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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 17 Sa 2055/07
Rechtsgebiete: BGB, BG-AT, MTV-Ang-VBGK, TVÜ-Bund, ArbGG, ZPO, TVG


Vorschriften:

BGB § 362
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 613 a Abs. 1
BGB § 613 a Abs. 1
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2
BG-AT § 33
MTV-Ang-VBGK § 2 Nr. 1
MTV-Ang-VBGK § 3
MTV-Ang-VBGK § 3 Abs. 4
MTV-Ang-VBGK § 3 Ziff. 4
TVÜ-Bund § 20
ArbGG § 64 Abs. 2 a
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 263
ZPO § 264 Ziff. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 533
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 5
Die Parteien streiten nach einem Betriebsübergang um tarifliche Ansprüche. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Berufsgenossenschaftlichen Angestelltentarifvertrag (BG-AT) in Verbindung mit dem Tarifvertrag für die Angestellten der Vereinigung berufsgenossenschaftlicher Kliniken MTV (Ang-VBGK) und den diesen ... ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung. Die Betriebsveräußerin war tarifgebundenes Mitglied des den BG-AT abschließenden Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG). Die Betriebserwerberin ist nicht tarifgebunden.

Mit Wirkung zum 01.09.2006 schlossen der HVBG und die Gewerkschaft Ver.di einen vorläufigen Änderungstarifvertrag mit dem Ziel, die Regelungen des TVöD/TVÜ-Bund in die bislang geltende Fassung des BG-AT zu überführen. Der MTVAng-VBGK befand sich nach Kündigung zum 30.09.2005 in der Nachwirkung.

Der Kläger bestreitet die Geltung des vorläufigen Änderungstarifvertrages für sein Arbeitsverhältnis. Das Landesarbeitsgericht wies seine Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurück.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 19.10.2007 - 1 Ca 766/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

Dieser war seit dem 01.04.1990 bei der B8-B9 als Krankenpfleger in den B10 Krankenanstalten B4, einer Eigenträgerklinik, beschäftigt.

Mit Wirkung zum 01.01.2007 werden die B10 Kliniken B4 in der Rechtsform einer GmbH, nämlich durch die Beklagte geführt. Mit Schreiben vom 03.11.2006 teilte die B8-B9 dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis gehe zu diesem Zeitpunkt gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über. Wegen der Einzelheiten der Informationen wird auf das von dem Kläger mit der Klageschrift in Kopie vorgelegte Schreiben (Bl. 8 - 10 d. A.) Bezug genommen. Er widersprach nicht.

In dem zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag vom 20.08.2001 trafen der Kläger und die B8-B9 folgende Vereinbarung:

§ 3

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT) in Verbindung mit dem Tarifvertrag für die Angestellten der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken/ MTV Ang-VBGK) und den diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Die B8-B9 ist Mitglied des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. (HVBG), der auf Arbeitgeberseite vertragsschließende Partei des BG-AT ist.

Am 29.08.2006 schlossen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) und der HVBG einen vorläufigen Änderungstarifvertrag. Sie nahmen Bezug auf die Tarifverhandlungen des Bundes und der Kommunen zur Neugestaltung des Tarifrechtes für den öffentlichen Dienst und vereinbarten auf der Grundlage der für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifergebnisse vom 13.09.2005 die wirkungsgleiche Übernahme unter anderem der Regelungen des TVöD-Bund und des TVÜ-Bund zum 01.09.2006.

Nr. 1 des Tarifvertrages lautet wie folgt:

Inkrafttreten am 1. September 2006

Die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund treten für Beschäftigte der gewerblichen Berufsgenossenschaften am 1. September 2006 wirkungsgleich durch Übernahme in den BG-AT in Kraft. Zur Klarstellung wird festgestellt, dass die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund ab 01.09.2006 auch für Angestellte der Berufsgenossenschaften in "Eigenträgerkliniken" gelten; insoweit gilt die "Öffnungsklausel" in Kapitel III Nr. 18 BT-V.

Nach Nr. 14 des Tarifvertrags trafen die Vertragsparteien folgende Regelung:

Durch diesen vorläufigen Tarifvertrag werden die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund in die bislang geltende Fassung des BG-AT überführt und ersetzen die darin enthaltenen entsprechenden Regelungen. Die in Anlage 1 Teil A und B zu diesem Änderungstarifvertrag genannten Tarifverträge finden keine Anwendung mehr, die in Anlage 1 Teil C zu diesem Änderungstarifvertrag genannten Tarifverträge gelten fort, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die ausformulierte Fassung des Tarifvertrages zur Übernahme der Regelungen des TvöD-/TVÜ-Bund in den BG-AT ersetzt diesen vorläufigen Tarifvertrag insgesamt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tarifvertrages wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.05.2007 vorgelegte Kopie (Bl. 61 - 65 d. A.) Bezug genommen. Wegen der Anlage 1 wird auf die von der Beklagten im Kammertermin vom 03.04.2008 vorgelegten Kopien (Bl. 230 - 232 d. A.) verwiesen.

Der in § 3 des Arbeitsvertrags vom 20.08.2001 ebenfalls in Bezug genommene Tarifvertrag für die Angestellten der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (MTV Ang-VBGK) vom 17.12.1979 wurde geschlossen zwischen den in der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (VBGK) zusammengeschlossenen Institutionen unter anderem der B8-B9 einerseits und der ÖTV, der DAG, der GWS und dem Marburger Bund.

§ 2 Nr. 1 des Tarifvertrages lautet wie folgt:

Geltung des Tarifrechts für die Angestellten der gewerblichen Berufsgenossenschaften

Für die unter diesem Tarifvertrag fallenden Arbeitnehmer gilt das jeweils für die Angestellten der gewerblichen Berufsgenossenschaften geltende Tarifrecht, soweit nachstehend nichts Abweichendes vereinbart ist.

Gemäß § 3 Ziffer 4 des Tarifvertrages können unbeschadet des § 33 BG-AT Zulagen nach Maßgabe eines besonderen Zulagentarifvertrages gewährt werden.

Ebenfalls am 17.12.1979 schlossen die Parteien des MTV-Ang-VBGK einen Tarifvertrag über die Zahlung von Zulagen gemäß § 3 Ziffer 4 MTV-Ang-VBGK (Zulagentarifvertrag).

Nach diesem Tarifvertrag erhielt der Kläger bis März 2007 eine Leistungszulage Arge Reha von 40,65 €.

Mit Schreiben vom 24.06.2005 (Bl. 116, 117 d. A.) kündigte der V1 f3 B7 H1 H2 e.V. unter anderem namens und in Vollmacht für die B8-B9 B2 den MTV-Ang-VBGK und den Zulagentarifvertrag mit Wirkung zum 30.09.2005.

Die dem Kläger für Juli 2006 erteilte Entgeltabrechnung (Bl. 15 d. A.) enthält folgenden Hinweis:

Diese Abrechnung gilt vorbehaltlich einer späteren tariflichen Regelung. Bereits vor Inkrafttreten der Tarifverträge zur Übernahme der Regelungen des TVöD/TVÜ-Bund in den BG-AT wird für das Jahr 2006 geleistetes Urlaubsgeld auf die Jahressonderzahlung nach § 20 TVÜ-Bund angerechnet. (Hinweis: dieser Satz gilt nur für Mitarbeiter mit Anspruch auf Urlaubsgeld!).

Die Entgeltabrechnung für August 2006 (Bl. 17 d. A.) wurde vorbehaltlich einer späteren tariflichen Regelung erteilt.

Die Entgeltabrechnungen für September 2006 bis Februar 2007 (Bl. 19 - 30 d. A.) enthalten einen Hinweis wie folgt:

Die gesamten Zahlbeträge ab September 2006 werden als Abschlagszahlungen unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung anhand der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen und einer Verrechnung ggf. entstandener Überzahlungen bzw. Nachzahlungen bei eventuell erfolgten Unterzahlungen geleistet.

Ausweislich der Entgeltabrechnung für März 2007 gewährte die B8-B9 dem Kläger einen Vorschuss von 250,-- € und zog von seinem Lohn unter dem Titel "Nachverrechnung aus Vorm." 296,52 € ab. Unter anderem zahlte sie die Leistungszulage Arge Reha nicht mehr. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 44, 45 d.A.) Bezug genommen.

Ausweislich des von der Beklagten im Kammertermin vom 03.04.2008 vorgelegten Lohnüberblicks für die Monate August 2006 bis Februar 2007 (Bl. 228 d. A.) erfolgte nach Auffassung der Beklagten in dieser Zeit eine Überzahlung von 469,54 € brutto, resultierend aus Veränderungen u.a. bei den Zuschlägen für Nachtarbeit, Arbeit an Wochenenden und für Rufbereitschaften. Insbesondere forderte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.09.2006 die Leistungszulage Arge Reha von 40,65 € brutto zurück.

