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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1458/03
Rechtsgebiete: MTV Einzelhandel NRW, TVG


Vorschriften:

MTV Einzelhandel NRW § 1
TVG § 5 III 3
1. Es handelt sich um Einzelhandel, wenn ein Unternehmen als selbstständige juristische Person im sogenannten Direktvertrieb im Wesentlichen Produkte eines mit ihm verbundenen Unternehmens an Endverbraucher vertreibt.

2. Die Allgemeinverbindlichkeit des MTV Einzelhandel NRW vom 20.09.1996 ist nicht durch die Kündigung der Tarifvertragsparteien zum 31.12.1999 beendet worden, da er hierdurch nicht außer Kraft gesetzt worden ist. Sie hat vielmehr bis zum 31.03.2003 fortbestanden.

3. Zu den Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III Gehaltsstaffel a im 1. bis 3. Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel NRW

4. Zum Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei Nichteinhaltung der tariflichen Ausschlussfristen bei einem Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeachtung des Nachweisgesetzes


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 27.05.2003 - 2 Ca 124/02 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils vom 02.07.2002 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.451,31 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2002 zu zahlen. Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 1/3, die Beklagte zu 2/3 mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Klägerin im Termin am 02.07.2002. Diese trägt die Klägerin.

Tatbestand: Die Klägerin verfolgt Ansprüche auf Restarbeitsentgelt für die Zeit von März 2000 bis Mai 2001. Die Klägerin war vom 11.03.1999 bis 31.01.2000 als freiberufliche Mitarbeiterin, ab dem 01.02.2000 bis 30.06.2001 als Werbeleiterin in der Filiale S4xxxxxxx der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 21./28.01.2000 (Bl. 6 bis 8 d.A.) zugrunde. Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam es nach einer außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 16.08.2001 im Rechtsstreit 1 Ca 973/01 des Arbeitsgerichts Rheine. Die Beklagte befasst sich mit dem Direktvertrieb von Reinigungsgeräten wie Staubsaugern, Dampfreinigungsgeräten, Bügeleisen etc. sowohl für die privaten Kunden als auch für den gewerblichen Bereich. Diese Produkte werden teilweise im europäischen Ausland hergestellt. Die Beklagte hatte ihren Hauptsitz ursprünglich in H2xxxxx, ist seit Mitte 2001 jedoch in F2xxx angesiedelt. Die Aufgabe der Klägerin als Werbeleiterin in der der Vertriebsstelle M3xxxxx zugeordneten Filiale S4xxxxxxx bestand darin, über einen Telefondienst für die im Außendienst tätigen selbständigen Handelsvertreter Termine bei potentiellen Kunden zu organisieren. Hierfür wurden solche potentiellen Kunden angerufen, um mit ihnen abzuklären, ob Bedarf bezogen auf eines der Produkte der Beklagten bestände. Die Anrufe wurden von Telefonistinnen getätigt, die als geringfügig Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen und in einem Büro der Filiale S4xxxxxxx eingesetzt wurden. Diese Telefonistinnen hatte die Klägerin anzuleiten und zu überwachen. Ihre Anzahl - vier bis acht Personen - war abhängig von der Anzahl der im Außendienst tätigen Handelsvertreter. Die Einstellung dieser Telefonistinnen wurde ebenfalls von der Klägerin vorgenommen. Ob sie auch selbständig entschied, wann Zeitungsannoncen für Neueinstellungen zu schalten waren, ist zwischen den Parteien streitig. Gleiches gilt für die Frage, ob die Klägerin entlassungsbefugt war. Die Klägerin besitzt eine abgeschlossene Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel. Sie hat im Anschluss daran im Einzelhandel gearbeitet und war sodann im Versicherungsbereich tätig, wo sie eine zwölfmonatige brancheninterne Ausbildung als Versicherungsfachfrau durchlaufen hat. In der Folgezeit ist sie etwa ein bis eineinhalb Jahre als Versicherungsfachfrau im Außendienst selbständig tätig gewesen. Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag bestand das Arbeitsentgelt der Klägerin ausschließlich aus Provisionen und Prämien. Sie erhielt eine Superprovision auf den Netto-Auslieferungsumsatz der Filiale S4xxxxxxx, eine sogenannte Neulingsprämie, die von der Höhe der erreichten Nettopunktzahl neu eingestellter Werber abhängig war, sowie eine Werbeprämie, die gezahlt wurde, wenn bestimmte Punktzahlen überschritten wurden. Aus eigenen Verkäufen bezog die Klägerin keine Provision. Die Klägerin erhielt im Zeitraum März 2000 bis Mai 2001 folgende Vergütung: März 2000 1.870,26 DM April 2000 2.411,44 DM Mai 2000 2.320,15 DM Juni 2000 1.620,62 DM Juli 2000 3.248,38 DM August 2000 2.807,85 DM September 2000 2.841,69 DM Oktober 2000 1.323,80 DM November 2000 627,07 DM Dezember 2000 1.498,02 DM Januar 2001 336,56 DM Februar 2001 596,88 DM März 2001 1.406,54 DM April 2001 403,27 DM Mai 2001 685,82 DM. Diese Vergütung hält die Klägerin für sittenwidrig niedrig und macht auf der Grundlage der Gehaltsgruppe III a des Einzelhandeltarifvertrags NRW die Differenzvergütung zu einem Gehalt von 3.581,00 DM in Höhe von insgesamt 29.716,85 DM = 15.193,88 € geltend. Nach einem klageabweisenden Versäumnisurteil im Termin vom 27.06.2002, gegen das die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, hat das Arbeitsgericht unter Aufhebung dieses Versäumnisurteils die Beklagte zur Zahlung der begehrten Vergütung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vereinbarte Vergütung sei sittenwidrig und damit nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB. Sie liege um mehr als 1/3 unter der verkehrsüblichen Vergütung, so dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Außerdem sei das ausschließlich erfolgsbezogene Gehaltsystem nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da eine unvereinbare Überwälzung des unternehmerischen Marktrisikos auf die Klägerin vorliege, die die zu erzielende Vergütung nicht direkt beeinflussen könne. Die Klägerin habe Anspruch auf die verkehrsübliche Vergütung nach § 612 BGB. Der Schwerpunkt der Beklagten liege im Einzelhandel, die Gehaltsgruppe III a 1. bis 3. Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrags NRW sei maßgeblich. Es sei auch eine Vollzeitbeschäftigung zugrunde zu legen. Die Verfallfristen des § 24 MTV Einzelhandel seien nicht zu berücksichtigen. Insoweit liege ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung der Pflichten der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG vor. Gegen dieses ihr am 05.08.2003 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat die Beklagte am 01.09.2003 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.11.2003 am 03.11.2003 begründet. Die Beklagte ist der Ansicht, dass, da eine Tarifbindung nicht bestehe, nicht ohne weiteres auf den Einzelhandelstarifvertrag in Nordrhein-Westfalen für die Bestimmung der Lohnhöhe abgestellt werden könne. Es sei auch nicht zutreffend, dass es sich bei ihr ausschließlich um eine Vertriebsfirma handele. Diejenigen Geräte, die als Luxgeräte vertrieben würden, würden in Lizenz für sie, die Beklagte, hergestellt und ohne Zwischenhandel direkt vertrieben. Ein Teil der Produktpalette werde von ihr entwickelt und von anderen Herstellern eigens für sie hergestellt. Die Klägerin habe bei ihrer Tätigkeit als Werbeleiterin nicht selbständig, sondern nur in Abstimmung mit dem Vertriebsstellenleiter handeln können. Sie habe Personal weder selbständig einstellen noch entlassen können. Auch habe sie weder die Werbetätigkeit auswerten noch Statistiken führen müssen. Es treffe auch nicht zu, dass sie den Filialleiter während seiner Abwesenheit vertreten hätte. Zu ihrem Aufgabenbereich hätte auch nicht die Erstellung von schriftlichen Angeboten für Außendienstmitarbeiter gehört. Die Klägerin habe auch nicht täglich von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr gearbeitet, sondern sei in der Regel lediglich bis mittags in der Filiale tätig gewesen. Falsch sei es auch, dass die Klägerin Werbeergebnisse ausgewertet und die Ergebnisse an die jeweiligen Außendienstmitarbeiter verteilt habe. Ihren ursprünglichen Sachvortrag, dass es zu Lasten der Klägerin und zu Gunsten des Filialleiters S1xxxxx, ihres damaligen Lebensgefährten und heutigen Ehemanns, Verschiebungen bei der Provision gegeben hat, hat die Beklagte nach Vernehmung der Zeugen S1xxxxx und H3xx sowie einer Auswertung der Provisionsabrechnungen des Herrn S1xxxxx nicht mehr aufrechterhalten. Sie bestreitet, dass es von dem damaligen Vertriebsstellenleiter H4xxx veranlasste Sonderzahlungen aus einem Sonderkonto für die Klägerin gegeben habe. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil wird abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie behauptet, ihr Aufgabenbereich habe aus folgenden Tätigkeiten bestanden: - Aufbau einer Werbeabteilung für die Direktwerbung per Telefon, - Ausbildung von Damen und Herren zur Telefonwerbung,

- Einstellung von Damen und Herren als Telefonwerber,

- Entlassung von nicht geeignetem Personal, - selbständige Durchführung der Werbepersonalabrechnungen der Filiale S4xxxxxxx, - Auswertung der Werbetätigkeiten und Führen von Statistiken, - Vertretung des Filialleiters während dessen Abwesenheit, - Beratung und Verkauf von Produkten während der Öffnungszeiten an Besucher, - Erstellung von schriftlichen Angeboten für die Außendienstmitarbeiter. Im Laufe der Zeit sei ihr Aufgabenbereich ausgedehnt worden auf die Vertriebsstellen H5xxxxx, E3xxx und D4xxxxxx. Sie habe in der Woche regelmäßig montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr gearbeitet. Der ab Oktober 2000 zu registrierende plötzliche Gehaltseinbruch resultiere aus der Tatsache, dass ihr zuvor von dem Vertriebsstellenleiter M3xxxxx, Herrn H4xxx, mündlich zugesichert worden sei, dass sie ein Mindesteinkommen von monatlich 2.500,00 DM erhalte. Durch Provisionen alleine sei es aber nicht