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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: 16 Sa 1644/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
Verfolgt der Minderheitsgesellschafter einer GmbH die Abberufung des von der Mehrheitsgesellschafterin gestützten Geschäftsführers der GmbH mit der Begründung, dieser habe eine strafbare Untreue begangen, so kann dies die Auflösung des mit dem Minderheitsgesellschafter zugleich bestehenden Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Tenor:

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.09.2008 - 1 Ca 1700/07 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Der am 11.09.1949 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01.01.1971 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 12.02.1977 (Bl. 26 - 27 d.A.). Der Kläger war kaufmännischer Leiter. Ob er zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt war, ist zwischen den Parteien streitig. In einem Organigramm der Beklagten vom 02.10.2006 (Bl. 168 d.A.) war nicht der Kläger als kaufmännischer Leiter, sondern der Geschäftsführer K1 S1 ausgewiesen. Er erhielt zuletzt ein monatliches Gehalt von 6.410,37 € brutto.

Die Beklagte befasst sich mit der Planung und Herstellung verkehrstechnischer Anlagen. Sie beschäftigt etwa 120 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist nicht gebildet. Der Kläger ist zu 24 % Gesellschafter der Beklagten. Mehrheitsgesellschafter war der am 23.10.2006 verstorbene Bruder des Klägers R1 S1, dessen Gesellschaftsanteile nunmehr seine Ehefrau E1 S1 als Erbin hält. Neben R1 S1, der zuvor alleiniger Geschäftsführer gewesen war, war seit dem 01.11.2005 der jüngere Bruder K1 S1 weiterer Geschäftsführer der Beklagten. Der Kläger hatte es zuvor abgelehnt, ebenfalls die Position eines Geschäftsführers zu übernehmen.

Durch notariellen Vertrag vom 26.10.1990 gründeten der Kläger und sein Bruder R1 S1 die S1 GmbH Straßenverkehrstechnik T1 mit einem Stammkapital von 100.000,-- DM, das beide Gesellschafter je zur Hälfte übernahmen. Eine Geschäftstätigkeit nahm diese Gesellschaft nicht auf. Durch weiteren notariellen Vertrag vom 08.11.2002 trat R1 S1 seinen Geschäftsanteil an den Kläger ab. Ebenfalls am 08.11.2002 wurde die Firma der Gesellschaft in "S5 S1 T2 S6 GmbH" geändert und der Sitz der Gesellschaft von G2 nach D1 verlegt. Der Gegenstand des Unternehmens stimmt mit dem der Beklagten überein. Mit Schreiben des Geschäftsführers R1 S1 vom 27.10.2005 beanstandete dieser, dass der Kläger einen Teil seiner regulären Arbeitszeit und Mittel des Betriebes für die Firma S5 verwende, außerdem mit Schreiben vom 29.08.2006, dass der Kläger unter dieser Firma eine Konkurrenztätigkeit entwickele und Kosten der Firma S5 durch die Beklagte habe bezahlen lassen. Zum Inhalt dieser Schreiben im Einzelnen wird auf Bl. 33 d.A. und Bl. 43 - 44 d.A. Bezug genommen. Der Kläger beruft sich hinsichtlich der Bezahlung von Kostenrechnungen darauf, dass dies in Abstimmung mit R1 S1 geschehen sei und er sämtliche weitere Rechnungen im Zusammenhang mit der S5 GmbH privat gezahlt habe.

Ebenfalls im Jahre 2006 wandte sich der Geschäftsführer R1 S1 wegen eines Grundstücks "B3 S7" an den Kläger (vgl. Bl. 46 - 48 d.A.). Nach Angaben der Beklagten war das Grundstück im Jahre 2002 für die Ehefrau des Klägers erworben worden und hatte der Kläger den Kaufpreis in Höhe von 37.995,87 € vom Firmenkonto der Beklagten überwiesen. Hierzu trägt der Kläger vor, dass mit diesem Betrag sein Verrechnungskonto als Gesellschafter belastet worden sei. Wegen des weiteren Objekts "S2 31 und 33", das im Eigentum der Ehefrau des Klägers steht, veranlasste dieser im Jahre 2001 ebenfalls die Begleichung einer Rechnung für die Lieferung einer Heizungsanlage.

