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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 14 Sa 1499/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 112
Zur Auslegung einer Regelung im Sozialplan, die unterschiedliche Berechnungsmethoden für die Zahlung einer Abfindung an unter und über 55-jährige Arbeitnehmer vorsieht.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 7. Juli 2007 (3 Ca 1543/07) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.057,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2006 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert bleibt unverändert.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechnung einer Sozialplanabfindung.

Der am 4. August 1946 geborene und mit einem Grad der Behinderung von 30 % einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger war vom 1. April 1964 bis 31. Juli 2006 als Bilanzbuchhalter bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Kläger nach dem Sozialplan der B2 und B3 AG vom 16. Juni 2003 (Bl. 54 ff d. A., im Folgenden: Sozialplan), der Ergänzung zum Konzernsozialplan vom 16. Juni 2003, abgeschlossen unter dem 14. November 2004 (Bl. 68 d. A., im Folgenden: Ergänzungssozialplan I) sowie dem Ergänzungs-Sozialplan vom 24. Mai 2005 (Bl. 69 ff d. A., im Folgenden: Ergänzungssozialplan II) ein Anspruch auf Abfindung zu. Die maßgebliche Bestimmung des § 8 Sozialplan lautet auszugsweise wie folgt:

8.1 Entstehung/Fälligkeit des Anspruchs

Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung entsteht mit dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bzw. des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages und ist ab diesem Zeitpunkt vererbbar.

Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs ist die rechtswirksame Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung bzw. durch den Aufhebungsvertrag.

Die Abfindung wird zum Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses fällig. Andere einzelvertragliche Regelungen zur Fälligkeit sind zulässig.

Stirbt ein/e von der Betriebsänderung betroffene/r Arbeitnehmer/in noch vor Ablauf von 12 Monaten nach seinem Ausscheiden, so erhalten die Hinterbliebenen die für den Sterbefall üblichen tariflichen bzw. betriebsüblichen Leistungen.

8.2. Abfindungshöhe

Zum Ausgleich von Härten, die sich durch den Verlust des Arbeitsplatzes für ArbeitnehmerInnen ergeben und deren Arbeitsverhältnis beendet worden ist und denen nicht ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz in der B2 und B3-Gruppe angeboten werden konnte, findet die als Anlage 1 beigefügte Punktetabelle Anwendung. Die Anlage 1 ist Bestandteil dieses Sozialplanes.

8.3 Betriebszugehörigkeit/Lebensjahre

Stichtag für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit und der Lebensjahre ist der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein angefangenes Dienstjahr wird dann als vollendet gewertet, wenn es mehr als zur Hälfte geleistet ist.

Bei allen Bestimmungen dieses Sozialplanes, die auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit Bezug nehmen, werden Ruhezeiten, insbesondere Erziehungsurlaubszeiten, mit berücksichtigt.

8.4. Berechnungsgrundlage der Abfindung

Für die anspruchsberechtigten ArbeitnehmerInnen wird zum exakten Austrittstermin ein fiktives Bruttoentgelt nach folgender Maßgabe ermittelt:

Höhe des monatlichen Bruttoentgelts der Bewertungsgruppe gemäß den zum Zeitpunkt des Ausscheidens jeweils gültigen Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrages zuzüglich gewährter Besitzstandszulagen,

zuzüglich anteiliges monatliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Tarifanspruches,

zuzüglich anteilige monatliche Jahressonderzahlung in Höhe von 50 % der jeweiligen Bewertungsgruppe.

Als Bruttoentgelt wird höchstens die höchste Bewertungsgruppe des jeweils gültigen Entgelttarifvertrages zugrunde gelegt.

Von diesem fiktiven monatlichen Gesamtbruttoentgelt wird 1/10 als Faktor zur Ermittlung der Abfindungshöhe berechnet. Der Wert des ermittelten Faktors 1/10 wird mit der ermittelten Punktezahl laut Punktetabelle multipliziert.

Für jedes unterhaltsberechtigte Kind werden zusätzliche 5 Punkte gewährt.

Schwerbehinderte und Gleichgestellte erhalten für je 10 % zusätzliche 5 Punkte.

...

