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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 15 (17) Sa 2068/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 28.09.2004 - 2 Ca 863/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen. Der am 06.05.1963 geborene Kläger ist verheiratet und seine Ehefrau sowie nach den Eintragungen in der Steuerkarte 3 Kindern, nach eigenen Angaben 5 Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist seit dem 01.02.1988 bei der Beklagten beschäftigt und übte zuletzt die Tätigkeit eines ungelernten/angelernten Produktionsmitarbeiters im Betrieb der Beklagten gegen eine Bruttomonatsvergütung von 3.193,50 € aus. Die Beklagte fertigt Komponenten für den Fahrzeugbau und unterhält Werke in H1xxx - H2xxxxxxxxx (O1xx), W1xxxxx und in O2xx. An allen drei Standorten beschäftigt sie weit mehr als fünf Arbeitnehmer. In den Betrieben der Beklagten ist jeweils ein Betriebsrat gewählt. Auf Antrag des Klägers vom 28.01.2004 stellte das Versorgungsamt bei ihm einen Grad der Behinderung von 20 fest; dieser Bescheid ist nicht bestandskräftig. Daneben betreibt der Kläger ein Gleichstellungsverfahren. Mit Datum vom 16.01.2004 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat des Werkes W1x-xxxx folgenden Interessenausgleich: Das Urteil hat hier eine eingescännte Seite, kann darum aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden kann. Das Urteil kann in vollständiger Papierform zum Kostenbeitrag von 12,50 € beim Landesarbeitsgericht angefordert werden. Das Urteil hat hier eine eingescännte Seite Das Urteil hat hier eine eingescännte halbe Seite Neben der Produktion der sogenannten leichten Stabilisatoren in Halle 9 des Werkes W1xx-xxx unterhielt die Beklagte in Halle 10 eine Federnherstellung. Daneben existiert in W1xxxxx noch die Halle 12, die im wesentlichen Lagerfunktion hat. Entsprechend der Regelung in Ziffer 3 des genannten Interessenausgleichs war zunächst vereinbart, dass 33 Mitarbeiter des Werkes W1xxxxx in das Werk O2xx versetzt werden sollten. Dementsprechend erhielten alle von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter des Werkes W1xxxxx, so auch der Kläger, die Möglichkeit, sich die Arbeitsplätze in O2xx anzuschauen. Im Anschluss an Einzelgespräche mit diesen Mitarbeitern unter Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds und der Betriebsleitung des Werkes O2xx versetzte die Beklagte letztlich nur 13 Mitarbeiter nach O2xx. Dem Kläger unterbreitete die Beklagte kein Angebot, seine Tätigkeit in O2xx fortzusetzen, obwohl der Kläger hierzu bereit gewesen wäre. Unter anderem versetzte die Beklagte folgende Mitarbeiter von W1xxxxx nach O2xx: P1xxx 73 Punkte A1xxx 73 Punkte B1xx 66 Punkte L1xxxxxxx 69 Punkte. Die genannten Mitarbeiter sind wie der Kläger in Lohngruppe 7 eingruppiert. Demgegenüber verfügt der Kläger entsprechend der Anlage "Auswahlrichtlinien" zum Sozialplan vom 16.01.2004 (Bl. 1281 f. d.A.) über 86 Punkte. Mit Schreiben vom 18.02.2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat des Werkes W1xxxxx zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 28 ff. d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 25.02.2004 teilte der Betriebsrat der Beklagten folgendes mit: "Anhörung zur Kündigung von Herrn T1xxxxx (geb. 06.05.1963) Sehr geehrter Herr L2xxxx auf Grund des Beschlusses in der Sitzung am 24.02.2004 widerspricht der Betriebsrat der Kündigung von Herrn T1xxxxx nach § 102 BetrVG, da im von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite am 16.01.2004 unterschriebenen Interessenausgleich/Sozialplan die Versetzung von 33 Mitarbeitern an den Standort O2xx vereinbart wurde und bei Einhaltung des Interessenausgleich/Sozialplan diese Kündigung nicht erforderlich wäre. Bei Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen kann auch Herrn T1xxxxx ein Arbeitsplatz in O2xx angeboten werden, da bis heute lediglich 13 Mitarbeiter versetzt wurden. Da nach heutigem Stand, 25.02.2004, diese Vereinbarung und andere Maßnahmen die vereinbart wurden, wie z.B. das Angebot eines Wechsels in die PEAG (Qualifizierungsgesellschaft) nicht eingehalten werden, widerspricht der Betriebsrat auch aus diesem Grund der Kündigung. Des weiteren widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, da nicht beurteilt werden kann, ob die Sozialauswahl nach der Auswahlrichtlinie vom 16.01.2004 eingehalten wurde, da dem Betriebsrat keine Liste nach sozialen Auswahlkriterien vorliegt und Zweifel daran bestehen, dass