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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 14 Sa 1420/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer für eine Auslandstätigkeit einstellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diesen auf eine im Einsatzland bestehende Steuerpflichtigkeit der Arbeitsvergütung hinzuweisen.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14. Juni 2007 (1 Ca 323/06) wird auf seine Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten auf Schadensersatz.

Der Kläger war vom 15. April 2001 bis 30. November 2006 als Reisetechniker für das Bekleidungsunternehmen der Beklagten tätig. Die Bruttovergütung betrug zuletzt 3.568,00 € monatlich. Grundlage war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 5. März 2001 (Bl. 20 f. d. A.), in dem es auszugsweise heißt:

1. "Herr O1 wird von der Firma W1 GmbH ab 01.07.2001 oder früher als Reisetechniker eingestellt. Das Aufgabengebiet umfasst die Qualitätskontrolle und die Steuerung der Produktion in Produktionsbetrieben im In- und Ausland. Die W1 GmbH behält sich vor, Herrn O1 seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechend auch anderweitig einzusetzen.

2. Für seine Tätigkeit erhält Herr O1 ein monatliches, außertarifliches Bruttogehalt in Höhe von DM 6.500,00. Für Auslandseinsätze erhält Herr O1 eine zusätzliche kalendertägliche Auslandszulage in Höhe von DM 50,00 zuzüglich Erstattung von Reisekosten und Übernachtungskosten gemäß den Reisekostenrichtlinien der Firma W1 GmbH (z.Zt. täglich Verpflegung DM 48,00, Übernachtung DM 100,00). Notwendige Mehrarbeit ist durch diese Bezüge bereits abgegolten.

Der Auslandseinsatz erfolgt jeweils für 2 Wochen, Anreisetag ist jeweils der Montag, Rückreisetag ist jeweils der Freitag. Die Wahl der Verkehrsmittel (Flugzeug, Bahn oder PKW) wird saisonabhängig wetterbedingt festgelegt."

Die Tätigkeit des Klägers bestand überwiegend darin, in einer der Produktionsstätten der Beklagten in Tschechien für den technisch einwandfreien Ablauf der Produktion Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck musste sich der Kläger praktisch ganzjährig in Tschechien aufhalten. In den Jahren 2002 und 2003 führte die Beklagte die Lohnsteuer an das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Finanzamt O2-L1 ab. Es bestand für den Kläger jedoch Steuerpflicht in Tschechien, weil er sich in diesen Jahren mehr als 183 Tage beruflich dort aufhielt. Eine Freistellungsbescheinigung vom 11. November 2003 aufgrund des mit Tschechien bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens ging bei der Beklagten erst deutlich später ein. Der Antrag datierte vom 16. Mai 2003 und war durch die von dem Kläger beauftragte Sozietät P1 & P1, Vereidigter Buchprüfer Steuerberater-Rechtsanwalt, in H1 gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Antrags und der Freistellungsbescheinigung (Bl. 22 f. d. A.) Bezug genommen. Es erfolgte für 2002 und 2003 eine Nachversteuerung in Tschechien, die von der Beklagten abgeführte Lohnsteuer wurde an den Kläger erstattet.

Der Kläger hat behauptet, dass er wegen der Nichtabführung der Lohnsteuer in den Jahren 2002 und 2003 eine Strafe in Höhe von 8.599,71 € an die tschechischen Steuerbehörden zu leisten habe. Diese Strafe sei entstanden, weil die Beklagte die ihm gegenüber zu beachtende Fürsorgepflicht verletzt habe. Er sei davon ausgegangen, wegen der Abführung der Lohnsteuer in den Jahren 2002 und 2003 in Deutschland sei eine Steuerpflicht in Tschechien mitgeregelt gewesen. Die Beklagte hätte die fällige Steuerschuld nicht an das Finanzamt abführen dürfen, sondern entweder den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er die Lohnsteuer an die tschechische Finanzverwaltung abzuführen habe, oder aber selbst unmittelbar die Abführung dieser Beträge vornehmen müssen. Da er täglich mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müsse, sei die Beklagte bereits jetzt zur Zahlung verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die staatliche Finanzbehörde in P2 (Tschechien) 241.565 CZK (entsprechend 8.599,71 €) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass entsprechende Steuerstrafbescheide der tschechischen Behörden vorliegen. Zudem habe sie bei und auch nach Aufnahme der Beschäftigung den Kläger darüber informiert, dass er bei mehr als 183 Tagen Tätigkeit in Tschechien steuerpflichtig sei. Darüber hinaus sei die Beklagte weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet gewesen, den Kläger hierauf hinzuweisen. Es bestehe keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor Vermögensnachteilen zu bewahren oder eine allgemeine Rechtsberatung vorzunehmen. Mangels Vorlage der Freistellungsbescheinigung sei die Beklagte zur Abführung der Lohnsteuern an das Finanzamt verpflichtet gewesen. Im Übrigen sei der Kläger spätestens ab Mitte 2003 steuerlich beraten gewesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14. Juni 2007 die Klage abgewiesen, weil eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliege. Gegen das am 20. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juni 2007 Berufung eingelegt und diese mit der am 3. August 2007 eingegangenen Berufungsbegründung begründet.