möglich gewesen, eine solche Vergütung zu erzielen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen S1xxxxx, H3xx und H4xxx. Es hat die Akte des Rechtsstreits 1 Ca 973/01 ArbG Rheine beigezogen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die Terminsprotokolle vom 11.10.2004 und 17.01.2005 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Zwar steht der Klägerin der geltend gemachte Differenzanspruch tatsächlich zu (I). Ein Teil dieses Anspruchs ist jedoch aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen verfallen (II). I. Die Klägerin kann nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in NRW vom 07.08.1999 (im Folgenden: GTV NRW) für ihre Tätigkeit in der Zeit von Februar 2000 bis Mai 2001 ein monatliches Gehalt von 3.581,00 DM (entspricht 1.830,94 €) beanspruchen. Dieser Anspruch steht ihr auf der Grundlage einer Eingruppierung in Gehaltsgruppe III, Gehaltsstaffel a, 1. bis 3. Tätigkeitsjahr GTV NRW zu. 1.) Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des Einzelhandels, auf dessen in NRW befindliche Vertriebsstellen und Filialen der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages allgemein verbindliche GTV NRW vom 07.08.1999 Anwendung findet. § 1 GTV NRW verweist hinsichtlich des Geltungsbereichs auf den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen. Nach dessen § 1 gilt dieser Tarifvertrag im Lande Nordrhein-Westfalen für alle Unternehmen des Einzelhandels einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe sowie für die von diesen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. Er gilt auch für u.a. Filialunternehmen des Einzelhandels und ist anwendbar auf alle Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen liegt. a) Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des Einzelhandels. Dagegen spricht nicht, dass die Beklagte, wie sie es nennt, Waren im Direktvertrieb vertreibt. Nach dem von der Beklagten selbst eingereichten Handelsregisterauszug ist Gegenstand des Unternehmens nach Nr. 1 der Handel und Vertrieb von Waren aller Art. Die im Handelsregister weiter aufgeführten arabischen Nummern 2 - 4 beziehen sich auf Unternehmensaktivitäten, die mit diesem Geschäftsgegenstand in Verbindung stehen. Zwar datiert die Eintragung im Handelsregister erst vom 02.11.2001, was seinen Grund darin hat, dass die Beklagte Mitte des Jahres 2001 ihren Sitz von H2xxxxx nach F2xxx verlegt hat. Dass damit zugleich eine Änderung des Unternehmensgegenstandes einhergegangen wäre, ist von keiner Partei vorgetragen. Hierfür liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Die Beklagte, die eine 100 %ige Tochter der Firma L3x I1xxxxxxxxxxx AG B4xxxxxx ist, vertreibt allerdings im Wesentlichen sogenannte Luxgeräte. Diese werden in Lizenz für die Beklagte hergestellt, nur zum kleineren Teil enthält das Produktprogramm der Beklagten auch Geräte von anderen Herstellerfirmen. Der Handel im institutionellen Sinne umfasst alle Institutionen, die Handel im funktionellen Sinne betreiben, d.h. die hauptamtlich Waren, an denen mit Ausnahme geringfügiger Veredlungs- und Pflegeleistungen keine grundsätzlichen produktionstechnischen Veränderungen vorgenommen werden, kollektieren und distribuieren. Als geringfügige Be- und Verarbeitung gelten z.B. sortieren, abpacken (BAG, v. 26.08.1998 - 4 AZR 471/97 - NZA 1999, 154 ff.). Demgegenüber wird der Absatz selbst produzierter Ware als Schlussphase der Arbeit eines Produktionsbetriebs nicht als Handel verstanden. Da gewerbliche Tätigkeit nicht der Befriedigung des Eigenbedarfs dient, muss sich in einem Produktionsbetrieb an die Phase der Materialbeschaffung und der Warenherstellung diejenige des Warenabsatzes notwendig anschließen. Dementsprechend behandeln die Tarifvertragsparteien den Warenabsatz eines Produktionsbetriebs regelmäßig als ein zu dessen Aufgaben gehöriges Geschäft. Um einen solchen Betrieb handelt es sich aber bei der Beklagten nicht. Die Beklagte ist vielmehr eine eigenständige juristische Person, die Waren vertreibt, die von anderen selbständigen Unternehmen hergestellt werden. Zwar mag die Beklagte zum Direktvertrieb der Produkte gerade dieser Unternehmen gegründet worden sein, dies ändert an dem Charakter eines Handelsunternehmens jedoch nichts. Die Beklagte kollektiert von verschiedenen Unternehmen, die von der Klägerin im Einzelnen angegeben worden sind, Waren und distribuiert sie an Endverbraucher. Dies macht den Kern eines Handelsunternehmen aus. Hierin liegt ihr einziger Unternehmenszweck, wobei sich der von ihr betriebene Handel nicht ausschließlich auf sogenannte Luxgeräte beschränkt, sondern Produkte anderer Herstellerfirmen umfasst. Damit unterscheidet sich die Beklagte auch von Unternehmen, deren Betriebe aus Produktionsstätte und einer Vielzahl von Verkaufsstellen bestehen, in denen eine Eigenproduktion direkt vermarktet wird. In solchen Fällen wird auch keine eigenständige juristische Person gebildet. b) Der