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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1071/07
Rechtsgebiete: BGB, EFZG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 4
EFZG § 12
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Zur Bemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG gehören sowohl die

Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich zusammen aus dem Geld- und Zeitfaktor. Sie bestimmt den Umfang und die Bestandteile des der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zugrunde liegenden Arbeitsentgelts, auch wenn dies durch eine Gutschrift im Arbeitszeitkonto festgehalten wird.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.05.2007 - 2 Ca 1827/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Zeitgutschriften auf dem Arbeitszeitkonto im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Zeiten der Arbeitsunfähigkeiten des Klägers im Jahre 2005.

Der am 29.01.1949 geborene Kläger ist seit dem 17.04.1989 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der zuletzt erzielte Bruttostundenlohn betrug ca. 15,-- Euro.

Die Beklagte betreibt einen Maschinenbaubetrieb. Sie beschäftigt ca. 380 Arbeitnehmer. In Ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gewählt. Die Beklagte ist Mitglied des Unternehmerverbandes der Metallindustrie Bielefeld. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft der Verbandszugehörigkeit das Tarifwerk der Metallindustrie NRW Anwendung, so auch der MTV Metall vom 24.08.2001/11.09.2001 und ab 01.03.2006 der EMTV Metall vom 18.12.2003.

Durch den undatierten Übernahmetarifvertrag (Bl. 5 f d.A.) zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma B2 M1 GmbH & Co. KG, und dem Unternehmerverband der Metallindustrie Bielefeld e.V. einerseits und der IG Metall Bezirksleitung NRW andererseits wurde geregelt, dass die neugegründete Beklagte mit allen Rechten und Pflichten in den Ergänzungstarifvertrag gemäß § 6 TVBesch NRW (ETV) eintritt. Wegen des Inhalts des Übernahmetarifvertrages wird auf Blatt 5 f d. A. und wegen des Inhalts des Ergänzungstarifvertrages auf Blatt 7 ff d. A. Bezug genommen.

In dem Ergänzungstarifvertrag wurde unter § 6 folgendes geregelt:

"§ 6 Beitrag der Tarifmitarbeiter ab dem Geschäftsjahr 2005

1. Für das Jahr 2005 wird das Arbeitszeitkonto 1 (AZK 1) der vollzeitbeschäftigten Tarifmitarbeiter mit 193 (entspricht einer Sollarbeitszeit von gerundet 39,5 Std./Woche) Stunden belastet. Für das Jahr 2006 wird das Arbeitszeitkonto 1 (AZK 1) der vollzeitbeschäftigen Tarifmitarbeiter mit 193 (entspricht einer Sollarbeitszeit von gerundet 39,5 Std./Woche Stunden belastet. Für das Jahr 2007 wird das Arbeitszeitkonto 1 (AZK 1) der vollzeitbeschäftigten Tarifmitarbeiter mit 152 (entspricht einer Sollarbeitszeit von gerundet 38,5 Std./Woche) Stunden belastet. Für das Jahr 2008 wird das Arbeitszeitkonto 1 (AZK 1) der vollzeitbeschäftigten Tarifmitarbeiter mit 87 (entspricht einer Sollarbeitszeit von gerundet 37 Std./Woche) Stunden belastet. Dieses Arbeitszeitvolumen ist mit dem Grundentgelt bereits abgegolten. Durch Vereinbarung mit dem Betriebsrat können vom Stundenkontingent des Jahre 2008 bis zu 10 Stunden auf das Stundenkontingent des Jahres 2007 übertragen werden. Im Streitfall entscheidet die tarifliche Einigungsstelle.

Wahlweise kann der Mitarbeiter sich bei bestehenden Zeitschulden entscheiden, diese ganz oder teilweise zu kompensieren durch Einbringung seines tariflichen zusätzlichen Urlaubsgeldes und/oder seiner tariflichen Sonderzahlung gemäß Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13 Monatseinkommens. Eine entsprechende Erklärung des Mitarbeiters muss spätestens 14 Tage vor dem Fälligkeitstermin erfolgen.

Die Fälligkeit der zusätzlichen Urlaubsvergütung wird auf den Abrechnungsmonat Juni festgesetzt.

Schwerbehinderten mit dem GdB von 50 wird das Arbeitszeitkonto nicht belastet.

Für Teilzeitbeschäftigte gilt der Absatz 2 anteilig entsprechend ihrer IRWAZ.