Der Kläger hält weiterhin eine Pflichtverletzung der Beklagten für gegeben. Die Beklagte habe ihn nicht auf die in Tschechien bestehende Steuerpflicht hingewiesen. Sie schicke eine Vielzahl von Mitarbeitern zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ins Ausland, wo diese überwiegend mehrere Jahre blieben. Diese Mitarbeiter gehörten zumeist technischen Berufen an, die in rechtlichen und steuerlichen Fragen unerfahren seien. Da der Einsatz dieser Mitarbeiter im Ausland in den dort betriebenen Produktionsstätten im Interesse der Beklagten liege, bestünden besondere Umstände, diesen Mitarbeitern auch Schutz zukommen zu lassen. Die Beklagte verfüge über eigenes fachkundiges Personal in ihrer Personalabteilung, sodass ein solcher Hinweis zum Beispiel in Form eines Merkblattes möglich und zumutbar sei. Darüber hinaus habe sie nicht nur den Hinweis unterlassen, sondern durch die Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt Signale dafür gesetzt, dass die Steuerfragen korrekt von ihr behandelt werden. Die Beklagte habe die Pflicht gehabt, den Kläger auf die lohnsteuerliche Problematik seines Auslandsaufenthalts hinzuweisen und nicht durch die Abführung der Lohnsteuer in Deutschland in Sicherheit zu wiegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14. Juni 2007 (1 Ca 3231/06) abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Zahlung einer Strafe in Höhe von 251.565,00 CZK (entsprechend 8.599,71 €) freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bestreitet weiterhin mit Nichtwissen, dass der Kläger zu einer Steuerstrafe verurteilt worden ist. Im Übrigen liege eine Pflichtverletzung nicht vor. Der Kläger habe sich von Anfang an selbst in die Versteuerung seiner Einkünfte in Tschechien kümmern müssen. Der Kläger sei auch nicht unerfahren in steuerlichen Fragen, weil er bereits vor seiner Tätigkeit als Reisetechniker in Rumänien und Bulgarien gearbeitet habe. Die Beklagte verfüge auch nicht über überlegene Sachkunde. Darüber hinaus sei ein Hinweis auf die Steuerpflichtigkeit erfolgt. Die Abführung der Lohnsteuer sei steuerlich korrekt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 11. Dezember 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthafte und gemäß § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sowie fristgerecht und ordnungsgemäß begründete Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Pflicht gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte war nicht verpflichtet, ihn darüber aufzuklären, dass seine Tätigkeit am Einsatzort in Tschechien steuerpflichtig war bzw. sein konnte.

1. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann jedes Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil die Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Danach können auch vertragliche Hinweis- und Aufklärungspflichten bestehen, deren Voraussetzungen und Umfang sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Sie beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Danach hat jeder Vertragspartner grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen, wobei die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits stets zu beachten sind (vgl. BAG, Urt. v. 12. Dezember 2002 - 8 AZR 497/01 = AP Nr. 25 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers; Urt. v. 29. September 2005 - 8 AZR 571/04 = AP Nr. 2 zu § 2 SGB III). In der Regel muss sich der Arbeitnehmer, bevor er eine Vereinbarung in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis abschließt, über die Folgen einer solchen Vereinbarung Klarheit verschaffen (vgl. BAG, Urt. v. 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 = AP Nr. 4 zu § 3 ATG). Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze an dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners (vgl. BAG Urt. v. 13. November 1984 - 3 AZR 255/84 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund seiner überlegenden Sachkunde ohne Weiteres zu entsprechenden Auskünften in der Lage und der Arbeitnehmer zur sachgerechten Entscheidung erkennbar nur nach entsprechender Aufklärung im Stande ist, kann eine Aufklärungs- und Beratungspflicht bestehen (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 4. September 1995 - 16 Sa 215/9 = NZA 1996, S. 482 <483>). Eine aus § 242 BGB abgeleitete gesteigerte Aufklärungspflicht des Arbeitgebers besteht z. B. im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, wenn Aufhebungsverträge auf Veranlassung des Arbeitgebers zustande kommen und den Eindruck erweckt, dass auch die Interessen des Arbeitnehmers hinsichtlich eines etwaigen Arbeitslosengeldbezugs gewahrt werden (vgl. BAG, Urt. v. 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 = AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Urt. v. 12. Dezember 2002, a. a. O; Urt. 22. April 2004 - 2 AZR 281/03 = AP Nr. 27 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag).

Andererseits lässt sich dem geltenden Recht nicht entnehmen, dass der Arbeitgeber umfassend die Aufgaben eines Sachwalters der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers zu übernehmen hat. Dadurch würde der Arbeitgeber überfordert (vgl. LAG Hessen, Urt. v 4. September 1995, a. a. O.). Die Verpflichtung zur Aufklärung durch den Arbeitgeber darf nicht überspannt werden, da jeder Vertragspartner für die Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen grundsätzlich selbst zu sorgen hat. Eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers besteht deshalb nur bei einem besonderen, dem Arbeitgeber erkennbaren Aufklärungsbedarf des Arbeitnehmers. Dieser kann dann vorliegen, wenn der aufklärungsbedürftige Umstand in der Sphäre des Arbeitgebers liegt. Liegen solche besonderen Umstände nicht vor, muss der Arbeitgeber nicht von einem besonderen Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ausgehen. Zudem darf die Aufklärungs- und Informationsverpflichtung keine übermäßige Belastung für den Arbeitgeber begründen. Kann sich der Arbeitnehmer die Informationen in zumutbarer Weise anderweitig verschaffen, besteht keine Unterrichtungspflicht (vgl. LAG Bremen, Urt. v. 22. März 2001 - 4 Sa 255/00 = NZA-RR 2001, 498 <501>).

Bei steuerrechtlichen Fragen ist z. B. der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen am Ende des Jahres bei der Berechnung der Einkommenssteuer aufgrund des § 32 EStG sich ergebenden Progressionsschaden zu ersetzen, der sich aufgrund der Gewährung eines Aufstockungsbetrages im Rahmen eines Altersteilzeitvertrags ergibt (vgl. LAG Bremen, a.a.O., bestätigt durch BAG, Urt. v. 18. März 2003 - 9 AZR 61/02 = ZTR 2003, S. 451; vgl. auch BAG, Urt. v. 25. Juni 2002, a. a. O.). Wird andererseits von der gewährten Vergütung keine (Lohn)Steuer einbehalten, kann für den Arbeitgeber bzw. Dienstberechtigten die Verpflichtung bestehen, den Arbeit- bzw. Dienstnehmer dahingehend aufzuklären, dass er sein Honorar selbst versteuern müsse und das für ihn zustehende Finanzamt von der Honorarzahlung verständigt werde, wenn ein besonderer Anlass zur Aufklärung besteht (vgl. BAG, Urt. v. 18. Mai 1977 - 3 AZR 263/76 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Nettolohn).