im Unternehmen keine Arbeitsplätze vorhanden sind mit denen man den Arbeitsplatz von Herrn T1xxxxx vergleichen kann. Weiterhin kann der Betriebsrat nicht beurteilen, ob der Vergleich der Qualifikation unter allen Mitarbeitern berücksichtigt wurde, da nach Aussagen der betrieblichen Vorgesetzten, diese in die Auswahl der Mitarbeiter nicht einbezogen wurden. Mit freundlichen Grüßen, für den Betriebsrat gez. U1xxx B2xxxxxxxxx." Mit Schreiben vom 26.02.2004, das dem Kläger am 02.03.2004 zuging, erklärte die Beklagte dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2004 unter gleichzeitiger Beifügung eines Schreibens, in dem sie mitteilt, der "Austrittstermin" verschiebe sich um einen Monat auf den 30.09.2004. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens vom 26.02.2004 und des beigefügten Schreibens vom 01.03.2004 wird auf Bl. 3 und 3 R d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 17.03.2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 30.09.2004 an. Wegen der Einzelheiten dieses Anhörungsschreibens wird auf Bl. 33 d.A. Bezug genommen. Der Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht mit Schreiben vom 22.03.2004 und verwies auf seine Stellungnahme vom 25.02.2004. Mit Schreiben vom 25.03.2004 (Bl. 10 d.A.) erklärte die Beklagte der Klägerin eine weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2004. Mit Schreiben vom 28.04.2004 (Bl. 40 d.A.) bot sie dem Kläger die Weiterbeschäftigung bis einschließlich 31.10.2004 an. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab. Mit seiner am 15.03.2004 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangenen und am 16.04.2004 erweiterten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 26.02.2004 und 25.03.2004 nicht beendet worden ist und fortbesteht. Der Kläger hat vorgetragen, die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen seien rechtsunwirksam. Die Kündigung vom 26.02.2004 sei bereits deshalb als unwirksam anzusehen, weil sie ohne Beifügung einer Vollmacht ausgesprochen worden sei. Er, der Kläger habe diese Kündigung mit Schreiben vom 11.03.2004 zurückgewiesen. Die Zurückweisung sei unverzüglich im Sinne des § 174 BGB erfolgt. Die Kündigungen seien aber auch mangels Zustimmung des Integrationsamtes rechtsunwirksam. Er, der Kläger, habe am 28.01.2004 einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt. Die Feststellung des Versorgungsamts über einen Grad der Behinderung von 20 sei nicht bestandskräftig. Außerdem sei das Gleichstellungsverfahren anhängig, das ebenfalls auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirke. Die Kündigungen seien auch wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats als unwirksam anzusehen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Kündigungen seien auch mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam. Bestritten werde, dass die Beklagte die Stabilisatorenfertigung in W1xxxxx zum 31.07.2004 habe einstellen wollen bzw. eingestellt habe. Nach eigenen Angaben habe die Beklagte einen "Fertigungsauslauf" zum 30.09.2004 geplant. In ihrem Schreiben vom 28.04.2004 sei die Beklagte davon ausgegangen, dass die Stabilisatorenfertigung jedenfalls bis zum 31.10.2004 fortgesetzt werde. Eine "Vorratskündigung" sei sozialwidrig. Der gesamte Ablauf der geplanten unternehmerischen Maßnahmen und ihre betriebliche Umsetzung seien nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei im Interessenausgleich unter Ziffer 3.1 geregelt, mit welchen Instrumenten die "notwendige Personalanpassung" vorgenommen werden solle. Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip müsse die Beklagte darlegen, welche dieser Instrumente sie mit welchem Ergebnis angewandt habe, bevor die Betriebsbedingtheit von Kündigungen beurteilt werden könne. Nach Ziffer 3.2 des Interessenausgleichs kämen Kündigungen - nach Versagen der vorausgehenden Maßnahmen - nur in Betracht bei Belegschaftsmitgliedern, die eine Versetzung ablehnten bzw. denen kein Arbeitsplatz angeboten werden könne. Ihm, dem Kläger, sei konkret eine Arbeit im Werk O2xx angeboten worden, zu der er sich - nach Besichtigung des Arbeitsplatzes - bereiterklärt habe. Zu Recht habe der Betriebsrat in seinem Widerspruch darauf hingewiesen, dass von den 33 Arbeitsplätzen in O2xx noch 20 frei gewesen seien. Das sich "hinsichtlich der geplanten Versetzung von Mitarbeitern ins Werk O2xx einige Probleme beim aufnehmenden Betrieb ergeben" hätten, sei allein Sache der Beklagten. Warum er, der Kläger, ungeachtet dessen