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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 1120/05
Rechtsgebiete: EFZG, BGB


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 9 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.03.2005 - 6 Ca 856/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt

Tatbestand: Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 20.12.2004 bis zum 31.12.2004. Die am 21.01.15xx geborene Klägerin ist seit dem 01.02.1996 bei der Beklagten als Raumpflegerin tätig. Ihre Arbeitszeit beträgt 24 Stunden pro Woche. Ihre Vergütung betrug zuletzt 7,87 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der zwischen den Parteien im Februar 1996 geschlossene Formulararbeitsvertrag (Bl. 21 f d.A.). In dem Arbeitsvertrag ist unter § 4 Ziffer 2 Folgendes geregelt: Werden in einem Reinigungsobjekt aufgrund einer betrieblichen Regelung des Auftraggebers oder aufgrund von staatlichen Vorschriften Betriebsferien oder Schulferien durchgeführt, so kann der Arbeitgeber dem dort zur Reinigung beschäftigten Arbeitnehmer den Urlaub für diese Ferienzeit zuweisen. Soweit die Ferienzeiten durch Urlaub nicht ausgefüllt werden, ruhen während der Ferienzeit das Arbeitsverhältnis und sich daraus ergebende Arbeits- und Lohnzahlungspflichten. Eingestellt wurde die Klägerin für das Objekt I1x A4xxxxxx in H4xxx, I2 A5xxx H5xx. Nach § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages war der Arbeitgeber berechtigt, jederzeit den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen in ein anderes zumutbares Reinigungsobjekt zu versetzen oder ihm eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Wegen des Einsatzes der Klägerin in den Jahren 1996 bis 2004 während der Zeit der Weihnachtsferien in der Akademie wird auf die Aufstellung in der Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2005 (Bl. 19 f d.A.) verwiesen. In der Zeit vom 07.12.2004 bis zum 06.02.2005 nahm die Klägerin an einer stationären Maßnahme der Rehabilitation teil. In der Zeit vom 20.12. bis 31.12.2004 war das von der Klägerin zu reinigende Objekt I1x A4xxxxxx in H4xxx wegen Betriebsferien geschlossen. Die Beklagte zahlte für den Zeitraum der Betriebsferien keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 07.02.2005 hat die Klägerin ihre Entgeltfortzahlungsansprüche für diesen Zeitraum erfolglos geltend gemacht. Mit der vorliegenden, am 11.02.2005 erhobenen Klage verfolgt sie diese Ansprüche weiter. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dem stehe nicht entgegen, dass das von ihr zu reinigende Objekt in dem Zeitraum geschlossen gewesen sei. Das Risiko ihrer Nichtbeschäftigung habe die Beklagte zu tragen. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung verstoße gegen die §§ 305 ff BGB. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 377,76 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2005 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein Vergütungsanspruch für die Zeit vom 20.12. bis 31.12.2004 zu. Es sei mindestens seit 1996 betriebliche Übung der Beklagten gewesen, der Klägerin für die gesamte Zeit der Betriebsferien Urlaub zu gewähren. Nur soweit kein Resturlaub mehr vorhanden war, sei die Klägerin als Urlaubsvertretung in anderen Objekten kurzfristig beschäftigt worden. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe nicht, denn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei nicht die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung gewesen. Auch wenn die Klägerin arbeitsfähig gewesen wäre, hätte sie keine Vergütung erhalten, denn sie wäre aufgrund der arbeitsvertraglichen Abrede wegen der Betriebsferien auch nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Insoweit seien arbeitsfähige und arbeitsunfähige Arbeitnehmer gleichzustellen. Durch Urteil vom 21.03.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 377,-- € festgesetzt und die Berufung für die Beklagte zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Vereinbarung in § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Ziffer 2 BGB unwirksam. Gegen dieses ihr am 06.05.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 31.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 13.06.2005 begründet. Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an, maßgeblich unter Stützung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.03.2005 - 6 Ca 856/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.03.2005 - 6 Ca 856/05 - zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 20.12.2004 bis zum 31.12.2004 gemäß § 9 Abs. 1 EFZG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG zu. I. Wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, war die Klägerin nur aufgrund einer Maßnahme der Rehabilitation im Sinne des § 9 Abs. 1 EFZG verhindert, ihre vertragliche Arbeitsleistung in dem Anspruchszeitraum zu erbringen. 