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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 16 Sa 625/08
Rechtsgebiete: TVG, BGB, LA, TV ERA-Anpassungsfonds, BetrVG


Vorschriften:

TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1
BGB § 140
BGB § 151
BGB § 242
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1
LA § 7
LA § 7 Nr. 1
TV ERA-Anpassungsfonds § 4 c
BetrVG § 77 Abs. 3 Satz 1
Eine betriebliche Übung, Tariferhöhungen entsprechend den Lohn- und Gehaltsabkommen der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW an die Beschäftigten weiterzugeben, umfasst nicht die Verpflichtung zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponenten nach diesen Tarifverträgen, wenn der nicht tarifgebundene Arbeitgeber das ERA in seinem Betrieb nicht einführen will.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 05.03.2008 - 1 Ca 405/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der ERA-Strukturkomponente für das Jahr 2006.

Der Kläger steht seit dem 04.04.1967 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Maschinenschlosser zu einem Einkommen von 2.566,56 € brutto in einem Arbeitsverhältnis. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Die Beklagte beschäftigt etwa 170 Arbeitnehmer, und befasst sich mit der Herstellung und dem Handel mit Maschinen, Maschinenteilen, Zahnrädern und Getrieben. Ein Betriebsrat ist gebildet. Dessen Vorsitzender ist der Kläger.

Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte gehört einem Arbeitgeberverband nicht an.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma G3 B1 GmbH & Co. KG, schloss im Jahre 1977 einen Haustarifvertrag ab. Dieser sah in § 3 die Geltung der Tarifverträge für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende der Metallindustrie des Tarifgebiets Nordrhein-Westfalen vor, die als Anlage dem Tarifvertrag beigefügt waren und Teil des Haustarifvertrages sein sollten. Unter § 4 war außerdem u.a. bestimmt, dass zwischen den Parteien ebenfalls alle "Abmachungen, Abkommen, Zusatzabkommen und Änderungsverträge" Anwendung fänden, die zwischen den Parteien der mit dem Haustarifvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge abgeschlossen würden. Dies gelte auch hinsichtlich des Inkrafttretens neuer Tarifbestimmungen, die anstelle der in Bezug genommenen Tarifverträge bzw. Tarifbestimmungen träten. Zu den weiteren Einzelheiten des Haustarifvertrages wird auf Bl. 32 - 35 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte betätigte sich bis zum 01.01.1979 als Verwalterin der G3 B1 GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie war. Nach Änderung ihres Unternehmensgegenstandes schloss sie im Jahre 1979 einen Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag mit der seit 1979 wieder als OHG firmierenden ursprünglichen Arbeitgeberin des Klägers. Aufgrund dieses Vertrages übernahm sie das Anlagevermögen sowie die vertraglichen Beziehungen der früheren Arbeitgeberin des Klägers und setzte deren operatives Geschäft fort. In ihrem Betrieb wandte sie fortan den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie NRW an und gab die regelmäßigen prozentualen Einkommenssteigerungen im Bereich der Metall- und Elektroindustrie NRW einschließlich etwaiger Einmalzahlungen an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer weiter. Eingruppierungen nahm sie jedenfalls seit 1987 entsprechend einem bei ihr entwickelten innerbetrieblichen System vor. Im Übrigen hielt sie sich nicht mehr an die mit der ursprünglichen Arbeitgeberin des Klägers im Haustarifvertrag vereinbarte Anwendung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW.

Unter dem 04.06.2002 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Entgelterhöhung für 2002/2003, in der vereinbart wurde, dass das Verhandlungsergebnis in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Bezug auf die Lohn- und Gehaltserhöhungen übernommen werde. Abweichend werde in Bezug auf die ERA-Strukturkomponente vereinbart, dass diese in der ersten Phase als Gesamtbetrag für sieben Monate (01.06.2002 bis 31.12.2002) mit der Abrechnung für Dezember 2002 ausgezahlt werde. In den Folgejahren nahm sie die Auszahlung der ERA-Strukturkomponente im Dezember 2003, im Juni 2004, im Dezember 2004 und im Juni 2005 vor. Die in dem Lohn- und Gehaltsabkommen vom 22.06.2006 vorgesehene Einmalzahlung für die Monate März bis Mai 2006 in Höhe von 310,-- € leistete die Beklagte zunächst nicht. Nachdem es zu Massenklagen beim Arbeitsgericht Detmold gekommen war, nahm sie die Auszahlung dieses Betrages als einmalige Sonderzahlung vor, wobei sie in einem Aushang erklärt hatte, dass dies ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung geschehe. Die Klagen wurden daraufhin zurückgenommen.

Seit 2006 besteht die übereinstimmende Auffassung sowohl der Beklagten als auch des Gewerkschaftsvertreters und des Betriebsrates, dass das ERA-Tarifwerk nicht eingeführt werden soll. Zuvor waren Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages geführt worden. Es sollte die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie festgeschrieben werden. Außerdem war seitens der Beklagten angeboten worden, die Tabellenwerte für das bei der Beklagten gezahlte Entgelt um den Prozentsatz der ERA-Strukturkomponente zu erhöhen. Der sich ergebende Betrag sollte die Ausgangsbasis für künftige Erhöhungen sein. An der Forderung der Beklagten nach einer Arbeitszeiterhöhung ohne Entgeltausgleich scheiterte der Abschluss eines Haustarifvertrages schließlich.

Mit seiner am 22.02.2007 beim Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage begehrt der Kläger neben 50 weiteren Arbeitnehmern die Auszahlung eines Betrages - in seinem Fall - von 803,85 € aus den ERA-Strukturkomponenten und stützt sich dabei auf § 7 Ziffer 1 des Lohnabkommens vom 22.04.2006. Bis auf das vorliegende und zwei weitere Verfahren werden die beim Arbeitsgericht Detmold anhängigen Verfahren derzeit nicht betrieben.

Durch Urteil vom 05.03.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers ergebe sich nicht aufgrund der tariflichen Geltung des Haustarifvertrages, da durch den Betriebsübergang für die Beklagte keine tarifliche Bindung an diesen begründet worden sei. Sie sei auch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Tarifvertragspartei geworden. Auch arbeitsvertraglich sei es nicht nach dem Betriebsübergang zu einer dynamischen Weitergeltung der Tarifverträge gekommen. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei ebenfalls nicht begründet, dies weder im Hinblick auf die Geltung des Tarifvertrages ERA-APF noch im Hinblick auf die vorgenommene Zahlung der ERA-Strukturkomponenten in den Jahren 2004 und 2005.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 28.03.2008 zugestellt worden ist und auf welches wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat dieser am 22.04.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist fristgerecht begründet.

Er vertritt die Auffassung, dass aufgrund der Verweisung des Haustarifvertrages und des Betriebsübergangs der Haustarifvertrag auch für die Beklagte weiter gelte. Jedenfalls sei auch die Struktur-Komponente mehr als drei Jahre gewährt worden, woraus Ansprüche aus betrieblicher Übung entstanden seien.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 05.03.2008 - 1 Ca 405/07 - wird die Beklagte verurteilt, an ihn 803,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Eine Rechtsgrundlage für den Antrag des Klägers auf Zahlung der begehrten Einmalzahlung aus den ERA-Strukturkomponenten ist nicht ersichtlich.

I

§ 7 des Lohnabkommens vom 22.04.2006 über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (im Folgenden: LA) findet auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.

1) Die Beklagte ist nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei. Eine Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG scheidet damit aus.

2) Auch über den mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Haustarifvertrag aus dem Jahre 1977 folgt keine Tarifbindung, die zur unmittelbaren und zwingenden Geltung des Lohnabkommens führen würde, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat.

a) Die Beklagte ist nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrages geworden. Eine Gesamtrechtsnachfolge liegt nicht vor. Hiervon gehen zunächst beide Parteien aus. Auf der Grundlage des vorliegenden Sachvortrags sind auch keine Anhaltspunkte für eine solche erkennbar. Die Beklagte hat vielmehr aufgrund von Pacht- und Betriebsüberlassungsverträgen Teile des Anlagevermögens der früheren Arbeitgeberin des Klägers sowie deren vertragliche Beziehungen übernommen und auf dieser Grundlage den Betrieb fortgeführt. Damit liegt ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor.