Mit Schreiben vom 09.03.2007 (Bl. 12, 13 d. A.) informierte die Beklagte den Kläger über die Auswirkungen der in dem vorläufigen Änderungstarifvertrag vereinbarten Übernahme der Vorschriften des TVöD-Bund und des TVÜ-Bund.

Mit Schreiben vom 13.03.2007 (Bl. 14 d. A.) wies sie ihn auf die errechnete Gehaltsüberzahlung hin und teilte mit, dieser Betrag werde zunächst in voller Höhe von seinem Märzentgelt abgezogen. Gleichzeitig werde ihm ein Vorschuss gewährt, der in monatlichen Zahlungsbeträgen von 50,-- € zurückzuzahlen sei.

Mit Schreiben vom 21.03.2007 (Bl. 46, 47 d. A.) wendete sich der Kläger gegen den Gehaltsabzug. Mit Schreiben vom 29.03.2007 (Bl. 48 d. A.) teilte die Beklagte unter anderem mit, sie sei nicht tarifgebunden.

Mit seiner am 30.03.2007 bei dem Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Klage hat der Kläger nach Rücknahme der zunächst angekündigten Feststellungs- und Leistungsanträge zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 296,52 € netto begehrt.

Er hat die Auffassung vertreten:

Zuständig für die Verhandlung der Tarifverträge sei die VBGK gewesen. Der HVBG sei nicht tarifzuständig gewesen. Deshalb habe der vorläufige Änderungstarifvertrag für seine vertragliche Situation keine Änderung herbeiführen können. Der nachwirkende MTV-Ang-VBGK sei nach wie vor Rechtsgrundlage für seine Vergütungsansprüche.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 296,52 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.04.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das klägerische Arbeitsverhältnis beurteile sich nunmehr nach dem vorläufigen Änderungstarifvertrag.

Mit Urteil vom 19.10.2007 hat das Arbeitsgericht Bochum die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Es hat ausgeführt:

Die Beklagte sei berechtigt gewesen, Überzahlungen aus den Monaten September 2006 bis Februar 2007 von dem klägerischen Gehalt für März 2007 in Höhe von 296,52 € netto abzuziehen.

Der Kläger habe keine Anhaltspunkte für die Unanwendbarkeit des vorläufigen Änderungstarifvertrages vorgetragen. Der HVBG sei ein tariffähiger Verband, der für seine Mitglieder, so auch für die B8-B9, Tarifverträge abschließen könne.

Dahinstehen könne, ob die VBGK tariffähig sei. Sie habe jedenfalls keinen den MTV-Ang-VBGK ablösenden Tarifvertrag abgeschlossen. Der vorläufige Änderungstarifvertrag habe dagegen die Nachwirkung des MTV-Ang-VBGK mit dem 31.08.2006 beendet.

§ 3 des Arbeitsvertrages vom 20.08.2001 stelle eine Gleichstellungsabrede dar. Wenn nun aufgrund des vorläufigen Änderungstarifvertrages vom 29.08.2006 die tarifgebundenen Mitarbeiter der B8-B9 ab dem 01.09.2006 unter die neuen mit Ver.di vereinbarten Tarifregelungen fielen, so würde es der Gleichstellungsabrede widersprechen, den nicht tarifgebundenen Kläger besser zu stellen, indem auf ihn noch ein bereits abgelaufener Tarifvertrag, nämlich der MTV-Ang-VBGK, angewendet würde. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 81 - 87 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 08.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.11.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 20.12.2007 eingehend begründet.

Er verfolgt seinen erstinstanzlich geltend gemachten Zahlungsanspruch weiter und begehrt zusätzlich die Zahlung von 40,65 € brutto für die Monate März 2007 bis Februar 2008.

Er rügt, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht die Tarifzuständigkeit des HVBG für die B8-B9 angenommen. Er trägt vor:

Bis zum Jahre 2004 habe der HVBG ausschließlich in Vertretung und in Vollmacht für die einzelnen Verbände verhandelt. Änderungen bzw. neue Tarifverträge hätten die Verbände verhandelt. Die Verfahrensweise habe in 2004 geendet. Ab diesem Zeitpunkt habe die VBGK sämtliche Verhandlungen selbst geführt. Der HVBG sei mithin zum Abschluss des vorläufigen Änderungstarifvertrages mit Wirkung gegen die B8-B9 nicht befugt gewesen.

Entsprechendes habe die Beklagte jedenfalls nicht vorgetragen.

Der vorläufige Änderungstarifvertrag beinhalte auch keine Regelung zur ausdrücklichen Ablösung des MTV-Ang-VBGK.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum (1 Ca 766/07) vom 19.10.2007, zugestellt am 08.11.2007, abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 296,52 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisdiskontsatz ab dem 01.04.2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 487,80 € brutto (Zulagen von 40,65 € brutto für die Monate März 2007 bis Februar 2008) zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klageerweiterung zugestimmt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, auch der nachwirkende Zulagentarifvertrag sei durch den vorläufigen Änderungstarifvertrag mit Wirkung zum 01.09.2006 abgelöst worden.

Entgegen der klägerischen Auffassung sei die VBGK nicht allein zum Abschluss von Tarifverträgen mit Wirkung für die B8-B9 berechtigt gewesen. Mit dem Abschluss des vorläufigen Änderungstarifvertrages sei selbstverständlich auch der zum BG-AT gehörende Zulagentarifvertrag abgelöst worden, unabhängig davon, wer in der Vergangenheit im Einzelnen wann welche Teile des gesamten BG-AT nebst zugehöriger Zulagentarifverträge auf Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite geschlossen habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 64 Abs. 2 a, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die zulässige Leistungsklage abgewiesen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 296,52 € netto für März 2007 aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 des Arbeitsvertrags vom 20.08.2007 und den für die B8-B9 geltenden Tarifverträgen. Die Beklagte hat den Entgeltanspruch gemäß § 362 BGB erfüllt.

a) Seit September 2006 erfolgten die Gehaltszahlungen ausweislich der Vermerke auf den dem Kläger für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 erteilten Entgeltabrechnungen als Abschlagszahlungen unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung anhand der maßgeblichen tariflichen Regelungen und unter dem Vorbehalt einer Verrechnung eventuell entstandener Überzahlungen. Abschläge sind Geldzahlungen auf den bereits verdienten, aber noch nicht (abschließend) abgerechneten Lohn (vgl. BAG, 11.02.1987 - 4 AZR 144/86, NZA 1987, 485). Sie können bei der endgültigen Entgeltabrechnung - hier im März 2007 - in Abzug gebracht werden, ohne dass es einer Aufrechnung unter Berücksichtigung von Pfändungsgrenzen bedarf (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Aufl., § 70 Rdnr. 11).

b) Die Beklagte hat zu Recht überzahlte Nacht-, Samstags-, Sonntags-, Urlaubszuschläge, Entgelte im Rahmen von Rufbereitschaften, Schichtzulagen und insbesondere die Leistungszulage Arge Reha von 40,65 € für die Monate September 2006 bis Februar 2007 in der endgültigen Abrechnung im März 2007 in Abzug gebracht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass diese Vergütungsbestandteile bis zum 31.08.2006 auf der Basis des BG-AT, des MTV-Ang-VBGK und des Tarifvertrags über die Zahlung von Zulagen gemäß § 3 Ziffer 4 MTV-Ang-VBGK vom 17.12.1979 gerechtfertigt waren. Streit besteht über die Frage, ob der vorläufige Änderungsvertrag zur Änderung des bestehenden BG-AT mit wirkungsgleicher Übernahme der im Bereich des Bundes seit dem 01.10.2005 geltenden Tarifverträge die bis zum 31.08.2006 bestehenden Tarifbestimmungen abgelöst hat. Dass im Falle einer Ablösung Ansprüche auf die genannten Zuschläge nicht mehr bestehen, stellt auch der Kläger nicht in Abrede.

aa) Bis zum 01.09.2006 galt für seine Arbeitsbedingungen Folgendes:

Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages vom 20.08.2001 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweils für die B8-B9 geltenden Tarifverträge. Für die Auslegung dieser arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 vereinbart wurde, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Auslegungsregel, wonach die dynamische Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer mit tarifgebundenen Beschäftigten bezweckt ist (vgl. BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - NZA 2006, 607; 18.04.2007 - 4 AZR 652/05, NJW 2008, 102).

Die Klausel führt zur vertraglichen Anwendung der Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt, wie er für tarifgebundene Arbeitnehmer gilt. Die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflichen Arbeitsbedingungen endet, wenn die Bindung auch für den Arbeitgeber endet.