Mit Schreiben vom 22.12.2005, das den Kläger als zuständig ausweist, jedoch vom Geschäftsführer K1 S1 unterzeichnet ist, kündigte die Beklagte den Vertrag über die Stromversorgung des "W3 Markts" gegenüber dem Kreis Lippe fristgerecht zum 31.12.2006. Dies geschah nach Angaben der Beklagten ohne interne Absprache mit dem Geschäftsführer R1 S1.

Am 17.07.2006 forderte R1 S1 in einem auf persönlichem Briefkopf verfassten Schreiben den Kläger zur Herausgabe eines Kfz-Scheins über einen Lanz-Bulldog auf, den der Kläger unberechtigterweise an sich genommen habe. Der Kläger bestreitet, dass sich ein solcher Brief in seinem Besitz befindet.

Der Kläger war im Jahre 2006 mit dem Projekt "Gebietsrechner ZA 1 in A2-G3" befasst. Bei der Ausführung dieses Projekts kam es zu Problemen, die die Beklagte der mangelhaften Leitung und Kontrolle des Klägers anlastet.

Am 14.08.2006 fand eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Beklagten statt. Aufgabe des Klägers ist es in diesem Zusammenhang, die hierfür benötigten Unterlagen bereitzustellen. Dies war am 14.08.2006 nicht geschehen. Nach Angaben des Klägers war er hiervon zuvor nicht unterrichtet worden.

Mit Schreiben vom 22.08.2006 forderte der Geschäftsführer R1 S1 den Kläger auf, das Projekt Wilbasen 2005 ordnungsgemäß abzurechnen. Nach dem Vortrag des Klägers hat er seinem Bruder R1 S1 die gesamte Abrechnung erläutert. Eine Abmahnung ist dem Kläger wegen fehlender Abrechnung nicht erteilt worden.

Die Ehefrau des Klägers, die bis zum 31.12.2005 für die Beklagte tätig war, nutzte einen Firmenwagen der Beklagten auch privat. Mit Schreiben vom 03.03.2006 teilte sie der Beklagten mit, dass sie diesen seit dem 01.01.2006 nicht mehr benutzt habe und er jederzeit zur Verfügung stehe. Nachdem der Geschäftsführer H1 S1 den Kläger am 02.10.2006 schriftlich aufgefordert hatte, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen (vgl. Bl. 68 - 69 d.A.), übermittelte der Kläger mit Begleitschreiben vom 11.10.2006 (Bl. 178 d.A.) die Fahrzeugschlüssel zur Abholung des Fahrzeugs.

Unter dem 21.06.2007 machte der Kläger gegenüber der Beklagten ihm nach § 51 a GmbHG zustehende Auskunfts- und Einsichtsrechte geltend. Mit Schreiben vom 07.08.2007 (Bl. 139 bis 140 d.A.) stellte die Beklagte den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Am 21.09.2007 forderte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten den Geschäftsführer K1 S1 der Beklagten auf, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Zu den von ihm beantragten Tagesordnungspunkten gehörte die Beschlussfassung über die Abberufung von Herrn K1 S1 als Geschäftsführer der Gesellschaft aus wichtigem Grund sowie die Beschlussfassung über die Kündigung des Anstellungsvertrages mit Herrn K1 S1. Zur Begründung führte er an, dass Herr K1 S1 im November 2006 die Zahlung von 53.000,-- € an sich veranlasst habe, für die eine rechtliche Grundlage nicht bestanden habe. Mit Schreiben vom 12.10.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.06.2008. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner am 25.10.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. In der Gesellschafterversammlung vom 29.10.2007 wurden die Anträge des Klägers auf Abberufung von Herrn K1 S1 und Kündigung seines Anstellungsvertrages abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger Nichtigkeitsklage erhoben, die durch Urteil des Landgerichts Detmold vom 10.04.2008 (8 O 131/07) abgewiesen wurde. Das Landgericht erklärte jedoch den ebenfalls in der Gesellschafterversammlung vom 29.10.2007 gefassten Beschluss, dem Geschäftsführer K1 S1 Entlastung zu erteilen, auf Antrag des Klägers für nichtig, weil dieser ohne ausreichende Rechtsgrundlage die Auszahlung einer Tantieme sich angewiesen habe. Über die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers, mit der er seinen Antrag, die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zur Abberufung des Herrn K1 S1 als Geschäftsführer sowie zur Kündigung von dessen Anstellungsvertrag weiterverfolgt, war zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung im vorliegenden Verfahren noch nicht entschieden.

