Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 958/04
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 3
TVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 22.04.2004 - 4 Ca 4327/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003. Die Beklagte führt ein Unternehmen, welches grundsätzlich dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie unterfällt. Sie ist nicht Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V.. Sie hat ihren Hauptsitz in A1xxxx und unterhält zudem einen Betrieb in W4xxxxxxxx. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Sowohl im Betrieb in W4xxxxxxxx als auch im Betrieb in A1xxxx ist jeweils ein Betriebsrat gewählt. Der Kläger war seit 1985 zunächst bei der Firma J1. G2xxx B1xxxxxx beschäftigt, die im Jahre 1994 in Konkurs ging. Im Anschluss daran wurde er für die Beklagte tätig und ist derzeit als Presser im Betrieb A1xxxx beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 01.08.2002, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält: "§ 9 Urlaubs-/Weihnachtsgeld Der Arbeitnehmer erhält gemäß den tariflichen Bestimmungen ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das Urteilsgeld wird im Monat des Urlaubs ausgezahlt. Zusammen mit dem Novemberlohn erhält der Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld. Für den Fall, dass ein Weihnachtsgeld gezahlt wird, das über den tariflichen Anspruch hinausgeht, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Teil des Weihnachtsgeldes zurückzuzahlen, der den Tarifanspruch übersteigt, wenn er aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund ordentlicher oder verhaltensbedingter Kündigung der Firma aus einem von ihm zu vertretenen Grunde bis zum 31.03. des auf die Zahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb des folgenden Zeitraumes durch Aufhebungsvertrag beendet wird und Anlass des Aufhebungsvertrages ein Recht zur außerordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung der Firma oder ein Aufhebungsbegehren des Arbeitnehmers ist.

Die Firma ist berechtigt, mit ihrer Rückzahlungsforderung gegen die rückständigen oder nach der Kündigung fällig werdenden Vergütungsansprüche unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen aufzurechnen. Der Arbeitnehmer erkennt an, dass das Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst. ... § 15 Nebenabreden Für das Arbeitsverhältnis gelten in erster Linie die gesetzlichen Bestimmungen, hilfsweise die Bestimmungen des Tarifvertrages. Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrages sowie Nebenabreden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Vereinbarung der Vertragsparteien. Sollten gegenwärtige oder künftige Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise nicht rechtswirksam sein oder ihre Rechtswirksamkeit verlieren, so bleiben die übrigen Vertragsbestimmungen hiervon unberührt. Die Parteien sind in einem solchen Fall verpflichtet, die nicht rechtswirksame Bestimmung durch eine neue zu ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der nicht rechtswirksamen Bestimmung am nächsten kommt." Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 47 ff. d.A. Bezug genommen. Bereits unter dem 15.08.1997 hatte die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung NRW, einen sogenannten Anerkennungstarifvertrag geschlossen, der unter anderem die Geltung des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 in der jeweils gültigen Fassung im Unternehmen der Beklagten vorsah. Wegen der Einzelheiten des Anerkennungstarifvertrages nebst Anlage wird auf Bl. 40 ff. der Akte 15 Sa 982/04 - LAG Hamm - verwiesen. Zwischen den Parteien ist zweitinstanzlich unstreitig geworden, dass der Zeuge K2xxxxxxx bevollmächtigt war, im Namen der IG Metall Bezirksleitung NRW den Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 abzuschließen. Die Beklagte zahlte dem Kläger im Jahre 2003 kein anteiliges 13. Monatseinkommen entsprechend den Regelungen des genannten Tarifvertrages. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch im vorliegenden Verfahren weiter. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm ein anteiliges 13. Monatseinkommen zu zahlen. Dieser Anspruch ergebe sich bereits aus den Regelungen des schriftlichen Arbeitsvertrages. Er folge aber auch aus dem Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW. Der Anerkennungstarifvertrag sei erst zum Jahresende 2003 gekündigt worden. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.648,35 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens ergebe sich nicht aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien, in welchem das Weihnachtsgeld ausdrücklich als freiwillige Leistung eingestuft worden sei. Ein dahingehender Anspruch des Klägers folge auch nicht aus dem genannten Anerkennungstarifvertrag. Im übrigen sei die IG Metall hinsichtlich des Abschlusses des Anerkennungstarifvertrages nicht tariffähig gewesen. Lediglich ca. 1/5 der Mitarbeiter in ihrem Unternehmen seien gewerkschaftlich bei der IG Metall organisiert gewesen, so dass die Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall bestritten werde. Durch Urteil vom 22.04.2004, das der Beklagten am 06.05.2004 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 18.05.