8.6. ArbeitnehmerInnen, die mindestens 55 Jahre alt sind

ArbeitnehmerInnen, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens 55 Jahre alt sind, erhalten 1,5 Punkte je angefangenem Monat vom Zeitpunkt des Austrittes aus dem Unternehmen bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, an dem der/die Arbeitnehmer/in ohne Rentenminderung die gesetzliche Altersrente beziehen kann.

Die Berechnung des Abfindungsbetrages erfolgt sodann gemäß Ziffer 8.4 dieses Sozialplans.

Für diese ArbeitnehmerInnen gilt hinsichtlich der Höhe der Abfindung folgende Günstigkeitsregelung:

Sollte die Abfindung nach der Punktetabelle höher sein, erhält der/die Arbeitnehmer/in den so errechneten höheren Abfindungsbetrag.

Der Ergänzungssozialplan I verlängert die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2005 vorgesehene Geltung des Sozialplans bis zum 31. Dezember 2008. Durch den Ergänzungssozialplan II erhielt § 8.7 Sozialplan folgende Fassung:

a) Allgemeine Regelung

Arbeitnehmer/innen, die im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld I beziehen, erhalten als Abfindung 90 % "Netto-Differenzausgleich" nach folgender Maßgabe:

- Das Unternehmen gleicht die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld I - gemäß der amtlichen Leistungstabelle der Bundesagentur für Arbeit zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - und dem Nettoentgelt des/der Arbeitnehmer/in zu 90 % bis zum frühest möglichen Beginn der vorzeitigen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, Altersrente für Frauen, Altersrente für Schwerbehinderte, Altersrente für langjährig Versicherte) aus. Der Ausgleichszeitraum beträgt demnach längstens 32 Monate bei Beginn der Arbeitslosigkeit bis zum 31.01.2006 und längstens 18 Monate bei Beginn der Arbeitslosigkeit ab dem 01.02.2006.

- Das Nettoentgelt errechnet sich auf folgender Basis: Regelmäßiges monatliches Bruttoentgelt gemäß Entgelttarifvertrag zuzüglich regelmäßig gezahlter monatlicher Zulagen brutto, zuzüglich 1/12 des zusätzlichen Urlausgeldes brutto, zuzüglich 1/12 der tariflichen Jahressonderzahlung brutto.

Von dem sich aus den vorstehenden Entgeltbestandteilen ergebenden Bruttogesamtbetrag wird das fiktive Nettoentgelt unter Berücksichtigung der auf der Steuerkarte eingetragenen Steuerklasse und Kinderfreibeträge ermittelt.

Der Ausgleich eines möglichen Rentenabschlages aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt gemäß der als Anlage 2 beigefügten Vereinbarung, die als Bestandteil dieses Sozialplanes gilt.

Für diese ArbeitnehmerInnen ergibt sich hieraus die Höhe der Abfindung folgende Günstigkeitsregelung:

Sollte die Abfindung nach der 1,5 Punkte Regelung (Ziffer 8.6.) höher sein, erhält der/die Arbeitnehmer/in den so errechneten höheren Abfindungsbetrag.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2001 (Bl. 29 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund der Günstigkeitsregelung des § 8.7 Sozialplan die Berechnung nach § 8.6 Sozialplan eine Abfindung von 43.053,50 € brutto ergebe. Diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger aus.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines weiteren Betrages von 7.057,95 € verlangt. Dieser ergebe sich als Differenz aus dem von der Beklagten errechneten Abfindungsbetrag sowie dem Betrag, der unter sich Berücksichtigung der zusätzlichen Punkte für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte gemäß § 8.4 Sozialplan ergebe. Aufgrund der Rückverweisungsregelungen in § 8.6, § 8.7 Sozialplan und nach dem gesamten Aufbau der Abfindungsregelung sei davon auszugehen, dass § 8.2 bis 8.4 Sozialplan Generalklauseln enthielten, die für alle Mitarbeiter gelten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.057,95 € Sozialplanabfindung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisdiskontsatz seit dem 1. August 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Regelung in § 8.6 bezüglich der Ermittlung der Punktezahl abschließend sei. Nur hinsichtlich des Abfindungsbetrages, also der Berechnung des Bruttomonatsentgelts verweise § 8.6 auf § 8.4.