Im Zusammenhang mit Auslandeinsätzen besteht keine weitergehende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufklärung und Unterrichtung oder Hilfestellung (unklar insoweit Schliemann, BB 2001, S. 1302 <1305>). Dementsprechend ist es Sache des Arbeitnehmers, der vorübergehend für seinen Arbeitgeber im Ausland tätig wird, sich über den Umfang des Krankenversicherungsschutzes im Ausland bei seiner Krankenkasse zu informieren (vgl. LAG Hessen, a.a.O.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall bestand keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf die Steuerpflichtigkeit seiner Tätigkeit in Tschechien hinzuweisen. Schuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Arbeitnehmer ist im eigenen Interesse gehalten, sich um steuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit selbst zu kümmern. Dazu gehört bei einem Auslandseinsatz, sich über die steuerlichen Folgen entweder beim Finanzamt oder einem Steuerberater zu erkundigen. Zumindest muss er von sich aus gegenüber dem Arbeitgeber einen eventuellen Beratungsbedarf offen legen, wobei es dann dem Arbeitgeber freisteht, diesen entweder selbst zu befriedigen oder den Arbeitnehmer an geeigneten Stellen wie zum Beispiel Finanzamt oder Steuerberater zu verweisen.

Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger bei der Beklagten um eine Tätigkeit als Reisetechniker beworben. Einen besonderen Aufklärungsbedarf in steuerlichen Fragen hat er gegenüber der Beklagten nicht offenbart. Inhalt der beabsichtigten Tätigkeit des Klägers war ausweislich des Arbeitsvertrags eine Tätigkeit im Ausland. Die Steuerpflichtigkeit im Falle des Überschreitens einer bestimmten Zeitdauer durch die Auslandstätigkeit ergibt sich aus der objektiven Gesetzeslage und nicht aus der Sphäre der Beklagten. Ein besonderer Aufklärungsbedarf des Klägers musste sich der Beklagten nicht aufdrängen. Ein Arbeitgeber ist kein Steuerberater.

Richtig ist, dass die Tätigkeit des Klägers in Tschechien im Interesse der Beklagten lag. Dafür bot sie gerade die Stelle als Reisetechniker an. Über dieses bloße normale Beschäftigungsinteresse hinaus sind keine Umstände für eine gesteigerte Informationspflicht der Beklagten ersichtlich. Das Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ist nicht vergleichbar mit einem Aufhebungsvertrag, der auf Initiative des Arbeitgebers zurückgeht und bei dem dieser den Eindruck erweckt hat, er werde die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht erheblichen atypischen Risiken ohne ausreichende Aufklärung aussetzen. Dass die Beklagte darüber hinaus einen solchen Eindruck erweckt hat, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Ob die Beklagte durch ihre Personalabteilung über Mitarbeiter verfügt, die ihr eine überlegende Sachkunde in sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Fragen ermöglicht, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass ohne besonderen Anlass es dem Arbeitnehmer obliegt, sich über Inhalt und Umfang seiner Steuerpflicht selbst zu vergewissern und zwar auch dann, wenn es um eine Tätigkeit im Ausland geht. Dies gilt erst recht, wenn sich der Arbeitnehmer um eine Tätigkeit bewirbt und schließlich für sie eingestellt wird Es lag im eigenen Interesse des Klägers, sich von vornherein über die Steuerpflichtigkeit seiner Tätigkeit zu unterrichten.

3. Eine Aufklärungspflicht oder Pflichtverletzung folgt nicht daraus, dass die Beklagte in den Jahren 2002 und 2003 die Lohnsteuer an das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Finanzamt abgeführt hat. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass sie hierzu mangels Vorlage der Freistellungsbescheinigung verpflichtet war (§ 38 Abs. 2 Satz 1, § 41 a, § 42 d Abs. 1 EStG). Aus der Abführung der Lohnsteuer konnte der Kläger nicht schließen, dass damit die Frage der Steuerpflichtigkeit seiner Tätigkeit in Tschechien geklärt war. Arbeitnehmer sind unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz haben (§ 1 Abs. 1 EStG). Unbeschränkt steuerpflichtig heißt aber, dass Einkünfte der Besteuerung unabhängig davon unterliegen, ob sie im In- oder Ausland erzielt werden (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 71 Rn. 51). Der Kläger konnte den Lohnsteuerabzügen nur entnehmen, dass die Beklagte diesen Voraussetzungen genügen wollte. Eine Aussage über eine eventuelle Steuerpflichtigkeit seiner Tätigkeit in Tschechien war damit nicht verbunden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert blieb unverändert.

Das Gericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Es misst der Frage, in welchem Umfang der Arbeitgeber bei Auslandseinsätzen den Arbeitnehmer über steuerrechtliche Fragen aufzuklären hat, angesichts der bislang dazu noch nicht vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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