Eine weitere ordentliche Kündigung zum 31.01.2009 erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.06.2008 (Bl. 234 d.A). Hiergegen hat der Kläger gesondert Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 12.10.2007 zum 30.06.2008 beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.06.2008 aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt,

die Klage hinsichtlich des Hilfsantrages abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Kündigung darauf gestützt, dass sich aus der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ergebe, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr möglich gewesen sei. Insoweit hat sie zunächst auf ein Schreiben des Klägers vom 12.11.2005 Bezug genommen (Bl. 29 - 30 d.A.), in dem dieser dem damaligen Geschäftsführer R1 S1 beschuldigt habe, dass er das Lebenswerk der drei Brüder aufs Spiel setze. Des Weiteren hat sie sich auf die bereits dargestellten unstreitigen Vorgänge bezogen. Außerdem hat sie vorgetragen, der Kläger habe sowohl persönliche Gespräche als auch die Zusammenarbeit mit ihrem jetzigen Geschäftsführer K1 S1 abgelehnt. Er habe weder den Grund für eine Geschäftsreise nach B4 vom 08. - 10.11.2006 genannt noch einen Bericht hierüber gefertigt. Außerdem habe der Kläger zunehmend gefehlt und am 28.12.2006 während einer Urlaubsfahrt seinen Pkw auf Firmenkosten betankt. Hinsichtlich ihres Auflösungsantrages beruft sie sich darauf, dass der Kläger leitender Angestellter sei. Er habe, zuletzt unter dem 14.03.2005, diverse Mitarbeiter eingestellt und im Jahre 2004 den Arbeitnehmer W2 sowie im Jahre 2002 den Arbeitnehmer Hein eigenverantwortlich entlassen. Außerdem sei er in der Arbeitszeitgestaltung frei gewesen. Unabhängig davon habe der Kläger im laufenden Rechtsstreit behauptet, dass sie, die Beklagte, nicht wahrheitsgemäß vortrage, er selbst, wie auch seine Tochter B5, die bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei, Mobbing-Handlungen des Geschäftsführers K1 S1 ausgesetzt gewesen seien. Grob wahrheitswidrig sei der Vortrag des Klägers, dass der Arbeitnehmer M3 aufgrund ständiger Attacken ihres Geschäftsführers das Unternehmen verlassen habe. Unzutreffend sei es, wenn der Kläger behaupte, ihr Geschäftsführer habe jeden Kontakt verweigert. Außerdem hat sie sich zur Begründung des Auflösungsantrages darauf berufen, dass der Kläger die Abberufung ihres Geschäftsführers verlangt habe mit der Begründung, dieser habe eine Unterschlagung zu ihrem Nachteil begangen.

Durch Urteil vom 03.09.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die Kündigung vom 12.10.2007 nicht zum 30.06.2008 beendet worden ist und das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2008 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 115.380,-- € aufgelöst. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigung nicht wegen Konkurrenztätigkeit unwirksam sei, da der Kläger die Firma S5 GmbH zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer R1 S1 gegründet habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger auf Kosten der Beklagten Rechnungen für die Firma S5 hat bezahlen lassen, seien die vielschichtigen Verbindungen der Parteien untereinander zu berücksichtigen. Hinsichtlich der übrigen von der Beklagten vorgeworfenen Vertragsverletzungen hat das Arbeitsgericht diese zum einen als nicht hinreichend substantiiert angesehen, außerdem eine Abmahnung für notwendig gehalten. Der Auflösungsantrag sei begründet, allerdings nicht schon deshalb, weil es sich bei dem Kläger um einen leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG handele. Sollte der Kläger bis zum Jahre 2005 zur Einstellung befugt gewesen sein, sei diese Befugnis jedoch durch die Beklagte widerrufen worden, indem diese ihm mitgeteilt habe, dass der Kläger zu Handlungen, die ausschließlich Geschäftsführern oblägen, nicht berechtigt sei. Jedoch sei eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten gewesen. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten kommunizierten nur noch schriftlich miteinander. Der Kläger habe dem Geschäftsführer unsubstantiiert vorgeworfen, die Tochter B5 Mobbing-Attacken ausgesetzt und den Arbeitnehmer M3 gemobbt zu haben. Ferner habe er eine Behauptung der Beklagten als geradezu verleugnerisch hingestellt. Die Höhe der Abfindung sei entsprechend § 10 Abs. 2 KSchG angesichts der Länge der Betriebszugehörigkeit und des Alters des Klägers sowie seiner Aussichten auf dem Arbeitsmarkt mit 18 Monatsverdiensten angemessen.

Dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, ist dem Kläger am 06.10.2008 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 29.10.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16.01.2009 fristgerecht begründet. Die Berufungsbegründung ist der Beklagten am 20.01.2009 zugestellt worden, sie hat mit einem am 16.02.2009 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt.

Unter Vertiefung seines Sachvortrages zu den Mobbing-Vorwürfen gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten greift er die Auflösungsentscheidung des Arbeitsgerichts im Wesentlichen mit Rechtsausführungen an. Soweit er Rechte als Gesellschafter der Beklagten verfolge, vermöge dies einen Auflösungsgrund nicht abzugeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.09.2008 abzuändern und den Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.09.2008 - 1 Ca 1700/07 - die Feststellungsklage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die strengen arbeitsrechtlichen Maßstäbe für verhaltensbedingte Kündigungen in familienrechtlichen Unternehmen so nicht zugrunde gelegt werden könnten. Man könne den Bruder nicht einfach vor die Tür setzen. Dies habe der Kläger für sich ausgenutzt. Für den Fall, dass die Kündigung weiterhin für unwirksam erachtet werde, verteidigt die Beklagte das Auflösungsurteil des Arbeitsgerichts. Sie beruft sich zusätzlich darauf, dass der Kläger seine Anfechtungsklage zu den in der Gesellschafterversammlung vom 29.10.2007 gefassten Beschlüssen weiter verfolge, auch nachdem das Landgericht Detmold diese abgewiesen habe und im Berufungsverfahren die Absetzung ihres Geschäftsführers betreibe. Vor diesem Hintergrund sei eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit kaum vorstellbar. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren, von der Beklagten im Einzelnen dargestellten Verfahren.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers sowie die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Beklagten sind jeweils unbegründet.

Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, dass die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist, sodass sie das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.06.2008 aufzulösen vermochte. Jedoch war das Arbeitsverhältnis des Klägers auf Antrag der Beklagten zum 30.06.2008 aufzulösen, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten ist.

I

Der Kündigungssachverhalt vermag die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 12.10.2007 nicht nach § 1 Abs. 1, 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen.

1) Eine Kündigung ist verhaltensbedingt gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag, sei es die Hauptleistungspflicht, seien es Nebenpflichten, verstößt. Dieses Verhalten muss ihm in der Regel vorwerfbar sein und zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben. Außerdem muss die Störung entweder fortwirken oder eine Prognose ergeben, dass auch künftig mit einem vergleichbar vertragswidrigen Verhalten zu rechnen ist. Schließlich muss die Kündigung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles sachlich gerechtfertigt sein (st. Rspr. vgl. z.B. BAG vom 21.05.1992, 2 AZR 10/92, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 43; vom 21.11.1996, 2 AZR 557/95, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; aus jüngerer Zeit: BAG vom 16.09.2004, 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459; zuletzt: BAG vom 13.12.2007, 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589; jeweils m.w.N.). Als zureichender Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung ist ein Sachverhalt anzusehen, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Hierbei genügen solche Umstände, die in Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sowie des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände durch eine umfassende Abwägung der gegenseitigen Interessen zu ermitteln (vgl. etwa BAG vom 27.02.1997, 2 AZR 320/96 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51).

2) Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Umstand, dass der Kläger nicht abgemahnt worden ist, große Bedeutung beigemessen. Diese dient bei verhaltensbedingten Kündigungen der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (s. hierzu BAG vom 13.12.2007, aaO.). Allerdings kann auf das Erfordernis der Abmahnung verzichtet werden, wenn die Vertragsstörung so geartet ist, dass daraus geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig seine Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen. Bei einer Pflichtverletzung, die so schwerwiegend ist, dass der Arbeitnehmer deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennen und nicht damit rechnen kann, der Arbeitgeber werde sie hinnehmen, ist die negative Prognose schon aus diesem Grunde begründet (vgl. BAG vom 12.01.2006, 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980).

3) Zu den schwerwiegenden Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers gehört ein Verstoß gegen das vertragsimmanente Wettbewerbsverbot. Das in § 60 HGB für Handlungsgehilfen normierte Verbot gibt einen für alle Arbeitsverhältnisse geltenden allgemeinen Rechtsgedanken wieder. Verletzt ein Arbeitnehmer das bestehende Wettbewerbsverbot, so ist in der Regel sogar eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt (BAG vom 21.11.1996, 2 AZR 852/95, EzA § 626 BGB Nr. 162). Im Entscheidungsfall ist es unstreitig, dass der Kläger mit seiner Firma S5 GmbH, die denselben Unternehmenszweck wie die Beklagte verfolgt, tätig geworden ist. Dies vermag die ordentliche Kündigung jedoch schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil die Beklagte nicht nur über diese Tätigkeiten des Klägers informiert war, sondern in Person ihres Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters R1 S1 an der Gründung beteiligt war und Herr R1 S1 dem Kläger später sogar seinen Geschäftsanteil übertragen hat. Dies spricht dafür, dass der Kläger mit Einwilligung der Beklagten tätig geworden ist, sodass eine Vertragsverletzung nicht vorliegt.

Allerdings hat der Kläger durch die Firma S5 verursachte Kosten über die Beklagte ausgeglichen. Dass er diese, wie in anderen Fällen von ihm vorgetragen, über sein Verrechnungskonto als Gesellschafter im Nachhinein übernommen hätte, hat er dagegen nicht vorgetragen. Diese Verletzung der Eigentumsinteressen der Beklagten vermöchte als solche durchaus die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zu rechtfertigen. Aufgrund besonderer Umstände ist dies hier jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat mit Schreiben ihres Geschäftsführers R1 S1 vom 29.08.2006 hierauf bereits reagiert und im Hinblick auf die verwandtschaftliche Beziehung vom Ausspruch einer Kündigung ausdrücklich abgesehen. Ist dies aber der Fall, so kann die Kündigung vom 12.10.2007 hierauf nicht mehr gestützt werden. Es läge widersprüchliches Verhalten der Beklagten im Sinne des § 242 BGB vor, wenn sie einerseits ausdrücklich erklärt, dass sie von einem ihr grundsätzlich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen will, andererseits diesen Sachverhalt jedoch zur Begründung einer ein Jahr später ausgesprochenen Kündigung heranzieht, ohne dass der Kläger insoweit erneut gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat.

4) Hinsichtlich des Komplexes "B3 S7" ist dagegen nicht deutlich geworden, worin die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung im Einzelnen liegen soll. Nach dem Vortrag der Beklagten hat die Ehefrau des Klägers dieses Grundstück erworben und wurde der Kaufpreis in Höhe von 37.995,87 € bereits am 29.01.2002 auf Veranlassung des Klägers über das Firmenkonto der Beklagten beglichen. Dem von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Schreiben des damaligen Geschäftsführers R1 S1 ist allerdings zu entnehmen, dass R1 S1 Eigentum am Grundstück besaß. In den überreichten Schreiben vom 24.01.2006 und 15.03.2006 findet sich zudem kein Hinweis darauf, dass der Kläger unrechtmäßig den Kaufpreis von 37.995,87 € über das Firmenkonto der Beklagten beglichen habe. Der Einlassung des Klägers, dass dies in Abstimmung mit dem Geschäftsführer R1 S1 geschehen sei und der Betrag außerdem seinem Verrechnungskonto als Gesellschafter belastet worden sei, ist die Beklagte im Übrigen nicht entgegengetreten. Unter diesen Umständen lässt sich ein die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigender Sachverhalt nicht feststellen.

