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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 912/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 416
ZPO § 286
Steht fest, dass die Unterschrift unter eine Kündigungserklärung vom Arbeitnehmer stammt, so greift die gesetzliche Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO, an die das Gericht nach § 286 II ZPO gebunden ist. Auf die Überzeugung des Gerichts nach § 286 I ZPO kommt es insoweit nicht an. Ist jedoch nach bürgerlichem Recht die Aushändigung der Urkunde Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der darin enthaltenen Erklärung, so bedarf die formelle Beweiskraft des § 416 ZPO der Ergänzung durch den Nachweis der Begebung der Urkunde. Für diesen gilt das Prinzip der freien Beweiswürdigung nach § 286 I ZPO.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 31.03.2004 - 3 Ca 1059/03 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.06.2003 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin. Die am 21.11.1951 geborene Klägerin ist seit Mitte des Jahres 1985 bei der Beklagten als Arbeiterin im Akkord beschäftigt. Sie erzielte zuletzt einen durchschnittlichen Verdienst von 1.640,-- € brutto monatlich. Die Beklagte hat ihren Hauptsitz in G1xxxxxxx und ein weiteres Werk in B1xxx, in dem die Klägerin tätig war. Am 19.05.2003 fand ein Personalgespräch mit der Klägerin statt, an dem auf Seiten der Beklagten deren Werksleiter K1xxxxxxxxx sowie der auch für Personalfragen zuständige Herr G2xxxxx teilnahm. In diesem Gespräch wurden der Klägerin schlechte Arbeitsleistungen vorgehalten. Es ging insbesondere darum, dass sie am 14.04.2003 zu lange für einen Auftrag benötigt hätte, der nicht im Akkord, sondern im Durchschnitt bearbeitet wurde. Wegen dieser Vorwürfe wurde der Klägerin eine Abmahnung in Aussicht gestellt. Ob darüber hinaus in diesem Gespräch auch über eine mögliche Eigenkündigung der Klägerin gesprochen wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Am 22.05.2003 wurde der Klägerin eine schriftliche Abmahnung ausgehändigt, deren Erhalt sie zumindest mit einer Unterschrift auf dem Abmahnungsschreiben für die Beklagte quittierte. Ob sie darüber hinaus noch eine weitere Unterchrift leistete, ist streitig. Am 27.05.2003 sprach Herr G2xxxxx die Klägerin darauf an, warum sie denn gekündigt habe. Mit Schreiben vom 27.05.2003, welches der Klägerin am 28.05.2003 zuging, bestätigte die Beklagte den Erhalt einer schriftlichen Kündigung der Klägerin vom 23.05.2003. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.05.2003 ließ die Klägerin mit der Begründung, dass ihr bei Entgegennahme der Abmahnung ein vorbereitetes Kündigungsschreiben untergeschoben worden sei, bestreiten, das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt zu haben. Zugleich erklärte sie die Anfechtung ihrer Kündigungserklärung wegen Erklärungsirrtums bzw. arglistiger Täuschung. Nachdem die Beklagte es abgelehnt hatte, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fortzusetzen, reichte diese am 13.06.2003 beim Arbeitsgericht Klage ein, mit der sie den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend machte. Die Klägerin hat behauptet, sie sei am 22.05.2003, als ihr der Zeuge K1xxxxxxxxx die schriftliche Abmahnung ausgehändigt habe, darum gebeten worden, die Entgegennahme der Abmahnung auf zwei Exemplaren durch ihre Unterschrift zu bestätigen. Der Zeuge K1xxxxxxxxx habe darauf hingewiesen, dass ein Exemplar für die Zentrale der Beklagten in G1xxxxxxx bestimmt sei und eine für die Niederlassung in B1xxx. Die beiden ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftstücke seien hintereinander angeordnet gewesen, sodass das zweite Schriftstücke durch das erste völlig verdeckt worden sei. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei beiden Schriftstücken um Exemplare der Abmahnung handele. Das zweite Schriftstück sei jedoch ein Schreiben mit einer vorformulierten Eigenkündigung zum 30.06.2003 gewesen. Am nächsten Tag, dem 23.05.2003 habe der Zeuge K1xxxxxxxxx ihr sodann ein Blankoschreiben mit ihrer vorformulierten Eigenkündigung zur Unterschrift vorgelegt. Dieses habe sie jedoch nicht unterschrieben. Einige Tage später sei sie von Herrn G2xxxxx auf ihre Eigenkündigung angesprochen worden. Sie sei vollkommen überrascht gewesen. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2003 hinaus fortbesteht. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, bereits in dem Personalgespräch am 19.05.2003 habe der Zeuge K1xxxxxxxxx der Klägerin erklärt, dass er die Empfehlung an die Geschäftsführung geben werde, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, man ihr jedoch keine Steine in den Weg legen werde, wenn sie selbst kündige. Die Klägerin habe am 22.05.2003 lediglich auf einem für sie, die Beklagte, bestimmten Exemplar den Erhalt der Abmahnung mit ihrer Unterschrift quittiert. Eine Kündigung sei der Klägerin nicht "untergeschoben" worden. Der Zeuge K1xxxxxxxxx habe in dem Gespräch am 22.05.2003 den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis lösen wolle und, während sie die Abmahnung gelesen und quittiert habe, zwei Erklärungen über eine Eigenkündigung für die Klägerin gefertigt. Diese habe er zumindest teilweise ausgefüllt, der Klägerin dann die beiden vorgefertigten Kündigungsschreiben überreicht und ihr mitgeteilt, sie brauche nur noch eines der beiden Schreiben zu unterschreiben und zurückzugeben, wenn sie kündigen wolle. Die Klägerin habe diese beiden Eigenkündigungsschreiben mit der Bemerkung mitgenommen, sie werde sich das noch einmal überlegen. Am 23.05.2003 habe sie dem Zeugen K1xxxxxxxxx dann kurz vor Arbeitsende eine von ihr unterschriebene vorgefertigte Eigenkündigung kommentarlos übergeben, als sie diesem ihre Durchschnittszettel überreicht habe. Durch Urteil vom 31.03.2004, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB nicht gegeben sei. Durch die Beweisaufnahme sei die Behauptung der Klägerin, dass ihr im Gespräch am 22.05.2003 eine Eigenkündigung "untergeschoben" worden sei, nicht bestätigt worden. Damit scheide auch eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums aus. Gegen dieses, ihr am 27.04.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.05.2004 Berufung eingelegt und diese am 22.06.2004 begründet. Die Klägerin rügt die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung, in der auf ihre persönliche Situation nicht eingegangen werde. Es sei nicht im mindesten zu erkennen, aus welchem Grunde eine Eigenkündigung hätte ausgesprochen worden sein sollen. Ihre persönliche und wirtschaftliche Situation habe dies in keiner Weise zugelassen. Eine andere Arbeit habe sie nicht in Aussicht gehabt. Für die Richtigkeit ihres Sachvortrages gebe es darüber hinaus eine Reihe von Anhaltspunkten und gewichtigen Indizien, insbesondere auf der Grundlage der Aussage des Zeugen G2xxxxx. Auch die Tatsache, dass ein BlankoSchreiben mit einer vorgefertigten Eigenkündigung von ihr selbst vorgelegt worden sei, spreche nicht gegen ihren Vortrag. Der Zeuge K1xxxxxxxxx habe möglicherweise geglaubt, sie noch zu einer Eigenkündigung veranlassen zu können. Hätte sie auf dem Blankokündigungsschreiben eine Unterschrift geleistet, so hätte der Zeuge K1xxxxxxxxx nicht zu der durch Manipulation erwirkten Kündigung greifen müssen. Des Weiteren wäre, wenn der Auffassung des Arbeitsgerichts zu folgen wäre, jedenfalls eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO vorzunehmen gewesen. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 31.03.2004, AZ: 3 Ca 1059/03, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2003 hinaus fortbesteht. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend. Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch die erneute Vernehmung des Zeugen K1xxxxxxxxx. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 10.02.2005, zum weiteren Sachvortrag der Parteien auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Allerdings hat das Gericht davon auszugehen, dass die Klägerin die von der Beklagten behauptete Erklärung der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2003 abgegeben hat. Die Klägerin stellt die Echtheit ihrer Unterschrift unter diese Erklärung nicht in Abrede, sie behauptet lediglich, dass ihr diese Erklärung "untergeschoben" worden sei. Damit greifen die gesetzlichen Bestimmungen über die Beweiskraft von Privaturkunden. Nach § 416 ZPO begründen Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Damit greift die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO Platz, wonach die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich hat. Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Vermutung, an die das Gericht nach § 286 Abs. 2 ZPO gebunden ist und die die freie richterliche Überzeugungsbildung einschränkt. Diese gesetzliche Vermutung kann gemäß § 292 ZPO nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Diesen Beweis hat die Klägerin, wie das Arbeitsgericht zu Recht, wenn auch im Hinblick auf andere rechtliche Voraussetzungen, angenommen hat, nicht geführt. Die Klägerin hat behauptet, ein Schreiben, das die Erklärung einer Eigenkündigung enthielt, nicht unterzeichnet zu haben. Sie hat vorgetragen, zwei Unterschriften geleistet zu haben, um die Entgegennahme einer Abmahnung zu bestätigen. Eine dieser Unterschriften habe sie auf einem Schreiben geleistet, das durch ein darüber liegendes Exemplar der Abmahnung abgedeckt gewesen sei. Diese Angaben der Klägerin sind jedoch durch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Der Zeuge G2xxxxx konnte hierzu keine Angaben machen, weil er bei der Übergabe der Abmahnungen nicht dabei gewesen ist. Der Zeuge K1xxxxxxxxx hat diese Behauptung der Klägerin weder bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht noch bei seiner wiederholten Vernehmung vor dem Berufungsgericht bestätigt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen K1xxxxxxxxx nicht dazu führen, dass die mit dem Beweis des Gegenteils belastete Klägerin diesen Beweis geführt hätte. Auch die wiederholte Vernehmung des Zeugen K1xxxxxxxxx vor dem Berufungsgericht, die zwar zu einem anderen Beweisthema durchgeführt worden ist, bei der aufgrund des Zusammenhangs jedoch die hier in Frage stehende Behauptung der Klägerin zum Gegenstand der Beweisaufnahme geworden ist, vermochte die nach § 286 ZPO geforderte volle Überzeugung des Gerichts davon, dass der Sachvortrag der Klägerin zutrifft, nicht zu begründen. Insoweit ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Die formelle Beweiskraft der unter § 416 ZPO fallenden Privaturkunden bedeutet jedoch nur, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung vom Aussteller abgegeben worden ist. Nur insoweit kommt es auf die Überzeugung des Gerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO nicht an. Dagegen bezieht sich die Beweiskraft nicht auf den Zugang der Erklärung. Ist nach bürgerlichem Recht die Aushändigung der Urkunde Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der darin enthaltenen Erklärung, so bedarf die formelle Beweiskraft des § 416 ZPO der Ergänzung durch den Nachweis der Begebung der Urkunde. Für diesen gilt das Prinzip der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, § 126 BGB Rn. 33; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 416 Rn. 7, 10; MK-ZPO/Schreiber, 2. Aufl., § 416 RdNr. a). Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe dem Werksleiter K1xxxxxxxxx am 23.05.2003 kurz vor Arbeitsende das Kündigungsschreiben kommentarlos übergeben, als sie dem Zeugen ihre Durchschnittszettel zur Unterschrift vorgelegt habe. Dieser Sachvortrag der Beklagten ist durch die abweichende Darstellung der Klägerin bestritten worden. Da die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 130 Abs. 1 BGB davon abhängig ist, ob sie dem Kündigungsgegner zugeht, ist nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte für die für sie günstige Tatsache darlegungs- und beweispflichtig. Den nach der Maßgabe des § 286 Abs. 1 ZPO zu erbringenden Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Zwar befindet sich die Beklagte im Besitz des Kündigungsschreibens, was eine tatsächliche Vermutung für die nach § 130 Abs. 1 BGB erforderliche Aushändigung der Urkunde begründet. Auch dieser Umstand ist jedoch nach § 286 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen. Hierbei ist für das Berufungsgericht zunächst von Bedeutung, dass nach der Aussage des Zeugen G2xxxxx die Klägerin sehr überrascht war, als er sie fragte, warum sie denn gekündigt habe und dies in Abrede gestellt hat. Maßgeblich ist jedoch, dass das Gericht sich auf der Grundlage der Aussage des Zeugen K1xxxxxxxxx nicht die Überzeugung davon bilden konnte, dass die Klägerin tatsächlich, wie von der Beklagten vorgetragen, dem Zeugen K1xxxxxxxxx am 23.05.2003 das Kündigungsschreiben übergeben hat. § 286 ZPO legt dem Gericht auf, von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache überzeugt zu sein. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr zu erachten ist oder nicht. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters verlangt keine unumstößliche Gewissheit und keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet (ständige Rechtsprechung vgl. beispielsweise BGH, vom 28.01.2003 - VI ZR 139/02 - MDR 2003, 566 m.w.N.; siehe auch BAG, vom 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 - RZK I 6 e Nr. 20; v. 19.02.1997 - 5 AZR 747/93 - NZA 1997, 705). Eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit braucht nicht gewonnen zu werden. Zu berücksichtigen ist der gesamte Streitstoff. Allerdings hat der Zeuge K1xxxxxxxxx sowohl in seinen Vernehmungen vor dem Arbeitsgericht als auch in seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass die Klägerin ihm am 23.05.2003 ein unterschriebenes Exemplar der Eigenkündigung überreicht habe. An der Aussage des Zeugen K1xxxxxxxxx fällt jedoch auf, dass er sich bis auf die Tatsache, dass ihm das Kündigungsschreiben von der Klägerin am 23.05.2003 übergeben wurde, als diese den Durchschnittsschein von ihm hat abzeichnen lassen, an keinerlei konkrete Umstände erinnert. So konnte der Zeuge nicht sagen, ob der andere, für das Abzeichnen der Durchschnittsscheine zuständige Mitarbeiter, Herr L2xx, anwesend war. Er wusste auch nicht, ob sonst noch jemand im Raum war. Dieses mangelnde Detailwissen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10.02.2005 wäre zwar aufgrund der verstrichenen Zeit in gewissem Umfang nachvollziehbar. Es fällt jedoch des weiteren auf, dass der Zeuge bereits in seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht am 13.11.2003 keine konkreten Angaben gemacht hat, obwohl diese Vernehmung zeitnah nach den in Frage stehenden Ereignissen stattfand. In dieser Vernehmung gab der Zeuge an, sich nicht daran erinnern zu können, wo ihm das Kündigungsschreiben übergeben worden ist und nahm nur an, dass es im Arbeitsvorbereitungsraum gewesen sei, wo er sich zu diesem Zeitpunkt freitags immer aufhalte. Demgegenüber hat er in seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass die Klägerin ihm im Büro der Arbeitsvorbereitung das Kündigungsschreiben kommentarlos übergeben hat. Damit hat sich der Zeuge jedoch in Widerspruch zu seiner früheren Aussage gesetzt, der zur Folge ihm die Erinnerung an den konkreten Ort der Übergabe des Kündigungsschreibens fehlt. Widersprüche in der eigenen Aussage sind geeignet, die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu beeinträchtigen (vgl. Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess, Rn. 330, 334). Bei einer Würdigung dieses Umstandes ist dem Zeugen zwar durchaus zu Gute zu halten, dass bei seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht ein langer Zeitraum verstrichen war. Insoweit wäre es nachvollziehbar gewesen, wenn die Erinnerung des Zeugen gegenüber seiner ersten Vernehmung verblasst wäre. Hier ist jedoch das Gegenteil der Fall: In seiner ersten Vernehmung hat der Zeuge angegeben, sich nicht an den konkreten Ort der Übergabe genau erinnern zu können, in seiner wesentlich späteren zweiten Vernehmung einen solchen konkreten Ort jedoch benannt. Dies ist wenig überzeugend. Vergleichbare Widersprüche des Zeugen liegen auch hinsichtlich der Angaben dazu vor, was er mit dem ihm übergebenen Kündigungsschreiben gemacht hat. In seiner Vernehmung am 13.11.2003 hat der Zeuge erklärt, dass er nicht mehr wisse, was er mit der erhaltenen Kündigung gemacht habe, ob er sie an Herrn G2xxxxx geschickt habe oder an Herrn V2xxx in G1xxxxxxx und diese Aussage noch einmal bekräftigt. Demgegenüber hat er vor dem Berufungsgericht ausgesagt, dass er die Kündigung noch am selben Tag an Herrn G2xxxxx übergeben habe. Auch für diese Widersprüche gelten die obigen Ausführungen: Überzeugend könnte es sein, wenn der Zeuge sich bei seiner Vernehmung am 10.02.2005 nicht mehr genau erinnert und bei seiner Vernehmung am 13.11.2003 konkrete Angaben gemacht hätte. Nicht überzeugend ist jedoch der umgekehrte Fall. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist nicht nur durch dieses Aussageverhalten beeinträchtigt, sondern auch durch die weitere Aussage vor dem Berufungsgericht, dass er nämlich in der Folgezeit nichts mehr mit der Kündigung zu tun gehabt habe, auch nicht mit der Kündigungsbestätigung. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Der Zeuge selbst hat die Kündigungsbestätigung unterzeichnet. Auch insoweit gilt, dass nach der verstrichenen Zeit es durchaus glaubwürdig gewesen wäre, wenn die Erinnerung des Zeugen eingeschränkt gewesen wäre. Dies hat er jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, vielmehr ohne Vorbehalte bekundet, dass er mit der Kündigungsbestätigung nichts zu tun gehabt habe. Nachdem ihm die von ihm unterzeichnete Kündigungsbestätigung vorgehalten worden ist, hat er hierzu lediglich erklärt, dass er sich dann bei der Beantwortung der Frage des Gerichts leider geirrt habe. Auch dieses Aussageverhalten schränkt die Überzeugungskraft seiner Aussage erheblich ein. Es ist nicht zu erkennen, dass der Zeuge sich um eine erinnerungsgemäße Aussage bemüht hat. Wird des Weiteren berücksichtigt, dass die Angaben des Zeugen zur Übergabe des Kündigungsschreibens durch die Klägerin insgesamt abstrakt und farblos sind, so bestehen Zweifel daran, ob der Zeuge tatsächlich Erlebtes geschildert hat. Insbesondere die widersprüchlichen Angaben des Zeugen zu den Räumlichkeiten, in denen die Übergabe des Kündigungsschreibens stattgefunden haben soll, wecken so erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Bekundungen, dass sie einer vollen Überzeugungsbildung entgegenstehen. Auch wenn man sich nach längerer Zeit nicht mehr an jede konkrete Einzelheit eines Geschehensablaufs erinnern kann, so ist jedoch zu erwarten, dass der Rahmen, in dem ein Geschehen stattgefunden hat, wiedergegeben werden kann. Hierzu gehört maßgeblich der Ort des Geschehens. Gerade hierzu fehlt es an überzeugenden Angaben des Zeugen. Ist der Beklagten nach alledem der Beweis für die Übergabe des Kündigungsschreibens durch die Klägerin nicht gelungen, so vermochte die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Es besteht kein Anlass dafür, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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