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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1903/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 31.08.2005 - 1 Ca 1248/05 - abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2005 aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 9.000,00 EUR.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der ledige und keiner Person gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 06.10.2003 als Schleifer bei der Beklagten beschäftigt, bei der ca. 40 Arbeitnehmer tätig sind. Sein durchschnittlicher monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.000,00 EUR. Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 13.10.2003 wird auf Bl. 5 ff. d.A. 1 Ca 825/05 - ArbG Iserlohn - verwiesen.

Im März 2003 erhielt die Beklagte einen Großauftrag durch die Firma AEG Hausgeräte GmbH über die Herstellung eines sogenannten Nexxxt-Griffes mit der Artikel-Nr. 330484800. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Schleiferei der Beklagten mit dem Schleifer G5xxxxx B1xxxxx besetzt. Nach Erhalt des Großauftrages stellte die Beklagte den Kläger sowie den Arbeitnehmer C1xxx für die Schleiferei ein, um neben den übrigen Aufträgen auch den Großauftrag der Firma AEG Hausgeräte GmbH bearbeiten zu können.

Mit Schreiben vom 19.01.2005 kündigte die Firma AEG Hausgeräte GmbH an, die Abrufmengen für bestimmte Artikel in den folgenden Monaten zu reduzieren. Wegen der Einzelheiten der sogenannten rolierenden Vorschau vom 19.01.2005 wird auf Bl. 36 d.A. Bezug genommen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte entsprechend dieser Vorschau reduzierte Mengen der vom Kläger zu bearbeitenden Teile produziert und geliefert hat.

Mit Schreiben vom 19.04.2005 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2005. Hiergegen richtet sich die am 22.04.2005 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangene Feststellungsklage.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung verstoße bereits gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Die Beklagte habe versucht, eigenmächtig die Stückvergütung für die von ihm zu bearbeitenden Griffe von 0,36 EUR auf 0,30 EUR herabzusetzen. Hiermit sei er nicht einverstanden gewesen und habe sich anwaltlicher Hilfe bedient. Auf das anwaltliche Schreiben vom 21.02.2005 habe die Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2005 reagiert, indem es unter anderem heißt: "Sollten wir zu keiner gütlichen Einigung kommen, kündigen wir hiermit das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2005." Ein außergerichtliches Vergleichsangebot vom 25.02.2005 habe die Beklagte zurückgewiesen. Tatsächliche Einigungsbereitschaft habe bei der Beklagten erkennbar nur bei gleichzeitiger Herabsetzung der Stückpreisvergütung von 0,36 EUR auf 0,30 EUR bestanden. Nachdem die Beklagte im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Iserlohn am 15.04.2005 eine Einigung im Sinne der Durchsetzung der von ihr vorgestellten Maximalforderung nicht habe erreichen können, sei sie seinem Verlangen auf möglichen Erhalt der vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen mit der nunmehr angegriffenen Beendigungskündigung vom 19.04.2005 entgegen getreten.

Rein vorsorglich bestreite er, der Kläger, dass Bestehen eines Kündigungsgrundes. Bestritten werde mit Nichtwissen, dass die Firma AEG die Abrufmengen um ca. 45 % reduziert habe. Nach seiner Kenntnis sei die Arbeitsmenge weiterhin im unveränderten Umfang zu bewältigen. Darüber hinaus habe er, der Kläger, nicht nur Produkte für die Firma AEG, sondern auch andere Produkte geschliffen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 19.04.2005 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die von der Firma AEG angekündigte Reduzierung der Abrufmengen sei tatsächlich umgesetzt worden. Aus der Reduzierung des Auftragsvolumens hinsichtlich des Großauftrages der Firma AEG von etwa 50 % habe sich ein Beschäftigungsüberhang in der Schleiferei von einem Arbeitnehmer ergeben. Aufgrund der gewichtigeren Sozialdaten der Arbeitnehmer B1xxxxx und C1xxx sei die soziale Auswahl auf den Kläger gefallen.

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien, vergleichbaren, gegebenenfalls auch auf einem geringwertigeren Arbeitsplatz habe nicht bestanden. Sie, die Beklagte, habe dem Kläger mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 31.05.2005, angeboten, auf einer anderen Arbeitsstelle zu arbeiten. Dies habe der Kläger jeweils mit der Begründung abgelehnt, er wolle weiterhin als Schleifer beschäftigt werden. Infolge des mehrfach erfolglosen Angebots der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz seien für sie, die Beklagte, alle Möglichkeiten erschöpft gewesen, den Kläger in irgendeiner Form in ihrem Unternehmen weiterzubeschäftigen. Folglich sei auch die Dringlichkeit der Kündigung vom 19.04.2005 gegeben gewesen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen L1xxxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31.08.2005 (Bl. 130 ff. d.A.) verwiesen.

