Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1116/06
Rechtsgebiete: TV der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie


Vorschriften:

TV der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.05.2006 - 7 Ca 617/06 - teilweise abgeändert und die Beklagte weitergehend verurteilt, an die Klägerin 1.263,45 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 2.267,20 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Urlaubsgeld und um ein anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 2005.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Sie ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes und tarifgebunden. Die am 04.04.1963 geborene Klägerin war vom 01.08.1979 bis zum 31.01.2006 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und sodann bei der Beklagten tätig, zuletzt als Leiterin der Arbeitsvorbereitung. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 29.06.1982, den die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma A3xxxx H1xxxx, Nieten- und Metallwarenfabrik GmbH & Co., geschlossen hatte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die im Frühjahr 2002 Insolvenz anmelden musste, war ebenfalls Mitglied im Arbeitgeberverband und tarifgebunden. Die Beklagte hat den Betrieb ihrer insolventen Rechtsvorgängerin erworben und fortgeführt.

Ziffer 2 des genannten Arbeitsvertrages der Klägerin, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, lautet wie folgt:

"Die Arbeitsbedingungen richten sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens. Der Personalfragebogen ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die richtige Beantwortung der dort aufgeführten Fragen ist Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Arbeitsvertrages."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 29.06.1982 wird auf Bl. 6 f. d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin erhielt zuletzt ein monatliches Gehalt von 3.650,00 € brutto.

Mit Schreiben vom 30.06.2005 erklärte die Beklagte der Klägerin die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen setzte die Klägerin sich im Verfahren 5 Ca 3585/05 vor dem Arbeitsgericht Dortmund zur Wehr. Im Termin vom 02.11.2005 schlossen die Parteien folgenden Vergleich :

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher fristgerechter betriebsbedingter Kündigung vom 30.06.2005 mit Ablauf des 31.01.2006 sein Ende finden wird.

2. Die Klägerin wird bis zum 31.01.2006 unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung jedoch unter Anrechnung auf Urlaubs- und sonstige Freizeitansprüche sowie auf Gutstunden von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

3. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 25.000,00 EUR. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Zahlung der Abfindung in drei Raten erfolgen kann, wobei die erste Rate in Höhe von 8.000,00 EUR fällig wird zum 01.03.2006, die zweite Rate in Höhe von weiteren 8.000,00 EUR zum 01.04.2006 sowie die dritte Rate in Höhe von 9.000,00 EUR zum 01.05.2006. Sollte die Beklagte mit der Zahlung einer Rate ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand geraten, so wird der gesamte ausstehende Restbetrag auf einmal fällig und ist fortan mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

4. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Schlusszeugnis, das ihrem beruflichen Fortkommen dienlich ist.

5. Damit sind die Verfahren 5 Ca 3585/05 sowie 5 (10) Ca 3880/05 erledigt."

Bereits am 01.10.2004 hatte die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall einen sog. Sanierungs- und Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag (im Folgenden: Sanierungs-Tarifvertrag) abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten des Sanierungs-Tarifvertrages wird auf Bl. 29 ff. d.A. verwiesen. Am 07.12.2005 schloss die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall einen weiteren Tarifvertrag als sog. Ergänzung zum Sanierungs- und Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag ab (im Folgenden: Ergänzungs-Tarifvertrag). Wegen des Inhaltes des Ergänzungs-Tarifvertrages wird auf Bl. 32 ff. d.A. verwiesen.

Die Beklagte zahlte der Klägerin im Jahre 2005 zusätzliches Urlaubsgeld nur für 15 Urlaubstage. Ein anteiliges 13. Monatseinkommen zahlte die Beklagte für das Jahr 2005 nicht. Mit vorliegender Klage, die am 06.02.2006 beim Arbeitsgericht Dortmund einging, verlangt die Klägerin zusätzliches Urlaubsgeld für 15 weitere Urlaubstage des Jahres 2005 in Höhe von 1.263,45 EUR sowie Zahlung von 50% des tariflichen anteiligen 13. Monatseinkommens für 2005 in Höhe von 1.003,75 EUR.

Zur Begründung ihres Begehrens hat die Klägerin vorgetragen, sie müsse den Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 nicht gegen sich gelten lassen. Zum einen sei bereits nicht ersichtlich, warum ein Firmen-Tarifvertrag Anwendung finden solle, wenn der Arbeitsvertrag die Tarifvertragswerke für Nordrhein-Westfalen in Bezug nehme. Zudem habe der Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 ihren Anspruch auf das anteilige 13. Monatseinkommen, der bereits am 01.12.2005 fällig gewesen sei, nicht mehr entfallen lassen können. Gleiches gelte für ihren Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld. Sie, die Klägerin, sei durch Vergleich vom 02.11.2005 für die Zeit nach Umwandlung der fristlosen in eine fristgerechte Kündigung unter Anrechnung auf den ihr zustehenden Erholungsurlaub von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden. Damit stehe fest, dass der ihr zustehende Erholungsurlaub in der Zeit vom 02. bis zum 23.11.2005 genommen worden sei. Das zusätzliche Urlaubsgeld sei daher bereits mehr als einen Monat vor Abschluss des Ergänzungs-Tarifvertrages fällig geworden. Diese Ansprüche seien daher nicht mehr von dem Ergänzungs-Tarifvertrag erfasst worden.

Schließlich habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen dürfen, dass ihr das zusätzliche Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 und das anteilige 13. Monatseinkommen für 2005 noch gezahlt werde. Bei Vergleichsabschluss am 02.11.2005 sei ausdrücklich angesprochen worden, dass zur ordnungsgemäßen Abrechnung selbstverständlich auch die Sonderzahlung gehöre. Der Beklagten sei Arglist vorzuwerfen, wenn sie erkläre, sie habe bereits im Sommer 2005 geplant, die o.g. Sonderzahlungen zu streichen, im Kammertermin vom 02.11.2005 hierauf aber nicht hingewiesen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.267,20 EUR brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, nach den Bestimmungen des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 sei sie nicht verpflichtet, der Klägerin zusätzliches Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 und anteiliges 13. Monatseinkommen für 2005 zu zahlen. Die Regelungen dieses Tarifvertrages, nach denen diese Leistungen entfallen sollten, müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen. Denn die betroffenen Arbeitnehmer hätten nicht auf den Fortbestand dieser tariflichen Ansprüche vertrauen dürfen. Im zweiten Quartal 2005 sei klar geworden, dass im ersten Quartal 2005 kein positives Ergebnis, sondern ein Verlust in Höhe von 400.000,00 EUR erwirtschaftet worden sei. Dies habe bei ihr, der Beklagten, niemand erwartet. Daraufhin seien weitere Sparmaßnahmen erforderlich gewesen, die auch das Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 sowie das 13. Monatseinkommen für 2005 betroffen hätten. Erste Gespräche mit dem Betriebsrat hätten Anfang Juni 2005 stattgefunden. Ende Juni 2005 seien weitere Gespräche zwischen der Geschäftsleitung, dem Betriebsrat und der zuständigen Gewerkschaft hierüber geführt worden. Die Verhandlungen über die Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 sowie über die Nichtzahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 seien über das gesamte zweite Halbjahr des Jahres 2005 geführt worden und hätten in den am 07.12.2005 geschlossenen Ergänzungs-Tarifvertrag gemündet.

Das Vertrauen in die Fortgeltung der einschlägigen Tarifnormen sei nicht mehr schutzwürdig gewesen, da die Normunterworfenen mit einer Änderung hätten rechnen müssen. In ihrem Betrieb sei bekannt gewesen, dass über das zusätzliche Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 sowie über das anteilige 13. Monatseinkommen verhandelt worden sei. Unerheblich sei, ob die Klägerin hiervon Kenntnis gehabt habe. Entscheidend und ausreichend sei vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise, also die Kenntnis des Betriebsrats sowie des bei ihr beschäftigten Personals. Bei ihr, der Beklagten, sei es zu regelmäßigen Anfragen der Mitarbeiter über den Stand der Verhandlungen zum Urlaubsgeld des zweiten Halbjahres 2005 und zum anteiligen 13. Monatseinkommen im Verlauf des zweiten Halbjahres des Jahres 2005 gekommen. Im Juni/Juli 2005 habe auch die Klägerin danach gefragt. Auch der Ehemann der Klägerin sowie ihr Onkel und ihr Cousin, die ebenfalls in ihrem Unternehmen tätig seien, hätten nach dem Stand der Verhandlungen gefragt.

Durch Urteil vom 23.05.2006 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens in Höhe von 1.003,75 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt; hinsichtlich der Forderung der Klägerin auf Zahlung restlichen Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 in Höhe von 1.263,45 EUR brutto hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 06.06.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 05.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 14.07.2006 begründet worden ist. Die Klägerin hat sich innerhalb der bis zum 04.10.2006 verlängerten Frist zur Beantwortung der Berufung mit Schriftsatz vom 13.09.2006, der am 14.09.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, der Berufung angeschlossen und die Anschlussberufung gleichzeitig begründet.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 und restlichen Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005. Angesichts der Ertragskrise, die sich nach Abschluss des ersten Quartals des Jahres 2005 abgezeichnet habe, seien über die bereits vereinbarten Sparmaßnahmen hinaus neuerliche Sanierungsmaßnahmen von Nöten gewesen, die auch das Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 sowie den Teil eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 umfasst hätten. In einer am 24.05.2005 stattfindenden Wirtschaftsausschusssitzung habe der seinerzeitige Personalleiter mitgeteilt, dass der Sanierungs-Tarifvertrag vom 01.10.2004 nicht ausreiche, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Als gemeinsam zu ergreifende Maßnahmen seien die Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005, die Nichtzahlung des Teils eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 und betriebsbedingte Kündigungen genannt worden. Diese Mitteilung in der Wirtschaftsausschusssitzung sei nicht konkret gewesen; vielmehr seien die angesprochenen Einschnitte als denkbar und möglich bezeichnet worden.