Für die Berechnung von Mehrarbeits- und Einzelstundenvergütung verbleibt es bei der tariflichen Wochenarbeitszeit gemäß § 3 Manteltarifvertrag.

2. Die Betriebsparteien haben im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit dafür Sorge zu tragen, dass die Zeitkontingente der Jahre 2005 und 2006 gemäß § 2 am 31.03. des jeweiligen Folgejahres geleistet sind. Ansonsten verfallen etwaige diesbezügliche Zeitschulden. Gleiches gilt mit entsprechenden Zeitschulden, die zum Ende dieser Vereinbarung nicht ausgeglichen sind.

3. Scheiden Mitarbeiter auf eigenen Wunsch oder durch eine andere als eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, so sind sie verpflichtet, während der Restdauer des Arbeitsverhältnisses (z.B. Kündigungsfrist) Minusstunden gemäß § 6 Abs. 2 unter Beachtung des ArbZG nachzuarbeiten. Derartige Nacharbeit stellt keine tarifliche Mehrarbeit dar.

Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch bzw. Kurzarbeitszeiten mindern ratierlich den Arbeitnehmerbeitrag gemäß Abs. 2. Entsprechendes gilt für Neueinstellungen bzw. unterjähriges Ausscheiden."

Der Kläger war im Jahre 2005 an insgesamt 54 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung, zuletzt in der Zeit vom 13.10.2005 bis 23.11.2005. Vom 24.11.2005 bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ab 20.05.2006 bezog der Kläger keine Entgeltfortzahlung.

Die Beklagte führte über die Zeitschulden nach § 6 ETV das sogenannte Arbeitszeitkonto 1 (AZK 1). Der Kläger erhielt für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung keine Gutschriften. Solche Gutschriften wurden für den Zeitraum ab 24.11.2005 bis 19.05.2006 ratierlich vorgenommen, wie in den anderen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch.

Bei dieser Anwendung ergab sich zum 31.12.2005 ein Saldo auf dem Arbeitszeitkonto 1 des Klägers von minus 52 Stunden.

Am 01.01.2006 belastete die Beklagte das Arbeitszeitkonto 1 des Klägers entsprechend der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 ETV mit weiteren 193 Minusstunden für das Jahr 2006, so dass sich ein Saldo von minus 245 Stunden ergab. Für Januar 2006 hat die Beklagte dem Arbeitszeitkonto 1 des Klägers 22 Stunden, für Februar 2006 20 Stunden und für März 2006 23 Stunden gutgeschrieben, so dass sich am 31.03.2006 ein Saldo in Höhe von 180 Minusstunden ergab.

Mit Schreiben vom 13.07.2006 (Blatt 15 f der Akte) hat der Kläger die Saldierung zum 31.03.2006 beanstandet. Er hat geltend gemacht, dass die 52 Minusstunden aus 2005 mit Wirkung zum 31.03.2006 verfallen und im Zeitnachweis zu streichen seien.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 19.01.2007 erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die im Januar, Februar und März 2006 erfolgten Gutschriften auf seine Zeitschulden sich auf die für das Jahr 2006 vorgenommene Belastung des Arbeitszeitkontos mit 193 Stunden zu beziehen haben. Die fortgeschriebenen "Altschulden" aus 2005 seien davon nicht berührt und müssten nach der Regelung des § 6 Abs. 2 ETV mit dem 31.03. des Folgejahres ausgebucht werden.

Die Beklagte habe es weiter versäumt, in dem Zeitraum vom 13.10.2005 bis zum 23.11.2005 seine Arbeitszeitschulden ratierlich zu mindern.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitszeitkonto des Klägers um 52 Stunden zu reduzieren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die vorgenommenen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto verteidigt. Sie hat vorgetragen, dass sie im Januar, Februar und März 2006 zunächst die alten Minusstunden aus 2005 und erst dann die neuen Minusstunden für das Jahr 2006 abgebaut habe. Aus dem Ergänzungstarifvertrag sei keine andere Handhabung zu folgern.

Es sei auch nicht zu beanstanden, dass sie während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung vom 13.10.2005 bis zum 23.11.2005 die Arbeitszeitschulden des Klägers nicht ratierlich gemindert habe. Denn nach der Regelung des Ergänzungstarifvertrages sei eine ratierliche Minderung nur für Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch vorzunehmen (§ 6 Abs. 3 Satz 3), woraus sich im Umkehrschluss ergäbe, dass für Beschäftigungszeiten mit Entgeltanspruch eine solche ratierliche Minderung nicht infrage käme.