Durch Urteil vom 31.08.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 12.09.2005 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 05.10.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.12.2005 - am 14.12.2005 begründet worden ist.

Der Kläger hält die Kündigung vom 19.04.2005 weiterhin für unwirksam und trägt vor, die Beklagte habe Gründe, welche zum Wegfall eines Vollzeitarbeitsplatzes geführt hätten, nicht substantiiert dargelegt. Bestritten werde, dass er, der Kläger, sowie der Mitarbeiter C1xxx ausschließlich zur Bearbeitung des Großauftrages der AEG eingestellt worden seien. Er, der Kläger, habe seit Beginn seiner Tätigkeit eine Vielzahl von weiteren Aufgaben parallel zu der Bearbeitung des AEG-Auftrages übernommen. Er habe darüber hinaus regelmäßig Tätigkeiten im Bereich der Abteilung Bürsten, Edelstahlschleifen und Polieren ausgeübt. Der Anteil des dortigen Arbeitsvolumens habe ca. 1/3 der wöchentlichen Arbeitszeit betragen. Bestritten werde weiter, dass sich das Auftragsvolumen für den sogenannten NEXXXT Griff tatsächlich reduziert habe. Selbst wenn aber ein Auftragsrückgang von 40 % bezogen auf den Auftrag der Firma AEG festgestellt werde, sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Vollzeitstelle weggefallen sei. Er, der Kläger, habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass er nicht ausschließlich mit dem Beschleifen eines speziellen Produktes der Firma AEG befasst gewesen sei. Ca. 1/3 seines Aufgabenvolumens habe er mit anderen Tätigkeiten verbracht. Die Beklagte habe bislang nicht nachvollziehbar dargelegt, warum diese Tätigkeit entfallen sei.

Darüber hinaus habe die Beklagte ihm, dem Kläger, mit Schreiben vom 24.05.2005 einen Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung in ihrem Betrieb angeboten. Er, der Kläger, habe am 30.05.2005 ein Gespräch hierüber mit dem zuständigen Personalverantwortlichen, dem Zeugen R1xxxx, geführt. Herr R1xxxx habe ihm einen im Betrieb freien Arbeitsplatz unter einer Gehaltsreduzierung von ca. 67 % angeboten. Dieses Angebot habe er verständlicherweise abgelehnt.

Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft durchgeführt. Die Beklagte habe sich insoweit auf die Abteilung Schleifen beschränkt, obwohl sie eine Vielzahl von ungelernten Metallarbeitern beschäftige. Er, der Kläger, habe regelmäßig andere Tätigkeiten vertretungsweise ausgeübt. Er könne die Arbeiten in diesen Abteilungen nach einer Anlernphase von ca. 3 Wochen ordnungsgemäß ausüben. Insbesondere seien in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen die Arbeitnehmer A2xxx und E3xxxxxx. Die Arbeiten dieser Mitarbeiter könne er, der Kläger, ohne Anlernphase sofort ausüben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 19.04.2005 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 31.08.2005 - 1 Ca 1248/05 - zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die streitgegenständliche Kündigung sei infolge Auftragsmangels bzw. Auftragrückgangs sozial gerechtfertigt. Sie, die Beklagte, habe nach Eingang des Großauftrags der Firma AEG zwei Arbeitnehmer, nämlich den Kläger und seinen Kollegen C1xxx eingestellt. Soweit der Kläger nunmehr bestreite, dass er ausschließlich das Beschleifen eines speziellen Produkts der Firma AEG ausgeübt habe, sei dieser Vortrag verspätet und deshalb nicht mehr zu berücksichtigen. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser nicht eine Vielzahl von weiteren Aufgaben parallel zur Bearbeitung des AEG-Auftrags zu erledigen gehabt. Bestritten werde weiter, dass der Kläger regelmäßig andere Tätigkeiten im Umfang von ca. 1/3 seiner wöchentlichen Arbeitszeit ausgeübt habe. Der Kläger habe lediglich im marginalen Umfang andere Schleifartikel bearbeitet. Die Auswertung der Tätigkeitsnachweiszettel habe ergeben, dass er in der Zeit von Juni 2004 bis Mai 2005 lediglich 10,34 % seiner Arbeitszeit mit anderen Tätigkeiten zugebracht habe und folglich zu 89,66 % mit der Bearbeitung des in Rede stehenden Produktes der Firma AEG befasst gewesen sei. Zutreffend habe deshalb das Arbeitsgericht Iserlohn den Großauftrag der Firma AEG mit 100 % des Arbeitsvolumens des Klägers ins Verhältnis gebracht. Folglich sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts zutreffend, dass bei einem Auftragsrückgang von 42 % bezüglich des Großauftrags der Firma AEG ein Arbeitsplatz in der Abteilung Schleiferei nicht mehr zu besetzen gewesen sei.

Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht ersichtlich gewesen. Der Kläger sei einer von zwei Beschäftigten, die im Akkord gearbeitet hätten. Alle übrigen ca. 40 Hilfsarbeiter hätten eine Stundenlohnvergütung erhalten, die sich nach der Art der Tätigkeit richte. Generell liege der Stundenlohn bei einem betriebsüblichen Mittel von ca. 9 - 10 EUR. Der Kläger jedoch habe, sofern man den Akkordlohn auf einen Stundenlohn umrechne, zwischen 17 - 20 EUR pro Stunde verdient. Wenn sie, die Beklagte, dem Kläger infolge Beschäftigungswegfalls in der Abteilung Schleiferei eine andere Tätigkeit in ihrem Betrieb zu den jeweils abteilungsimmanenten Bedingungen angeboten habe, sei hierbei das Stundenlohngefüge der jeweiligen Abteilung maßgebend gewesen. Hieraus habe sich die Gehaltsminderung erklärt. Vor diesem Hintergrund erkläre sich, warum der Kläger mit einem Wechsel in eine andere Abteilung nicht einverstanden gewesen sei.

Soweit der Kläger die Sozialauswahl rüge, sei er mit diesem Vortrag gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 ArbGG präkludiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch der Sache nach Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2005 nicht aufgelöst worden. Dies hat der Kläger rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, gerichtlich geltend gemacht.

1. Die Kammer geht zugunsten der Beklagten davon aus, dass die Arbeitsmenge in der Schleiferei, in der der Kläger zuletzt tätig war, infolge der Reduzierung des Großauftrages der Firma AEG in einem Umfang zurückgegangen war, der der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für einen Vollzeitarbeitnehmer entsprach.

2. Ungeachtet dessen ist die Kündigung vom 19.04.2005 jedoch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtsunwirksam. Denn der Kläger konnte nach dem Sachvortrag der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung auf einem anderen Arbeitsplatz in ihrem Betrieb weiterbeschäftigt werden. Deshalb war die Beklagte verpflichtet, zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine entsprechende Änderungskündigung auszusprechen. Für eine Beendigungskündigung lag deshalb kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor.

a) Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung liegt nur vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der "Dringlichkeit" der betrieblichen Erfordernisse konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeden ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien objektiv mögliche und zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten muss (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAG, NZA 1985, 455; Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 -, NZA 2005, 1289, 1291 m.w.N.). Dementsprechend war die Beklagte verpflichtet, auch nach Ablehnung des Angebots auf Weiterbeschäftigung außerhalb der Schleiferei auf einem anderen freien Arbeitsplatz in ihrem Betrieb durch den Kläger eine Änderungskündigung mit diesem Inhalt auszusprechen.

a) Nicht streitig ist, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers objektiv möglich war. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat sie ihm mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 31.05.2005, angeboten, auf einer anderen Arbeitstelle außerhalb der Schleiferei zu arbeiten. Stellt die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb sieht, gegenüber einer Beendigungskündigung die einzige Alternative dar, so hat er sie dem Arbeitnehmer regelmäßig anzubieten, ohne dass es Sache des Arbeitgebers wäre, sich über die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer Gedanken zu machen. Anders mag zu entscheiden sein, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte, weil ein derartiges Angebot eher beleidigenden Charakter gehabt hätte (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 - NZA 2005, 1289, 1291 f.). Hiervon kann unter den hier gegebenen Bedingungen keine Rede sein. Auch wenn die Vergütungsreduzierung auf den zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen bei der Beklagten erheblich war, war es Sache des Klägers zu entscheiden, ob er die neuen Arbeitsbedingungen mit oder ohne Vorbehalt annehmen oder ablehnen wollte.