An den BG-AT war die Rechtsvorgängerin der Beklagten gemäß § 3 Abs. 1 TVG als Mitglied des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. gebunden. Es handelt sich um einen Verbandstarifvertrag.

An den MTV-Ang-VBGK war sie gemäß § 3 Abs. 1 TVG als tarifabschließende Partei gebunden. Es handelt sich entgegen der klägerischen Auffassung nicht um einen Verbandstarifvertrag, sondern um einen sogenannten Haus- bzw. Firmentarifvertrag. Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei der Vereinigung der berufsgenossenschaftlichen Kliniken (VBGK) überhaupt um einen tariffähigen Verband handelt, da nicht ersichtlich ist, dass es ein vereinsrechtlich organisierter Zusammenschluss von Arbeitgebern ist (vgl. zur notwendigen korporativen Verfassung eines Zusammenschlusses von Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern Schaub a.a.O., § 187 Rdnr. 8; ErfK/Franzen, 8. Aufl., § 2 TVG Rdnr. 6). Es scheint sich vielmehr um einen Interessenzusammenschluss zu handeln. Jedenfalls war die VBGK ausweislich des MTV-Ang-VBGK und des Zulagentarifvertrages nicht Vertragspartei, sondern jede berufsgenossenschaftliche Klinik oder Unfallbehandlungsstelle selbst. Unter Nr. 1 der Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite ist die B8-B9 aufgeführt. Dem entspricht, dass dieser Tarifvertrag ebenso wie der Zulagentarifvertrag nicht von der VBGK, sondern von dem V1 f3 B7 H1 e.V., einer der Vertragspartnerinnen des MTV-Ang-VBGK im Namen und mit Vollmacht unter anderem der B8-B9 mit Schreiben vom 24.08.2005 zum 30.09.2005 gekündigt wurde.

Jedem Arbeitgeber ist es unbenommen, auch dann einen Firmentarifvertrag abzuschließen, wenn er Mitglied eines tariffähigen Arbeitgeberverbandes und damit an die Verbandstarifverträge gebunden ist (vgl. BAG, 04.04.2001 - 4 AZR 237/00, AP § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 26; Schaub, a.a.O., § 199 Rdnr. 3; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 171). Unerheblich ist, wenn der Arbeitgeber mit Abschluss des Firmentarifvertrages gegen seine gegenüber dem Arbeitgeberverband bestehenden satzungsgemäßen Pflichten verstößt (vgl. BAG, 04.04.2001, a.a.O.). Ist auf Arbeitnehmerseite wie hier dieselbe Gewerkschaft Vertragspartnerin, besteht eine Tarifkonkurrenz (vgl. Wiedemann/Wank, a.a.O., § 4 Rdnr. 264). In erster Linie ist der Tarifvertrag anwendbar, dessen Anwendung die Tarifvertragsparteien gewollt haben. Soweit das Zurücktreten eines Tarifvertrages vereinbart wurde, gilt der andere vorrangig (vgl. Schaub, a.a.O., § 203 Rdnr. 56). Im Regelfall stellt der Firmentarifvertrag gegenüber dem Verbandstarifvertrag den spezielleren Tarifvertrag dar (vgl. BAG, 04.04.2001, a.a.O.).

Der BG-AT ist zunächst gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 MTV-Ang-VBGK durch den Firmentarifvertrag hinsichtlich der abweichenden Regelungen verdrängt bzw. hinsichtlich der Einführung von Zulagen ergänzt worden. Gemäß § 3 Abs. 4 TV-Ang-VBGK ist die hier streitgegenständliche monatliche Zulage nach Maßgabe des ebenfalls als Firmentarifvertrag geschlossenen Zulagentarifvertrags zu gewähren.

Seit dem 01.10.2005 gelten die Rechtsnormen des MTV-Ang-VBGK und des Zulagentarifvertrags gemäß § 4 Abs. 5 TVG kraft Nachwirkung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

bb) In dem BG-AT sind mit Wirkung zum 01.09.2006 die Regelungen des TVöD/TVÜ-Bund überführt worden und haben die entsprechenden Tarifbestimmungen des BG-AT ersetzt.

Gemäß Nr. 1 findet dieser Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse der Angestellten der B9 in Eigenträgerkliniken wie den B10 Kliniken B4 in B2 Anwendung.