b) Allerdings wurde zur Zeit des Betriebsübergangs am 01.01.1979 zur damaligen Fassung des § 613 a BGB vertreten, dass auch dann, wenn ein Betrieb im Wege der Singularsukzession auf einen neuen Betriebsinhaber übergeht und für diesen Betrieb ein Firmentarifvertrag bestand, die Tarifbindung in vollem Umfang erhalten bleibt. Dies folge daraus, dass der neue Betriebsinhaber in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten des bisherigen Betriebsinhabers eintrete (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 1977, § 119 III, s. auch die Hinweise bei BAG vom 20.06.2001, 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517). Erst für die seit dem 21.08.1980 in Kraft getretene Fassung des § 613 a Abs. 1 BGB hat das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung im Hinblick auf die neu eingefügten Sätze 2 bis 4 entschieden, dass der Betriebsübergang keine unmittelbare und zwingende Geltung eines mit dem Betriebsveräußerer abgeschlossenen Firmentarifvertrags begründe. Zumindest für den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.01.1979 ist dieser Auffassung zu folgen. Zu diesem Zeitpunkt war die Umsetzungsfrist von zwei Jahren der EWG-Richtlinie 77/187, bekannt gemacht am 05.03.1977, fast abgelaufen. Weder § 613 a Abs. 1 BGB der damaligen Fassung noch das damalige EWG-Recht forderten, dass der Betriebsübergang eine unmittelbare und zwingende Geltung des Tarifvertrages gemäß § 4 Abs. 1 TVG für den Betriebserwerber begründet, was auch für einen Firmentarifvertrag zutraf. Soweit der Schutz der Arbeitnehmerrechte dies unter Geltung des damaligen § 613 a BGB erforderte, war die später Gesetz gewordene Auffangregelung auch zum damaligen Zeitpunkt geeignet, einen solchen Schutz zu begründen.

3) Auch unter dem Gesichtspunkt der Transformation tarifvertraglicher Bestimmungen in den Arbeitsvertrag ist eine Bindung der Beklagten an die dynamische Verweisung in § 4 des Haustarifvertrages nicht eingetreten. Für die Rechtslage nach dem 21.08.1980 hat das Bundesarbeitsgericht dies in seiner Entscheidung vom 20.06.2001 ausführlich begründet. Dem folgt das Berufungsgericht, wobei es dem Gesichtspunkt, dass eine Bindung des Arbeitgebers an künftige Tarifverträge weit über das hinausginge, was bei einer Tarifbindung nach 3 Abs. 1 TVG gelten würde, besondere Bedeutung beimisst. Wäre der Arbeitgeber deshalb an die dynamische Verweisung im Haustarifvertrag auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW gebunden, so könnte er sich hiervon nur durch die individualrechtlichen Mittel des Aufhebungsvertrages oder der Änderungskündigung lösen. Dies könnte sich für ihn im Einzelfall als weit schwieriger darstellen, als wenn er Partei eines Firmentarifvertrages wäre und diesen kündigen könnte. Es kann nicht angenommen werden, dass § 613 a Abs. 1 BGB in der zum Zeitpunkt des vorliegenden Betriebsübergangs geltenden Fassung eine so weitgehende Bindung des Arbeitgebers statuiert hat, ohne dass dies dem Gesetzestext zu entnehmen gewesen ist.

4) Davon abgesehen führt die jahrzehntelange Praxis der Beklagten im vorliegenden Fall jedenfalls auch zu einer konkludenten Abänderung einer etwaigen vertraglichen Bindung an die dynamischen Verweisungsnormen des Haustarifvertrages. Dem Kläger wie auch den anderen Arbeitnehmern der Beklagten war bekannt, dass diese eine Tarifbindung verneinte und mit Übergang des Betriebes nur noch den Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens sowie die Lohn- und Gehaltsabkommen angewandt hat. Änderungen weiterer Tarifverträge, wie z.B. der über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens oder des Tarifvertrages über vermögenswirksame Leistungen hätten sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis des Klägers auswirken müssen. Dem Sachvortrag der Beklagten, dass sie nach Übernahme des Betriebes ausschließlich den Manteltarifvertrag angewandt habe und die Tariflohnerhöhungen entsprechend den Steigerungen in den Lohn- und Gehaltsabkommen weitergegeben habe, ist der Kläger nicht entgegengetreten, sodass dies im Tatbestand des Urteils als unstreitig dargestellt worden ist.

II

§ 7 des Lohnabkommens vom 22.04.2006 ist auch nicht aufgrund betrieblicher Übung anwendbar.

1) Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte sich in der Vergangenheit nach den Lohnabkommen der Metall- und Elektroindustrie gerichtet hat und die dort vorgesehenen linearen Tariflohnerhöhungen sowie, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht klargestellt worden ist, auch die Einmalzahlungen an ihre Mitarbeiter weitergegeben hat. Die Beklagte selbst hat ihrem Verhalten im Hinblick auf die prozentualen Steigerungen durchaus den Charakter einer betrieblichen Übung beigemessen (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 27.09.2005). Sie hat das Vorliegen einer betrieblichen Übung lediglich für von ihr als Sonderzahlungen bezeichnete Leistungen verneint. Ihrem mehr als 25 Jahre praktizierten Verhalten mag in der Tat zu entnehmen sein , dass sie sich auf Dauer hinsichtlich der Lohnsteigerungen nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie NRW richten und nicht von Fall zu Fall neu entscheiden wollte, ob sie sich diesen anschließe.

a) Eine betriebliche Übung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers voraus, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (vgl. aus jüngster Zeit BAG vom 28.05.2008, 10 AZR 274/07, NZA 2008, 941; s. auch BAG vom 30.05.2006, 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170, jeweils m.w.N.).

b) Im Entscheidungsfall erfasst die betriebliche Übung der Beklagten, entsprechend den Lohn- und Gehaltsabkommen der Metall- und Elektroindustrie NRW die dort vereinbarte Entgeltsteigerungen an ihre Beschäftigten weiterzugeben, nicht die in den Lohn- und Gehaltsabkommen seit dem Jahre 2002 geregelten ERA-Strukturkomponenten. Auch wenn sowohl die Höhe der Leistung als auch deren Modalitäten in den Lohn- und Gehaltsabkommen bestimmt sind, sodass sich die tariflichen Vorschriften für tarifgebundene Arbeitnehmer als Anspruchsgrundlage darstellen, kann diese Leistung doch nicht losgelöst von dem in der Metall- und Elektroindustrie NRW neu eingeführten Entgeltrahmenabkommen vom 18.12.2003 beurteilt werden. Dieses Entgeltrahmenabkommen ist für die Beklagte nicht verbindlich. In ihm werden in Ablösung u.a. der früheren Lohn- und Gehaltsrahmenabkommen die Grundsätze für die Eingruppierung der Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie neu und umfassend anders als in der Vergangenheit geregelt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, sich diesem neuen System anzuschließen. Sie hat die Lohn- und Gehaltsrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie in ihrem Betrieb nicht angewandt, sondern ein eigenes innerbetriebliches Eingruppierungssystem entwickelt.

c) Die Bestimmungen der von der Beklagten allerdings angewandten Lohn- und Gehaltsabkommen zur ERA-Strukturkomponente sind Teil des neu eingeführten Eingruppierungssystems. Insoweit nehmen alle Lohn- und Gehaltstarifverträge seit 2002 Bezug auf den Tarifvertrag zum ERA-Anpassungsfonds, in dem die ERA-Strukturkomponente geregelt ist. § 7 Nr. 1 Lohnabkommen vom 22.04.2006, auf den der Kläger seinen Anspruch stützt, entspricht im Wortlaut § 4 c TV ERA-Anpassungsfonds. Nach § 7 LA vom 22.04.2006 ist Anspruchsvoraussetzung, dass das Entgeltrahmeneinkommen "betrieblich noch nicht" eingeführt ist. Diese Voraussetzung trifft für die Beklagte nicht zu, die entschieden hat, das Entgeltrahmenabkommen für ihren Betrieb überhaupt nicht einzuführen.