b) Auch die vor Ausspruch der Kündigung erfolgte Ablehnung des Angebots der Beklagten auf Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz außerhalb der Schleiferei durch den Kläger entband die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung, dem Kläger die geänderten Arbeitsbedingungen in Form einer Änderungskündigung anzubieten, anstatt eine Beendigungskündigung auszusprechen.

aa) Dem Arbeitnehmer ist es nur dann verwehrt, den Arbeitgeber bei einer ausgesprochenen Beendigungskündigung auf eine mögliche Änderungskündigung mit dem abgelehnten Inhalt zu verweisen, wenn er das Änderungsangebot zuvor vorbehaltlose und endgültig abgelehnt hat. Hat der Arbeitnehmer erkennen lassen, dass er das Änderungsangebot in keinem Fall annehmen werde, ist sein Verhalten widersprüchlich, wenn er sich später auf eine mögliche Änderungskündigung beruft. Für eine vorbehaltlose und endgültige Ablehnung in diesem Sinne ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer bei der Ablehnung des Änderungsangebots unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Allein die Ablehnung eines der Kündigung vorausgegangenen Angebots auf einvernehmliche Abänderung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer enthebt den Arbeitgeber grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, das Änderungsangebot mit einer nachfolgenden Beendigungskündigung erneut zu verbinden. Denn die Ablehnung der einverständlichen Abänderung schließt nicht aus, dass der Arbeitnehmer bereit ist, zu den geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten, wenn sich in einem Änderungsschutzverfahren die Berechtigung der Änderung herausstellt. Deshalb ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, trotz der Ablehnung einer freiwilligen Änderung eine Änderungskündigung auszusprechen. Nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei der Ablehnung des Änderungsangebots unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er unter gar keinen Umständen - auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung - bereit ist, zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen (vgl. BAG, NZA 2001, 495; KR-Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 230; KR-Rost, § 2 KSchG Rdnr. 18 c und 105, jeweils m.w.N.; BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 -, a.a.0.).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die bei ihr vorhandenen freien Arbeitsplätze außerhalb der Schleiferei in Form einer Änderungskündigung anzubieten, bevor sie eine Beendigungskündigung erklärte. Auch wenn der Kläger die Beschäftigung außerhalb der Schleiferei abgelehnt hatte, war sie von dieser Verpflichtung nicht entbunden. Dem Sachvortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger das Angebot der Beklagten, auf einer anderen Arbeitsstelle außerhalb der Schleiferei weiter beschäftigt zu werden, definitiv und endgültig im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgelehnt hatte, d.h. dass er weder einvernehmlich noch unter dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung im Sinne des § 2 KSchG bereit war, zu den geänderten Bedingungen zu arbeiten. Die Ablehnung des von der Beklagten angebotenen Arbeitsplatzes außerhalb der Schleiferei mit der Begründung, er wolle weiterhin als Schleifer beschäftigt werden, lässt den Schluss nicht zu, dass er das Angebot der Beklagten unter keinen Umständen, also auch nicht unter dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung, annehmen werde. Dass er angesichts der Höhe und Verdienstmöglichkeit in der Schleiferei dort weiterbeschäftigt werden wollte, erscheint verständlich, so lange dort - wenn vielleicht auch im verringerten Umfang - Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden. Erst dann, wenn der Kläger auf einen Hinweis der Beklagten, im Falle der Ablehnung der alternativen Beschäftigungsmöglichkeit müsse sein Arbeitsverhältnis beendet werden, definitiv und endgültig erklärt hätte, er werde ein Änderungsangebot selbst unter dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung im Sinne des § 2 KSchG nicht annehmen, wäre die Beklagte berechtigt gewesen, sofort eine Beendigungskündigung auszusprechen. Dass der Kläger das Angebot auf Weiterbeschäftigung außerhalb der Schleiferei in diesem Sinne abgelehnt hat, lässt sich dem Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Ascheid, Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozess, Seite 158) nicht entnehmen.

War die Beklagte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit damit verpflichtet, dem Kläger auch nach Ablehnung der ihm angebotenen alternativen Beschäftigung eine Änderungskündigung mit diesem Inhalt auszusprechen, so ist die Beendigungskündigung vom 19.04.2005 zum 31.05.2005 als sozialwidrig anzusehen. Die vom Kläger am 30.05.2005 abgelehnte andere Arbeitsstelle im Betrieb der Beklagten kann hieran nichts ändern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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