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.08.2004 - am 03.08.2004 begründet worden ist. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003. Soweit der Kläger sich auf den genannten Anerkennungstarifvertrag beziehe, werde die Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall als Vertragspartner des genannten Anerkennungstarifvertrages weiter bestritten. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers könne allenfalls der schriftliche Arbeitsvertrag sein, der allerdings in § 9 Abs. 4 eine Freiwilligkeitsklausel im Hinblick auf das Weihnachtsgeld enthalte. Die Auslegung des Arbeitsvertrages ergebe zweifelsfrei, dass sich die Klausel sowohl auf das Weihnachtsgeld beziehe, das gemäß den tariflichen Bestimmungen gezahlt werde, als auch auf Weihnachtsgeldzahlungen über den tariflichen Anspruch hinaus. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des ArbG Iserlohn vom 22.04.2004 - 4 Ca 4327/03 - die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, die Beklagte sei zur Zahlung des 13. Monatseinkommens nach dem genannten Anerkennungstarifvertrag verpflichtet. Die Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen der IG Metall sei satzungsgemäß zum Abschluss des entsprechenden Tarifvertrages berechtigt gewesen. Sie sei durch den 1. Bevollmächtigten der IG Metall - Verwaltungsstelle W5xxxx-I1xxxxxx -, den Zeugen D3xxxx K2xxxxxxx vertreten worden. Die Gegenmächtigkeit der IG Metall auch im Unternehmen der Beklagten könne nicht ernsthaft bestritten werden. Der Organisationsgrad im Betrieb W4xxxxxxxx liege bei über 90 %, im Betrieb A1xxxx bei ca. 50 %. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Der Sache nach bleibt die Berufung erfolglos. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger Anspruch auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003 in zuerkannter Höhe hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus den Bestimmungen des Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997 in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996. 1. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 gilt gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 des Tarifvertragsgesetzes unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die den Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 mit der Beklagten geschlossen hat. Als Mitglied der IG Metall ist der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes tarifgebunden. Die Beklagte, die gemäß § 2 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes tariffähig ist, ist ebenfalls gemäß § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes tarifgebunden. 2. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 ist nicht gemäß § 177 BGB unwirksam. Denn der Zeuge K2xxxxxxx, der den genannten Anerkennungstarifvertrag im Namen der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung NRW, abgeschlossen hat, war hierzu bevollmächtigt. Die Beklagte hat ihr dahingehendes Bestreiten im Termin vom 10.12.2004 ausdrücklich aufgegeben.

3. Die Wirksamkeit des genannten Anerkennungstarifvertrages kann nicht unter Hinweis auf die angeblich fehlende Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall in Zweifel gezogen werden. Selbst wenn lediglich 1/5 der Mitarbeiter der Beklagten in der IG Metall organisiert sein sollten, wie die Beklagte behauptet, steht dies der Annahme der Durchsetzungsfähigkeit und Mächtigkeit der IG Metall auch im Hinblick auf das Unternehmen der Beklagten nicht entgegen. Für die Mächtigkeit der IG Metall im Unternehmen der Beklagten spricht bereits der Umstand, dass sie den Abschluss des Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997 der Beklagten gegenüber durchsetzen konnte und damit erreicht hat, dass das wesentliche Tarifwerk, welches die IG Metall mit den Arbeitgeberverbänden der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vereinbart hat, auch im Unternehmen der Beklagten zur Anwendung kommt, obwohl die Beklagte nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist. 4. Gelten danach gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 des Tarifvertragsgesetzes zwischen den Parteien des Rechtsstreits die Rechtsnormen des Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997 unmittelbar und zwingend, so hat der Kläger Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens. Dieser Anspruch folgt aus den Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996, der gem. § 2 Abs. 2 des genannten Anerkennungstarifvertrages Teil dieses Tarifvertrages ist. Hieran kann der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag nichts ändern. Ein Verzicht auf tarifliche Rechte ist gemäß § 4 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig, der unstreitig nicht gegeben ist. 5. Die Höhe des nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 zu berechnenden Anspruchs des Klägers auf anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 2003 ist zwischen den Parteien nicht weiter streitig. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück