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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1543/06
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, ArbGG, ZPO, BPersVG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 2
BGB § 140
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
BGB § 314 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BPersVG § 79 Abs. 1
BPersVG § 79 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 04.07.2006 - 2 Ca 762/06 - wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger zu 37 %, die Beklagte zu 63 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.

Der am 01.02.13xx geborene, geschiedene Kläger steht seit dem 16.09.1987 in den Diensten der Beklagten. Wegen seines Werdeganges im Einzelnen wird auf das Schreiben der Beklagten an den Personalrat vom 09.03.2006 (Bl. 18 d.A.) Bezug genommen.

Er war zuletzt Zuarbeiter im Zentralen Dienst der Geschäftsstelle G1xxxxxxxxxxx-M2xxx und bezog nach der Entgeltgruppe 6 ein monatliches Bruttogehalt von 2.220.88 €.

Am 06.12.2005 führte der Personaldezernent D2. S3xxxxx mit dem Kläger ein Kritikgespräch, in dem diesem u.a. nahegelegt wurde, psychologische Hilfe zur Behandlung von zwanghaften Verhaltensweisen bei seiner Aufgabenerledigung in Anspruch zu nehmen. Wegen der Einzelheiten des Gespräches wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.05.2006 vorgelegte Kopie (Bl. 23 bis 25 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.12.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung (Bl. 21 d.A.) mit der Begründung, er habe sich am 06.12.2005 einer Weisung seiner Vorgesetzten W4xxxxxxx widersetzt.

Am frühen Nachmittag des 23. oder 24.01.2006 führte der Kläger in den Räumen der Geschäftsstelle G1xxxxxxxxxxx-M2xxx ein Gespräch mit dem Immobilienmakler D2. M1xx, da er beabsichtigte, am 30.01.2006 eine Immobilie in einer Zwangsversteigerung zu erwerben. Der Kläger behauptet, das Gespräch habe 15 Minuten in Anspruch genommen. Die Beklagte trägt vor, es habe zwischen 30 bis 40 Minuten gedauert.

Am Nachmittag desselben Tages kritisierte die Vorgesetzte W4xxxxxxx das Verhalten des Klägers und forderte ihn auf, die für private Belange eingesetzte Arbeitszeit nachzuarbeiten. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach.

Auf Bitten der Leiterin der Geschäftsstelle G1xxxxxxxxxxx-M2xxx W4xxxxxxx fand am 06.03.2006 ein Gespräch u.a. mit dem Personaldezernenten D2. S3xxxxx statt. Die Vorgesetzte schilderte dem Personaldezernenten und der Personalsachbearbeiterin G2xxxxxx verschiedene Vorfälle zur Kennzeichnung der klägerischen Arbeitsleistung sowie seiner nach wie vor bestehenden Zwangshaltung und informierte sie über das private Gespräch des Klägers mit dem Immobilienmakler im Januar 2006. Sie fertigte am 06.03.2006 Aktenvermerke, wegen deren Einzelheiten auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.05.2006 vorgelegten Kopien (Bl. 26 bis 29 d.A.) Bezug genommen wird. Die Beklagte holte weiterhin Stellungnahmen der Mitarbeiterinnen L1xxxx, R1xxxxx und R2xxxxxx ein (Bl. 29 bis 31 d.A.).

D2. S3xxxxx veranlasste nach diesem Gespräch die Überprüfung der Telefonlisten des Klägers vom 06.10.2005 bis zum 06.03.2006. Nach einer Auflistung der Beklagten (Bl. 33, 34 d.A.) führte dieser in der Zeit 23 Privattelefonate über einen Gesamtzeitraum von einer Stunde, sechs Minuten und 46 Sekunden, die Gebühren in Höhe von 7,14 € auslösten. Bei der Beklagten besteht eine allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationsanlagen für die Bundesverwaltung (Bl. 93, 94 d.A.). Danach dürfen dienstliche Telekommunikationsanlagen für private Telefonate, Telegramme und Telefaxe nur in dringenden Fällen benutzt werden. Die jeweiligen Leistungsentgelte der Telekom sind zu erstatten. Privatgespräche sind durch die Eingabe der Ziffer 8 vor der Wahl der Zielrufnummer zu kennzeichnen. Der Kläger hatte in den aufgelisteten Fällen diese Kennzeichnung unterlassen.

Am 08.03.2006 führte D2. S3xxxxx ein Gespräch mit dem Kläger, über das ein Gesprächsprotokoll (Bl. 35, 36 d.A.) erstellt wurde.

In einem weiteren Gespräch am selben Tag wurden ihm die nicht gekennzeichneten Privattelefonate entsprechend der Auflistung vorgehalten.

Die Beklagte suspendierte ihn mit sofortige Wirkung vom Dienst.

Mit Schreiben vom 09.03.2006 (Bl. 18 bis 20 d.A.) informierte sie den Personalrat von ihrer Absicht, das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos kündigen zu wollen.

Auf das ihm am 10.03.2006 zugegangene Schreiben nahm der Personalrat am 14.03.2006 schriftlich Stellung (Bl. 38 d.A.) und äußerte Bedenken.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 4 d.A.) fristlos mit der Begründung, der Kläger habe durch Führen von Privatgesprächen ohne entsprechende Kennzeichnung gravierend gegen seine dienstlichen Pflichten verstoßen.

Gegen die ihm am 14.03.2006 zugegangene Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 27.03.2006 bei dem Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Klage.

Er hat behauptet:

Die ihm unter dem 16.12.2005 erteilte Abmahnung sei unwirksam. Er habe sich am 06.12.2005 nicht einer Anweisung seiner Vorgesetzten widersetzt. Wegen seines diesbezüglichen Vorbringens wird auf seinen Schriftsatz vom 20.06.2006 (Bl. 39 bis 40 d.A.) verwiesen.

Die am 23.01. oder 24.01.2006 für ein Privatgespräch in der Dienststelle aufgewendete Zeit habe er entsprechend einer Anweisung seiner Vorgesetzten W4xxxxxxx nachgearbeitet. Er habe davon ausgehen dürfen, dass die Angelegenheit damit erledigt gewesen sei.

Das in der Auflistung enthaltene Telefonat vom 02.11.2005 mit der P1xxxxxx B3xx sei dienstlicher Natur gewesen. Die Gespräche mit der Psychologin am 14.12.2005 und 19.12.2005 habe er ebenfalls dienstlich veranlasst geführt. Im Übrigen müsse er ein Fehlverhalten zugestehen. Bei 10 Gesprächen habe er versehentlich und aus Vereinfachung die Rückrufwahltaste betätigt, so dass die Eingabe der Ziffer 8 zur Kenntlichmachung als Privatgespräch unterblieben sei.

Die bis einschließlich 18.01.2006 geführten Privattelefonate seien der Geschäftsstellenleiterin W4xxxxxxx bekannt gewesen. Insoweit sei das Kündigungsrecht der Beklagten verfristet.

Mit Ausspruch der Kündigung verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, da sie bei anderen Mitarbeitern Arbeitszeitverluste durch das Lesen einer Zeitung, durch Rauchen oder Empfang von Privatbesuch während der Dienstzeit nicht sanktioniere. In einem Fall sei nach Feststellung privater, nicht ordnungsgemäß gekennzeichneter Telefonate lediglich die Nachzahlung der Telefongebühren und das Nacharbeiten der ausgefallenen Arbeitszeit angeordnet worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben vom 14.03.2006 ausgesprochene fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

2. a) die Beklagte zu verurteilen, an ihn am 31.03.2006 sowie an jedem letzten Tag der Folgemonate , der vor Beendigung der Rechtshängigkeit des vorstehenden Klageantrags zu 1) liegt, jeweils 2.220,88 € brutto zu zahlen, und zwar zuzüglich Jahreszinsen aus den vorgenannten Bruttobeträgen seit den vorgenannten Fälligkeitsdaten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz,

b) die Beklagte zu verurteilen, ihn gemäß seinem Anstellungsvertrag tatsächlich als Verwaltungsangestellten in der Geschäftsstelle G1xxxxxxxxxxx-M2xxx der Beklagten gegen ein Entgelt in Höhe von 2.220,88 € brutto tatsächlich zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet:

Der Kläger habe durch sein Verhalten das erforderliche Vertrauen nachhaltig erschüttert. Jeder Mitarbeiter sei für die Kennzeichnung und Abrechnung von privaten Telefongesprächen persönlich verantwortlich. Sie könne die Telefonlisten bei mehr als 15.000 Beschäftigten nicht routinemäßig überprüfen und müsse sich daher auf ein absolut korrektes Verhalten ihrer Mitarbeiter verlassen können.

Die Abmahnung vom 26.12.2005 zeige im Übrigen, dass der Kläger sich über dienstliche Regelungen und Anweisungen seiner Vorgesetzten hinwegsetze.

Eine konsequente Sanktion sei auch im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin erforderlich.

Mit Urteil vom 04.07.2006 hat das Arbeitsgericht Bochum festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben vom 14.03.2006 ausgesprochene fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Es hat die Beklagte verurteilt, den Kläger gemäß seinem Anstellungsvertrag tatsächlich als Verwaltungsangestellten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu beschäftigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Es hat ausgeführt:

Der Kläger habe die Klagefrist nach § 4 KSchG gewahrt.

Die Kündigung sei nicht gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

Der Ausfall der Arbeitszeit sei nicht kündigungsrelevant, da der Kläger nach seinen Angaben insgesamt 57,89 Minuten, d.h. wöchentlich rund drei bis fünf Minuten, telefoniert habe.

Unstreitig habe er allerdings in diesem Zeitraum einen Gebührenbetrag von 6,46 € zu Lasten der Beklagten verbraucht. Dieser Umstand sei durchaus geeignet, dass der Arbeitgeber angemessene Sanktionen ergreifen könne. Allerdings relativiere sich der Betrag hinsichtlich seiner Bedeutung, wenn man ihn auf fünf Monate umlege. Dann ergebe sich pro Monat ein Betrag von 1,30 €.

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.07.2005) sei die Pflichtverletzung nicht geeignet, ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Die Interessenabwägung müsse zu Gunsten des Klägers erfolgen. Es sei maßgeblich abzustellen auf die bisherige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, seine Position und seine Arbeitsaufgaben sowie auf die Schwere der Pflichtverletzung.

Da die Kündigung rechtsunwirksam sei, sei die Beklagte zur Beschäftigung des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag verpflichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 48 bis 57 d.A. verwiesen.

Gegen das ihr am 30.08.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.09.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.11.2006 am 07.11.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Sie rügt die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils, die das Unterliegen des Klägers nicht berücksichtigte.

Sie ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil würdige nicht, dass der Kläger sich nachhaltig über einen längeren Zeitraum strafrechtlich relevant verhalten habe.

Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da der Vertrauensbereich gestört sei. Nach einer Abmahnung sei eine Besserung nicht mit solcher Sicherheit zu erwarten, dass die nötige Vertrauensbasis wiederhergestellt werden könne.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu Lasten des Klägers die Abmahnung vom 16.12.2005 zu berücksichtigen, deren Wirksamkeit er erstmals im Prozess in Frage gestellt habe.

Sie behauptet:

Fälle, in denen privat geführte, nicht gekennzeichnete Telefonate zu keiner arbeitsrechtlichen Sanktion geführt hätten, seien ihr nicht bekannt. Ihre Personalabteilung sei ausschließlich zuständig für die Erteilung von Abmahnungen und für den Ausspruch von Kündigungen. Die Dienststellenleitungen regelten niederschwellige Konflikte und träfen innerhalb der Geschäftsstelle die erforderlichen Regelungen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, ist jedoch der Auffassung, die Geringfügigkeit der Telefonate nach Zeitdauer und Kosten schlössen schon die Annahme eines an sich geeigneten Kündigungsgrundes aus.

Er behauptet:

Die Beklagte verfüge über ausreichende Kontrollgrundlagen. Sie könne aufgrund der automatischen, EDV-gesteuerten Telefonanlage alle Gespräche überprüfen.

Er habe auch keine unnötigen privaten Gespräche geführt. Die meisten Telefonate seien aus gesundheitlichen Gründen (Arzt/Psychologe) oder im Hinblick auf seine Absicht, eine Eigentumswohnung in G1xxxxxxxxxxx zu ersteigern, geführt worden.