Freilich handelt es sich bei der nach § 7 Nr. 1 LA als Einmalzahlung zu leistenden ERA-Strukturkomponente um eine allgemeine Erhöhung des Entgelts. Für die im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen in den Lohn- und Gehaltsabkommen seit 2002 vereinbarten ERA-Strukturkomponenten ist dies in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt. Sie sind integraler Bestandteil der Tariflohnerhöhungen (vgl. BAG vom 15.03.2005, 9 AZR 97/04, AP Nr. 33 zu § 157 BGB; vom 09.11.2005, 5 AZR 595/04, EzA Nr. 45 zu § 4 TVG Tariflohnerhöhung). Die Tariflohnerhöhungen wurden in diesen Jahren jeweils auf zwei Komponenten verteilt (vgl. jeweils § 2 LA vom 23.05.2002 bzw. vom 16.02.2004). Zum einen wurden die Tabellenentgelte der Löhne und Gehälter nicht in Höhe des vereinbarten Gesamtvolumens, sondern nur teilweise erhöht. Das restliche Erhöhungsvolumen floss in die ERA-Strukturkomponente. Deren Zahlung wurde jeweils in § 7 LA dahingehend geregelt, dass nach Maßgabe der in den jeweiligen Nr. 1 genannten Berechnungen und Auszahlungszeitpunkte Einmalzahlungen an die Mitarbeiter erfolgten, während in den Folgeperioden dieser Teil des tariflichen Erhöhungsvolumens in den ERA-Anpassungsfonds floss. Aufbau, Berechnung und Wirkungsweise dieses Fonds sind im Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds (TV ERA APF) im Einzelnen geregelt. Mit dieser Aufteilung des tariflichen Erhöhungsvolumens in eine tabellenwirksame lineare Lohn- und Gehaltssteigerung einerseits, eine ERA-Strukturkomponente andererseits wurde u.a. sichergestellt, dass die Einführung von ERA für den Arbeitgeber kostenneutral erfolgt (vgl. hierzu Entscheidung der 14. Kammer des LAG vom 16.10.2007, 14 Sa 1415/07, JURIS). Für Betriebe, die das ERA zum 01.03.2006 eingeführt haben, gelten statt der bisherigen Tabellenwerte der Lohn- und Gehaltsabkommen die Tarife des einheitlichen Entgelttarifvertrages Metall. Für die Arbeitgeber entfällt die Verpflichtung, die ERA-Strukturkomponente zu leisten. Nur für Betriebe, die das ERA nicht zum 01.03.2006 eingeführt haben, besteht die Verpflichtung, in Form weiterer Einmalzahlungen die ERA-Strukturkomponente in Höhe von 2,79 % zu zahlen. Dieser Prozentsatz entspricht dem Abstand zwischen dem Tarifvolumen nach dem Entgelttarifvertrag einerseits, dem Lohn- und Gehaltsabkommen andererseits. Mit den Lohn- und Gehaltsabkommen 2006 wird sichergestellt, dass die nicht tabellenwirksam gewordenen tariflichen Erhöhungen des Tarifvolumens im Hinblick auf die Kostenneutralität der ERA-Einführung nunmehr bis zur betrieblichen ERA-Einführung an die Mitarbeiter fließen. Es handelt sich um die Weitergabe der in den Vorjahren vereinbarten, an die tarifgebundenen Arbeitnehmer aber nicht ausgezahlten Tariferhöhungen. Mit der ERA-Strukturkomponente in Höhe von 2,79 % wird die tatsächliche Auszahlung der Tariferhöhungen sichergestellt.

Hieraus folgt entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass ihm die ERA-Strukturkomponenten als Teil der allgemeinen Tariflohnerhöhungen auszuzahlen seien. Die ERA-Strukturkomponenten stellen singuläre, in einem Gesamtzusammenhang stehende Leistungen dar. Es erscheint durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Höhe der jeweiligen Tariflohnerhöhungen seit 2002 davon beeinflusst war, dass ein Teil als sogenannte ERA-Strukturkomponente der Vorbereitung der Einführung des ERA diente. Selbst § 7 LA 2006 ist zu entnehmen, dass es nicht einfach um Tariflohnerhöhungen geht. Den Betriebsparteien ist nach Nr. 3 das Recht eingeräumt zu vereinbaren, die ERA-Strukturkomponenten vorläufig ganz oder teilweise nicht auszuzahlen, sondern sie dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführen. Auf die Beklagte, die entschieden hat, in ihrem Betrieb das ERA nicht einzuführen, sind diese Teile der tariflichen Regelung gar nicht anwendbar. Auch hieraus wird deutlich, dass die Beklagte nicht zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponente aufgrund der Anwendung der Lohn- und Gehaltsabkommen verpflichtet ist. Dies würde vielmehr voraussetzen, dass die bei ihr vorhandene betriebliche Übung sich auch auf das Entgeltrahmenabkommen beziehen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das ERA in ihrem Betrieb einzuführen.

2) Auch der Umstand, dass die Beklagte seit Einführung der ERA-Strukturkomponente in den Jahren 2002 bis 2005 entsprechend dem jeweiligen Lohn- und Gehaltsabkommen eine Auszahlung an ihre Beschäftigten vorgenommen hat, vermag eine betriebliche Übung dahingehend, dass sie "auf Dauer", d.h. für die vorliegende Fragestellung, solange es die ERA-Strukturkomponente gibt, sich zu deren Zahlung verpflichten wollte, nicht zu begründen.

a) Hinsichtlich der ersten Zahlung der ERA-Strukturkomponente hat die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat die Betriebsvereinbarung vom 04.06.2002 abgeschlossen. Dieser ist jedoch zu entnehmen, dass ihr Regelungsgehalt auf das Jahr 2002/2003 beschränkt ist. Es wurde vereinbart, dass das Verhandlungsergebnis in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Bezug auf die Lohn- und Gehaltserhöhungen übernommen würde und in Bezug auf die ERA-Strukturkomponente abweichend in der ersten Phase als Gesamtbetrag für sieben Monate diese mit der Abrechnung für Dezember 2002 ausgezahlt wird. Zwar handelt es sich hierbei um eine Betriebsvereinbarung, die mit dem Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht in Einklang steht. Für die vorliegende Fragestellung, ob nämlich eine betriebliche Übung begründet worden ist, kommt es hierauf jedoch nicht an, unabhängig davon, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ausgeschlossen ist, eine unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung umzudeuten (vgl. BAG vom 30.05.2006, aaO.). Maßgeblich ist vielmehr, dass es sich um eine Vereinbarung handelt, die eine Regelung hinsichtlich der ERA-Strukturkomponente nur für das Jahr 2002/2003 trifft, der keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass sie über dieses Jahr hinaus wirken sollte. Dies ist aber Voraussetzung für die Begründung einer betrieblichen Übung für die Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung. Es müssen deutliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber auf Dauer solche Tariflohnerhöhungen übernehmen will. Das Bundesarbeitsgericht weist in seiner hierzu ergangenen Rechtsprechung zu Recht darauf hin, dass ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen will. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts in einen Arbeitgeberverband (vgl. BAG vom 16.01.2002, 5 AZR 715/00, NZA 2002, 632). Auch wenn die Beklagte sich insoweit anders verhalten hat und im Sinne einer betrieblichen Übung an den Tariflohnerhöhungen der Metall- und Elektroindustrie teilgenommen hat, so ist dennoch zu prüfen, ob dies auch für die neu eingeführte ERA-Strukturkomponente gilt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

b) Bei der Beklagten bestand nach der Vereinbarung des Entgeltrahmenabkommens in der Elektro- und Metallindustrie NRW Unsicherheit darüber, wie in ihrem Betrieb zukünftig verfahren werde. Es wurden Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages geführt, bei dem die veränderte Entgeltstruktur im Tarifgebiet NRW eine Rolle spielte. War dies aber der Fall, so konnte ein Vertrauen darauf, die Beklagte werde unabhängig von der Einführung des ERA in ihrem Betrieb die Zahlung der Strukturkomponenten vornehmen, nicht begründet werden.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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