Am 02.06.2005 habe der Betriebsrat den IG Metall Vertrauenskörper-Mitgliedern, zu denen auch die Klägerin gehört habe, das Ergebnis der Wirtschaftsausschusssitzung mitgeteilt. Am 06.06.2005 habe bei ihr, der Beklagten, eine Betriebsversammlung stattgefunden. Der Betriebsrat habe sämtlichen anwesenden Mitarbeitern das Ergebnis der

Wirtschaftsausschusssitzung mitgeteilt und erklärt, dass über Zahlung/Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 sowie für den Teil eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sowie über mögliche Entlassungen aufgrund der wirtschaftlichen Lage mit dem Arbeitgeber verhandelt werden müsse.

Nach der Betriebsversammlung habe ihr seinerzeitiger Geschäftsführer den Betriebsrat und den Vertreter der zuständigen Gewerkschaft, der IG Metall, zu einem ersten Verhandlungsgespräch über die Erweiterung des Sanierungs-Tarifvertrages vom 01.10.2004 gebeten. In der Folge hätten mehrere Verhandlungen stattgefunden. Die IG Metall Vertrauenskörper-Mitglieder seien stets informiert und auf dem aktuellen Stand gehalten worden. Im Rahmen dieser Verhandlungen habe der Vertreter der IG Metall unter Beteiligung des Betriebsrats verlangt, dass ein Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger hinsichtlich der Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Beklagten bestellt werden müsse. Nachdem dies erfolgt sei, habe der Betriebsrat dies der Belegschaft mitgeteilt. Am 24.08.2005 habe sie, die Beklagte, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitabsenkung geschlossen, die am Schwarzen Brett ausgehängt worden sei. Die Verhandlungen über die Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 und eines Teils eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 seien ungeachtet dessen weitergegangen. Der von der Gewerkschaft und dem Betriebsrat eingeschaltete Wirtschaftsprüfer habe sein Ergebnis am 30.08.2005 vorgelegt. Hieraus habe sich ergeben, dass weitere Sparmaßnahmen dringend notwendig gewesen seien. Aus diesem Grunde sei die Belegschaft mit Schreiben vom 31.08.2005 durch die Geschäftsführung und den Betriebsrat informiert worden (Bl. 111 d.A.).

Am 12.09.2005 habe eine weitere regelmäßige Betriebsversammlung stattgefunden, auf der die Betriebsratsvorsitzende der Belegschaft mitgeteilt habe, dass über die Zahlung/Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 und über die Zahlung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 weiterhin zwischen den Tarifvertragsparteien unter Beteiligung des Betriebsrates verhandelt werde. Am 07.12.2005 sei schließlich nach mehreren weiteren Terminen der Ergänzungs-Tarifvertrag unterzeichnet worden.

Vor diesem Hintergrund könne die Klägerin die streitgegenständlichen Leistungen nicht beanspruchen. Sowohl die Belegschaft als auch der Betriebsrat sowie die Gewerkschaft seien stets im Bilde über den Gang der Verhandlungen gewesen. Keiner ihrer Arbeitnehmer habe darauf vertrauen können, dass das Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 und das anteilige 13. Monatseinkommen für das Jahr 2005 gezahlt werde. In mehreren Betriebsversammlungen sowie durch Aushang sei die Belegschaft umfänglich informiert worden. Sie, die Beklagte, habe vor Abschluss des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 die Belegschaft nicht dahingehend informieren können, dass diese Leistungen nicht gezahlt werden würden. Dies wäre reine Spekulation und unseriös gewesen. Keiner ihrer Mitarbeiter könne sich aber darauf zurückziehen, er habe keine Kenntnis von den Verhandlungen über die Zahlung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sowie über das Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 gehabt. Die betroffenen Kreise hätten spätestens durch das Schreiben vom 31.08.2005 gewusst, dass sie kein Vertrauen dahingehend hätten entwickeln können, im Jahr 2005 die genannten Leistungen zu erhalten. Dass der Ergänzungs-Tarifvertrag tatsächlich nicht vor dem 01.12.2005, sondern aufgrund von Terminproblemen erst am 07.12.2005 unterzeichnet worden sei, sei nicht entscheidend.