Anwendung des Gehaltstarifvertrags NRW steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Sitz in F2xxx hat bzw. vormals in H2xxxxx hatte. Nach § 1 Abs. 4 MTV NRW bestimmt sich die Tarifgeltung nach dem Beschäftigungsort des Arbeitnehmers, nicht aber nach dem Sitz des Unternehmens. Beschäftigungsort ist der Ort (Betrieb, Filiale, Lager, Werkstatt usw.), in dem der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet, nicht jedoch der Ort, in dem der Arbeitnehmer eingestellt wurde. Der Beschäftigungsort muss in NRW liegen, wenn der Tarifvertrag Anwendung finden soll (Decruppe/Rzaza, Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 1 MTV, Rn. 13). Hieran bestehen im Entscheidungsfall keine Zweifel. Die Klägerin wurde sowohl im Geltungsbereich der Tarifverträge für den Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen eingestellt, als auch dort beschäftigt. 2. Auf das am 01.02.2000 begründete Arbeitsverhältnis findet der Gehaltstarifvertrag NRW vom 07.08.1999 Anwendung. Dieser ist durch die Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes NRW vom 18.11.1999 für allgemein verbindlich erklärt worden und erst am 31.03.2000 außer Kraft getreten. Zum Zeitpunkt seiner Begründung wurde das Arbeitsverhältnis damit von den Wirkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasst (§ 5 Abs. 3 TVG). Der Gehaltstarifvertrag NRW vom 07.08.1999 wirkt trotz Kündigung zum 31.03.2000 auch über diesen Zeitpunkt hinaus gegenüber der nicht tarifgebundenen Klägerin nach. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 25.10.2000 - 4 AZR 212/00 - NZA 2001, 1146). § 4 Abs. 5 TVG gilt auch für Arbeitsverhältnisse, auf die ein Tarifvertrag nicht aufgrund Tarifbindung, sondern durch Allgemeinverbindlichkeit Anwendung findet. Hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Nachwirkung besteht kein Unterschied, ob der Tarifvertrag zuvor aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 4 TVG gegolten hat. Die gesetzlich angeordnete Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG knüpft allein an den Ablauf des Tarifvertrags an und enthält keine Einschränkung auf Arbeitsverhältnisse mit beiderseitiger Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit. Allerdings ist mit (Rück-) wirkung vom 01.04.2000 der nicht für allgemein verbindlich erklärte Gehaltstarifvertrag vom 27.07.2000 in Kraft getreten. Durch diesen Folgetarifvertrag ist die Nachwirkung des Gehaltstarifvertrags vom 07.08.1999 jedoch nicht beendet worden. Nach § 4 Abs. 5 TVG kann die Nachwirkung nur durch eine Abmachung beendet werden, die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Das ergibt sich aus der Überbrückungsfunktion der Nachwirkung. Dem gemäß wird die Nachwirkung der Tarifnormen für Außenseiter nicht bereits durch das Inkrafttreten eines nicht oder noch nicht für allgemein verbindlich erklärten neuen Tarifvertrags beendet (BAG, vom 25.10.2000, a.a.O., S. 1148 m.w.N.). Eine auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende die Nachwirkung beendende Abmachung ist durch die Parteien jedoch nicht getroffen worden. In der Vereinbarung vom 21.01.2000 kann sie nicht gesehen werden, da diese Vereinbarung durch den allgemein verbindlichen Gehaltstarifvertrag vom 07.08.1999 überlagert worden ist. 3. Nach § 2 Abs. 4 GTV NRW sind die in diesem Gehaltstarif festgelegten Gehaltssätze Mindestgehälter. Nach der Vereinbarung der Parteien vom 21.01.2000 erhält die Klägerin allerdings kein festes Monatsgehalt, sondern ausschließlich eine leistungsbezogene Vergütung auf unterschiedlicher Grundlage. Damit ist ihr Anspruch auf Bezahlung der nach ihrer Vergütungsgruppe maßgeblichen Mindestvergütung jedoch nicht ausgeschlossen. § 10 Abs. 6 MTV NRW bestimmt, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer verschiedene Arten von Vergütungen (Fixum und Provision, ausgenommen Stück- oder ähnliche Prämien) bezieht, das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt/Lohn entsprechen muss. Diese Tarifbestimmung, die wörtlich mit § 5 Nr. 6 MTV für den Hessischen Einzelhandel übereinstimmt, ist nach der Rechtsprechung des BAG im Sinne eines monatlichen Mindestgarantieeinkommens auszulegen. Auch für leistungsabhängige Vergütungen ist tariflich ein Fixum in Höhe des tariflichen Gehalts gefordert (vgl. BAG, v. 19.01.2000 - 4 AZR 814/98 - NZA 2000, 1300). In diesem Zusammenhang können die Fragen, die sich daraus ergeben, dass der allgemein verbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 20.09.1996 von beiden Tarifvertragsparteien fristgerecht zum 31.12.1999 gekündigt worden war und aufgrund gemeinsamer Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 22.12.1999 die wechselseitig ausgesprochenen Kündigungen als zurückgenommen anzusehen waren, zunächst dahingestellt bleiben. Denn ohne die Bestimmung des § 10 Abs. 6 MTV käme ausschließlich § 2 Abs. 4 GTV NRW zum Zuge. Im Übrigen ist der Manteltarifvertrag, wie noch auszuführen sein wird, jedoch auch anwendbar. 4. Die Tätigkeit der Klägerin ist einzugruppieren in die Gehaltsgruppe III, Gehaltsstaffel a im 1. bis 3. Tätigkeitsjahr GTV NRW. a) Voraussetzung für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III Gehaltsstaffel a im 1. bis 3. Tätigkeitsjahr ist nach § 2 Abs. 2 GTV NRW eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung (zwei- bzw. dreijährige Ausbildungszeit mit Abschlussprüfung). Eine solche Ausbildung hat die Klägerin, wie von ihr unwidersprochen angegeben, abgeschlossen. b) Die Eingruppierung des solchermaßen qualifizierten Angestellten richtet sich nach § 2 Abs. 1 GTV nach der tatsächlich von ihm verrichteten Tätigkeit. Dabei sind die unter den Gehaltsgruppen aufgeführten Beispiele als Richtbeispiele anzusehen. Zu den in der Gehaltsgruppe III aufgeführten Richtbeispielen gehört die Tätigkeit der Klägerin nicht. Damit richtet sich deren Eingruppierung nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Gehaltsgruppe III, wonach in diese Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisung und mit entsprechender Verantwortung für ihren Tätigkeitsbereich einzugruppieren sind, wobei es für die Gehaltsstaffel a nicht darauf ankommt, ob dem Angestellten andere Beschäftigte unterstellt sind. Die für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III erforderliche selbständige Tätigkeit liegt vor, wenn diese - bezogen auf die konkrete Aufgabenstellung - eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der geschuldeten Leistung einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs erfordert. Dafür ist charakteristisch ein selbständiges Erarbeiten der Arbeitsergebnisse unter Verwertung eines bestehenden Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraums bzw. die Befugnis, die Arbeitsgestaltung und die Erreichung der Arbeitsergebnisse in nicht unerheblichem Ausmaß nach eigenen Entscheidungen zu bestimmen. Die Tätigkeit braucht dabei nicht völlig ohne fachliche Anleitung und Überwachung durch Vorgesetzte ausgeübt zu werden (Decruppe/Rzaza, Teil 2, GTV G III Anm. 1). Diese Voraussetzungen sind im Entscheidungsfall erfüllt. Die Klägerin hatte die Werbenabteilung der Filiale S4xxxxxxx selbständig aufzubauen und sie so zu organisieren, dass der Außendienst der Filiale mit vier bis sechs freien Handelsvertretern seinen Aufgaben nachgehen konnte. Sie hatte dafür Sorge zu tragen, dass die nötige Anzahl der Telefonistinnen tätig war und die entsprechenden Termine vereinbart hatten. Ihr oblag die Einstellung dieser Telefonistinnen. Nach Aussage des Zeugen H4xxx durfte sie selbständig entscheiden, wann ein Inserat geschaltet wurde, wann Einstellungen vorgenommen wurden. Für solche Maßnahmen gab es zwar allgemeine Vorgaben des Filialleiters, des Zeugen S1xxxxx, der, wie dieser ausgesagt hat, der Klägerin bei entsprechendem Druck mitgeteilt hat, dass sie sich etwas einfallen lassen müsse. Im Rahmen solcher allgemeinen Vorgaben, die einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III nicht entgegenstehen, ist die Klägerin dann tätig geworden. Ihr oblag es darüber hinaus, die Unterlagen für die Akquisition vorzubereiten, sie nachzubereiten, die Außendienstmitarbeiter zu koordinieren, was bedeutete, dass sie deren Touren zusammenzustellen sowie die Ergebnisse zu dokumentieren hatte. Außerdem hatte sie die für die Gehaltsabrechnungen der Telefonistinnen nötigen Angaben mitzuteilen, wobei nicht alle pauschal bezahlt wurden, sondern teilweise nach Leistung. Diese Tätigkeitsinhalte hat der Zeuge H4xxx bei seiner Vernehmung bestätigt. Er hat allerdings auch ausgesagt, dass die Klägerin rein formal die Telefonistinnen weder einstellen noch ihnen kündigen durfte. Auch wenn insoweit Einschränkungen vorlagen, so traf die Klägerin jedoch die Entscheidung, wer eingestellt werden sollte und machte den entsprechenden Einstellungsvorschlag, dem, wie der Aussage des Zeugen H4xxx zu entnehmen ist, auch gefolgt wurde. Gleiches gilt für Kündigungen, wobei geduldet wurde, dass die Klägerin diese mündlich erklärte. Auch dies hat der Zeuge H4xxx angegeben. Damit ist die Klägerin im Rahmen allgemeiner Anweisungen tätig geworden. Voraussetzung für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III ist keine völlige Selbständigkeit, d.h. eine Tätigkeit ohne Einflussnahme Dritter (Decruppe/Rzaza, a.a.O., GTV NRW G III Anm. 1). Für die so festgestellte Tätigkeit trug die Klägerin auch die entsprechende Verantwortung. Dies ist die Verpflichtung, dafür einstehen zu müssen, dass in dem übertragenen Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeübt werden (Decruppe/Rzaza, a.a.O., GTV NRW G II Anm. 3). Es oblag der Werbeabteilung und damit der Klägerin, sicherzustellen, dass die Handelsvertreter die nötigen Termine auch erhielten. Schon durch die fehlende Anwesenheit des Filialleiters, des Zeugen S1xxxxx, der selber im Außendienst tätig war, ist sowohl die Selbständigkeit der Tätigkeit der Klägerin als auch ihre Verantwortung begründet. 5. Die Tätigkeit der Klägerin war eine Vollzeittätigkeit. Zwar enthält der Arbeitsvertrag keine Angaben zur Arbeitszeit. Der Charakter einer Vollzeittätigkeit ergibt sich zum einen aus der Aufgabenstellung, wie sie oben beschrieben worden ist. Sie ist aber auch durch den Zeugen H4xxx bestätigt worden, der ausgesagt hat, dass die Tätigkeit der Klägerin eine Vollbeschäftigung sein sollte, auch wenn im Vertrag keine zeitlichen Angaben enthalten waren. Die Aussage des Zeugen H3xx steht dem nicht entgegen, der das Fehlen einer Arbeitszeitregelung im Arbeitsvertrag damit begründet hat, dass es um die Ziele gegangen sei. Waren die Ziele erreicht, so konnte die Arbeit abgeschlossen werden. Damit muss aber von einer Vollbeschäftigung ausgegangen werden, zumal es der Klägerin untersagt war, für andere Arbeitgeber tätig zu werden. 6. Der Anspruch der Klägerin besteht grundsätzlich in Höhe der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Arbeitsentgelt und dem tariflichen Gehalt. Dabei ist von den Gehaltsrechnungen der Klägerin auszugehen. Zwar war auf der Grundlage der Aussage des Zeugen S1xxxxx die Frage aufzuwerfen, ob darüber hinausgehende Zahlungen, gegebenenfalls "schwarz", geleistet worden waren. Der Zeuge S1xxxxx hat ausgesagt, dass bei der Vertriebsstelle M3xxxxx mehrfach Geld in bar abgeholt worden war, das nach seinen Angaben in den Lohnabrechnungen als SK-Zahlung ausgewiesen sein müssste. Dies war aber ausweislich der dem Gericht vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Zeit von März 2000 bis einschließlich April 2001 nicht der Fall. Auch die Beklagte hat angegeben, dass sogenannte SK-Zahlungen ordnungsgemäß in die Gehaltsabrechnungen der Klägerin eingeflossen sind und dies durch die Sonderkontounterlagen der Filiale S4xxxxxxx sowie durch die Vorlage der Monatsabrechnungen für die Klägerin, in der die an sie zu leistenden Zahlungen im Einzelnen aufgeschlüsselt sind, belegt. Nicht aufrechterhalten hat die Beklagte ihren ursprünglichen Vortrag, es seien Provisionsverschiebungen zu Lasten der Klägerin und zu Gunsten des Filialleiters S1xxxxx vorgenommen worden. Zum einen ist die Behauptung der Beklagten durch die zu diesem Thema bereits durchgeführte Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Zum anderen hat eine Auswertung der Provisionseinkünfte des Filialleiters S1xxxxx keine Schwankungen ergeben, die eine solche Annahme zu rechtfertigen vermöchten, was die Beklagte bewogen hat, diesen Sachvortrag fallen zu lassen. II. Die dem Grunde nach bestehenden Ansprüche der Klägerin sind aufgrund der Verfallklausel des § 24 MTV Einzelhandel NRW teilweise verfallen. Nach § 24 Abs. 1 c MTV NRW verfallen die hier in Frage stehenden Ansprüche auf tarifliche Bezahlung sechs Monate nach Fälligkeit, sofern sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht worden sind, § 24 Abs. 2 MTV NRW. 1. Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 20.09.1996 findet kraft Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Durch Bekanntmachung vom 10.03.1997 des MAGS NRW ist er für allgemeinverbindlich erklärt worden. Er ist erst zum 31.03.2003 außer Kraft getreten (vgl. Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 16.05.2003). Mit dieser - vordergründigen - Feststellung allein steht jedoch nicht abschließend fest, dass dieser Tarifvertrag auch für den hier in Frage stehenden Zeitraum den Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien normativ nach § 5 Abs. 4 TVG bestimmt hat. Beide Tarifvertragsparteien hatten nämlich den erstmals zum 31.12.1999 kündbaren Manteltarifvertrag fristgerecht gekündigt und sodann aufgrund gemeinsamer Erklärung vom 22.12.1999 die wechselseitig ausgesprochene Kündigung als zurückgenommen angesehen. Wäre es zur Beendigung des Tarifvertrags gekommen, so hätte die Allgemeinverbindlichkeit mit Ablauf des 31.12.1999 nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG geendet. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien erst nach diesem Zeitpunkt begründet worden ist - zuvor war die Klägerin freiberuflich für die Beklagte tätig gewesen - wäre es von diesem Tarifvertrag nicht erfasst worden, auch eine Nachwirkung wäre ausgeschlossen. Hierfür wäre die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 16.05.2003, wonach der Manteltarifvertrag vom 20.09.1996 erst mit dem 31.03.2003 außer Kraft getreten sei, ohne Bedeutung.

Im Verhältnis zu den ohnehin nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Rechtsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet (vgl. BVerfG 55, 7, 20; BAG, v. 28.03.1990 - 4 AZR 536/89 - EzA § 5 TVG Nr. 10 m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass die Arbeitsgerichte die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Prozess inzidenter auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen (vgl. z.B. BAG, v. 22.09.1993 - 10 AZR 371/92 - EzA § 5 TVG Nr. 11).

Die Tarifvertragsparteien haben es in der Hand, durch die Beendigung des Tarifvertrags die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu erreichen. Dies ist in § 5 Abs. 3 Satz 3 TVG gesetzlich niedergelegt und folgt aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Verhältnis zum Tarifvertrag (Schaub, Arbeitsrechthandbuch, § 207 Rn. 25). Der Manteltarifvertrag Einzelhandel NRW ist durch die Kündigungen nicht beendet worden. Nach § 27 Abs. 3 MTV Einzelhandel NRW konnte der Tarifvertrag zwar von jeder Vertragspartei mit dreimonatiger Frist zum Quartalsschluss, erstmals zum 31.12.1999 gekündigt werden. Auf diese, zum obligatorischen Teil des Tarifvertrags gehörende Tarifbestimmung ist das Vertragsrecht des BGB in vollem Umfang anwendbar. Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass Kündigungen als einseitige rechtsgestaltene Willenserklärung nicht "zurückgenommen" werden können, der Kündigende die Rechtswirkungen seiner Erklärung grundsätzlich nicht einseitig beseitigen kann. Jedoch haben die Tarifvertragsparteien in § 27 Abs. 6 MTV Einzelhandel NRW vom 20.09.1996 eine vom Recht der Willenserklärung abweichende Regelung zu Kündigungen getroffen. Danach bleibt der Tarifvertrag auch nach erfolgter Kündigung bis zum Abschluss eines neuen Vertrages in Kraft. Die Rechtswirkungen enden erst, wenn nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens eine der Vertragsparteien den anderen Vertragspartnern schriftlich mitteilt, dass die Verhandlungen als gescheitert anzusehen sind. Diese Voraussetzungen für die Beendigung des Tarifvertrags liegen jedoch nicht vor. Die Tarifvertragsparteien haben - im Gegenteil - sich durch die Erklärung vom 22.12.1999 darauf verständigt, die wechselseitig ausgesprochene Kündigungen als zurückgenommen anzusehen. Damit haben sie im Sinne der genannten Tarifbestimmung eine Vereinbarung getroffen, die darauf gerichtet ist, die Rechtswirkungen ihrer jeweiligen Kündigungen nicht eintreten zu lassen. Eine solche Vereinbarung hätte schon für das Arbeitsverhältnis zur Folge, dass trotz einer Kündigung das alte Arbeitsverhältnis mit dem alten Inhalt fortgesetzt würde (vgl. BAG, v. 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 - EzA § 615 BGB Nr. 47). Dies gilt umso mehr, wenn die Parteien eines (Tarifs-) Vertrags einer möglichen Kündigung von vornherein nicht die Gestaltungswirkung beigemessen haben, die ihr nach allgemeinem Recht zukommt. Ist damit der MTV Einzelhandel NRW über den 31.12.1999 in Kraft geblieben, so hat die Allgemeinverbindlichkeit nicht geendet. Das aufgrund des Vertrages vom 21.01.2000 mit Wirkung zum 01.02.2000 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wird von diesem Tarifvertrag erfasst. 2. Die Klägerin hat allerdings für keinen ihrer monatlichen Differenzvergütungsansprüche die tarifliche Ausschlussfrist des § 24 MTV Einzelhandel NRW eingehalten. Damit sind ihre Ansprüche erloschen. Jedoch hat die Beklagte ihre Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 NachwG zur Aushändigung einer Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht befolgt. Hieraus kann zwar nicht geschlossen werden, dass es ihr nach § 242 BGB versagt ist, sich auf die Ausschlussfrist des § 24 MTV Einzelhandel NRW zu berufen. Der Klägerin steht jedoch nach §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 2 BGB, jeweils a.F., § 249 BGB ein Schadensersatzanspruch zu, der die Beklagte verpflichtet, die Klägerin im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie sie bei rechtzeitigem Nachweis gestanden hätte. a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG hatte die Beklagte spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und der Klägerin auszuhändigen. Die Beklagte hat der Klägerin zwar einen schriftlichen Arbeitsvertrag ausgehändigt, ihr ist jedoch entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare MTV Einzelhandel NRW nicht mitgeteilt worden. b) Der Nachweispflicht steht nicht entgegen, dass der MTV Einzelhandel NRW für allgemeinverbindlich erklärt und die Allgemeineverbindlichkeit nach § 5 TVG ein Rechtssetzungsakt eigener Art ist (vgl. BAG, v. 29.05.2002 - 5 AZR 105/01 - EzA § 2 NachwG Nr. 4 m.w.N.). In die Niederschrift nach § 2 Abs. 1 NachwG sind nämlich nicht nur vertraglich vereinbarte, sondern auch tarifvertraglich oder gesetzlich geregelte Vertragsbedingungen aufzunehmen. c) Die Beklagte befand sich mit der Aushändigung der Niederschrift in Verzug. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG hatte sie spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses der Klägerin eine Niederschrift auszuhändigen, in der ein Hinweis auf die anzuwendenden Tarifverträge enthalten war. Ein Schadensersatzanspruch ist begründet, wenn die geltend gemachten Vergütungsansprüche bestanden, nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen sind und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wären. Bei der Prüfung des Anspruchs ist die Vermutung aufklärungsgemäßem Verhaltens des Arbeitnehmers einzubeziehen. Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG ist zu Gunsten des Arbeitnehmers zu vermuten, dass dieser die tarifliche Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf die Geltung des Tarifvertrages hingewiesen worden wäre. Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der Nachweisrichtlinie 91/533, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG, v. 17.04.2002 - 5 AZR 89/01 - EzA § 2 NachwG Nr. 5). In diesem Sinne kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, hätte sie Kenntnis von der Anwendbarkeit der Tarifverträge des Einzelhandels NRW gehabt, die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt hätte. Anhaltspunkte dafür, dass dies bei der Klägerin nicht der Fall gewesen wäre, liegen nicht vor. d) Allerdings hat die Beklagte selbst sich darauf berufen, dass die Einzelhandelsverträge auf sie nicht anwendbar seien, da sie einen Direktvertrieb betreibe. Damit ist ein Verschulden der Beklagten jedoch nicht ausgeschlossen. Ihr oblag es als Arbeitgeberin, sich die nötigen Informationen über die Anwendbarkeit der Tarifverträge zu beschaffen. Trotz eines Hinweises hierauf hat sie nicht vorgetragen, dass sie sich hinsichtlich dieser Frage sachkundigen Rat eingeholt hätte. Unter diesen Umständen bleibt es auch bei Unkenntnis über die Anwendung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Einzelhandels bei einem Verschulden der Beklagten. 3) Es liegt jedoch ein Mitverschulden der Klägerin vor, das zur teilweisen Klageabweisung führt. In dem vorangegangenen Kündigungsrechtsstreit 1 Ca 973/01 ist die Höhe des Arbeitsentgelts der Klägerin erörtert worden. Die Beklagte hat im dortigen Verfahren mit Schriftsatz vom 03.08.2001 mit dem Hinweis, dass sie im Direktvertrieb tätig sei, zwar in Abrede gestellt, dass sie den Tarifverträgen des Einzelhandels unterliege. Hieran wird jedoch zugleich deutlich, dass die Frage, ob die Tarifverträge des Einzelhandels Anwendung fanden, Gegenstand der Erörterungen waren. Im Kammertermin vom 16.08.2001 ist der Geschäftszweck der Beklagten ausdrücklich dahingehend konkretisiert worden, dass dieser darin bestünde, Reinigungsgeräte zu vertreiben. Dem gerichtlichen Vergleich ist des Weiteren zu entnehmen, dass die Frage der Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitsentgelts im Streit war. Die Festlegung eines Arbeitsentgeltsanspruchs für Juni 2001 in Höhe von 3.000,00 DM sollte nämlich kein Indiz für die Höhe der in den sonstigen Monaten geschuldeten Arbeitsvergütung sein. Eine schriftliche Geltendmachung, wie sie § 24 Abs. 2 MTV Einzelhandel NRW erfordert, lässt sich auf Seiten der Klägerin allerdings in diesem Zusammenhang nicht feststellen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses hätte die Klägerin, hätte sie ihre Forderungen unverzüglich schriftlich geltend gemacht, für die Zeit ab Februar 2001 die tarifliche Ausschlussfrist noch einhalten können. Nach § 10 Abs. 7 MTV Einzelhandel NRW muss der Arbeitnehmer spätestens am Schluss des Kalendermonats über sein Entgelt verfügen können. Der Klägerin wäre bis zum 28.08.2001 Zeit geblieben, zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist ihre Forderung für Februar 2001 geltend zu machen. Auch für die Monate März bis Mai 2001 hat sie die sechsmonatige Ausschlussfrist nicht eingehalten. Sie hat ihre Forderungen erst mit ihrer am 29.01.2002 der Beklagten zugestellten Klage schriftlich erhoben. Ab der Erörterung der Anwendbarkeit der Tarifverträge des Einzelhandels im Rechtsstreit 1 Ca 973/01 des Arbeitsgerichts Rheine bestand für die Klägerin jedoch Grund, die tariflichen Ausschlussfristen einzuhalten. So hat sie ihre Klageforderung auf die "maßgeblichen tarifvertraglichen Vorschriften" gestützt und den Gehaltstarifvertrag Einzelhandel NRW zugrunde gelegt. Dabei ist sie zwar nicht von deren unmittelbarer Anwendbarkeit ausgegangen, sondern hat diesen Tarifvertrag für die Definition einer angemessenen Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB herangezogen. Dass es sich hierbei um einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag handelte, hätte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch bewusst sein müssen. Gleiches gilt für die Allgemeinverbindlichkeit des Manteltarifvertrags. In einem solchen Fall hätte es ihnen oblegen, zur Sicherung der Rechte der Klägerin die in Frage stehenden Forderungen unter Wahrung der Ausschlussfristen des Tarifvertrags geltend zu machen, nachdem die Frage, ob es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen des Einzelhandels handelte, aufgeworfen worden war. Dieses Unterlassen ist der Klägerin nach § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 278 BGB zuzurechnen (vgl. BAG, v. 29.205.2002 - 5 AZR 105/01 - EzA § 2 NachwG Nr. 4). Für die Zeit von Februar 2001 bis Mai 2001 belaufen sich die Forderungen der Klägerin auf insgesamt 11.231,49 DM = 5.742,57 €. In Höhe dieses Betrags war die Klage abzuweisen. 4) Die Entscheidung über die Verzinsung der Ansprüche, die der Klägerin zugesprochen worden sind, beruht auf §§ 288, 291 BGB . III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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