5) Allerdings wirft die Beklagte dem Kläger auch eine unzureichende Arbeitsleistung vor. Soweit es dabei um die Kündigung der Stromversorgung des W3 Marktes geht, hat sich allerdings herausgestellt, dass das Kündigungsschreiben vom Geschäftsführer H1 S1 unterzeichnet worden ist, auch wenn die Bearbeitung dem Kläger oblegen haben mag. Damit entfällt eine Pflichtverletzung des Klägers. Daneben wird dem Kläger allerdings auch vorgeworfen, dass er die Abrechnung für Wilbasen 2005 nicht ordnungsgemäß vorgenommen habe. Es hätten lediglich etwa 70 Abrechnungen vorgelegen, obwohl etwa 268 Schausteller einen Stromanschluss erhalten gehabt hätten. Es mag insoweit zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Arbeitspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Gleiches gilt für die Vorwürfe unzulänglicher Arbeitsleistungen bezogen auf das Projekt Gebietsrechner ZA 1 in A2-G3. Das Arbeitsgericht hat zu Recht herausgestellt, dass bei Pflichtverletzungen im Leistungsbereich eine vorhergehende Abmahnung vonnöten ist, um eine negative Prognose und damit eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Mit ihrer Anschlussberufung hat die Beklagte zwar darauf verwiesen, dass angesichts der familiären Beziehungen die arbeitsrechtlichen Maßstäbe für verhaltensbedingte Kündigungen nicht angewandt werden könnten. Dem folgt das Gericht jedoch nicht. Wird, wie auch der überreichten Korrespondenz insbesondere mit dem verstorbenen Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer R1 S1 zu entnehmen ist, davon ausgegangen, dass es wegen der verwandtschaftlichen Verhältnisse Rücksichtnahmen gegeben hat, die in einem normalen Arbeitsverhältnis nicht üblich sind, so erweist sich eine Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung um so notwendiger. In einem solchen Fall ist klarzustellen, dass die bisherigen Maßstäbe in Zukunft nicht mehr gelten sollen und das Arbeitsverhältnis - trotz der familiären Beziehungen - bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens gefährdet ist.

6) Nicht erkennbar ist, dass die weiteren von der Beklagten herangezogenen Vorgänge die verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermögen. Für den Komplex "S2 31 und 33" bestehen schon deshalb Bedenken, weil sich dieser Vorgang im Jahre 2001 abgespielt hat und es keinerlei Angaben der Beklagten dazu gibt, aus welchen Gründen sie ihn für die Kündigung vom 12.10.2007 heranzieht. Durch Zeitablauf kann ein Vorfall so an Bedeutung verlieren, dass eine ordentliche Kündigung nicht mehr gerechtfertigt wäre (vgl. BAG vom 15.08.2002, 2 AZR 519/01, NZA 2003, 795). Ob der Sachverhalt allein aus diesem Grunde für die Kündigung nicht mehr herangezogen werden kann, kann allerdings dahinstehen. Der Kläger hat unter Vorlage entsprechender Belege vorgetragen, dass die auf seine Veranlassung durch die Beklagte bezahlten Rechnungen für ein Bauprojekt seiner Ehefrau dieser in Rechnung gestellt und von ihr auch bezahlt worden sind.

7) Auch der Komplex "Firmenfahrzeug zugunsten der Ehefrau des Klägers" stellt keinen geeigneten Kündigungssachverhalt dar. Die Ehefrau des Klägers war nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers selbst bis zum 31.12.2005 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Ihr war in der Zeit ihrer Beschäftigung ein Fahrzeug auch zum privaten Gebrauch zur Verfügung gestellt worden. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass die Ehefrau des Klägers dieses Fahrzeug nicht ordnungsgemäß zurückgegeben hat, so kann hieraus dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden.

8) Weitere kündigungsrelevante Vorwürfe liegen nicht vor. Dies gilt insbesondere für die angeführten Fehlzeiten. Teilweise ist der Vortrag der Beklagten widersprüchlich, wenn sie dem Kläger einerseits vorwirft, vom 21.12.2006 bis 08.01.2007 gefehlt zu haben, andererseits aber während einer Urlaubsfahrt am 28.12.2006 zu Unrecht seinen Pkw betankt zu haben. Unentschuldigtes Fehlen an einzelnen Tagen im Januar 2007 kann die Beklagte auch nicht allein damit begründen, dass sie vorträgt, die Gründe für die Abwesenheit im Betrieb habe der Kläger nicht angegeben. Auch insoweit verhält sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie in anderen Zusammenhängen vorträgt, dass der Kläger in seiner Arbeitszeitgestaltung frei gewesen sei.

II

Jedoch ist der hilfsweise von der Beklagten gestellte Auflösungsantrag begründet. Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zutreffend zum 30.06.2008, dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, aufgelöst. Auch die vom Arbeitsgericht festgesetzte Abfindungshöhe ist nicht zu beanstanden.

1) Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist nach § 9 Abs. 1 KSchG nur begründet, wenn besondere Auflösungsgründe vorliegen. Ist der gekündigte Arbeitnehmer dagegen leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG, bedarf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung. § 14 Abs. 2 KSchG erfasst zum Beispiel Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, wenn sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Dies kann im vorliegenden Fall indes nicht angenommen werden.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss die Befugnis zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung sowohl im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber als auch im Außenverhältnis gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern bestehen. Die Personalbefugnisse dürfen dabei nicht nur untergeordnete Aufgabenbereiche betreffen, sie müssen vielmehr wesentlicher Teil der Tätigkeit des leitenden Angestellten sein (vgl. BAG vom 18.11.1999, 2 AZR 903/98, NZA 2000, 427).

Im Entscheidungsfall hat sich die Beklagte zwar darauf berufen, dass der Kläger eine Reihe von Einstellungen vorgenommen - Vorstellungsgespräche geführt und auch schriftliche Arbeitsverträge abgeschlossen habe. Außerdem hat sie hinsichtlich zweier Arbeitnehmer vorgetragen, dass der Kläger diese entlassen habe. Der Kläger ist dem jedoch entgegengetreten und vorgetragen, dass er intern nicht das Letztentscheidungsrecht besessen habe. Dies habe vielmehr bei dem früheren Geschäftsführer R1 S1 gelegen. Soweit sich die Beklagte zum Beweis ihrer Behauptung, dass der Kläger Einstellungsgespräche mit den verschiedenen von ihr aufgeführten Mitarbeitern geführt und Arbeitsverträge eigenverantwortlich abgeschlossen habe, auf das Zeugnis dieser Mitarbeiter beruft, ist nicht erkennbar, dass diese Einblick in die internen Abläufe haben könnten. Damit fehlt es an einem geeigneten Beweisantritt. Dagegen kann der weitere Sachvortrag der Beklagten, dass der Kläger seine Kinder ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer R1 S1 eingestellt habe, den Status des Klägers als leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG nicht begründen. Es handelt sich um zwei Einstellungen, zwischen denen zudem ein erheblicher Zeitraum liegt. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass Personalbefugnisse ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Klägers waren. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für die zwei vom Kläger erklärten Kündigungen vom 29.11.2000 sowie 26.03.2004, die er zudem mit dem Zusatz "i.A." erklärt hat.

b) Jedoch ist der Auflösungsantrag deshalb begründet, weil Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen.

aa) Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine Sozialwidrigkeit der Kündigung allerdings zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass - bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers - eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Gerade im Verlauf prozessualer Auseinandersetzungen wie typischerweise des Kündigungsschutzprozesses kann es allerdings zu zusätzlichen Spannungen zwischen den Parteien kommen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Dies war eine mitbestimmende Erwägung für die gesetzliche Regelung (st. Rspr. des BAG, vgl. zuletzt BAG vom 23.06.2005, 2 AZR 256/04, NZA 2006, 363 m.w.N.).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. § 9 KSchG betrifft die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Es geht um die Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch zu erwarten lassen.

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage zum Schluss der mündlichen Verhandlung beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.

bb) Im Entscheidungsfall ist diese Besorgnis begründet. Die Beklagte hat sich unter anderem darauf bezogen, dass der Kläger durch sein Verhalten als Gesellschafter die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit dadurch nachhaltig zerstört habe, dass er die Abberufung ihres Geschäftsführers mit der Begründung verfolge, dass dieser eine strafbare Handlung zum Nachteil der Firma begangen habe. Vor diesem Hintergrund sei kaum vorstellbar, wie sich der Kläger eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihrem Geschäftsführer vorstelle, wenn er dessen Absetzung betreibe.

Auch wenn der Kläger als Gesellschafter von ihm nach dem GmbHG zustehenden Rechten Gebrauch gemacht hat, so stellt dieses Verhalten des Klägers doch einen geeigneten Auflösungsgrund dar. Der Geschäftsführer der Beklagten dürfte sich bei der Auszahlung eines Betrages von 53.000,-- € an sich selbst zwar nicht korrekt verhalten haben. Dies hat das Landgericht Detmold in seinem Urteil vom 10.04.2008 festgestellt und deshalb dem Antrag des Klägers entsprochen, mit dem er sich dagegen gewandt hat, dass dem Geschäftsführer K1 S1 durch Gesellschafterbeschluss vom 29.10.2007 Entlastung erteilt wurde. Das erkennende Gericht teilt jedoch die Ansicht der Beklagten, dass der Kläger mit seinem Vorwurf einer strafbaren Untreuehandlung über das Ziel hinausgeschossen ist. Es handelt sich insoweit um eine ehrverletzende Äußerung, die als solche einen geeigneten Auflösungsgrund darstellen kann. Auch wenn sich der Geschäftsführer K1 S1 nicht korrekt verhalten hat, so bedeutet dies zum einen nicht zugleich, dass er eine Straftat begangen hat, zum anderen nicht, dass er als Geschäftsführer abzuberufen war, weil er für die Beklagte untragbar geworden war. Der Kläger hätte bei Verfolgung seiner Rechte als Gesellschafter Rücksicht auf das ebenfalls bestehende Arbeitsverhältnis nehmen müssen. Durch die Art und Weise, wie er seine Gesellschafterrechte wahrgenommen hat, hat der Kläger die Vertrauensgrundlage für die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses zerstört. Mit Blick auf das Arbeitsverhältnis hätte der Kläger bei der Verfolgung seiner Rechte als Gesellschafter das nötige Augenmaß aufbringen müssen. Er konnte nicht davon abstrahieren, dass er zugleich Arbeitnehmer der Beklagten war. Indem er dies getan und seine Interessen als Gesellschafter unter Vernachlässigung des Arbeitsverhältnisses verfolgt hat, hat er die Grundlage für eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zerstört. Eine solche ist schlechterdings nicht vorstellbar.

Allerdings war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren der in Frage stehende Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen. Der Kläger hatte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz hatten sich die tatsächlichen Umstände damit jedoch nicht in einer Weise geändert, dass die Auflösungsgründe entfallen wären. Auf der Grundlage der Entscheidung des Landgerichts Detmold spricht vielmehr die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Geschäftsführer K1 S1 in seiner Position verbleibt. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Berufung des Klägers war unter diesen Umständen nicht angezeigt. Die Tatsache, dass der Kläger trotz der wohl begründeten Entscheidung des Landgerichts seinen Antrag auf Abberufung des Geschäftsführers K1 S1 weiter verfolgt, ist zudem geeignet, die Spannungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer K1 S1 weiter zu verschärfen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger als kaufmännischer Leiter der Beklagten eine herausragende Stellung einnimmt, bei der eine gute Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung unerlässlich ist.

Allerdings hat sich der Kläger zuletzt darauf bezogen, dass die Beklagte selbst seine Stellung nicht respektiere - sie ihn im Organigramm vom 02.10.2006 nicht als kaufmännischen Leiter ausgewiesen und in den verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen als einfachen Angestellten bezeichnet habe. Dies mag zutreffen. Es berührt die vertragsrechtliche Stellung des Klägers jedoch nicht. Der Kläger war über Jahre kaufmännischer Leiter. Er erzielte ein für diese Position angemessenes Einkommen. Die Beklagte konnte sie ihm durch einseitiges Handeln nicht entziehen.

2) Zur Abfindungshöhe ergibt sich aus § 10 Abs. 2 KSchG ein Höchstbetrag von 18 Monatsverdiensten. Als Bemessungskriterien für eine angemessene Abfindung sind dabei zu berücksichtigen Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, aber auch das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung. Der Abfindung kommt insoweit auch Sanktionsfunktion zu, um ungerechtfertigten Kündigungen vorzubeugen (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl., S. 1528).

Das Arbeitsverhältnis hat seit 1971 mehr als 37 Jahre bestanden. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung 58 Jahre alt. Er hat sein gesamtes Arbeitsleben bei der Beklagten verbracht und, wie einem Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten R1 S1 zu entnehmen ist, für die Beklagte wertvolle Arbeit geleistet. Die vorgetragenen Kündigungsgründe vermögen dagegen nicht zu überzeugen. Unter diesen Umständen ist es angemessen, die Abfindung in Höhe des Höchstbetrages festzusetzen.

Dem steht die Schriftsatzkündigung vom 09.06.2008 zum 31.01.2009 nicht entgegen. Zum einen hätte diese erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet. Zum anderen steht keinesfalls fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet werden könnte. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Die Beklagte hat sich auf diesen Gesichtspunkt im Berufungsverfahren, in dem sie die durch das Arbeitsgericht festgesetzte Höhe gerügt hat, auch nicht berufen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit fast 59 Jahren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur geringe Chancen hat, eine neue angemessene Arbeit zu finden. Hierzu dürfte beitragen, dass er sein gesamtes Arbeitsleben in den Dienst der Beklagten gestellt hat. Bei seinem Lebensalter ist der Kläger jedoch auch bei Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens weiter auf Einkommen angewiesen.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ZPO zugelassen, soweit die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen bestand hierfür keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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