Er habe auch nicht davon ausgehen müssen, dass sein Verstoß eine Kündigung nach sich ziehen würde. Seine ehemalige Frau A1xxxxx Z2xxxxxxxx sei Abschnittsleiterin im Bereich der Minijobzentrale in G1xxxxxxxxxxx-H3xxx. Sie habe ihm berichtet, dass eine Mitarbeiterin in einem nicht näher anzugebenden Zeitraum durchgehend privat telefoniert habe, und zwar ohne Nutzung der Kennziffer. Diese Mitarbeiterin habe die Auffassung vertreten, sie dürfte auf Kosten der Beklagten privat telefonieren, da sie von der R4x übernommen worden sei und dort stets kostenlos privat telefoniert habe. Seine Ehefrau habe den Büroleiter eingeschaltet. Sie wisse zwar nicht, welche Regelung im Einzelnen getroffen worden sei, jedoch sei die Mitarbeiterin nicht entlassen worden.

Im Übrigen habe die Beklagte den Mitarbeitern seiner Dienststelle in G1xxxxxxxxxxx die Möglichkeit gegeben, nicht angemeldete Privattelefonate nachträglich zu deklarieren und die Gebühren nachzuzahlen. Abmahnungen seien nicht erteilt worden. Schon gar nicht habe es Kündigungen gegeben.

Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihn unstreitig seit dem 25.07.2006 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftige, ihr also die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Bochum der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben.

1. Der zulässige Kündigungsschutzantrag ist begründet.

a) Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht mit dem Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 14.03.2006 sein Ende gefunden.

aa) Der Kläger hat die gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende dreiwöchige Klagefrist nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG gewahrt. Die Kündigung ist ihm am 14.03.2006 zugegangen, die Klage ist bereits vor Ablauf von zwei Wochen am 27.03.2006 bei dem erstinstanzlichen Gericht eingegangen.

bb) Die Beklagte hat hinsichtlich des Vorwurfes, der Kläger habe private Telefonate über den Dienstanschluss ohne Verwendung der zugeteilten Kennziffer geführt, die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Kündigung kann danach nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Voraussetzung ist, dass dieser eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis von dem Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist (vgl. KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 319, 331).

Maßgeblich ist hier die Kenntnis des Personalreferenten D2. S3xxxxx der ausschließlich zum Ausspruch von Kündigungen berechtigten zentralen Personalabteilung der Beklagten. Dieser hat erstmals am 06.03.2006 aus einem Gespräch mit der dem Kläger übergeordneten Geschäftsstellenleiterin W4xxxxxxx erste Anhaltspunkte für die Verrichtung privater Angelegenheiten im Dienst gewonnen. Ausgehend von dieser frühestens Kenntnis endete die gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende Kündigungserklärungsfrist am 20.03.2006.

Das im Januar 2006 von dem Kläger geführte Privatgespräch mit dem Immobilienmakler in der Geschäftsstelle ist ausweislich des Kündigungsschreibens vom 14.03.2006 nicht Gegenstand des Kündigungsvorwurfes. Der Vorfall ist auch verfristet. Zwar hat der zur Kündigung berechtigte D2. S3xxxxx erst am 06.03.2006 von dem Privatgespräch Kenntnis erlangt. Er muss sich aber die Kenntnis der Geschäftsstellenleiterin W4xxxxxxx zurechnen lassen. Die Kenntnis von Vorgesetzten, die keine Kündigungsbefugnis haben, ist dann erheblich, wenn sie eine ähnlich selbständige Stellung wie ein rechtsgeschäftlicher Stellvertreter haben und nicht nur zur Meldung, sondern auch zur Feststellung eines kündigungsrelevanten Sachverhaltes befugt und verpflichtet sind (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 355). Treu und Glauben erfordern die Zurechnung der Kenntnis eines in seiner Funktion dem Arbeitgeber angenäherten Vorgesetzten, wenn dessen Position erwarten lässt, er werde dem Kündigungsberechtigten den Kündigungssachverhalt mitteilen, und dem Kündigungsberechtigten die Verzögerung der Mitteilung als Organisationsrisiko zuzurechnen ist (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 - RzK I 6 g Nr. 13; Urteil vom 07.09.1983 - 7 AZR 196/82 - NZA 1984, 228). Nach eigenem Vorbringen der Beklagten hat die Geschäftsstellenleiterin Personalbefugnisse insoweit, als sie Anordnungen und Entscheidungen bei niederschwelligen Konflikten treffen darf. Ihrer ersten Beurteilung obliegt es, einen Sachverhalt als abmahnungs- oder gar kündigungsrelevant einzustufen, und ihn dann der Personalabteilung zur Kenntnis zu bringen. Die Beklagte muss sich nach dieser Zuständigkeitsverteilung die Entscheidung der Geschäftsstellenleiterin zurechnen lassen, die dem Kläger die Nacharbeit der "verlorenen" Arbeitszeit aufgegeben und damit den Vorfall als ausreichend geahndet angesehen hat.

