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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 1173/04
Rechtsgebiete: EntgFZG, BGB, NachwG, TVG, MTV


Vorschriften:

EntgFZG § 3
EntgFZG § 4
EntgFZG § 12
BGB § 242
BGB § 280
BGB § 286
NachwG § 2 Abs. 1
TVG § 3
TVG § 4
TVG § 8
MTV § 22 privates Omnibusgewerbe NW
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.05.2004 - 2 (1) Ca 3811/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten über Restentgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall für den Monat Dezember 2002. Der am 15.12.1967 geborene, gewerkschaftlich organisierte Kläger trat am 01.05.1999 in die Dienste des Beklagten als Busfahrer ein. Als Bruttomonatsentgelt erhielt der Kläger zuletzt 2.000,00 € für 200 Stunden. Mit Schreiben vom 28.11.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die Kündigung hat folgenden Wortlaut: "Sehr geehrter Herr Ö1xx Wir kündigen das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002. Die Kündigung erfolgt fristgerecht laut Tarifvertrag § 21 (2) - die tarifliche Kündigungsfrist von 1 Monat zum Monatsende. Die Kündigung ist betriebsbedingt - es sind einige Berufsverkehre weggefallen und unser Hauptauftraggeber, die Verkehrsgesellschaft für den Kreis U1xx hat zum Schulbeginn am 06.01.2003 20 % der km-Leistung gekündigt." Das Kündigungsschreiben wurde dem Kläger am 30.11.2002 ausgehändigt. In der Zeit vom 01.12. bis 31.12.2002 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte an den Kläger als Entgeltfortzahlung für den Monat Dezember insgesamt 1.820,38 € brutto (siehe Lohnabrechnung vom 07.01.2003, Bl. 45 d.A.). Der Kläger war mit der Abrechnung nicht einverstanden und machte die mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 17.04.2003 geltend. Die vorliegende Klage hat er am 17.06.2003 erhoben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs für Dezember 2002 seine behauptete Durchschnittsarbeitszeit von 258,55 Stunden pro Monat zugrunde zu legen sei. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 633,56 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe der begehrte Mehrbetrag nicht zu. Die Klageforderung sei im Übrigen nach den Vorschriften des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen (MTV) verfallen. Der Tarifvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, da beide Parteien tarifgebunden seien. Durch Urteil vom 04.05.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 631,56 € festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Kläger stehe der begehrte Anspruch nicht zu, da dieser Anspruch nach dem Manteltarifvertrag für das private Omnibusgewerbe verfallen sei. Gegen dieses ihm am 25.05.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 23.06.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.08.2004 am 19.08.2004 begründet. Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Der Kläger wendet weiter ein, die Beklagte könne sich auf die tarifliche Verfallfrist nicht berufen, da sie gegen § 8 TVG und gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz verstoßen habe. Wegen des Verstoßes gegen das Nachweisgesetz stehe dem Kläger der begehrte Betrag auch als Schadensersatz zu. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Dortmund vom 04.05.2004 - 2 (1) Ca 3811/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 633,56 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2003. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.05.2004 - 2 (1) Ca 3811/03 - zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Akte des Kündigungsschutzverfahrens zwischen den Parteien Arbeitsgericht Dortmund - 2 Ca 7892/02 -, die zu Informationszwecken beigezogen war. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der begehrte Anspruch steht dem Kläger nicht gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EntgFZ i.V.m. dem Arbeitsvertrag zu. I. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der mit der Klage geltend gemachte Restentgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 22 Abs. 2 MTV verfallen ist. 1. Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen kommt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 TVG zur Anwendung. Beide Parteien sind tarifgebunden. 2. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 MTV sind Ansprüche aus Mehrarbeit sowie auf Zahlung von Zulagen jeder Art und auf Erstattung von Barauslagen sowie alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag spätestens zwei Monate nach Fälligkeit geltend zu machen. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 MTV ist nach Ablauf der angeführten Fristen die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen, es sei denn, dass sie dem Arbeitgeber oder seinem Beauftragten gegenüber vorher erfolglos geltend gemacht worden sind. 3. Entgegen der Auffassung des Klägers unterlagen die Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers für Dezember 2002 der tariflichen Ausschlussfrist des § 22 MTV. Auch wenn gesetzlich geregelt, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall nach den §§ 3 und 4 EntgFG ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Der gesetzliche Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall ist der während der Arbeitsunfähigkeit aufrecht erhaltene Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers und teilt dessen rechtliches Schicksal (vgl. BAG, Urteil vom 16.01.2001 - 5 AZR 430/00 - NZA 2002, 746 m.w.N.; Marienhagen/Künzel, Entgeltfortzahlung, § 3 Rdz. 84). 4. § 12 EntgFG steht der Anwendung der tariflichen Ausschlussfrist auf den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entgegen. Die tarifliche Ausschlussfrist betrifft nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung (vgl. BAG vom 16.01.2001, a.a.O.). 5. Der Kläger hat den streitigen Entgeltfortzahlungsanspruch nach Ablauf der tariflichen Verfallfrist verspätet geltend gemacht. a) Der Entgeltfortzahlungsanspruch war mit Ablauf des 31.12.2002 fällig (§ 614 BGB). b) Der Kläger hat den Anspruch erstmals mit Schreiben vom 17.04.2003 verspätet nach Ablauf der zweimonatigen tariflichen Verfallfrist geltend gemacht. Die Geltendmachung in der Klageschrift vom 18.12.2002 in dem Verfahren zwischen den Parteien Arbeitsgericht Dortmund - 2 Ca 7892/02 - betraf nicht den Entgeltfortzahlungsanspruch für Dezember 2002. Dieser war zu diesem Zeitpunkt schon noch nicht fällig, sondern mit der Klageschrift wurden im letzten Absatz Ansprüche aus Annahmeverzug geltend gemacht, ohne diese zeitlich zu konkretisieren. 6. Der Beklagten ist es nicht verwehrt (§ 242 BGB), sich auf den tariflichen Verfall des Anspruchs zu berufen. a) Allein ein Verstoß gegen die aus § 8 TVG sich ergebende Auslegeverpflichtung begründet nicht den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Arbeitgebers. § 8 TVG bzw. § 9 Abs. 2 DVO - TVG - enthalten keine Sanktionsregelungen für den Fall eines Pflichtenverstoßes. Der bloße Verstoß reicht für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nach §§ 242, 134 BGB nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.2002 - 4 AZR 56/01 - m.w.N.). b) Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 676/02 - AP Nr. 7 zu § 2 NachwG; BAG, Urteil vom 24.10.2002 - 6 AZR 743/00 - NZA 2004, 105; BAG, Urteil vom 29.05.2002 - 5 AZR 105/01 -, ZTR 2003, 87). Es liegt kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor. Die Berufung auf den Verfall führt nicht zu einem mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden, schlechthin untragbaren Ergebnis. Ebenso wenig sind Tatsachen für einen individuellen Rechtsmissbrauchs des Beklagten ersichtlich. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass ihn die Beklagte über das Bestehen der Ausschlussfrist getäuscht oder durch unredliches Verhalten von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten hat. II. Dem Kläger steht gegen die Beklagten wegen der nicht rechtzeitig erfolgten Aushändigung einer ordnungsgemäßen Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen nach § 2 NachwG Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 kein Schadensersatzanspruch wegen Verzuges zu. 1. Zwar hat die Beklagte die sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG ergebende Verpflichtung verletzt. Sie hätte der Nachweisverpflichtung spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nachkommen müssen. 2. Ein Schadensersatzanspruch aus Verzug ist jedoch nur begründet worden, wenn eine adäquate Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden besteht und die Beklagte den Verzug zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. a) Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen dieser Voraussetzungen war der Kläger. Der Vortrag des Klägers beschränkt sich lediglich darauf, den Inhalt einer Entscheidung des LAG Nürnberg vom 13.11.2002 mitzuteilen. Konkrete Ausführungen dazu, dass im entscheidenden Fall die geforderte Kausalität und das geforderte Verschulden vorliegen, fehlen. b) Zudem ist nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ein Schadensersatzanspruch schon ausgeschlossen, da der Schaden vom Kläger überwiegend selbst verschuldet worden ist (§ 254 BGB). Das Berufungsgericht ist überzeugt, dass dem gewerkschaftlich organisierten Kläger spätestens durch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 28.11.2002 positiv bekannt war, dass die tariflichen Vorschriften für das private Omnibusgewerbe auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kamen. c) Des Weiteren wäre der Schadensersatzanspruch mit Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist entstanden und hätte als solcher ebenfalls innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden müssen. Ausführungen des Klägers zur Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist bezüglich des Schadensersatzanspruches fehlen. B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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