Soweit das Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 in Frage stehe, habe das Arbeitsgericht die Klage zutreffend abgewiesen. Nach den Bestimmungen des gerichtlichen Vergleichs vom 02.11.2005 sei die Klägerin bis zum 31.01.2006 unter Fortzahlung ihrer Vergütung sowie unter Anrechnung auf den ihr noch zustehenden Urlaub von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden. Es sei Sache der Klägerin gewesen zu erklären, wann sie ihren Urlaub für das Jahr 2005 in Anspruch nehmen wolle. Da sie keine Urlaubswünsche geäußert habe, sei die Festlegung des Urlaubs im Vergleichswege durch bezahlte Freistellung getroffen worden. Angesichts dessen sei der Anspruch der Klägerin auf das zusätzliche Urlaubsgeld noch nicht entstanden gewesen, als der Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 abgeschlossen worden sei.

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe sie, die Beklagte, sich nicht arglistig verhalten. Bei Abschluss des Vergleiches am 02.11.2005 sei sie nicht in der Lage gewesen, die Klägerin über das Ergebnis des Ergänzungs-Tarifvertrages zu berichten, da dieser erst am 07.12.2005 geschlossen worden sei. Richtig sei, dass der Klägerin auf Frage ihres Prozessbevollmächtigten nach der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses erklärt worden sei, sie erhalte all das, was auch sämtliche anderen Mitarbeiter an Vergütung erhielten. Auch im Zeitpunkt des Kammertermins vom 02.11.2005 habe niemand voraussehen können, wie die Verhandlungen über die Zahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 bzw. das anteilige 13. Monatseinkommen des Jahres 2005 ausfallen werden. Sie, die Beklagte, sei sich keineswegs sicher gewesen, wie die Verhandlungen ausgehen würden. Demgemäß habe sie diese Formulierung bewusst gewählt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.05.2006 - 7 Ca 617/06 - abzuändern und

1. die Klage kostenpflichtig abzuweisen,

2. die unselbstständige Anschlussberufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund abzuändern, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.263,45 EUR brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.06.2005, das ihr am 05.07.2005 zugegangen, außerordentlich fristlos gekündigt. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung habe sie den Betrieb der Beklagten nicht mehr betreten, keine Vergütung mehr erhalten und mit Ausnahme weiterer nachgeschobener Kündigungen keine weiteren Nachrichten seitens der Beklagten erhalten. Sie, die Klägerin, habe darauf vertrauen dürfen, die streitgegenständlichen Leistungen für 2005 zu erhalten. Die Beklagte habe nichts für den Wegfall des Vertrauensschutzes getan, sondern sogar darauf hingewirkt, dass sie nach wie vor auf die Zahlung der zweiten Hälfte des zusätzlichen Urlaubsgeldes sowie des anteiligen 13. Monatseinkommens für 2005 vertraut habe. Im Termin vom 02.11.2005 habe die Beklagte die Chance gehabt, sie, die Klägerin darüber zu informieren, dass Unsicherheit darüber bestehe, ob diese Leistungen für das Jahr 2005 gewährt würden. Unmittelbar vor Abschluss des Vergleiches habe ihr Prozessbevollmächtigter die Beklagte darauf angesprochen, dass zur Fortzahlung der Vergütung für die Dauer der Freistellung selbstverständlich auch das ausstehende zusätzliche Urlaubsgeld sowie das Weihnachtsgeld gehöre. Der Bevollmächtigte der Beklagten habe darauf erklärt, selbstverständlich erhalte die Klägerin all das, was auch die übrigen Mitarbeiter erhielten. Unter Berücksichtigung dieser Äußerungen der Beklagten könne ihr Vertrauen auf Erhalt der streitgegenständlichen Leistungen nicht als zerstört angesehen werden.

Der Vertrauensschutz in den Fortbestand der tariflichen Regelungen des Sanierungs-Tarifvertrages sei auch nicht auf andere Weise entfallen. Die Äußerungen der Beklagten in der Wirtschaftsausschusssitzung vom 24.05.2005 reichten hierzu nicht aus. Die Beklagte habe selbst ausgeführt, dass die Mitteilung in der Wirtschaftsausschusssitzung nicht einmal konkret gewesen sei. Auch ihr, der Klägerin, sei weder seitens der Beklagten noch des Betriebsrates etwas über eine geplante Nichtzahlung des 13. Monatseinkommens oder des Urlaubsgeldes gesagt worden. Soweit tatsächlich am 06.06.2005 eine Betriebsversammlung stattgefunden habe, werde mit Nichtwissen bestritten, dass dort über die Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 sowie über das anteilige 13. Monatseinkommen gesprochen worden sei. Sie, die Klägerin, habe nach ihrer Erinnerung an dieser Betriebsversammlung nicht teilgenommen. Sie habe im Laufe des Monats Juni 2005 von keinem ihrer Arbeitskollegen Andeutungen darüber gehört, es könne das zusätzliche Urlaubsgeld oder das anteilige 13. Monatseinkommen entfallen. Es widerspräche jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Arbeitnehmer im Falle derartiger Ankündigungen anschließend hierüber nicht diskutierten. Daher sei davon auszugehen, dass tatsächlich Derartiges in der Betriebsversammlung nicht besprochen worden sei.