1. Zwar ist es zutreffend, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige und ausschließliche Ursache für die Arbeitsverhinderung ist (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 28.01.2004 - 5 AZR 58/03 - AP Nr. 77 zu § 4 EFZG m.w.N.). Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien vor Eintritt einer Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen sollen, so kann diese Vereinbarung als Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung in Betracht kommen und nicht die spätere Erkrankung (vgl. z.B. zum Sonderurlaub: BAG, Urteil vom 25.05.1983 - 5 AZR 236/80 - DB 1983, 2526; Ströfer, Zur Lohnfortzahlung im unbezahlten Sonderurlaub, DB 1984, 2406). 2. Eine Freistellung der Klägerin war entgegen der Auffassung der Beklagten unter Hinweis auf die Vereinbarung in § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages für die Zeit des Anspruchszeitraums nicht vereinbart worden. a) Ob die Vereinbarung in § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben. Die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung entspricht auch der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm im Urteil vom 20.10.2005 - 16 Sa 801/05 -. b) Es liegen schon die vertraglichen Voraussetzungen für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach § 4 Ziffer 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht vor. Nach § 4 Ziffer 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber bei den angeführten Voraussetzungen dem Arbeitnehmer den Urlaub für diese Ferienzeit zuweisen. Im Zusammenhang mit Satz 1 ergibt die Auslegung des § 4 Ziffer 2 Satz 2, dass das Arbeitsverhältnis nur dann ruhen soll, wenn der noch zur Verfügung stehende Urlaub nicht ausreicht, die Zeit der Betriebsferien im Objekt abzudecken. aa) Der Inhalt von Willenserklärungen, auch wenn es sich hierbei um Vertragsklauseln aus einem Formulararbeitsvertrag handelt, sind nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Der in der auszulegenden Erklärung verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur unvollkommen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Dabei sind die den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen, wie die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, der Zweck einer Abmachung und die gegebene Interessenlage (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 10 AZR 34/03 - NZA 2004, 149). bb) Bei der Anwendung dieser Auslegungsregeln ergibt sich allein aus dem Wortlaut, "soweit die Ferienzeiten durch Urlaub nicht ausgefüllt werden", nicht unmittelbar, dass die Verhinderung der Urlaubsgewährung allein darin bestehen soll, das kein ausreichender Urlaub mehr zur Verfügung steht. cc) Zu berücksichtigen ist aber, dass Satz 1 und Satz 2 des § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aufeinander aufbauen und in einem unmittelbaren systematischen Zusammenhang stehen. Der Arbeitgeber kann den Urlaub nach § 4 Ziffer 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages einseitig zuweisen, soweit ein Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Nur für den Fall, dass die Betriebsferienzeiten durch den noch zur Verfügung stehenden Urlaub nicht ausgefüllt werden können, soll für diesen Zeitraum das Arbeitsverhältnis nach § 4 Ziffer 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages ruhen. Diese Vereinbarung erfasst nicht die Fälle, bei denen die Arbeitsleistung aus anderen Gründen, z.B. wegen Krankheit, ausfällt. So haben auch die Parteien diese Vorschrift in der Vergangenheit ausgelegt und angewandt, wie sich aus der Aufstellung in der Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2005 ergibt. Die Beklagte hat weiter in der Berufungsbegründungsschrift vorgetragen, dass es ihrer klaren Anweisung an die Klägerin entsprach, sich entsprechenden Urlaub aufzusparen und falls sie dies nicht tue, sich dadurch dem Risiko aussetze, bei nicht mehr ausreichend verfügbaren Urlaubstagen eine Vergütungszahlung nicht zu erhalten. 3. An diese Belehrungen der Beklagten hat die Klägerin sich gehalten. Im vorliegenden Fall stand der Klägerin noch aus dem Jahr 2004 ein Resturlaub von 12 Tagen zu. Dieser Urlaubsanspruch hätte ausgereicht für die Zeit der Betriebsferien im Anspruchszeitraum. II. Hätte die Beklagte von ihrem Recht auf Urlaubsgewährung nach § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme durch die Klägerin Gebrauch gemacht, so wären nach § 9 BUrlG die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet worden, sondern die Beklagte hätte für diese Tage Entgeltfortzahlung zahlen müssen. Eine Schlechterstellung der Klägerin für den Fall der Arbeitsunfähigkeit während der Betriebsferien ist durch die Vereinbarung in § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages von den Parteien nicht gewollt und auch nicht erfolgt. B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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