cc) Die Kündigung ist jedoch nicht durch Tatsachen gerechtfertigt, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB.

Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Kündigungsgrund zu bilden. Im weiteren Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 125 Rdnr. 43).

Die Beklagte trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände des wichtigen Grundes. Sie ist nicht zwischen dem Kündigenden und dem Gekündigten derart aufzuteilen, dass der Kündigende die objektiven Merkmale für den Kündigungsgrund und die bei der Interessenabwägung für den Gekündigten ungünstigen Umstände und der Gekündigte seinerseits Rechtfertigungsgründe und für ihn entlastende Umstände vorzutragen und zu beweisen hat (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1983 - 2 AZR 327/83 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/85 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 380). Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Kündigenden richtet sich danach, wie substantiiert sich der Gekündigte auf die Kündigungsgründe einlässt.

(1) Der Kläger hat in der Zeit vom 06.10.2005 bis zum 06.03.2006 seine vertraglichen Nebenpflichten dadurch verletzt, dass er entgegen der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationsanlagen für die Bundesverwaltung seine Privatgespräche nicht durch die Ziffer 8 als solche gekennzeichnet hat mit der Folge, dass die Beklagte keine Gebühren erheben konnte. Ihr ist ein Vermögensschaden von maximal 7,14 € entstanden.

Zum anderen hat der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit seiner Hauptleistungspflicht durch den privaten Einsatz seine Arbeitszeit verletzt, und zwar höchstens im Umfang von einer Stunde sechs Minuten und 46 Sekunden.

Nach der Verwaltungsvorschrift ist es gestattet, die Hauptpflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zu verletzen, wenn es um dringende Telefonate geht. Ob der Kläger seine Telefongespräche auf dringende Fälle beschränkt hat, kann angesichts der angewählten Teilnehmer bezweifelt werden. Ärztliche Termine können regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit vereinbart werden. Gleiches gilt für die Kontaktaufnahme zu einer Psychologin. Trotz der vom Kläger dargestellten Probleme bei dem Erwerb einer Immobilie dürften die Telefonate mit dem Makler und einem Rechtsanwalt jedenfalls nicht so dringlich gewesen sein, dass sie noch während der Arbeitszeit hätten geführt werden müssen.

Durch die Pflichtverletzung hat der Kläger in erheblicher Weise das von der Beklagten in ihn gesetzte Vertrauen verletzt. Ob er sich darüber hinaus strafbar gemacht hat, kann dahinstehen. Es kommt entscheidend auf die Schwere der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung an (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - NZA 2000, 27 m.w.N.).

Denn die Beklagte hat ihren Arbeitnehmern durch die Erlaubnis privater Telefonate eine Vergünstigung eingeräumt verbunden mit der Verpflichtung, für einen Nachweis der privat geführten Gespräche zu sorgen. Der Kläger hat in der überwiegenden Anzahl der Fälle vorsätzlich die Eingabe der Kennziffer mit dem Willen unterlassen, keine Gebühren zu entrichten. Dass er in 10 Fällen routinemäßig die Rückruftaste benutzt und so die private Verbindung hergestellt hat, ist ihm nicht zu widerlegen.

Überträgt ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Verpflichtung zum eigenständigen Nachweis seiner Telefonate und macht dieser wissentlich und vorsätzlich falsche Angaben, so stellt dies einen Vertrauensmissbrauch dar, der insbesondere dann, wenn damit ein persönlicher Vorteil angestrebt wird, zur außerordentlichen Kündigung berechtigen kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.08.1987 - 2 AZR 629/86 - RzK I 5 i Nr. 31; Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - a.a.O. zur Selbstaufzeichnung im Rahmen der Gleitzeit; Urteil vom 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 - NZA 2000, 484 zum Missbrauch einer Stempeluhr).