Durch Urteil vom 5. Juli 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil entgegen der Ansicht des Klägers bei der Berechnung der Abfindung keine Punkte wegen dessen Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten zu berücksichtigen seien. Zwischen der 1,5-Punkte-Regelung des § 8.6 Sozialplan und der Punktetabelle des § 8.4 Sozialplan sei zu differenzieren. Die Betriebsparteien hätten damit unterschiedliche Berechnungsmethoden bezeichnet. Die für Kinder, Schwerbehinderte und diesen Gleichgestellte zusätzlich vorgesehenen Punkte gehörten ausschließlich zur Punktetabelle. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 18. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 20. August 2007, Berufung eingelegt und diese mit der am 7. September 2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet.

Der Kläger hält die Auffassung des Arbeitsgerichts über die strikte Trennung zwischen der Berechnung nach der Punktetabelle und die 1,5-Punkte-Regelung für unrichtig. In der Fußnote zur Punktetabelle der Anlage 1 heiße es, dass für Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Sonderregelung gemäß § 8.6 Sozialplan (1,5-Punkte-Regelung) Anwendung finde. Damit werde trotz der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Punktetabelle und 1,5-Punkte-Regelung die Sonderregelung für die über 55-jährigen Mitarbeiter mit der Punktetabellenregelung verknüpft. Es wäre kaum zu verstehen und schon gar nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren, dass zwischen schwerbehinderten oder diesen gleichgestellten Mitarbeitern, die über 55 Jahren seien, und solchen Beschäftigten, die unter 55 Jahren seien, unterschieden werde. Wenn die Regelung über die zusätzlichen Punkte für Schwerbehinderte und Gleichgestellte nur für "normale" Mitarbeiter hätte gelten sollen, dann hätte dies in § 8.2 Sozialplan geregelt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.057,94 € nebst Zinsen von 5% Punkten über Basisdiskont seit dem 1. August 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten habe das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die Betriebsparteien zur Berechnung der Sozialplanabfindung zwei verschiedene Modelle entwickelt hätten, zwischen denen zu trennen sei. Eine Mischform hieraus lasse sich nicht aus der Fußnote zur Punktetabelle entnehmen, diese sei vielmehr ein weiteres Argument für die strikte Trennung der beiden Berechnungsmethoden. Der Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sei inhaltsleer. § 8.6 und § 8.7 Sozialplan verwiesen nur zur Berechnung des fiktiven Grundgehaltes auf § 8.4.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 18. Dezember 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO). Insbesondere wahrte die am Montag, den 20. August 2007, eingegangene Berufungsschrift die bis Samstag, 18. August 2007, laufende Berufungsfrist (§ 193 BGB).

II. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 7.057,95 € gemäß § 8.6 in Verbindung mit § 8.4 Sozialplan.

1. Aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zum 31. Juli 2006 steht dem Kläger gemäß § 8.1. Sozialplan ein Anspruch auf Abfindung zu. Die Laufzeit des Sozialplans, die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2005 begrenzt war (§ 15 Sozialplan) wurde durch die Ergänzung vom 19. November 2004 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

2. Aufgrund des Alters des Klägers zum Zeitpunkt seines Ausscheidens am 31. Juli 2006 (59 Jahre) findet grundsätzlich die Abfindungsregelung in § 8.7 Sozialplan in der Fassung des Ergänzungssozialplans II Anwendung. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass aufgrund des nach § 8.7 Buchst. a Abs. 4 Sozialplan vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs die Abfindung sich nach § 8.6 Sozialplan richtet, weil die dort geregelte Abfindung höher ist.

3. Die 1,5-Punkte-Regelung in § 8.6 Sozialplan tritt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens älter als 55 Jahre sind, an die Stelle der grundsätzlich anzuwendenden Punktetabelle gemäß § 8.2 Sozialplan in Verbindung mit Anlage 1 in der Fassung des Ergänzungssozialplans II. Dagegen verdrängt sie nicht die bei der Berechnung des Abfindungsbetrages nach § 8.4 Abs. 6 Sozialplan zu berücksichtigende Regelung, dass Schwerbehinderte und diesen Gleichgestellte zusätzliche Punkte erhalten. Dies ergibt eine Auslegung des Sozialplanes.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkungen wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG, Urt. v. 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06 = AP Nr. 188 zu § 112 BetrVG 1972; Urt. v. 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 = AP Nr. 176 zu § 112 BetrVG 1972).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze bei der Auslegung der Regelungen in § 8.4, § 8.6 Sozialplan sind für die Berechnung einer Abfindung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens 55 Jahre alt sind und zugleich schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichgestellt sind, zusätzlich fünf Punkte für je 10 % GdB zu berücksichtigen.

