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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1968/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 08.09.2005 - 4 Ca 1178/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert beträgt 951,94 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um restliche Vergütung der Klägerin für den Monat März 2005.

Die Klägerin war vom 01.09.1997 bis 30.06.2001 sowie vom 16.08.2001 bis zum 31.03.2005 als Altenpflegerin beim Beklagten gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 1.800,00 € beschäftigt. Im November 2004 zahlte der Beklagte an die Klägerin eine Gratifikation in Höhe von 951,94 €. Der Zahlung lag folgende Vereinbarung zugrunde:

"Gratifikation

Sehr geehrte Frau N1xxxx,

bei der mit den Bezügen für den Monat November 2004 ausgezahlten Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers.

Diese Auszahlung erfolgt ohne die Anerkennung einer Rechtspflicht und ausdrücklich ohne die Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich im nächsten Jahr erneut darauf zu berufen.

Die Höhe der Gratifikation wird leistungsbezogen ermittelt und ist somit bei den einzelnen Mitarbeitern unterschiedlich.

Maßgebend für die Beurteilung der Leistung sind folgende Bereiche

- Einsatzbereitschaft / Krankheitstage

- korrekte Durchführung der vorgegebenen, pflegerischen Aufgaben

- Führung der Pflegedokumentation, hier insbesondere Tourenzettel,

Leistungsnachweise und Pflegeberichte

Kommt es innerhalb dieser Bereiche wiederholt zu Fehlern oder negativen Auffälligkeiten, so hat dies eine Reduzierung bzw. den Wegfall der Gratifikation zur Folge.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 01.04.2005, unabhängig davon, durch wen eine Kündigung erfolgt, ist die Gratifikation an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, bzw. darf der Arbeitgeber diese mit der letzten Abrechnung einbehalten.

Häusliche Krankenpflege M1xxxxx C2xxxxx

S1xxx, ___________

gez. M. C2xxxxx

Ich erkläre mich ausdrücklich mit dieser Regelung einverstanden

gez. I1xxx N1xxxx"

Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung vom 09.12.2004 wird auf Bl. 10 f. d.A. Bezug genommen.

Im März 2005 kürzte der Beklagte das Gehalt der Klägerin um 951,94 € brutto und zahlte einen entsprechend niedrigeren Betrag an die Klägerin aus. Mit vorliegender Klage, die am 13.06.2005 bei dem Arbeitsgericht Hamm einging, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung des einbehaltenen Betrags in Anspruch.

Die Kläger hat vorgetragen, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die im November 2004 gezahlte Gratifikation von 951,94 € brutto von ihrem Gehalt für März 2005 wieder abzuziehen. Bei der Gratifikation habe es sich in Wahrheit um eine Leistungszulage gehandelt. Sie, die Klägerin, habe gute Leistungen erbracht, wie sich aus dem erteilten Zeugnis (Bl. 12 ff. d.A.) ergebe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 951,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Einbehalt im März 2005 sei berechtigt gewesen. Zutreffend sei, dass bei der Zahlung der Gratifikation Leistungsgesichtspunkte berücksichtigt worden seien. Danach habe die Klägerin eine Gratifikation durchaus auch in Höhe eines Monatsgehaltes oder darüber hinaus erreichen können. Deshalb sei eine längere Bindung der Klägerin als bis zum 31.03. des Folgejahres gerechtfertigt gewesen.

Durch Urteil vom 08.09.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung hat der Beklagte daraufhin den ausgeurteilten Betrag an die Klägerin gezahlt. Mit vorliegender Berufung, die am 17.10.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.12.2005 - am 19.12.2005 begründet worden ist, begehrt der Beklagte die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, die ihm am 19.09.2005 zugestellt worden ist; neben der Klageabweisung verlangt er Rückzahlung des an die Klägerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrages von 951,94 € brutto.

Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Bindung der Klägerin über den 31.03.2005 hinaus sei zulässig gewesen. Die Höhe der Gratifikation sei vorliegend abhängig von der Leistung des jeweiligen Mitarbeiters gewesen. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die Mitarbeiter, die in den Genuss einer Gratifikation gekommen seien, die über einem Bruttomonatsgehalt liege, bei der Kündigung vor dem 01.04.2005 die Gratifikation zurückzahlen müssten, während die Mitarbeiter, die, wie die Klägerin, weniger Leistung gezeigt hätten, die unter einem Monatseinkommen liegende Gratifikation behalten könnten, sofern sie das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.03.2005 auflösten. Diese Ungleichbehandlung werde weder den Interessen der Mitarbeiter noch den Interessen des Arbeitgebers gerecht. Die Bindung könne nur für alle Arbeitnehmer gleich sein. Dabei könne nicht darauf abgestellt werden, welche Gratifikation die Mitarbeiter tatsächlich erhalten hätten, sondern darauf, welche Gratifikation sie im Falle einer entsprechenden Leistung hätten erwerben können. Falls die Klägerin entsprechende Leistungen erbracht hätte, hätte sie eine Gratifikation in Höhe von mehr als einem Bruttomonatsgehalt erzielt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 08.09.2005 - 4 Ca 1178/05 - abzuändern und