gleichwohl von einer Kündigung betroffen sei, sei nicht nachvollziehbar. Offensichtlich unwirksam sei die Kündigung auch wegen nicht vorgenommener sozialer Auswahl. Die Beklagte beschäftige zweifelsfrei weiterhin zahlreiche Produktionsmitarbeiter, die er, der Kläger, nicht kenne. Ihm bleibe daher nichts anderes übrig, als die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl insgesamt zu bestreiten und die Beklagte zur Auskunft nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG aufzufordern. Nachdem die Beklagte zu den Gründen der Sozialauswahl geschwiegen habe, müsse es als unstreitig angesehen werden, dass soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtig worden seien. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26.02.2004/01.03.2004 und vom 25.03.2004 nicht zum 30.09.2004 beendet wird, sondern fortbesteht. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die ausgesprochenen Kündigungen seien wirksam. Auf die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers komme es nicht an, da das Versorgungsamt mit Schreiben vom 12.05.2004 einen Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung zurückgewiesen habe, da dem Kläger lediglich ein Grad der Behinderung von 20 zuerkannt worden sei. Der Wirksamkeit der Kündigung vom 26.02.2004 stehe auch die fehlende Vollmachtsbeifügung nicht entgegen. Die Zurückweisungserklärung des Klägers vom 11.03.2004 sei erst am 16.03.2004 und damit nicht unverzüglich im Sinne des § 174 BGB bei ihr, der Beklagten, eingegangen. Darüber hinaus sei die Kündigung vom stellvertretenden Personalleiter und seinerzeitigen kommissarischen Personalleiter, dem Zeugen L2xxxx unterzeichnet. Der Zeuge L2xxxxx sei bereits seit mehreren Jahren stellvertretender Personalleiter und berechtigt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Dies sei allen Mitarbeitern bekannt. Die Kündigungen seien auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Unter dem 18.02.2004 habe sie das förmliche Anhörungsverfahren eingeleitet. In seiner abschließenden Stellungnahme vom 26.02.2004 habe der Betriebsrat mitgeteilt, dass er gegen die beabsichtigte Kündigung des Klägers Widerspruch erhebe. Zum Widerspruch des Betriebsrats sei zu bemerken, dass nicht beabsichtigt sei, einseitig über die im Interessenausgleich vom 16.01.2004 vereinbarten Maßnahmen hinauszugehen. Richtig sei allerdings, dass sich nach derzeitigem Stand hinsichtlich der geplanten Versetzung von Mitarbeitern in das Werk O2xx einige Probleme beim aufnehmenden Betrieb ergeben hätten. Ungeachtet dessen wäre der Kläger aber gleichwohl von einer Kündigung betroffen gewesen. Die Kündigungen seien auch sozial gerechtfertigt. Sie, die Beklagte, habe im Sommer des Jahres 2003 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die in der sogenannten Halle 9 angesiedelte Stabilisatorenfertigung komplett zum 31.07.2004 einzustellen. Hierdurch sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Im Werk W1xxxxx werde sie zukünftig nur noch Schraubenfedern fertigen. Auch wenn nicht zu bestreiten sei, dass der ursprünglich festgelegte Schließungstermin vom 31.07.2004 auf Grund nicht geplanter und überraschender Erhöhung der Abrufmengen nicht eingehalten habe werden können, sei nunmehr zwischen den Betriebsparteien vereinbart worden, dass nach Abschluss der Produktion die Fertigung zum Ende September 2004 stillgelegt werde. Aus diesem Grunde habe sie sich entschlossen, im Oktober 2004 die Freischichtenguthaben der Mitarbeiter und noch offenen Resturlaub abzubauen und aus diesem Grunde allen in Frage kommenden Mitarbeitern eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.10.2004 angeboten. Nicht bestritten werde, dass ursprünglich im Interessenausgleich vereinbart gewesen sei, dass 33 Mitarbeiter in das Werk O2xx versetzt werden sollten. Auf Grund veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die sich erst nach Abschluss des Interessenausgleichs vom 16.01.2004 ergeben hätten, sei der Betrieb in O2xx aus betriebsbedingten Gründen nicht in der Lage, 33 Mitarbeiter aufzunehmen. Aus diesem Grunde habe sie mit dem Betriebsrat des Werkes W1xxxxx in Abänderung des Interessenausgleichs vom 16.01.2004 vereinbart, dass anstelle der ursprünglich genannten 33 Mitarbeiter lediglich 13 Mitarbeiter in das Werk O2xx versetzt würden. Auch die soziale Auswahl könne nicht beanstandet werden. Sie, die Beklagte, beschäftigte keine mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter. Es sei Sache des Klägers, substantiiert darzulegen, warum die getroffene Entscheidung im Hinblick auf die soziale Auswahl fehlerhaft sein solle. Durch Urteil vom 28.09.2004 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 26.02.2004 und 25.03.2004 nicht beendet worden ist. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitgerichtlichen Urteils verwiesen, das der Beklagten am 12.10.2004 zugestellt worden ist. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 09.11.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.01.2005 - am 13.01.2005 begründet worden ist. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Kündigungen seien als rechtswirksam anzusehen. Sie habe im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst gehabt, die in der sogenannten "Halle 9" angesiedelte Stabilisatorenfertigung endgültig und nicht nur vorübergehend zum 31.07.2004 einzustellen. Der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan über die beabsichtigten Maßnahmen zeige, dass die Stilllegungsentscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen bereits greifbare Formen angenommen habe. Nach der bei Ausspruch der Kündigungen bestehenden Prognoseentscheidung sei mithin die Arbeitskraft des Klägers zum 31.07.2004 entbehrlich geworden. Richtig sei, dass dieser geplante Schließungstermin in Folge von nach Ausspruch der Kündigungen aufgetretenen und zuvor nicht planbaren Umständen nicht habe eingehalten werden können. Dies spreche indes nicht gegen den ernsthaften und endgültigen Entschluss, die sogenannte Halle 9 zu schließen. Gleiches gelte für den Umstand, dass im Oktober 2004 die Freischichtguthaben der Mitarbeiter und noch offener Resturlaub habe abgebaut werden sollen. Letztendlich sei die Stabilisatorenfertigung in Halle 9 zum 15.10.2004 stillgelegt worden. In Halle 9 würden derzeit Schutzschläuche für Schraubenfedern aufgezogen. Diese Tätigkeiten stünden in keinem Zusammenhang mit der in der Vergangenheit in Halle 9 angesiedelten Stabilisatorenfertigung. Die von W1xxxxx nach O2xx versetzten Mitarbeiter seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Dem Kläger fehlten insbesondere Kenntnisse in CNC-Steuerung, die erforderlich seien, um komplexe Anlagen selbständig zu fahren. Dieses Kenntnisse seien für einen Wechsel in das Werk O2xx Voraussetzung gewesen. Die vier Mitarbeiter, die eine geringere Punktzahl als der Kläger aufwiesen und in O2xx weiterbeschäftigt würden, seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 28.09.2004 - 2 Ca 863/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen vor, von einer ernstlichen Absicht der Beklagten die Stabilisatorenfertigung einzustellen könne keine Rede sein. Danach mangele es bereits an einem die streitbefangenen Kündigungen bedingenden Grund. Darüber hinaus müssten auch die erstinstanzlich aufgezeigten Fehler bei der Betriebsratsanhörung, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in O2xx, die nicht durchgeführte Sozialauswahl, die Zurückweisung der Kündigung vom 26.02.2004 gemäß § 174 BGB und die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes zur Zurückweisung der Berufung führen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Der Sache nach bleibt die Berufung der Beklagten indes erfolglos. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 26.02.2004 und 25.03.2004 nicht aufgelöst worden ist. Hierbei kann dahinstehen, ob die Kündigung vom 26.02.2004 bereits wegen § 174 BGB als unwirksam anzusehen ist. Unerheblich ist auch, ob die Kündigungen wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats oder fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam sind. Denn die Kündigungen sind nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist. Dies hat der Kläger rechtzeitig im Sinne des § 4 KSchG gerichtlich geltend gemacht. 1.) Die erkennende Kammer unterstellt zu Gunsten der Beklagten, dass durch Aufgabe der Fertigung der leichten Stabilisatoren am Standort W1xxxxx die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger an seinem angestammten Arbeitsplatz in der sogenannten Halle 9 entfallen ist. Die dieser Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Organisationsentscheidung ist von den Arbeitsgerichten nicht auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (sogenannte Missbrauchskontrolle; vgl. etwa BAG, Urteil vom 26.09.1996, EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 m.w.N.). Die Kammer geht zu Gunsten der Beklagten weiter davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte, die den Schluss auf eine etwaig missbräuchliche Unternehmerentscheidung zulassen könnten, nicht gegeben sind. 2.) Auch wenn danach die Möglichkeit, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz in der sogenannten Halle 9 in W1xxxxx weiterzubeschäftigen, aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die dortige Fertigung der leichten Stabilisatoren aufzugeben, weggefallen ist, ist die aus diesem Anlass ausgesprochene Kündigung nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem "ultima ratio-Grundsatz", dem vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BAG, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969). Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu prüfende "ultima ratio-Grundsatz" ist in § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat frist- und formgerecht widersprochen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, haben die nachträglich in das Kündigungsschutzgesetz eingefügten Widerspruchstatbestände zugleich eine Verbesserung des individuellen Kündigungsschutzes gewirkt und sind daher auch ohne Widerspruch des Betriebsrats im Rahmen der Generalklausel des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.1984, NZA 1985, 489). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gesichtspunkte können die streitgegenständlichen Kündigungen nicht als sozial gerechtfertigt angesehen werden. Denn im Zeitpunkt ihres Zugangs bestand die Möglichkeit, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb der Beklagten weiterzubeschäftigen. a) Nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten war ursprünglich im Interessenausgleich vom 16.01.2004 vereinbart worden, dass 33 Mitarbeiter des Werkes W1xxxxx, die von der Betriebsänderung betroffen waren, in das Werk O2xx versetzt werden sollten. Dementsprechend hat die Beklagte im Januar 2004 allen von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeitern des Werkes W1xxxxx, unter anderem auch dem Kläger, die Möglichkeit eingeräumt, sich die Arbeitsplätze in O2xx anzuschauen. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 16.01.2004 in O2xx 33 freie Arbeitsplätze zur Verfügung standen. In seinem Widerspruch vom 25.02.2004 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers hat der Betriebsrat ausgeführt, im Interessenausgleich vom 16.01.2004 sei die Versetzung von 33 Mitarbeitern an den Standort O2xx vereinbart worden; bei Einhaltung des Interessenausgleichs sei die Kündigung des Klägers nicht erforderlich gewesen; dem Kläger habe ein Arbeitsplatz in O2xx angeboten werden können, da bis heute lediglich 13 Mitarbeiter versetzt worden seien. Hieraus konnte die Kammer nur schließen, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen noch 20 Arbeitsplätze in O2xx, die für die von der Betriebsänderung in W1xxxxx betroffenen Arbeitnehmer, so auch für den Kläger, vorgesehen waren, noch unbesetzt waren. b) Aus welchen Gründen die Beklagte die zur Zeit der Kündigungen offensichtlich noch freien 20 Arbeitsplätze im Betrieb O2xx nicht besetzt hat, war für die Kammer nicht ersichtlich. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang lediglich vorgetragen, aufgrund veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die sich erst nach Abschluss des Interessenausgleichs vom 16.01.2004 ergeben hätten, sei der Betrieb in O2xx aus betriebsbedingten Gründen nicht in der Lage gewesen, 33 Mitarbeiter aufzunehmen. Diesem Sachvortrag lässt sich weder entnehmen, aufgrund welcher konkreten Umstände die weiteren 20 Arbeitsplätze in O2xx, die im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers offensichtlich noch frei waren, weggefallen sind, noch lässt das Vorbringen Rückschlüsse darauf zu, zu welchem Zeitpunkt dies gewesen sein soll. Angesichts der Tatsache, dass nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten im Werk O2xx insgesamt 33 Arbeitsplätze für Mitarbeiter des Werkes W1xxxxx, die, wie der Kläger, von der Betriebsänderung betroffen waren, zur Verfügung standen, von denen nur 13 Arbeitsplätze durch Versetzung betroffener Arbeitnehmer aus dem Werk W1xxxxx besetzt worden sind, konnte die Kammer nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen 20 Arbeitsplätze im Werk O2xx noch nicht besetzt waren. Konnte der Kläger danach in einem anderen Betrieb der Beklagten weiterbeschäftigt werden, so sind die Kündigungen als sozial ungerechtfertigt und damit als rechtsunwirksam anzusehen. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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