Ergänzend hat sich die Beklagte auf die tariflichen Ausschlussfristen des § 19 Abs. 2 b MTV bzw. § 19 Abs. 2 b EMTV bezogen.

Durch Urteil vom 08.05.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 780,-- Euro festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit Entgeltfortzahlung eine ratierliche Reduzierung auf dem Arbeitszeitkonto 1 des Klägers vorzunehmen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach § 6 Abs. 2 ETV am 31.03.2006 das Arbeitszeitkonto des Klägers um 52 Minusstunden zu entlasten. Am 31.03.2006 seien im Fall des Klägers keine Zeitschulden aus dem Jahr 2005 mehr offen gewesen. Im Übrigen seien die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nach den tariflichen Ausschlussfristen verfallen.

Gegen dieses ihm am 25.05.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 22.06.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.09.2007 am 05.09.2007 begründet.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt sich weiterhin maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Weiter weist der Kläger darauf hin, dass schon am 31.12.2005 kein Saldo bestanden habe, da die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihm für 54 Arbeitstage im Jahr 2005, für die ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden habe, eine Stunde pro Arbeitstag gutzuschreiben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.05.2007 - 2 Ca 187/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen sein Arbeitszeitkontosoll um 52 Stunden zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.05.2007 - 2 Ca 187/07 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie weist darauf hin, dass durch den Ergänzungstarifvertrag für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lediglich das Grundentgelt zu zahlen sei, so wie erfolgt. Der Ergänzungstarifvertrag begründe hier keinen Anspruch auf ratierliche Minderung der Zeitschulden auf dem Arbeitszeitkonto 1. Nach § 4 Abs. 4 EFZG sei durch Tarifvertrag eine Abänderung der gesetzlichen Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle durch Tarifvertrag möglich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen. Wegen der Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung wird auf die Protokolle der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Der als Leistungsantrag formulierte Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 ETV regelt den Beitrag der Tarifmitarbeiter für die Jahre 2005 und 2006, der darin besteht, dass das Arbeitszeitkonto 1 der vollbeschäftigten Arbeitnehmer jährlich mit jeweils 193 Stunden belastet wird. Nach dem Tarifvertrag ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Arbeitszeitkonto einzuführen. Das Arbeitszeitkonto 1 bildet die Grundlage für die weitere zusätzliche Arbeitsverpflichtung der Arbeitnehmer, so auch des Klägers (vgl. BAG Urteil vom 13.12.2002 - 5 AZR 470/00 - NZA 2002, 636 -. BAG Urteil vom 05.09.2002 - 9 AZR 244/01 - NZA 2003, 726 -. BAG Urteil vom 07.05.2003 - 5 AZR 256/02 - NZA 2004, 49).

Der Antrag, das Arbeitszeitkonto 1 um eine bestimmte Stundenzahl zu reduzieren, ist gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt (vgl. BAG Urteil vom 07.05.2003 - 5 AZR 256/01 - NZA 2004, 49 -, BAG Urteil vom 05.09.2002 - 9 AZR 244/01 - NZA 2003, 727). Der Kläger begehrt mit dem Antrag eine Korrektur des Arbeitszeitkontos 1 durch die Beklagte.

2. Die Klage ist aber nicht begründet.

I. Der Kläger kann die begehrte Zeitgutschrift (Reduzierung des Arbeitszeitkontosolls um 52 Stunden) nicht als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der Beklagten verlangen. Die Regelung in § 6 ETV schließt für Krankheitstage mit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle eine Stundengutschrift aus.

1. Nach § 9 Nr. 2 MTV wird den Arbeitnehmern unabhängig von den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen in Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit das Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von 6 Wochen ungekürzt weiter gezahlt.

a) Das weiterzuzahlende Arbeitsentgelt bemisst sich nach § 16 MTV. Dabei ist der Berechnung für gewerbliche Arbeitnehmer mit Monatsgehalt nach § 16 Nr. 1 b MTV das regelmäßige Arbeitsentgelt als Monatslohn zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer erhalten haben würde, wenn er gearbeitet hätte. Zusätzlich erhält er die leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Erschwerniszuschläge, individuelle Prämien und Zulagen aus dem Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate, jedoch ohne Mehrarbeitsvergütungen und Mehrarbeitszuschläge.