1. die Klage abzuweisen,

2. die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 951,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, es komme nicht darauf an, ob sie gegebenenfalls eine höhere "Gratifikation" habe erzielen können. Sie, die Klägerin, habe tatsächlich eine "Gratifikation" in Höhe von weniger als einem Monatsgehalt erhalten. Die Ausführungen des Beklagten, es habe auch eine höhere "Gratifikation" verdient werden können, seien unerheblich. In diesem Fall wäre die Rückzahlungsklausel mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Sofern allerdings eine echte Leistungszulage gegeben sei, wäre diese in Folge ihrer guten Arbeitsleistung, die in dem von dem Beklagten erstellten Zeugnis dokumentiert sei, verdient gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin 951,94 € brutto nebst Zinsen im zuerkannten Umfang zu zahlen. Dem entsprechend kann der Beklagte auch nicht Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an die Klägerin gezahlten Betrages verlangen.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 951,94 € brutto gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für März 2005 ist nicht durch Aufrechnung seitens des Beklagten in dieser Höhe erloschen. Denn dem Beklagten stand ein Rückforderungsanspruch wegen der im November 2004 ausgezahlten Gratifikation in Höhe von 951,94 € gegen die Klägerin nicht zu. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die erkennende Kammer folgt den überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

2. Das zweitinstanzliche Vorbringen rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, kommt es für die Dauer der zulässigen Bindung des Arbeitnehmers, die durch die Pflicht zur Rückzahlung einer Gratifikation für den Fall des Ausscheidens aus dem Betrieb erreicht werden kann, auf die Höhe der vertraglich geschuldeten Auszahlung zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt an. Dies folgt aus dem typischer Weise verfolgten Zweck der Leistung und der notwendigen Begrenzung von Rückzahlungsklauseln, die eine Bindung an den Betrieb bezwecken. Sonderzuwendungen in der für Gratifikationen üblichen Größenordnung werden typischer Weise alsbald ausgegeben und sind auch in der Regel dazu bestimmt, höhere Ausgaben zu finanzieren, wie sie zu bestimmten Anlässen, beispielsweise in der Urlaubs- und Weihnachtszeit, entstehen. Es handelt sich nicht um einen gegebenenfalls rückzahlbaren Kredit, sondern um eine zusätzliche Vergütung. Je höher die Summe ist, desto länger wird dem Arbeitnehmer zugemutet, sich auf eine eventuelle Rückzahlung einzurichten und seine Lebensführung darauf einzustellen, dass er den Rückzahlungsbetrag wieder aufbringen muss, wenn er das Arbeitsverhältnis aufgibt. Dies stellt immer eine Belastung dar und kann den freien Kündigungsentschluss erschweren. In Grenzen ist dies jedoch zulässig. Der Arbeitnehmer kann umso länger gebunden werden, je höher der gewährte Vorteil ist. Unzulässig wird die in der Rückzahlungsverpflichtung liegende Kündigungserschwerung erst, wenn der gewährte Vorteil und die erstrebte Bindung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen, zu dem die Rechtsprechung die entsprechenden Beurteilungskriterien entwickelt hat (vgl. BAG, Urteil vom 21.05.2003 -10 AZR 390/02 - m.w.N.). Hieraus folgt eindeutig, dass die zulässige Bindungsdauer nicht davon abhängig ist, in welcher Höhe der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation hätte erwerben können und ob diese gegebenenfalls mehr als ein Bruttomonatsentgelt betragen hätte. Entscheidend ist vielmehr, in welcher Höhe diese Leistung tatsächlich gewährt worden ist. Der Beklagte hat sich erst- und zweitinstanzlich stets auf den Standpunkt gestellt, er habe der Klägerin angesichts der von ihr erbrachten Leistungen nur eine Gratifikation in Höhe von 951,54 € brutto geschuldet und hat auch nur einen Betrag in dieser Höhe ausgezahlt. Angesichts dessen kann er die Klägerin auch nur bis zum Ablauf des 31.03.2005 binden. Da die Klägerin erst zum 31.03.2005 aus dem Arbeitsverhältnis geschieden ist, ist sie nicht verpflichtet, die im November 2004 gezahlte Gratifikation, die unter einem Bruttomonatseinkommen der Klägerin lag, zurückzuzahlen. Allenfalls dann, wenn der Beklagte der Klägerin tatsächlich eine Gratifikation in Höhe eines Bruttomonatsbezuges gezahlt hätte, wäre eine Rückzahlungspflicht der Klägerin im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2005 in Betracht gekommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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