ergebe sich zu seinen Gunsten keine Haftung nach § 25 HGB. Der Kläger habe nämlich schon nicht darlegen können, dass die Führung der Gaststätte einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Des Weiteren liege auch keine Firmenfortführung vor, weil der Inhabername gewechselt habe. Es reiche nicht, dass der Nachname des Inhabers nach wie vor "D1 D2xx" laute. Auch der Gaststättenname habe sich geändert.

Wegen der Ausführungen des Arbeitgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 17.06.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2003 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach gerichtlicher Fristverlängerung am 15.09.2003 begründet.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe die Vorschrift des § 25 HGB verkannt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts setze die Haftung nach § 25 HGB nicht einen vollkaufmännischen Gewerbebetrieb voraus. Im Übrigen werde nach § 1 Abs. 2 HGB die Kaufmannseigenschaft beim Betrieb eines Gewerbes vermutet.

Des Weiteren sei auch von einer Firmenfortführung auszugehen. Denn der Firmenkern, also der Nachname des Inhabers, sei nach der Übernahme des Betriebes durch den Beklagten derselbe geblieben. Die unterschiedlichen Vornamen seien für das infrage kommende Publikum unwesentlich. Für Kunden und Lieferanten des Lokals sei praktisch alles beim Alten geblieben.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinem Sachantrag erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend, wobei er hervorhebt, dass der Beklagte das Lokal nur als Unterpächter betreibe. Die Verpächterin, nämlich die D1 D2xx GmbH & Co. KG, habe den Betrieb ihrerseits von einem Kleingartenverein gepachtet. Von erheblicher Bedeutung sei auch, dass der Gaststättenname "B2x M1xxxxx" nicht fortgeführt worden sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Mit Recht hat das Arbeitsgericht die vom Kläger erhobene Klauselklage als unschlüssig angesehen und deshalb das beantragte Versäumnisurteil verweigert. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Klage ist nach § 731 ZPO zulässig, weil der Kläger die Firmennachfolge gemäß § 729 Abs. 2 ZPO nicht in der nach § 727 ZPO notwendigen Weise nachweisen kann und deshalb die Erstreckung der Vollstreckungsklausel vom bisherigen Schuldner auf den Beklagten ohne eine entsprechende Feststellungsklage nicht erreichen kann.

2. Der Beklagte ist nicht Firmennachfolger im Sinne von § 729 Abs. 2 ZPO: Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB kommt nicht zur Anwendung.

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Beklagte ein Handelsgewerbe, welches vorher vom Schuldner (seinem Vater) betrieben wurde, fortführt.

Nach der Neufassung des § 1 HGB durch die HGB-Reform von 1998 war der Schuldner und ist der Beklagte Kaufmann, weil mit der Gaststätte ein Gewerbetrieb unterhalten wurde. Dafür, dass es sich um ein Kleingewerbe im Sinne von § 1 Abs. 2 HGB handelte, welches nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte, hat weder der Kläger noch der Beklagte etwas vorgetragen.

Es handelte sich auch um eine Fortführung des Handelsgewerbes, weil in der kurzfristigen Unterbrechung zwischen der Abmeldung des Gewerbetriebes durch den Schuldner Anfang März 2002 und der Wiederaufnahme des Betriebes Anfang April 2002 kein wesentlicher Zeitraum lag. Die Zeitspanne entspricht etwa einem normalen Urlaub.

3. Mit der Wiederaufnahme des Gaststättenbetriebes in den gleichen Räumen, mit der gleichen Belegschaft und ähnlichem Speisenangebot war aber keine Firmenfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB verbunden. Denn die "Firma" als äußeres Kennzeichen des Kontinuitätswillens änderte sich. Ein Einzelkaufmann führt nämlich in der Regel als Firma seinen Familiennamen mit dem ausgeschriebenen Vornamen (vgl. § 18 Abs. 1 HGB). Der Vorname war hier schon deshalb wesentlich, weil er zur Unterscheidungskraft erforderlich war. Dies deshalb, weil es in der Region offensichtlich eine Großfamilie "D1 D2xx" gibt, sodass bei dem in der Region verbreiteten Familiennamen keine hinreichende Unterscheidungskraft durch den Nachnamen allein erreicht werden konnte. Dabei genügt der Hinweis, dass allein in den vorliegenden Streitstoff vier Personen mit dem Nachnamen "D1 D2xx" involviert sind. Dazu gehören der Kläger, der Schuldner, der Beklagte und die Verpächterin (M1xxxxx D1 D2xx GmbH & Co. KG).

Für die Kontinuität eines Gaststättenbetriebes ist aber neben der Fortführung des Inhabernamens als Firma auch die Beibehaltung des Gaststättennamens durchaus wesentlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gaststätte in denselben Räumen wie bisher betrieben wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.1998 in NJW-RR 1998, 965).

Im vorliegenden Fall änderte sich sowohl die Firma des Speiselokals, weil nicht mehr "S5xxxxxxx D1 D2xx", sondern "G1xxxxxx D1 D2xx" als Inhaber auftrat und der Name des Lokals sich von "B2x M1xxxxx" in "D3 P1xx" wandelte. Bei diesem Wechsel der prägenden Teile der Inhaber- sowie der Gaststättenbezeichnung geht das Publikum nicht mehr von der in § 25 Abs. 1 HGB geforderten Kontinuität des Handelsgewerbes aus.

4. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob auch sonst der gesetzliche Haftungsübergang eintrat. Insbesondere, ob überhaupt eine Kontinuität der zur Zwangsvollstreckung geeigneten Vermögensmasse vorlag. Denn wenn nämlich schon eine Zwangsvollstreckung in das Handelsgewerbe vor dessen Abmeldung durch den Schuldner erfolglos geblieben war, kann nicht der Beklagte mit seinem im April 2002 eröffneten Betrieb in Haftung genommen werden.

Des Weiteren braucht auch nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob es für die Haftung nach § 25 HGB ausreicht, dass der Schuldner das Pachtverhältnis bezüglich der Gaststätte beendete und der Beklagte mit dem Verpächter einen neuen Vertrag abschloss, sodass ein unmittelbarer Erwerb zwischen dem Schuldner und dem Beklagten gar nicht vorlag, was gleichfalls als Kontinuitätsstörung angesehen werden könnte.

5. Da nach alledem das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg haben konnte, waren ihm die Kosten der Berufung gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen. Der Streitwert hat sich gegenüber der Vorinstanz nicht geändert. Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären waren (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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