Der Manteltarifvertrag legt der Entgeltfortzahlung ebenso wie § 4 Abs. 1 EFZG das Lohnausfallprinzip zugrunde. Hätte der Kläger an den Tagen an denen er arbeitsunfähig krank war gearbeitet, so wäre er im Rahmen der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 arbeitstäglich für eine Stunde länger eingesetzt worden. Sein Arbeitszeitkontosoll hätte sich dann um eine Stunde verringert.

b) Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer das ihm für die regelmäßige Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

Unter Arbeitsentgelt fällt nicht nur der Bruttoverdienst des Arbeitnehmers sondern alle geldwerten Bezüge, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeit erhält, ohne Rücksicht auf ihre Benennung (vgl. Marienhagen/Künzel, Entgeltfortzahlung, § 4 Rdnr 4).

Als Vergütung hat der Kläger für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeiten im Jahre 2006 den tariflichen Monatslohn, wie die anderen Arbeitnehmer die gearbeitet haben, erhalten.

Nicht erhalten hat er die Gutschrift für die zusätzlichen Stunden, die die anderen Arbeitnehmer erhalten haben, die gearbeitet haben.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch die Stundengutschrift als geldwerter Bezug zu bewerten. Zwar erhält der Kläger hierfür keine Vergütung. Er wird aber von der Verpflichtung nach § 6 ETV zur zusätzlichen Arbeitsleistung der Beklagten gegenüber befreit.

2. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht schließt aber abweichend von dem Lohnausfallprinzip der gesetzlichen Regelung und des Manteltarifvertrages der speziellere Ergänzungstarifvertrag nach § 6 TVBesch NRW im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine über die Zahlung des tariflichen Grundentgelts hinausgehende zusätzliche Stundengutschrift aus, wie sich aus der Auslegung des Tarifvertrages ergibt.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist, ist der Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen (vgl. z.B. BAG Urteil vom 12.05.2006 - 6 AZR 311/04 - NZA 2006, 51 mit weiteren Nachweisen).

b) Der Wortlaut des Tarifvertrages enthält keinen ausdrücklichen Ausschluss der Gutschrift im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dem Wortlaut des Ergänzungstarifvertrages ist weiter auch kein Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Beklagte auf eine Stundengutschrift im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu entnehmen.

Eine ausdrückliche tarifliche Regelung fehlt.

c) Ein dahingehender Wille der Tarifvertragsparteien lässt sich aber aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang des Ergänzungstarifvertrages entnehmen.

aa) Der Ergänzungstarifvertrag regelt die Fälle, in denen die Beklagte zur Stundengutschrift verpflichtet ist ausdrücklich.

Grundsätzlich erfolgt eine Gutschrift, wenn der Arbeitnehmer die zusätzlich geschuldeten Stunden tatsächlich leistet, wie sich aus § 6 Abs. 2 Satz 1 ETV ergibt. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV mindern Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch bzw. Kurzarbeitszeiten ratierlich den Arbeitnehmerbeitrag. Entsprechendes gilt für Neuanstellungen und unterjähriges Ausscheiden. Weitere Möglichkeiten der Minderung der Zeitschuld enthält § 6 Abs. 1 Satz 7 ETV mit der Möglichkeit der Kompensation und § 6 Abs. 2 ETV mit der Möglichkeit des Verfalls.

bb) Aus der Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV, dass Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch den Arbeitnehmerbeitrag ratierlich mindern, lässt sich in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht nur der Umkehrschluss ziehen, dass in Beschäftigungszeiten mit Entgeltanspruch, wie die Zeit der Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung mit Entgeltfortzahlungsanspruch, keine nach § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV geregelte Minderungsmöglichkeit bestehen soll.

cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach § 4 Abs. 1 EFZG im Falle der Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Wie sich der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 ETV ergibt, sind die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass die als Beitrag der Tarifmitarbeiter nach § 6 ETV zu leistenden zusätzlichen Arbeitsstunden zur regelmäßigen Arbeitszeit zählen sollen. In § 6 Abs. 1 Satz 5 ETV ist geregelt, dass das als Beitrag der Tarifmitarbeiter geregelte zusätzliche Arbeitszeitvolumen mit dem Grundentgelt bereits abgegolten ist.

3. Diese tarifliche, das Lohnausfallprinzip beschränkende Regelung des Ergänzungstarifvertrags hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG.

a) Die Bemessungsgrundlage im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich zusammen aus dem Geld- und Zeitfaktor. Sie betrifft den Umfang und die Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts (vgl. BAG Urteil vom 24.03.2004 - 5 AZR 346/03 - NZA 2004,1042; BAG Urteil vom 13.03.2002 - 5 AZR 648/00 - NZA 2002, 744; BAG Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 538/00 - NZA 2002, 387) sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers.

b) Im vorliegenden Fall enthält der Ergänzungstarifvertrag - wie oben dargelegt - eine Begrenzung des Umfangs der Entgeltfortzahlung.

