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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.02.2004
Aktenzeichen: 14 Sa 1849/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 97
ArbGG § 72 Abs. 2 Ziffer 1
Wird ein Dienstwagen vom Arbeitnehmer auch privat genutzt und insoweit nach der Listenpreismethode (1 %-Regelung) der Lohnsteuer unterworfen, besteht in der Regel kein Anspruch auf Auskunft gegen den Arbeitgeber bezüglich aller den Pkw betreffenden (Unterhalts)Kosten, um eine individuelle Besteuerung des Privatnutzungsvorteils gegenüber dem Finanzamt zu erreichen.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.09.2003 - 3 Ca 894/03 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt für steuerliche Zwecke von der Beklagten Auskunft über die Kosten des von ihm benutzten Firmenfahrzeugs.

Die Beklagte vertreibt bundesweit Befestigungselemente über Außendienstmitarbeiter. Sie unterhält dabei einen Fahrzeugpark von ca. 100 Pkw.

Der Kläger trat zum 18.05.1992 als Reisender in die Dienste der Beklagten. Sein Verkaufsbezirk befindet sich in M1xxxxxxxxx-V1xxxxxxxx. Die Beklagte hat ihm ein Dienstfahrzeug überlassen, welches auch privat genutzt werden kann. Der geldwerte Vorteil der Privatnutzung wurde von Anfang an nach der sogenannten 1 %-Listenpreismethode (vgl. Abschnitt 31 Abs. 9 Nr. 1 der Lohnsteuerrichtlinien zu § 8 EStG) von der Beklagten zur Berechnung der Lohnsteuer zugrundegelegt. Die vom Kläger beispielhaft vorgelegte Gehaltsabrechnung aus November 2001 (Bl. 18 d. GA) enthält einen Privatnutzungsanteil von 407,-- DM.

Der Kläger wird vom Finanzamt Pasewalk zur Einkommensteuer veranlagt. Dem Finanzamt gegenüber macht der Kläger geltend, dass der nach der 1 %-Regelung zugrundegelegte Privatnutzungsanteil in seinem Fall viel zu hoch sei, weil er die Möglichkeit der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs nur in geringem Umfang in Anspruch nehme. Das Finanzamt hat dem Kläger daraufhin anheim gestellt, ein Fahrtenbuch einzureichen sowie eine von der Beklagten das Firmenfahrzeug betreffende Kostenaufstellung. Auf die vom Kläger vorgelegten Schreiben des Finanzamtes Pasewalk (Bl. 9 bis 11 d. GA) wird Bezug genommen. Der Kläger bzw. sein Steuerberater wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 12.09.2002 an die Beklagte und bat um Erstellung einer derartigen Kostenaufstellung. Dies lehnte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 23.01.2003 ab. Der Kläger hat daraufhin mit seiner am 07.03.2003 vor dem Arbeitsgericht Herne erhobenen Klage den Auskunftsanspruch weiterverfolgt.

Er hat geltend gemacht, dass er gegenüber der Finanzverwaltung das Recht habe, den geldwerten Vorteil der Pkw-Privatnutzung individuell berechnen zu lassen. Hierbei sei er aber auf die Mithilfe der Beklagten angewiesen, da nur sie eine Übersicht über die Kosten des Firmenfahrzeugs habe. Da davon auszugehen sei, dass die Beklagte ohne größeren Aufwand die erbetene Kostenaufstellung fertigen könne, sei sie auch aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht gehalten, ihm bei der Durchsetzung einer gerechten Besteuerung seiner Bezüge beizustehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche Kosten im Kalenderjahr 2000 für das ihm zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen R3-D2 15x sowie im Kalenderjahr 2001 für das vorgenannte Fahrzeug und das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen R3-D3 51x entstanden sind, insbesondere zur Höhe der

- Kfz-Steuer

- Kfz-Versicherung

- Unterhaltskosten (Treibstoffe)

- Reparaturkosten

- Pflegekosten

- Abschreibungskosten- bzw. Leasingraten

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, zu der vom Kläger verlangten Auskunft nicht verpflichtet zu sein. Bei der Einstellung des Klägers sei dieser darauf hingewiesen worden, dass der geldwerte Vorteil der Dienstwagennutzung nach der 1 %-Methode erfolge. So sei dies auch 10 Jahre lang gehandhabt worden. Die nunmehr vom Kläger verlangte konkrete Kostenberechnung führe zu einer erheblichen Mehrbelastung der betreffenden Sachbearbeiter. Bei der großen Zahl der eingesetzten Kraftfahrzeuge könne dies dazu führen, dass der Bearbeitungsaufwand unverhältnismäßig werde, sodass es in ihrem berechtigten Interesse liege, nach wie vor die 1 %-ige Pauschalregelung gegenüber ihren Außendienstmitarbeitern anzuwenden.

Das Arbeitsgericht Herne hat durch sein am 09.09.2003 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen.

Es hat betont, dass es hier nicht Ziel des Klägers sei, einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten durchzusetzen, welcher nur mit Hilfe einer Auskunft näher beziffert werden könne. Vielmehr richte sich der Anspruch gegen einen Dritten, nämlich die Finanzverwaltung. Bei einer derartigen Drittbeziehung könne nur in Ausnahmefällen eine Auskunftsverpflichtung bestehen. Das Auskunftsinteresse müsse in solchen Fällen so wesentlich überwiegen, dass die Verweigerung der Auskunftserteilung durch den in Anspruch genommenen Dritten treuwidrig erscheine. Derartiges habe der Kläger jedoch nicht vorgetragen. So fehle es sowohl an Darlegungen darüber, welchen finanziellen Nachteil er durch die Nichterteilung der Auskunft erleide wie auch an der Angabe darüber, ob er seinerseits das Erforderliche getan habe, um einen eventuellen Anspruch gegenüber dem Finanzamt durchsetzen zu können (Führung eines Fahrtenbuches). Im Übrigen sei es nicht unbillig, dass der Kläger an der von ihm jahrelang nicht beanstandeten Pauschalmethode festgehalten werde, da dies praktisch die Geschäftsgrundlage für die Zurverfügungstellung des Dienstwagens auch für die private Nutzung gewesen sei.

Wegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 09.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.11.2003 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 09.12.2003 begründet. Er betont, dass sein Steuerrückerstattungsanspruch gegenüber der Finanzverwaltung allein von der erbetenen Auskunft der Beklagten abhänge, nachdem er seinerseits den Anteil der Privatnutzung gegenüber dem Finanzamt hinreichend dargetan und belegt habe. Sein Steuerberater gehe davon aus, dass nach erteilter Auskunft durch die Beklagte ein Steuererstattungsanspruch in Höhe von rund 1.000,-- EUR pro Jahr zu erwarten sei. Angesichts einer monatlichen Nettovergütung von knapp 1.000,-- EUR resultiere aus der Verweigerungshaltung der Beklagten für ihn ein unverhältnismäßig hoher Nachteil. Nach alledem sei er auf die der Beklagten zumutbare Hilfestellung angewiesen, um seine berechtigten Ansprüche gegenüber der Finanzverwaltung realisieren zu können.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinem Schlussantrag I. Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und betont wiederum, dass der Kläger an der jahrelangen Praxis der Pauschalbewertung nach der 1 %-Methode festzuhalten sei, da eine andere Handhabung wegen des erheblichen Aufwandes für sie unzumutbar sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung musste erfolglos bleiben, weil die Entscheidung des Arbeitsgerichts richtig ist. Dem Kläger steht - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt - der eingeklagte Auskunftsanspruch nicht zu. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Mit Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die vom Kläger erstrebte Auskunft nicht dazu dient, Ansprüche zwischen den Parteien zu klären, es sich also nicht um einen Annex zur Vergütungspflicht des Arbeitgebers handelt, welcher dann zum Zuge kommt, wenn der Arbeitnehmer über das Bestehen und den Umfang seines Anspruchs in entschuldbarer Weise im Ungewissen ist, der Arbeitgeber aber unschwer Auskunft erteilen kann (so schon BAG, Urteil vom 15.06.1972 in AP Nr. 14 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Umgekehrt hat auch der Arbeitgeber umfassende Auskunftsansprüche, wenn es um unmittelbare Auswirkungen auf das beiderseitige Arbeitsverhältnis geht.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch um Ansprüche, die der Kläger gegenüber der Finanzverwaltung zu haben glaubt. Die von der Beklagten beanspruchte Auskunft betrifft also eine Drittbeziehung. Mit Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass in einer solchen Konstellation nur ausnahmsweise ein einklagbarer Auskunftsanspruch bestehen kann. Dies gilt namentlich dann, wenn aus verfahrensrechtlichen Gründen Auskunftspflichten des Arbeitgebers im Interesse des Arbeitnehmers gegenüber Behörden bestehen (vgl. beispielsweise §§ 312, 316 und 317 SGB III).

Eine solche behördliche Verpflichtung gibt es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr überlassen es die Lohnsteuerrichtlinien dem Steuerpflichtigen, wie er bei einer individuellen Besteuerung des geldwerten Vorteils zu einer überprüfbaren Kostenaufstellung kommt.

Auch außerhalb behördlicher Verpflichtungen kann es Auskunftspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer für die Abwicklung einer Drittbeziehung geben, sei es aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht bei vorausgegangenem rechtswidrigen Verhalten des Arbeitgebers (vgl. den im Urteil vom 11.04.1984 entschiedenen Fall des BAG in AP Nr. 7 zu § 10 AÜG), sei es aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht.

Letztere beinhaltet aber keine allgemeine Pflicht zur Interessenwahrung in dem Sinne, dass der Arbeitnehmer umfassend vor Vermögensnachteilen zu bewahren ist (vgl. BAG, Urteil vom 26.08.1993 in AP Nr. 8 zu § 72 LPVG NW).

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den eingeklagten Auskunftsanspruch verneint, in dem es auf die Maßstäbe von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgestellt hat. Dabei war abzuwägen, welche Nähe die Drittbeziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien hat, wie hoch das Interesse des Klägers an der erteilten Auskunft ist und welche Belange der Beklagten dem Auskunftsanspruch entgegenstehen.

Was die Nähe der Drittbeziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien angeht, so ist dem Kläger zuzugeben, dass sein vermeintlicher Rückerstattungsanspruch gegenüber der Finanzverwaltung in mittelbarer Beziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien steht. Denn der Auslöser für den steuerlichen Anspruch ist die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens durch die Beklagte mit der Möglichkeit einer privaten Nutzung.

Einzuräumen ist auch, dass das Interesse des Klägers an der zu erteilenden Auskunft von einigem Gewicht ist, weil der Kläger hieraus eine nicht unerhebliche Steuerrückzahlung erwartet. Allerdings kann seine Behauptung über eine Steuerrückzahlung wegen verminderter Privatnutzung des Firmenwagens in Höhe von 1.000,-- EUR pro Jahr in keiner Weise nachvollzogen werden. Denn nach der vorgelegten Gehaltsabrechnung für November 2001 ergibt sich für das gesamte Jahr ein Privatnutzungswert von ca. 2.500,-- EUR. Geht man von einem Steuersatz in Höhe von 20 % aus, so würde sich bei überhaupt keiner Privatnutzung ein rückzahlbarer Steueranteil von 500,-- EUR ergeben. Bei einer nur verminderten Privatnutzung liegt der Steueranteil entsprechend niedriger.

Dem Interesse des Klägers an einer individuellen Besteuerung des geldwerten Vorteils seiner Pkw-Nutzung steht allerdings das Interesse der Beklagten an der Beibehaltung des pauschalen Lohnsteuerabzugs entgegen. Gerade bei einem solchen Außendienst mit entsprechendem Fuhrpark, den die Beklagte hat, kann es einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, wenn einzelne Mitarbeiter für die Erfassung ihrer Einkommensteuer eine Kostenaufstellung, wie sie der Kläger erstreiten will, verlangen. Zwar mag es sein, dass die Erfassung der Kosten durch elektronische Datenverarbeitung wesentlich erleichtert wird und gewissermaßen durch "Mausklick" abrufbar ist. Demgegenüber hat die Beklagte jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass ihr die Erstellung einer individuellen Kostenaufstellung einen erheblichen Aufwand machen würde. Diesen Aufwand braucht sie jedenfalls so lange nicht zu leisten, wie der Kläger nicht auf andere Weise die Gesamtkosten des Fahrzeugs für das Finanzamt nachvollziehbar machen kann. Ein Weg hierfür wäre die Anwendung der vom ADAC für jeden Fahrzeugtyp erstellten Kostentabellen. Der Beklagten ist jedenfalls nicht zuzumuten, im Interesse des Klägers und möglicherweise auch anderer Mitarbeiter separate Kostenaufstellungen für eine individuelle Steuerlastminimierung vorzuhalten, so lange der Kläger nicht seinerseits versucht hat, sein Interesse auch ohne Nachforschungen der Beklagten durchzusetzen. Im Übrigen bleibt es dem Kläger auch unbenommen, auf die Annehmlichkeit der privaten Nutzung seines Firmenwagens ganz zu verzichten, sodass sich die Frage der korrekten steuerlichen Erfassung der Privatnutzung gar nicht mehr ergeben würde.

3. Da nach alledem das Rechtsmittel des Klägers erfolglos bleiben musste, waren ihm die Kosten der Berufung nach § 97 ZPO aufzuerlegen.

Der Streitwert hat sich gegenüber der Vorinstanz nicht geändert.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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