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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.05.2009
Aktenzeichen: 14 Ta 844/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 1
1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung eines Mahnverfahrens ist grundsätzlich nicht gemäß § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich.

2. Die Gewährung von Beratungshilfe ist kein Indiz für die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren. Beratungshilfe dient der Klärung von Grund und Höhe des Anspruchs sowie dem Hinweis auf weitere - kostengünstige - Möglichkeiten der Rechtsverfolgung.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12. Juni 2008 (8 Ba 29/08) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte unter dem 20. Februar 2008 den Erlass eines Mahnbescheids über restliches Nettoentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 11. Dezember 2007 in Höhe von 638,25 Euro. Der Mahnbescheid wurde unter dem 4. März 2008 erlassen, der Vollstreckungsbescheid unter dem 19. März 2008. Dieser ist rechtskräftig.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids beantragte der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Bevollmächtigten als Rechtsanwalt. Durch die hier angefochtene Entscheidung lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts ab. Das Mahnverfahren sei zwischenzeitlich rechtskräftig beendet worden, eine Gerichtskostenzahlungspflicht treffe den Antragsteller nicht. Eine anwaltliche Beiordnung sei im Mahnverfahren nicht erforderlich.

Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 16. Juni 2008 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 10. Juli 2008 eingegangene Erinnerung, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die als sofortige Beschwerde auszulegende und gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige Erinnerung des Antragstellers ist unbegründet.

Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es nicht, da nach rechtskräftigen Abschluss des Mahnverfahrens der Antragsteller aufgrund der Regelung in § 22 Abs. 2, § 29 Nr. 1 GKG zu den Kosten des Mahnverfahrens nicht mehr herangezogen werden kann. Dies war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, der grundsätzlich maßgeblich ist, der Fall. Etwas anderes folgt auch nicht aus der beantragten Beiordnung eines Rechtsanwalts. Es kann offenbleiben, ob in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Gericht mehrfach Hinweise auf die fehlende Erforderlichkeit der Beiordnung gegeben hat, die jeweils zu entsprechenden Stellungnahmen des Antragstellers geführt haben, eine Verzögerung der Entscheidung im Hinblick auf die eingetretene rechtskräftige Beendigung des Mahnverfahrens der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als notwendige Voraussetzung für eine Beiordnung eines Anwalts entgegenstehen oder nicht. Jedenfalls ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzung nach § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO erfüllt, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist.

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich, wenn ein sachliches und persönliches Bedürfnis nach anwaltlicher Unterstützung besteht. Objektive Merkmale sind tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung für die Partei. Subjektiv kommt es auf das Vermögen des Antragstellers an, nach Vorbildung, geistiger Fähigkeit, Schreib- und Redegewandtheit sein Rechtsanliegen dem Gericht schriftlich und mündlich hinreichend vorzutragen (vgl. LAG Hamm, 23. Januar 2006, 18 Ta 909/05; 2. Juni 2005, 4 Ta 374/04). Die Bewertung der subjektiven und sachlichen Voraussetzungen für die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung hat dabei nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen, nicht aus der Sicht eines Anwalts oder einer Partei (LAG Hamm, 9. Juli 2007, 5 Ta 254/07; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, 2005, Rn. 545). Die Anwaltsbeiordnung ist danach nicht erforderlich, wenn die Partei bei einfacher Sach- und Rechtslage nach ihren intellektuellen Fähigkeiten ihre Rechte selbst wahrnehmen kann (LAG Hamm, 9. Juli 2007, 5 Ta 254/07). Die Prozesskostenhilfe dient dazu, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar. Wegen dieses Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der damit verbundenen Belastung der Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung ergeben sich für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Grenzen. Voraussetzung ist, dass sich die bedürftige Partei erst dann eines Rechtsanwalts bedient, wenn das im Einzelfall wirklich notwendig ist (vgl. BAG, 15. Februar 2005, 5 AZN 781/04, NZA 2005, S. 431). Erforderlich ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, wenn sie nicht nur ratsam, sondern unerlässlich ist (vgl. BAG, 8. Mai 2003, 2 AZB 56/02, AP ArbGG 1979 § 9 Nr. 25).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Mahnverfahrens regelmäßig nicht in Betracht (vgl. LAG Hamm, 6. August 2001, 14 Ta 490/01; LAG Rheinland-Pfalz, 16. Januar 2008, 7 Ta 251/07; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, 2005, Rn. 551; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, 2009, § 121 Rn. 5). Bei dem Mahnverfahren handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren, in dem Vordrucke verwendet werden. Beim Ausfüllen des Mahnbescheidantrages sind im Wesentlichen Eintragungen in vorgegebenen Textzeilen durch stichwortige Angaben zum Zahlungsgrund und die Bezifferung einer Geldforderung notwendig. Hierzu sind Gläubiger, auch wenn sie keine rechtliche Vorbildung haben, ohne weiteres in der Lage. Sollten trotzdem hierbei Probleme auftreten, kann die Hilfe des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts in Anspruch genommen werden. Denn im Mahnverfahren können vor diesem die Anträge und Erklärungen abgegeben werden (§ 46 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 702 Abs. 1 ZPO). Soweit Formulare eingeführt sind, muss sich der Urkundsbeamte dieser bedienen (§ 702 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Er hat die Formulare auszufüllen oder bei der Ausfüllung behilflich zu sein (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 702 Rn. 2). Insoweit ist auch zu beachten, dass die allgemeine Aufgabe des Rechtspflegers nicht nur Klagen und Klageerwiderungen, sondern auch anderer Anträge und Erklärungen, die zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden können, soweit sie nach Schwierigkeit und Bedeutung den u.a. mit Klagen ect. genannten Geschäften vergleichbar sind (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 und 3 RPflG) bei den Arbeitsgerichten in Form der als Teil der Geschäftsstellen eingerichteten Rechtsantragsstellen (§ 7 ArbGG) eine Institutionalisierung erfahren hat, die den rechtssuchen Publikum bekannt ist und von ihm genutzt wird. Insoweit kann die für eine formal und inhaltlich richtige Ausfüllung des Mahnbescheids notwendige Hilfe hier geleistet werden.