aa) Nach dem Wortlaut von § 8.6 Abs. 1 Sozialplan errechnet sich die der vorgenannten Arbeitnehmergruppe zu gewährende Abfindung auf der Basis einer Punktezahl, die sich aus der Anzahl der Monate vom Zeitpunkt des Austritts aus dem Unternehmen der Beklagten bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem gesetzliche Altersrente ohne Abschlag bezogen werden kann, multipliziert mit 1,5 Punkten ergibt. § 8.6 Abs. 2 Sozialplan verweist sodann für die weitere Berechnung des Abfindungsbetrages auf § 8.4 Sozialplan. § 8.4 Abs. 1 bis 3 Sozialplan regeln zunächst die Ermittlung des Geldfaktors für die Berechnung der Abfindung. Dieser beträgt gemäß § 8.4 Abs. 4 Satz 1 Sozialplan 1/10 des nach den vorhergehenden beiden Absätzen ermittelten fiktiven monatlichen Gesamtbruttoentgelts.

§ 8.4 Abs. 4 Satz 2 Sozialplan sieht sodann die Multiplikation dieses Geldfaktors mit der Punktezahl lt. der Punktetabelle gemäß § 8.2 Sozialplan in Verbindung mit der Anlage 1 in der Fassung des Ergänzungssozialplans II zur endgültigen Berechnung der Abfindungshöhe vor. Diese Punktezahl wird für Arbeitnehmer über 55 Jahre durch die Berechnung der Punktezahl nach § 8.6 Abs. 1 Sozialplan ersetzt.

bb) Die in § 8.4 Abs. 5 Sozialplan für unterhaltsberechtigte Kinder und in § 8.4 Abs. 6 Sozialplan für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte für je 10 Prozent GdB zusätzlich vorgesehenen 5 Punkte erhöhen nicht lediglich die Punktezahl der Punktetabelle nach § 8.2 Sozialplan in Verbindung mit Anlage 1 in der Fassung des Ergänzungssozialplans II. Vielmehr handelt es sich um Berechnungsfaktoren, die ausweislich der Überschrift zu dieser Regelung Bestandteil der Berechnungsgrundlage der Abfindung sind. Die Betriebsparteien gewähren dadurch Arbeitnehmern, die noch unterhaltsberechtigte Kinder haben oder - wie der Kläger - schwerbehindert bzw. diesen gleichgestellt sind, einen zusätzlichen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, weil dieser solche Arbeitnehmer aufgrund ihrer zusätzlichen Belastungen schwerer trifft als kinderlose oder nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer. Aus der gesonderten Regelung in eigenen Absätzen ergibt sich zudem, dass die Betriebsparteien diesen zusätzlichen Ausgleichsfaktor unabhängig von der Punktetabelle, die grundsätzlich bei der Berechnung der Abfindung zugrunde zu legen ist, berücksichtigt wissen wollen. Andernfalls hätte es nahe gelegen, bereits unter § 8.2 Sozialplan diese Regelung aufzunehmen. Der Sinn und Zweck dieser Regelung, nämlich der Ausgleich dieser speziellen zusätzlicher Belastungen bei einem Arbeitsplatzverlust, trifft auch für Arbeitnehmer zu, die über 55 Jahre alt sind. Auch hier bestehen wie bei den unter 55-jährigen die besonderen Belastungen, die das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis umso schwerwiegender machen. Der Umstand, dass § 8.6 Sozialplan eine gesonderte Regelung für "rentennahe" Jahrgänge trifft, ändert daran nichts. Im Hinblick auf Sinn und Zweck von § 8.4 Abs. 5 und 6 Sozialplan ist die Rentennähe kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen diesen Arbeitnehmergruppen nach ihrem Alter, weil sie an der unterschiedlich starken Betroffenheit von dem Verlust des Arbeitsplatzes nichts ändert.