Die Entgeltfortzahlung wird begrenzt auf das tarifliche Grundentgelt. Durch die Nichtgewährung der Zeitgutschrift wird sowohl der Geld- als auch der Zeitfaktor berührt, was § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG zulässt (vgl. BAG Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 539/00 - NZA 2002, 387; BAG Urteil vom 09.10.2002 - 5 AZR 356/01 - NZA 2003, 978; Erfk/Dörner, 6. Aufl., § 4 EFZG Rz. 58, Schmitt, EFZG, 5. Aufl., § 4 Rz. 140, Marienhagen/Künzel, EFZG, § 4 Rz. 43 b). Diese Begrenzung durch Tarifvertrag ist nach § 4 Abs. 4 EFZG zulässig.

Es ist möglich, nicht die individuelle, sondern eine bestimmte Durchschnittsstundenzahl, z.B. die betriebsübliche (BAG Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 539/00 - NZA 2002, 387) oder die gesetzliche Arbeitszeit für maßgeblich zu erklären (vgl. z.B. Feichtinger/Malkmus, EFZG, § 4 Rdnr. 186; MünchArbR/Becken, Band I, § 84 Rdnr. 13).

4. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen § 12 EFZG.

Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 4 Abs. 1, Abs. 1 a und Abs. 3 EFZG stellt § 4 Abs. 4 EFZG klar, dass für Arbeitnehmer nachteilige Änderungen gegenüber den sonstigen Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht zulässig sind.

Durch die Regelung im Ergänzungstarifvertrag wird der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht in seiner Substanz angetastet. Die Bindung in § 12 EFZG an die anderen zwingenden Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes bedeutet nicht, dass sich die von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung über die Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes nicht nachteilig für die Arbeitnehmer auswirken darf. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es zulässig, dass der Arbeitnehmer aufgrund der tariflichen Regelung eine geringere Entgeltfortzahlung als bei der Anwendung der §§ 4 Abs. 1, Abs. 1 a und Abs. 3 EFZG erhält. Diese Schlechterstellung kann sich wie im vorliegenden Fall aufgrund einer Modifikation des Geld- und Zeitfaktors ergeben. Im Rahmen ihres zulässigen Anwendungsbereichs darf die beschränkte Tariföffnung ausgeschöpft werden.

5. Die tarifliche Regelung des Ergänzungstarifvertrags greift auch nicht unverhältnismäßig in den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung ein.

Zu berücksichtigen ist, dass der Ergänzungstarifvertrag zur Sicherung der finanziellen Situation der Beklagten und der Arbeitsplätze für eine bestimmte Zeit eine höhere Arbeitsleistung der Arbeitnehmer ohne Vergütung fordert und dem Kläger die Vergütung weitergezahlt worden ist, wie er vor Inkrafttreten des Ergänzungstarifvertrages erhalten hat und nach Außerkrafttreten des Ergänzungstarifvertrages nach dem 31.12.2008 weiter erhalten wird.

II. Die Beklagte war nicht verpflichtet zum 31.12.2005 den am Jahresende noch bestehenden Saldo von 52 Minusstunden wegen Verfalls nach § 6 Abs. 2 ETV auszubuchen.

§ 6 Abs. 2 Satz 1 ETV geht davon aus, dass das Zeitkontingent aus dem Jahre 2005 bis zum 31.03.2006 geleistet ist. Erst nach Ablauf dieser Frist sollen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ETV etwaige noch bestehende Zeitstunden verfallen, wie das Arbeitsgericht dargelegt hat. Auf die zutreffende Ausführung des Arbeitsgerichts wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen.

III. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, mit dem 31.03.2006 das Arbeitszeitkonto 1 des Klägers um 52 Minusstunden zu reduzieren.

1. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 2 ETV. Nach § 6 Abs. 2 ETV ist die Beklagte verpflichtet, etwaige offene Zeitschulden aus dem Jahr 2005 mit dem 31.03.2006 auszubuchen.

Im Fall des Klägers waren aber am 31.03.2006 keine Zeitschulden aus dem Jahr 2005 mehr offen. Diese wurden bereits in den Monaten Januar, Februar und März 2006 entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV ausgebucht.

Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV ist das Arbeitszeitkonto 1 in Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch unter ratierlicher Minderung des Arbeitnehmerbeitrags, also der Arbeitszeitschulden, zu führen. Diese Vorgabe hat die Beklagte beachtet, indem sie ab Januar 2006 die Gesamtzeitschuld des Klägers für Januar 2006 um 22 Stunden, für Februar 2006 um 20 Stunden und für März 2006 um 23 Stunden gemindert hat.

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers war die Beklagte nicht gehalten, die entsprechenden Gutschriften nur auf die Zeitschulden für das Jahr 2006 anzuschreiben, vielmehr war sie berechtigt, die entsprechenden Gutschriften mit den Arbeitszeitschulden aus 2005 zu verrechnen, wie das Arbeitsgericht nach Auslegung der tariflichen Vorschriften festgestellt hat. Das Berufungsgericht teilt die zutreffende Auslegung des Arbeitsgerichts, auf die im Übrigen verwiesen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

a) Die Anrechnungsmöglichkeit ergibt sich schon aus dem Wortlaut der tariflichen Vorschriften des § 6 Abs. 2 und 3 ETV.

aa) Die ratierliche Minderung der Arbeitszeitschulden im Falle der Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch wird in § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV geregelt. Diese mindern nach dem Wortlaut der Vorschrift den Arbeitnehmerbeitrag gemäß Abs. 2. In § 6 Abs. 2 ETV wird die Leistung der Minusstunden aus dem Vorjahr bis zum 31.03. des Folgejahres für 2005 und 2006 geregelt.

Mit der Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 ETV, dass bei Beschäftigungszeiten ohne Entgeltanspruch der Arbeitnehmerbeitrag nach Abs. 2 ratierlich gemindert wird, haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass gerade auch die übertragenen Altschulden durch eine ratierliche Minderung abgetragen werden sollen.

bb) Falls ein Redaktionsversehen vorliegen sollte, so ist dieses allenfalls darin zu sehen, dass bei der Verweisung auf den Arbeitnehmerbeitrag gemäß Abs. 2 die Ergänzung "in Verbindung mit dem Abs. 1" ausgelassen worden ist.

b) Auch wenn man der Auffassung des Klägers folgt, dass es sich bei dem Bezug "Arbeitnehmerbeitrag gemäß Abs. 2" um einen redaktionellen Fehler handelt und lediglich der Bezug zu Abs. 1 von den Tarifvertragsparteien gewollt ist, ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang des Ergänzungstarifvertrages kein anderes Ergebnis.

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 bis 3 ETV sollen nach Ablauf der Nachlauffrist bis zum 31.03. des Folgejahres die aus dem Vorjahr noch bestehenden Zeitschulden verfallen. Die Regelungen in Satz 1 bis 3 des § 6 Abs. 2 ETV beziehen sich nicht nur auf die Verringerung der Zeitschuld durch tatsächliche Arbeitsleistung sondern auf die Minderung der Zeitschuld durch alle im Tarifvertrag vorgesehenen Minderungsmöglichkeiten. Dies ergibt sich insbesondere deutlich aus Satz 3 "gleiches gilt mit entsprechenden Zeitschulden, die bis zum Ende dieser Vereinbarung nicht ausgeglichen sind", auch wenn diese Vorschrift ausdrücklich nur für das erste Quartal 2009 gilt.

Soweit § 6 Abs. 2 Satz 1 ETV von "geleistet sind" spricht, so steht dieser Wortlaut im Zusammenhang mit der Obliegenheit der Betriebsparteien im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit dafür Sorge zu tragen, dass die Zeitkontingente der Jahre 2005 und 2006 gemäß Abs. 1 am 31.03. des jeweiligen Folgejahres geleistet sind. Der Begriff "geleistet sind" ist so im Rahmen des Gesamtzusammenhangs der Sätze 1 bis 3 des § 6 Abs. 2 ETV weit im Sinne von "ausgeglichen sind" auszulegen.

3. Im Übrigen entspricht die Handhabung der Beklagten auch dem Rechtsgedanken, der sich aus § 366 Abs. 2 BGB ergibt und ist nicht zu beanstanden, wie das Arbeitsgericht schon zutreffend festgestellt hat.

IV. Da der streitgegenständliche Anspruch des Klägers schon nicht entstanden ist, kann dahingestellt bleiben, ob er nach den tariflichen Vorschriften auch verfallen wäre.

C. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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