(2) Die Beklagte hat mit Ausspruch der Kündigung § 314 Abs. 2 BGB verletzt. Nach dieser Vorschrift ist eine fruchtlose Abmahnung grundsätzlich Voraussetzung des Rechtes zur außerordentlichen Kündigung (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 255). Das gilt auch, wenn die Pflichtverletzung - wie hier - nicht nur den Leistungs-, sondern auch den Vertrauensbereich berührt (vgl. BAG, Urteil vom 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 168).

Die Abmahnung hat die Funktion, den Arbeitnehmer anzuhalten, sich künftig vertragsgerecht zu verhalten, und ihm die Konsequenzen für Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses bei weiteren Pflichtwidrigkeiten anzudrohen (vgl. MünchK/Schwerdtner, BGB, 3. Aufl., Anhang § 622 BGB Rdnr. 113; KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 262). Voraussetzung ist stets ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers und die Prognose eines zukünftig vertragskonformen Verhaltens (vgl. BAG, Urteil vom 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - a.a.O.).

Die Abmahnung vom 16.12.2005 entbindet die Beklagte nicht von dem Ausspruch einer weiteren Abmahnung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie dem Kläger zu Recht erteilt wurde. Eine unberechtigte Abmahnung kann zwar nach Auffassung der Kammer die Warnfunktion erfüllen (so auch LAG Köln, Urteil vom 05.02.1999 - 11 Sa 565/98 - RzK I 1 Nr. 11; KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 275; a.A. BAG, Urteil vom 05.08.1992 - 5 AZR 531/91 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 25). Sie muss aber einen Pflichtenverstoß auf derselben Ebene betreffen. Es muss im weiteren Sinne eine Gleichartigkeit, eine Ähnlichkeit im Sachverhalt vorliegen (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 281).

Dem Kläger wird mit der Abmahnung kein Vertrauensmissbrauch vorgeworfen. Er hat sich nach Auffassung der Beklagten am 06.12.2005 schlicht einer Weisung widersetzt, ohne dass damit eine Verletzung des Vertrauensbereiches verbunden war.

Eine einschlägige Abmahnung ist nicht entbehrlich. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht, wenn eine negative Zukunftsprognose zu stellen ist, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte künftig nicht mit einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers zu rechnen ist (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 266). Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, sein Fehlverhalten nicht ändern zu wollen, wenn die Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig begangen wird.

Der Kläger hat zwar mehrfach privat telefoniert, ohne dies zu kennzeichnen, hat aber die Gespräche fast ausnahmslos sehr kurz gehalten, und sein Fehlverhalten in der Anhörung vom 08.06.2006 unumwunden eingestanden und sich einsichtig gezeigt.

Die Beklagte hat ein Vertrauen des Klägers, sie werde die Pflichtverletzung nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen, nicht durch entsprechenden Hinweis oder durch eine vorweggenommene Abmahnung zerstört (vgl. dazu KR-Fschermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 266).

Die allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationsanlagen für die Bundesverwaltung enthält keinen Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer, der seine Privatgespräche nicht ordnungsgemäß deklariert, den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Die Abmahnung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der mit einer Hinnahme durch den Arbeitgeber offenbar nicht gerechnet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 31.03.1993 - 2 AZR 492/92 - EzA § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 5; Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 148; Beschluss vom 10.02.1999 - 2 ABR 21/98 - EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 47).

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht die Evidenz einer Pflichtverletzung mit der Folge einer negativen Zukunftsprognose bei der Zueignung eines Warenwertes von 6,-- € bejaht (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 - NZA 2004, 486). Nach Auffassung der Kammer ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegen die betriebliche Telefonregelung nicht die gleiche kriminelle Energie voraussetzt wie ein Diebstahl (so auch LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.11.1999 - 8 TaBV 6/99 - NZA-RR 2000, 426). Hier geht es, anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.12.2006 ( - 2 AZR 478/01 - DB 2003, 1685) zugrunde liegenden Fall, nicht um umfangreiche Privattelefonate mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Vermögensinteressen des Arbeitgebers. Der Kläger hat durchschnittlich 22 Minuten monatlich mit einem durchschnittlichen Gebührenanfall von 2,38 € privat telefoniert.

Letztlich hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass die Beklagte auf die Behauptung des Klägers, im Bereich der Minijobzentrale G1xxxxxxxxxxx-H3xxx sei in einem vergleichbaren Fall jedenfalls keine Kündigung ausgesprochen worden, die Möglichkeit eingeräumt hat, dass Verstöße gegen die Telefonbestimmungen innerhalb der Geschäftsstellen ohne Eingriff in den Bestand des Arbeitsverhältnisses geregelt worden sind. Eine generelle Anweisung, bei Feststellung entsprechender Pflichtverletzungen die Personalabteilung zu unterrichten, damit diese die angemessene Reaktion prüfen und eine einheitliche Regelung sicherstellen kann, gibt es offenkundig nicht. Damit wird deutlich, dass die streitgegenständliche Pflichtverletzung nicht durchgehend als Kündigungsgrund angesehen wird.

Im Übrigen hat die Beklagte eingeräumt, dass die Telefonaufzeichnungen des Klägers erst dann überprüft worden sind, als sich die bereits am 06.12.2005 angesprochenen Probleme in seinem Leistungsbereich verdichteten und die Geschäftsstellenleiterin sich insbesondere über seine von Zwängen geprägte Arbeitsweise beklagte. Erst aus Anlass der Beschwerde über Leistungsdefizite hat sie über das Privatgespräch des Klägers in der Dienststelle im Januar 2006 berichtet, ein Vorfall, den sie bis dahin nicht einmal als abmahnungsrelevant eingestuft hatte. Gerade vor diesem Hintergrund war es für den Kläger nicht offenkundig, dass die Beklagte die Pflichtverletzung keinesfalls hinnehmen, sondern zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nehmen würde.

b) Die unwirksame außerordentliche Kündigung ist nicht gemäß § 140 BGB in eine wirksame ordentliche Kündigung umzudeuten.

Der Kläger hat sich zwar nicht auf die Anwendbarkeit tariflicher Vorschriften berufen, nach denen er nicht ordentlich kündbar ist.

Die Beklagte hat aber den Personalrat nur zu ihrer Absicht angehört, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen.

Will der Arbeitgeber die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung sicherstellen, muss er den Personalrat deutlich darauf hinweisen, dass die in Aussicht genommene außerordentliche Kündigung hilfsweise als ordentliche Kündigung gelten soll. Das gilt vorliegend schon deshalb, weil der Arbeitgeber den Personalrat gemäß § 79 Abs. 3 BPersVG zur außerordentlichen Kündigung nur anzuhören braucht, während die ordentliche Kündigung seiner Zustimmung bedarf, § 79 Abs. 1 BPersVG.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Personalrat der außerordentlichen Kündigung uneingeschränkt zugestimmt hat (vgl. BAG, Urteil vom 16.03.1978 - 2 AZR 424/76 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 32; Urteil vom 20.09.1984 - 2 AZR 633/82 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 91).

Hier hat der Personalrat mit Schreiben vom 14.03.2006 Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung erhoben.

Individualrechtlich scheiterte die ordentliche Kündigung auch an dem Abmahnungserfordernis. Die Pflicht zur vorherigen Abmahnung erfolgt bei einer ordentlichen Kündigung zwar nicht aus § 314 Abs. 2 BGB, jedoch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 257).

2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist ebenfalls beschränkt auf die Dauer bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag begründet. Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS/84, Der Betrieb 1985, 2197) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Hier hat die Beklagte keine besonderen schutzwerten Interessen gegen die Weiterbeschäftigung des Klägers geltend gemacht.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 ZPO.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 ZPO wie geschehen zu berichtigen. Das Arbeitsgericht Bochum hat zu Lasten der Beklagten übersehen, dass es die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrages des Klägers ausdrücklich abgewiesen hat. Die Kammer hat im Rahmen der Ermittlung der Kostenquote sein Interesse an dem Kündigungsschutzantrag mit einem Vierteljahreseinkommen, an dem Weiterbeschäftigungsantrag mit zwei Monatseinkommen und an dem auf zukünftige Leistung gerichteten Zahlungsantrag ebenfalls mit einem Vierteljahreseinkommen bewertet.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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