cc) Etwas anderes folgt nicht aus der Anlage 1 zum Sozialplan in der Fassung des Ergänzungssozialplans II. Dies gilt sowohl für den im Anschluss an die Punkttabelle enthaltenen Hinweis, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Sonderregelung gemäß § 8.6 (1,5-Punkte-Regelung) Anwendung findet, als auch für die im weiteren Anschluss daran enthaltenen Verweise auf die Regelungen in § 8.4 Abs. 5 und 6 Sozialplan für die zusätzliche Punktgewährung bei unterhaltsberechtigten Kindern, Schwerbehinderung und Gleichstellung. Diese als Anmerkung zu der Punktetabelle zu qualifizierenden Passagen enthalten keine eigenständige, vom Sozialplan selbst abweichende Regelung. Insbesondere werden diese Bestimmungen dadurch nicht Bestandteil der Punktetabelle.

dd) Der Verweis in § 8.6 Abs. 2 Sozialplan beschränkt sich nicht auf die Ermittlung des Geldfaktors. Der Verweis ist vom Wortlaut her umfassend. § 8.4 regelt nicht nur die Ermittlung des fiktiven monatlichen Gesamtbruttoentgelts, sondern ausweislich seiner Überschrift die Berechnungsgrundlage der Abfindung. Zu dieser Berechnungsgrundlage gehören neben dem Geldfaktor und der Punktezahl laut Punktetabelle die zusätzlich gewährten Punkte für unterhaltsberechtigte Kinder bzw. wegen Schwerbehinderung oder Gleichstellung. Andernfalls hätte es der gesonderten Aufnahme dieser zuletzt genannten beiden Regelungen nicht bedurft.

ee) Einer gesonderten Regelung der Berücksichtigung von Punkten, die wegen Schwerbehinderung oder Gleichstellung bzw. unterhaltsberechtigten Kindern gewährt werden, bei der Anwendung der 1,5-Punkte-Regelung bedurfte es in § 8.6 Sozialplan nicht. Die grundlegende Berechnungsformel (1/10 des fiktiven monatlichen Gesamtbruttoentgelts multipliziert mit der Punktezahl nach der Punktetabelle) ist in § 8.4 Abs. 4 Satz 2 Sozialplan vorgegeben. Diese Punktetabelle wird durch die 1,5-Punkte-Regelung des § 8.6 Abs. 1 Sozialplan ersetzt. Die Verbindung mit den sich aus § 8.4 Abs. 5, Abs. 6 ergebenden zusätzlichen Punkte mit der Punktezahl erfolgt sodann durch einfache Addition.

Für die Annahme, dass bei dieser Auslegung des Sozialplanes auch die Punkte für die bisherige Betriebszugehörigkeit hinzuzusetzen sind, besteht kein Anhaltspunkt. Für die Berechnungsgrundlage nach § 8.4 Sozialplan ist die Betriebszugehörigkeit nicht gesondert erwähnt. Diese ist lediglich Bestandteil der Punktetabelle. Dass sie im Rahmen der 1,5-Punkte-Regelung des § 8.6 Abs. 1 Sozialplan keine Anwendung findet, ergibt sich aus der gesonderten Abfindungsregelung für über 55-jährige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für eine Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit besteht nach den Regelungen des Sozialplans kein Anhaltspunkt.

c) Im Übrigen steht der Auslegung nicht entgegen, dass unter Umständen klarere Formulierungen im Sozialplan wünschenswert gewesen wären. Aufgrund der systematischen Stellung der §§ 8.4 Abs. 5, Abs. 6 Sozialplan gegenüber den übrigen Regelungen zur Berechnung der Abfindung ist hinreichend deutlich, wie diese Bestimmungen anzuwenden sind.

4. Unter Berücksichtigung der für einen Grad der Behinderung von 30 Prozent beim Kläger zusätzlich zu berücksichtigenden 15 Punkte sowie einem Geldfaktor in Höhe von 470,53 € ergibt sich ein weiterer Abfindungsbetrag von 7.057,95 €. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 8.1 Abs. 3 Sozialplan, § 288 Abs. 1, § 247 BGB.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert war unverändert auf den vom Kläger geltend gemachten Betrag festzusetzen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil die für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage die Auslegung eines Konzernsozialplanes betrifft, der bundesweit für eine Vielzahl von Fällen Anwendung findet.

Ende der Entscheidung

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