Der weitergehende Sachvortrag der Beklagten hinsichtlich der angeblichen Verhandlungen über die Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 und des anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sei vollkommen unsubstanziiert. Es werde lediglich vage vorgetragen, die Verhandlungen über weitere Sparmaßnahmen seien weitergegangen. Die Beklagte habe nach wie vor nicht konkret vorgetragen, wann und wie sie die gesamte Belegschaft hierüber informiert habe. Auch das Schreiben vom 31.08.2005 könne nicht zum Wegfall des Vertrauensschutzes führen. Allein die Tatsache, dass Verhandlungen und deren Inhalt gerüchteweise in der Belegschaft bekannt geworden seien, genüge hierzu nicht.

Auch hinsichtlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes für die zweite Hälfte des Jahres 2005 genieße sie, die Klägerin, Vertrauensschutz. Üblicherweise werde der Urlaub im Falle der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers sofort im Rahmen einer Freistellung gewährt, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass bei einer eintretenden Arbeitsunfähigkeit der Urlaub zusätzlich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten sei. Dem entsprechend sei davon auszugehen, dass der Urlaub für das Jahr 2005 mit Inkrafttreten des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 bereits verbraucht gewesen sei. Das Arbeitsverhältnis sei durch Kündigung der Beklagten vom 30.06.2005, die ihr am 05.07.2005 zugegangen sei, fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt worden. Hiergegen habe sie sich mit Kündigungsschutzklage vom 07.07.2005 gewehrt und hierbei ihre Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausdrücklich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei der Anspruch auf Abgeltung des unverbrauchten Urlaubs und damit auch des zusätzlichen Urlaubsgeldes entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist gemäß § 524 ZPO an sich statthaft. Sie ist mit Schriftsatz vom 13.09.2006, der am 14.09.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, und damit innerhalb der bis zum 04.10.2006 verlängerten Frist zur Berufungserwiderung schriftsätzlich eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin ein anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 2005 in Höhe von 1.003,75 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen hat die Anschlussberufung der Klägerin Erfolg. Denn die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin restliches Urlaubsgeld für 15 Urlaubstage des Jahres 2005 in Höhe von 1.263,45 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens in Höhe von 1.003,75 EUR brutto hat.

a) Dieser Anspruch ergibt sich aus § 2 des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens, der zwischen der Industriegewerkschaft Metall und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen abgeschlossen worden ist und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien streitlos Anwendung findet. Danach haben Arbeitnehmer, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlung, sofern sie nicht zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis bereits selbst gekündigt haben. Die Voraussetzungen dieser Tarifnorm erfüllt die Klägerin. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien endete ausweislich des am 02.11.2005 geschlossenen Vergleiches erst mit Ablauf des 31.01.2006. Die Klägerin stand damit am 01.12.2005 als des gemäß § 2 Abs. 2 des genannten Tarifvertrages maßgeblichen Auszahlungszeitpunkts in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Soweit der Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens durch den Sanierungs-Tarifvertrag vom 01.10.2004 der Höhe nach auf 50% der tariflichen Leistung begrenzt war, hat die Klägerin dies bei ihrer Klageforderung berücksichtigt und insoweit lediglich einen Betrag von 1.003,75 EUR brutto geltend gemacht. Dies entspricht streitlos dem Betrag, der sich unter Berücksichtigung der Regelungen des Sanierungs-Tarifvertrages hinsichtlich des anteiligen 13. Monatseinkommens errechnet.

b) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für 2005 ist nicht unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 entfallen.

aa) Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Sanierungs-Tarifvertrag vom 01.10.2004 und der Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden, obwohl nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages vom 29.06.1982 die Arbeitsbedingungen sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens, nicht aber nach eventuellen Firmen-Tarifverträgen der Beklagten richten sollten. Die Kammer folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

bb) Auch wenn danach grundsätzlich der Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, stehen dem im vorliegenden Fall Grundsätze des Vertrauensschutzes entgegen.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der die erkennende Kammer sich anschließt, tragen tarifvertragliche Regelungen auch während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt selbst für entstandene und fällig gewordene, aber noch nicht abgewickelte Ansprüche (sog. "wohlerworbene Rechte"). Dabei ist die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Insoweit gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des BVerfG bei der Rückwirkung von Gesetzen. Ob und wann die Tarifunterworfenen mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 4 AZR 643/02, NZA 2004, 447 f. m.w.N.). In der Regel müssen Beschäftigte nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Anders ist dies nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien verschlechternd in diesen Anspruch eingreifen werden (vgl. BAG, Urteil vom 11.10.2006 - 4 AZR 486/05, NZA Heft 20/2006, VII). Dabei kommt es ebenso wie bei der Rückwirkung von Gesetzen auch bei der Rückwirkung von Tarifverträgen für den Wegfall des Vertrauensschutzes nicht auf die Kenntnis jedes einzelnen Arbeitnehmers an; entscheidend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (so BAG, Urteil vom 23.11.1994, a.a.O.; Urteil vom 22.10.2003 - 10 AZR 152/03, NZA 2004, 444, 447 m.w.N.).