Zwar sind die beiden nachwirkenden Firmentarifverträge nicht in der Anlage 1 Teil A und B des vorläufigen Änderungstarifvertrages als ab dem 01.09.2006 nicht mehr anwendbar aufgeführt. Gleichwohl hat sie der BG-AT in der Fassung des vorläufigen Änderungstarifvertrages verdrängt. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 04.07.2007 (4 AZR 491/06, DB 2008, 533) ausgeführt hat, ist die Konkurrenzsituation zwischen einem vollwirksamen und einem nachwirkenden Tarifvertrag für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis umstritten. Nach herrschender Meinung verdrängt der vollwirksame Tarifvertrag als speziellerer Tarifvertrag im Rahmen der Tarifkonkurrenz den nachwirkenden Tarifvertrag bzw. stellt eine andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG dar (vgl. Wiedemann/Wank, a.a.O., § 4 Rdnr. 290; Däubler/Zwanziger, TVG, 2. Aufl., § 4 Rdnr. 938; Kempen/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 4 TVG Rdnr. 174). Nach einer Mindermeinung in der Literatur besteht auch im Nachwirkungszeitraum eine Tarifkonkurrenz zwischen zwei prinzipiell gleichwertigen Tarifverträgen, die zugunsten des bisher spezielleren Tarifvertrags aufzulösen ist (vgl. Däubler/Bepler, a.a.O., § 4 Rdnr. 861; Jacobs/Krause/Oetker, Tarifvertragsrecht, § 7 Rdnr. 219; ErfK,/Franzen, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 64).

Wie in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall bedarf es aber auch hier keiner abschließenden Bewertung der Auffassungen. Auch die Mindermeinung geht davon aus, dass jedenfalls dann, wenn der Abschluss eines Folgefirmentarifvertrags, der den nur noch nachwirkenden, als speziellere Norm aber nicht verdrängten Tarifvertrag ablösen könnte, nicht in Betracht kommt, der vollwirksame, bisher verdrängte allgemeinere Tarifvertrag wieder zur Anwendung kommt (vgl. Däubler/Bepler, a.a.O., § 4 Rdnr. 861).

Das ist hier der Fall. Tarifpartner der Firmentarifverträge war die B8-B9. Diese existiert noch. Sie hat aber bis zum 31.12.2006 keinen Folgefirmentarifvertrag abgeschlossen. Mit Wirkung zum 01.01.2007 ist das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte übergegangen, die selbst nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und deshalb nicht an die Verbandstarifverträge gebunden ist. Sie ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Vereinbarung nach § 3 des klägerischen Arbeitsvertrages vom 20.08.2001 eingetreten mit der Folge, dass die kraft der dynamischen Verweisung in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträge statisch weitergelten. Denn auch bei Tarifbindung des Klägers hätten spätere Änderungen der Kollektivnormen keinen Einfluss mehr auf die Weitergeltung nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BAG, 19.09.2007 - 4 AZR 711/06, BB 2008, 447; 29.08.2001 - 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513; 20.06.2001 - 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517). Schlösse die B8-B9 einen die nachwirkenden Tarifverträge ablösenden Firmentarifvertrag, wäre dieser für die auf die Be-klagte übergegangenen Arbeitsverhältnisse folgenlos. Der teilweise verdrängte, teilweise ergänzte, nach wie vor vollwirksame Flächentarifvertrag BG-AT in der Fassung des vorläufigen Änderungstarifvertrages gilt demnach ab dem 01.01.2007 statisch weiter mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet ist, Entgelt nach den bei Betriebsübergang geltenden Bestimmungen des TVÜ-Bund und TVöD-Bund zu leisten. Dieser Verpflichtung ist sie unstreitig nachgekommen.

2. Der auf Zahlung der monatlichen Leistungszulage Arge Reha von 40,65 € brutto für die Monate März 2007 bis Februar 2008 gerichtete Leistungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur dann zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder sie sachdienlich ist. Ob eine Klageänderung vorliegt, ist nach den Grundsätzen zu prüfen, die zu § 263 ZPO entwickelt wurden (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 533 Rdnr. 3).

Gemäß § 264 Ziffer 2 ZPO gilt nicht als Klageänderung, wenn der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Ob hier eine nur quantitative Änderung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes vorliegt (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rdnr. 3 a) kann dahinstehen, denn die Beklagte hat in die ggfls. vorliegende Klageänderung eingewilligt.

Der Antrag ist jedoch unbegründet, da dem geltend gemachten Anspruch, wie ausgeführt, die Rechtsgrundlage fehlt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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