Eine besondere Schwierigkeit ergab sich nicht aus der im Mahnbescheid zugrundeliegenden Forderung. Solche sind weder vom Antragsteller dargelegt noch aus sonstigen Gründen ersichtlich.

3. Soweit im Übrigen eine Feststellung von Bezeichnung und Höhe des Zahlungsanspruchs einem mittellosen Antragsteller vor dem Ausfüllen des Mahnbescheidsantrages rechtliche Schwierigkeiten bereitet, bedarf es nicht der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren. Vielmehr kann diese Partei eine in der Regel kostengünstigere Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz beantragen, so wie dies im vorliegenden Fall auch geschehen ist. Im Wege der Beratungshilfe kann Grund und Höhe eines Anspruchs geklärt werden, um anschließend je nach Beratungsergebnis gegebenenfalls den Mahnbescheidsantrag selbst zu stellen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 16. Januar 2008, 7 Ta 251/07).

4. Ebenso wenige bestehen in der Person des Antragstellers Gründe, die eine Beiordnung eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren erforderlich machen. Zutreffend ist, dass sich die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, sondern auch nach der Fähigkeit des Antragstellers, beurteilt sich mündlich und schriftlich auszudrücken, (vgl. BVerfG, 22. Juli 2007, 1 BvR 681/07, NZA 2008, S. 88; LAG Hamm, 23. Januar 2006, 18 Ta 909/05; 8. Juli 2007, 5 Ta 254/07). Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen chinesischen Staatsangehörigen, der seit September 2005 an der Fachhochschule Lippe/Höxter Pharmazie studiert. Es kann offenbleiben, ob trotz der Durchführung eines Studiums in Deutschland, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits im 6. Semester stattfand, tatsächlich sprachliche Verständigungsschwierigkeiten bestanden, weil der Antragsteller keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch hat. Zumindest haben die vorhandenen Kenntnisse ausgereicht, bei der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Lemgo einen Beratungshilfeschein zu beantragen und dem Bevollmächtigten des Antragstellers das Anliegen, nämlich die Verfolgung einer Lohnforderung für einen Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 11. Dezember 2007 in einer bestimmten Höhe verständlich zu machen. Dass der Antragsteller keine vertieften Kenntnisse des deutschen Rechtssystems besitzt, kann hier unterstellt werden. Dies macht aber die Beiordnung eines Bevollmächtigten im Mahnverfahren nicht erforderlich. Wie bereits ausgeführt, ist die Beratungshilfe dafür da, eventuelle Schwierigkeiten bei der Klärung von Grund und Höhe eines Anspruchs für den mittellosen Antragsteller zu beseitigen, damit sodann im Mahnverfahren vorgegangen werden kann (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 16. Januar 2008, 7 Ta 251/07). Es hätte also gerade Ergebnis der Beratungshilfe sein können und müssen, den Antragsteller nach Klärung von Grund und Höhe seines Anspruchs auf das Mahnverfahren und die Möglichkeit der Beantragung bei der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts bzw. dessen Rechtsantragstelle hinzuweisen. Es ist nicht ersichtlich, dass die sprachlichen Fähigkeiten des Antragstellers es verhindert hätten, so wie seinem Anwalt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die notwendigen Angaben für die Ausfüllung des Mahnbescheidsantrags zu machen. Die Unkenntnisse des deutschen Rechtssystems sind unerheblich, weil eine rechtliche Vorbildung für die Ausfüllung des Mahnbescheidsantrags insbesondere unter Zuhilfenahme des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts nicht erforderlich ist. Es bedurfte deswegen auch keiner Ausfüllungshinweise in englischer Sprache zu dem Formular. Das Aufzeigen der Möglichkeit eine Lohnforderung im Wege des Mahnverfahrens geltend zu machen ist Bestandteil der Beratungshilfe. Es wird damit nicht von der Anwaltschaft verlangt, kostenlos die Arbeit der Rechtsantragstelle zu übernehmen, sondern die Beratungshilfe durchzuführen und dabei auf die weiteren kostengünstigen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung hinzuweisen.

5. Unerheblich ist es, dass der Antragsteller einen Anspruch gegen einen Arbeitgeber mit mehreren hunderten Beschäftigten geltend machen wollte. Dies allein macht es nicht erforderlich, von vornherein bereits im Mahnverfahren sich anwaltlicher Hilfe zu versichern.

6. Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt aus der Ausstellung des Beratungshilfescheins nicht, dass die Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Lemgo generell von der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ausging. Vielmehr war damit nur die Notwendigkeit einer rechtlichen Beratung in dieser Angelegenheit im Rahmen des Beratungshilfegesetzes festgestellt worden. Für eine Erforderlichkeit der Prozessvertretung in einem Mahn- und gegebenenfalls späteren Klageverfahren ergibt sich aus der Ausstellung eines Beratungshilfescheins nichts.

III.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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