(2) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die rückwirkende Beseitigung des Anspruchs der Klägerin auf das tarifliche anteilige 13. Monatseinkommen für 2005 durch den Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 unzulässig war. Zur Beseitigung der berechtigten Erwartung, auch im Jahre 2005 werde das tarifliche Weihnachtsgeld gezahlt, waren die Äußerungen, welche die Beklagte bzw. der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft abgegeben hatten, ungeeignet.

Die Erklärungen der Beklagten anlässlich der Wirtschaftsausschusssitzung am 24.05.2005, der Sanierungs-Tarifvertrag vom 01.10.2004 reiche nicht aus, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern, kann keine begründeten Zweifel an einer unveränderten Fortgeltung der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen entstehen lassen. Zum einen hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass die Mitteilungen in der Wirtschaftsausschusssitzung nicht konkret gewesen seien, sondern die angesprochenen Einschnitte nur als denkbar und möglich bezeichnet worden seien. Zum anderen kann die Fortgeltung von Tarifnormen erst im Hinblick auf ein Verhalten der Tarifparteien Zweifeln ausgesetzt sein. Denn nur die Tarifparteien sind zu entsprechenden Änderungen tariflicher Regelungen befugt.

Gleiches gilt für die Mitteilungen, die nach dem Sachvortrag der Beklagten in der Sitzung der IG Metall Vertrauenskörper-Mitglieder vom 02.06.2005 und am 06.06.2005 im Rahmen einer Betriebsversammlung gemacht worden sein sollen. Soweit der Betriebsrat anlässlich der Betriebsversammlung vom 06.06.2005 erklärt haben sollte, über die Zahlung/Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 sowie für den Teil eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sowie über mögliche Entlassungen müsse mit dem Arbeitgeber verhandelt werden, ist hierdurch das Vertrauen der Tarifunterworfenen in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen nicht erschüttert worden. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass der Betriebsrat nicht Verhandlungspartner für die Änderung der tariflichen Vorschriften ist; nach der geltenden Rechtslage hat er weder Einfluss auf deren Änderung noch soll er einen solchen Einfluss haben. Die Fortgeltung von Tarifnormen kann vielmehr erst im Hinblick auf ein Verhalten der Tarifparteien Zweifeln ausgesetzt sein, weil allein diesen eine entsprechende Änderungsbefugnis zusteht (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 27.02.2003 - 8 (15) Sa 1298/02). Dass die IG Metall oder der Arbeitgeberverband bzw. die Beklagte selbst als Tarifparteien gegenüber der Belegschaft irgendwelche Erklärungen abgegeben haben, die das Vertrauen der Belegschaft auf eine Fortgeltung der maßgeblichen Tarifnormen erschüttert haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zur Beseitigung des Vertrauensschutzes kann weder die einseitige Erklärung des Arbeitgebers, er stehe in Verhandlungen mit der Gewerkschaft, noch eine entsprechende Mitteilung durch den Betriebsrat genügen. Zwar bedarf es nicht unbedingt einer übereinstimmenden Erklärung der Tarifparteien, man stehe in Verhandlungen über eine Abänderung der maßgeblichen Tarifvorschriften. Das BAG hat es vielmehr ausreichen lassen, dass die Gewerkschaft geraume Zeit vor einer Ende November 1996 fälligen tariflichen Leistung unter dem 12.10.1996 durch ein Flugblatt ihre Mitglieder darüber informiert hatte, dass der Anspruch auf Weihnachtsgratifikation Gegenstand von Tarifverhandlungen sei. Nachdem die Gewerkschaft sodann einer Schlichtungsempfehlung zugestimmt hatte, wurde die Belegschaft hierüber u.a. auch durch die Gewerkschaft informiert. Nach weiteren Verhandlungen gab die Gewerkschaft in einem Flugblatt vom 18.11.1996 ihre Bereitschaft bekannt, über eine Ratenzahlung zu verhandeln (vgl. BAG, AP-Nr. 19 zu § 1 TVG Rückwirkung). Eine solche Informationspolitik durch die tarifschließende Gewerkschaft selbst ist aber anders als die Mitteilungen der Beklagten bzw. des Betriebsrats im vorliegenden Fall durchaus zur Beseitigung des Vertrauensschutzes geeignet.

Entsprechendes gilt für den Sachverhalt, der der Entscheidung des BAG vom 14.11.2001 (EzA § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 16) zugrunde liegt. Danach hat das BAG zur Beseitigung des Vertrauensschutzes ausreichen lassen, dass auf einer Betriebsversammlung der Belegschaft ein "Verhandlungsergebnis" bekannt gegeben wurde, welches alsdann Gegenstand eines rückwirkend abgeschlossenen Tarifvertrages wurde. Hierbei hat das BAG nicht darauf abgestellt, von welcher Seite die Mitteilung in der Betriebsversammlung erfolgt war. Auch wenn es danach zur Beseitigung des Vertrauensschutzes nicht notwendig einer von der Gewerkschaft autorisierten Mitteilung bedarf, sondern auch die Mitteilung eines Verhandlungsergebnisses durch Dritte - etwa einem Vertreter des Arbeitgebers - ausreichend sein kann, so ist doch zu unterscheiden zwischen der Mitteilung eines tatsächlich erzielten Verhandlungsergebnisses einerseits und der Mitteilung bloßer Verhandlungen oder Verhandlungsbemühungen andererseits (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 27.02.2003 - 8 (15) Sa 1298/02).

Auch die Aufnahme von Verhandlungen durch die Beklagte mit der IG Metall im Anschluss an die Betriebsversammlung vom 06.06.2005 kann für sich gesehen das Vertrauen der Belegschaft der Beklagten in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen nicht erschüttern. Dass und auf welche Weise die Belegschaft hierüber informiert worden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Verweis Beklagten auf das an die Belegschaft gerichtete Schreiben vom 31.08.2005 kann hieran nichts ändern. Dieses Schreiben informiert im Wesentlichen über eine mit dem Betriebsrat vereinbarte Arbeitszeitverkürzung. In Absatz 2 dieses Schreibens heißt es lediglich, die Themen Urlaubsgeld für das zweite Halbjahr 2005 und Weihnachtsgeld 2005 wurden vertagt. Durch diese vage Mitteilung konnte das Vertrauen der Belegschaft auf Weitergeltung der maßgeblichen tariflichen Vorschriften jedenfalls für das Jahr 2005 nicht beseitigt werden. Für die Arbeitnehmer der Beklagten war nicht einmal ersichtlich, für welchen Zeitraum und mit welchem Ziel die genannten Themen vertagt worden waren. Jedenfalls mussten sie unter Berücksichtigung des Schreibens vom 31.08.2005 nicht damit rechnen, dass die maßgeblichen tariflichen Vorschriften über Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld noch für das Jahr 2005 zu ihren Lasten geändert würden.

Auch auf der weiteren Betriebsversammlung vom 12.09.2005 hat nach dem Sachvortrag der Beklagten lediglich die Betriebsratsvorsitzende die Belegschaft darüber informiert, dass über die Zahlung/Nichtzahlung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 und über die Zahlung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 weiterhin zwischen den Tarifvertragsparteien unter Beteiligung des Betriebsrates verhandelt werde. Danach war der Belegschaft allenfalls bekannt, dass die Beklagte in Verhandlungen mit der Gewerkschaft über diese Themen stand. Ob die Gewerkschaft insoweit verhandlungsbereit war und dementsprechend mit einer rückwirkenden Änderung des Sanierungs-Tarifvertrages vom 01.10.2004 zu rechnen sein würde, war damit für die Beschäftigten in keiner Weise absehbar. Dass auf der Betriebsversammlung ein autorisierter Gewerkschaftsvertreter über den Stand der Verhandlungen berichtet oder sich über die Verhandlungsbereitschaft der Gewerkschaft geäußert hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Unter diesen Umständen war für die Belegschaft nicht erkennbar, ob sich die Erklärungen der Beklagten bzw. der Betriebsratsvorsitzenden anlässlich der Betriebsversammlung vom 12.09.2005 auf den Stand konkreter Tarifverhandlungen - geführt von den zuständigen Gremien der tarifschließenden Parteien - bezogen, oder letztlich allein die Absicht der Beklagten zum Ausdruck brachten, die Gewerkschaft für ein Konzept zur Beseitigung der wirtschaftlichen Probleme zu gewinnen. Gerichtbekanntermaßen ist die IG-Metall nur unter eng begrenzten Voraussetzungen bereit, Verhandlungen mit einzelnen Unternehmen über Verschlechterungen geltender Tarifregelungen aufzunehmen (vgl. zu den Einzelheiten des sog. Pforzheimer Abkommens der IG-Metall die Aufstellung in "direkt", Der Info-Dienst der IG-Metall Nr. 21, 2006, S. 3). Unter Berücksichtigung der Informationen, die nach dem Sachvortrag der Beklagten anlässlich der Betriebsversammlung vom 12.09.2005 gegeben worden sein sollen, kann das Vertrauen der Belegschaft in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Vorschriften vor diesem Hintergrund nicht als erschüttert angesehen werden.

Das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen für das Jahr 2005 ist auch im Kammertermin des Verfahrens 5 Ca 3585/05 vor dem Arbeitsgericht Dortmund am 02.11.2005 nicht erschüttert worden. Die Beklagte hat die Klägerin, die im Anschluss an den Zugang der fristlosen Kündigung vom 30.06.2005 den Betrieb der Beklagten nicht mehr betreten hatte, nicht darüber informiert, dass damals Tarifvertragsverhandlungen mit dem Ziel der Streichung des Urlaubsgeldes für das zweite Halbjahr 2005 und des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2005 geführt wurden. Vielmehr hat ihr Prozessbevollmächtigter unstreitig erklärt, die Klägerin erhalte all das, was auch die übrigen Mitarbeiter erhielten. Hierdurch ist das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Vorschriften nicht erschüttert worden.

Stand der Klägerin damit Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Vorschriften zu, so konnte der Ergänzungs-Tarifvertrag vom 07.12.2005 den am 01.12.2005 fällig gewordenen Anspruch der Klägerin auf ein anteiliges 13. Monatsgehalt nicht beseitigen.

2) Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zahlung zusätzlichen Urlaubsgeldes für weitere 15 Urlaubstage. Dieser Anspruch, der sich aus § 14 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen ergibt, ist nicht gemäß § 3 Abs. 1 des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 im Hinblick auf das Urlaubsgeld des zweiten Halbjahres 2005 entfallen.

a) Die Parteien haben in dem Rechtsstreit 5 Ca 3585/05, der vor dem Arbeitsgericht Dortmund im Hinblick auf die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.06.2005 geführt worden ist, am 02.11.2005 einen Vergleich geschlossen, der unter Ziffer 2. folgende Regelung enthält:

"Die Klägerin wird bis zum 31.01.2006 unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung jedoch unter Anrechnung auf Urlaubs- und sonstige Freizeitansprüche sowie auf Gutstunden von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt."

Danach war die Beklagte verpflichtet, das Gehalt der Klägerin, das wegen der fristlosen Kündigung vom 30.06.2005 für die Monate ab Juli 2005 nicht mehr gezahlt worden war, nachzuzahlen, wobei hierdurch allerdings u.a. die Urlaubsansprüche der Klägerin erfüllt wurden. Zwar enthält Ziffer 2. des Vergleichs vom 02.11.2005 keine konkrete Regelung, für welchen Zeitraum der Klägerin Urlaub gewährt werden sollte. Sollte Ziffer 2. des Vergleichs so zu verstehen sein, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin erst am Ende der Freistellungsphase erfüllt werden sollten, so wäre die Beklagte bei einer zum Ende der Freistellungsphase eintretenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin verpflichtet gewesen, den zu dieser Zeit noch nicht genommenen Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beginn der auf den Urlaub anzurechnenden Freistellungsphase nicht geregelt ist, ist Ziffer 2. des Vergleichs vom 02.11.2005 dahingehend auszulegen, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin mit Beginn der Freistellung erfüllt werden sollten. Dies entspricht dem wohlverstandenen Interesse der Beklagten, die durch eine sofortige Anrechnung der Urlaubsansprüche mit Beginn der Freistellungsphase das Risiko ausschließen konnte, im Falle der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gegen Ende des Arbeitsverhältnisses den Urlaub zusätzlich abgelten zu müssen. Für dieses Verständnis spricht der Rechtsgedanke des § 366 Abs. 2 BGB. Wegen der bei eintretender Arbeitsunfähigkeit in der Freistellungsphase gegebenen Gefahr, den Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten zu müssen, ist der Anspruch der Klägerin auf Urlaubsvergütung, der das zusätzliche Urlaubsgeld beinhaltet, im Verhältnis zu ihren Ansprüchen aus § 615 BGB als die lästigere Schuld anzusehen.

Angesichts dessen ist Ziffer 2. des Vergleichs vom 02.11.2005 dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin jedenfalls im unmittelbaren Anschluss an den 02.11.2005 unter Anrechnung auf ihren Urlaubsanspruch von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war. Wenn es im Vergleich vom 02.11.2005 weiter heißt, die Freistellung unter Anrechnung auf die Urlaubsansprüche erfolge unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung, so bedeutet dies, dass für die 15 Urlaubstage, die im unmittelbaren Anschluss an den Termin vom 02.11.2005 durch Freistellung gewährt worden waren, Urlaubsvergütung und zusätzliches Urlaubsgeld nach den Bestimmungen des genannten Manteltarifvertrages zu zahlen waren. Der Klägerin stand damit ein Anspruch auf Zahlung zusätzlichen Urlaubsgeldes für 15 Urlaubstage zu, die im November 2005 durch Freistellung gewährt worden waren.

b) Dieser Anspruch ist nicht mit Inkrafttreten des Ergänzungs-Tarifvertrages vom 07.12.2005 wieder entfallen. Denn der Klägerin stand auch insoweit Vertrauensschutz zu. Unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Beklagten konnte die Kammer nicht davon ausgehen, dass das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ergänzungs-Tarifvertrages am 07.12.2005 erschüttert war. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück