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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.04.2002
Aktenzeichen: 18 Sa 1193/01
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 3 Satz 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
TVG § 4 Abs. 3
Lässt ein Tarifvertrag eine von der tariflichen Arbeitszeitregelung abweichende Regelung durch Planwochenarbeitszeiten im Wege von Betriebsvereinbarungen zu, so bedarf eine Änderung der Betriebsvereinbarung auch der Form einer Betriebsvereinbarung.

Eine auf Grund einer tariflichen Öffnungsklausel ergehende Betriebsvereinbarung ist an die tariflich gesetzten Schranken der tariflichen Ermächtigung gebunden.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 18 Sa 1193/01

Verkündet am 10.04.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 06.03.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Knipp sowie die ehrenamtlichen Richter Delseith und Tillmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.06.2001 - 1 Ca 3161/00 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37,55 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins der EZB seit dem 01.09.2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger in der Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 ein arbeitstäglicher Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge zustand.

Der am 21.01.12xx geborene Kläger ist seit dem 25.02.1980 im Betrieb der Beklagten als Betriebshandwerker tätig. Er hat eine Berufsausbildung zum Betriebsschlosser absolviert. Der Holzverarbeitungsbetrieb der Beklagten in G4xxxxxxx besteht aus drei Werken. Die Beklagte hat den Betrieb 1998 von der Firma W3xxx-W4xxx W5. R4xxxxxxxxx GmbH übernommen.

Der Kläger ist Mitglied des neunköpfigen Betriebsrats. Er ist weiter Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Auch die Beklagte ist tarifgebunden. Auf Grund der beiderseitigen Verbandszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis die tariflichen Vorschriften für die Holzbearbeitung sowie den Holzhandel im Lande Nordrhein-Westfalen Anwendung, so auch der Manteltarifvertrag vom 08.05.1995 (MTS), in dem u.a. Folgendes geregelt ist:

...

Arbeitszeit

Allgemeine Arbeitszeitbestimmungen

...

15. b) Durch Betriebsvereinbarung sind für Betriebsabteilungen oder den ganzen Betrieb folgende abweichende Regelungen zulässig:

1. Planwochenarbeitszeiten

Bis 30. September 1996 zwischen 34 und 40 Stunden, wenn im Planungszeitraum 37 Stunden je Woche für jeden Arbeitnehmer erreicht werden.

Ab 01. Oktober 1996 zwischen 32 und 40 Stunden, wenn im Planungszeitraum 36 Stunden je Woche für jeden Arbeitnehmer erreicht werden.

Ab 01. Januar 1999 zwischen 30 und 40 Stunden, wenn im Planungszeitraum 35 Stunden je Woche für jeden Arbeitnehmer erreicht werden.

Der Planungszeitraum darf zwischen 14 und 52 Wochen betragen. Der Planungszeitraum ist zugleich der Ausgleichszeitraum.

Der Planungszeitraum muss innerhalb eines Kalenderjahres liegen und ist den betroffenen Arbeitnehmern 14 Tage vor seinem Beginn bekanntzugeben. In Ausnahmefällen kann der Planungszeitraum auch die ersten 3 Monate eines nachfolgenden Kalenderjahres mitumfassen.

...

e) Regelungen nach Ziffer 15 b) 1. können bei einem Planungszeitraum ab 26 Wochen mindestens zwei Wochen vor der infrage stehenden Arbeitswoche durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden, wenn sich die Situation gegenüber dem Plan verändert hat.

f) Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 15. b) und e) haben sich an der zu erwartenden Auftrags- und Beschäftigungssituation des Betriebes unter Berücksichtigung der Interessen der Belegschaft zu orientieren.

... 16. a) Die regelmäßige Arbeitszeit wird grundsätzlich auf die Tage von Montag bis Freitag verteilt und darf täglich 8 Stunden nicht überschreiten.

...

Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit

30. Mehrarbeit ist die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit. Keine Mehrarbeit liegt vor, wenn in Einzelfällen im Einvernehmen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer der entsprechende zeitliche Ausgleich innerhalb der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt.

31. Mehrarbeit für geschlossene Betriebsabteilungen und den ganzen Betrieb kann mit Zustimmung des Betriebsrats bis zu zehn Stunden täglich eingeführt werden.

Zuschläge

39. Die Zuschläge betragen:

a) Für Mehrarbeit bis zu 2 Stunden täglich 25 %

ab 3. Stunde täglich 50 %

...

In Ausführung der Ermächtigung in Ziffer 15. b) 1. MTS wurde unter dem 12.12.1997 für den Betrieb der Beklagten eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung in Form der Planwochen im Beschichtungswerk geschlossen (Bl. 14 f d.A.), in der u.a. Folgendes vereinbart wurde:

...

3. Arbeitszeit

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt bis zum 31.12.1998 entsprechend Ziffer 15 a) MTS 36 Stunden.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist grundsätzlich mit der Maßgabe zu planen, dass an keinem Arbeitstag mehr als acht Stunden pro Tag in der Jahresgrobplanung vorgesehen werden.

Bei der Jahresgrobplanung wird entsprechend Ziffer 15 b) 1. MTS ein Planwochenarbeitszeitkalender in Form von Schichtplänen erstellt. Die Schichtpläne sind bis zum 31.10. des laufenden Jahres für das nächste Jahr zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung zu vereinbaren.

Die Schichtpläne können sieben Kalendertage vor dem in Frage stehenden Arbeitstag bei sich gegenüber dem Plan verändernden Situationen bezogen auf die Produktionsanlagen abgeändert werden.

Eine Abänderung muss mindestens sieben Kalendertage vor dem in Frage stehenden Arbeitstag bekanntgegeben werden. Die Abänderung hat sich an der zu erwartenden Auftrags- und Beschäftigungssituation des Betriebes und den Interessen der Belegschaft zu orientieren.

Für die rechtzeitige Information abwesender Arbeitnehmer über die festgesetzte Arbeitszeitstufe sind deren Vorgesetzte verantwortlich.

...

Unter dem 12.12.1997 erfolgte der Abschluss einer weiteren Betriebsvereinbarung über die Zahlung des verstetigten Entgelts (Bl. 16 bis 18 d.A.), in der u.a. Folgendes vereinbart wurde: ...

4. Arbeitszeitkonto

...

Das Arbeitszeitkonto ist einmal im Jahr auszugleichen, und zwar zum 31.12. des laufenden Kalenderjahres, erstmalig am 31.12.1998. Der Arbeitszeitsaldo von größer 24 Stunden plus bzw. kleiner 24 Stunden minus kann nicht auf den folgenden Planungszeitraum übertragen werden. Eine Verrechnung des Zeitsaldos mit dem Urlaubsanspruch ist nicht zulässig.

Besteht am Ende des Ausgleichszeitraums wider Erwarten ein Minussaldo von kleiner 24 Stunden im Arbeitszeitkonto, so werden diese Minusstunden zu Lasten des Arbeitgebers gestrichen. Besteht am Ende des Ausgleichszeitraums ein Guthaben von größer als 24 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto, so wird für diese Stunden ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % auf den Effektivlohn pro Stunde fällig. Die Auszahlung erfolgt mit der Januarabrechnung. Ein Arbeitszeitsaldo von größer 24 Stunden plus kann auf Wunsch der Mitarbeiter in den Folgezeitraum übertragen werden.

...

Gemäß Ziffer 3. Abs. 3 Satz 1 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 wurde bei der Jahresgrobplanung für das Jahr 2000 entsprechend Ziffer 15. b) 1. MTS ein Planwochenarbeitszeitkalender in Form von Schichtplänen erstellt. Diesem stimmte der Betriebsrat in der Sitzung vom 22.12.1999 zu. Nach diesem Schichtplan sollte der Kläger in der 30. Kalenderwoche in der Frühschicht arbeiten von 6.00 Uhr bis 13.35 Uhr einschließlich einer 45-minütigen Pause und in der 31. Kalenderwoche in der Zeit von 7.15 Uhr bis 15.00 Uhr einschließlich einer 45-minütigen Pause.

Unter dem 04.07.2000 (Bl. 19 d.A.) ordnete die Beklagte eine Änderung der Arbeitszeiten und Schichtpläne für die 30. und 31. Kalenderwoche an u.a. für das Werk III, in dem der Kläger beschäftigt war. In der Anordnung heißt es u.a.:

...

Betr.: Arbeitszeiten und Schichtpläne der Handwerker BS-Werk 1 + 3

...

3) Arbeitszeit-Werk 3

Montag bis Freitag 6.00 Uhr bis 16.45 Uhr 3/4 Std. Pause Samstag 6.00 Uhr bis 14.15 Uhr 1/4 Std. Pause Sonntag 6.00 Uhr bis 12.15 Uhr 1/4 Std. Pause

Mit Schreiben vom 30.08.2000 (Bl. 4 d.A.) machte der Kläger für die Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 Mehrarbeitvergütungsansprüche geltend, darunter die mit der Klage verfolgten Ansprüche.

Mit der am 09.11.2000 erhobenen Klage verfolgt der Kläger Ansprüche auf den Mehrarbeitszuschlag für die 10. Arbeitsstunde an den 10 Arbeitstagen in der Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 (30. und 31. Kalenderwoche).

Im Rahmen der Ausgleichung des Arbeitszeitkontos für das Jahr 2000 hat die Beklagte für die 10. Arbeitsstunde des Klägers in der Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 einen Mehrarbeitszuschlag von 25 % geleistet. Mit der Klage verlangt der Kläger die fehlenden restlichen 25 %.

Der Kläger stützt diesen Anspruch auf Ziffer 39. MTS.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 73,45 DM brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf restliche Vergütung in Form von weiteren Zuschlägen für die geleisteten Arbeitsstunden in der Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000. Der Kläger falle unter den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung vom 12.12.1997 zur Arbeitszeitregelung in Form der Planwochen. Der Kläger sei unstreitig als Betriebshandwerker im Handwerksbereich des Werks III tätig und somit gewerblicher Arbeitnehmer im Beschichtungswerk. Sein Aufgabenbereich erstrecke sich dabei im Wesentlichen auf Dreh-, im Bedarfsfall auf Schlosserarbeiten, für die im Werk III eingesetzten Maschinen. Auch örtlich liege die Werkstatt, in der der Kläger beschäftigt sei, im Werk III. In anderen Bereichen werde der Kläger nicht eingesetzt. Auch organisatorisch sei der Kläger voll in das Beschichtungswerk eingegliedert. Der direkte Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge G5xxxxxx, sei Leiter der mechanischen Instandsetzung Beschichtungswerk. Demgemäß sei auch die Arbeitszeitänderung vom 04.07.2000 unter dem Betreff Arbeitszeiten und Schichtpläne von Herrn G5xxxxxx unterzeichnet worden. Insgesamt ergebe sich somit, dass die Betriebsvereinbarung, die für alle Arbeitnehmer im Beschichtungswerk im Gegensatz zum Rohrplattenwerk, in dem die Mitarbeiter aufgrund der dortigen Betriebsvereinbarung in Vollcontischicht arbeiten, auch auf den Kläger Anwendung finde.

Gemäß Ziffer 3. Absatz 2 der Betriebsvereinbarung sei eine Jahresgrobplanung zunächst erstellt worden, die in Form von Schichtplänen die Arbeitszeit des Klägers im Einzelnen festgelegt habe. Diese individuelle aufgrund der Grobplanung zunächst festgelegte Arbeitszeit sei dann aufgrund schriftlicher Weisung vom 04.07.2000 für den Zeitraum 24.07. bis 04.08.2000 ordnungsgemäß abgeändert worden. Diese Änderung sei gemäß Nummer 3. Absatz 4 der Betriebsvereinbarung sowie der Nummer 3. Absatz 5 der Betriebsvereinbarung auch notwendig gewesen. Denn in dem hier streitigen Zeitraum der 30. und 31. Kalenderwoche sei die Betriebsferienzeit im Werk III angefallen. Im Zeitraum der Betriebsferien würde insbesondere die Reparatur und Wartung an den im Bereich Beschichtung bestehenden Produktionsanlagen vorgenommen. Die Abänderung der Arbeitszeit orientiere sich insoweit an den Interessen der Belegschaft, die zum Großteil im Urlaub sich befunden habe.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden. Der Wert des Streitgegenstands ist auf 73,45 DM festgesetzt und die Berufung ist zugelassen worden.

Gegen dieses ihm am 11.07.2001 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 10.08.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.10.2001 am 11.10.2001 begründet.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, der Restmehrarbeitszuschlag für die Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 stehe ihm nach den tariflichen Vorschriften zu. Die einseitige Abänderung der Schichtpläne für diesen Zeitraum durch die Beklagte sei ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolgt und daher schon unwirksam.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.06.2001 - 1 Ca 3161/00 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 37,55 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.06.2001 - 1 Ca 3161/00 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Auffassung, nach der Betriebsvereinbarung vom 12.12.1997 sei sie zur einseitigen Abänderung der Schichtpläne für den Zeitraum 24.07. bis 04.08.2000 ermächtigt gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG a.F.). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrten Restmehrarbeitszuschläge für die Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 gemäß Ziffer 39. a) MTS in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

Der Kläger hat in dieser Zeit jeweils arbeitstäglich drei Stunden über die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne der Ziffer 39. MTS gearbeitet, wodurch der Anspruch auf Zahlung des Zuschlags nach Ziffer 39. MTS entstanden ist.

1. Nach Ziffer 30. Satz 1 MTS ist Mehrarbeit die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit. Nach Ziffer 39. MTS beträgt der Mehrarbeitszuschlag für Mehrarbeit bis zu zwei Stunden täglich 25 %, ab der dritten Stunde täglich 50 % des Stundenlohns.

Der Kläger sollte nach dem gemäß Ziffer 3. Abs. 3 Satz 1 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 abgeschlossenen HG-BSM-Schlosserschichtplan DLZ, dem der Betriebsrat am 22.12.1999 zugestimmt hatte, in der 30. Kalenderwoche in der Frühschicht von 6.00 Uhr bis 13.35 Uhr bei einer Pause von 45 Minuten und in der 31. Kalenderwoche in der Tagschicht von 7.15 Uhr bis 15.00 Uhr bei einer Pause von 45 Minuten arbeiten. Nach den im Rahmen der Jahresgrobplanung erstellten Schichtplänen betrug so in der 30. und 31. Kalenderwoche des Jahres 2000 die tägliche Arbeitszeit des Klägers von Montag bis Freitag jeweils sieben Stunden.

Aufgrund der Anweisung der Beklagten vom 04.07.2000 hat der Kläger tatsächlich in der 30. und 31. Kalenderwoche Montags bis Freitags von 6.00 Uhr bis 16.45 Uhr bei einer Pause von jeweils 45 Minuten gearbeitet, arbeitstäglich damit 10 Stunden bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden. Unter Zugrundelegung des Jahresschichtplans, dem der Betriebsrat zugestimmt hatte, hat der Kläger in der Zeit vom 24.07. bis 04.08.2000 arbeitstäglich regelmäßig drei Stunden über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet, so dass ihm der Zuschlag nach Ziffer 39. MTS zusteht.

2. Durch die Anweisung der Beklagten vom 04.07.2000 ist der gemäß Ziffer 15. b) Nr. 1 MTS in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 erstellte Schichtplan nicht wirksam abgeändert worden.

Aus der Betriebsvereinbarung ergibt sich keine einseitige Abänderungsbefugnis der Beklagten.

a) Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung folgt den für die Auslegung von Gesetzen und Tarifverträgen geltenden Regeln.

Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut der Betriebsvereinbarung ist der wirkliche Wille der Betriebspartner zu berücksichtigen, soweit er in den Normen der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebspartner liefert und nur so Sinn und Zweck der Norm der Betriebsvereinbarung ermittelt werden können (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.05.2001 - 4 AZR 284/00 -, BAG, Urteil vom 05.10.1999 - 4 AZR 578/98 -, AP Nr. 15 zu § 4 TVG Verdienstsicherung für die Auslegung eines Tarifvertrags).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt die Auslegung, dass eine Abänderung der Schichtpläne nur durch Betriebsvereinbarung möglich war.

Zwar enthält der Wortlaut in Ziffer 3. Abs. 4 und 5 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 keine ausdrückliche Regelung darüber, wer zur Abänderung befugt ist. Inhalt der Regelung ist lediglich die Abänderung der Schichtpläne. Das Verbot der einseitigen Abänderung ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in Ziffer 3. der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997.

Die Absätze 2, 3, 4 und 5 der Ziffer 3. der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 stehen in einem engen Zusammenhang. Die Ziffern 2 und 3 regeln die Erstellung der Jahresschichtpläne, die Ziffern 4 und 5 die Abänderung. In Ziffer 3. Abs. 3 wird ausdrücklich geregelt, dass die Schichtpläne zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung zu vereinbaren sind. Danach folgt in Abs. 4 und 5 die Regelung der Abänderung ohne ausdrückliche Angabe, wer zur Abänderung befugt ist und welcher Form die Abänderung bedarf. Dies lässt nur auf den Willen der Betriebspartner schließen, dass sie, wie im Vertragsrecht üblich, für die Abänderung des Rechtsgeschäfts die gleichen Voraussetzungen gewollt haben wie für die Begründung des Rechtsgeschäfts, nämlich die Form der Betriebsvereinbarung.

3. Unterstellt man die von der Beklagten vorgetragene Auslegung der Betriebsvereinbarung als zutreffend, würde die Betriebsvereinbarung gegen die tarifliche Ermächtigung in Ziffer 15. b) und 15. e) MTS verstoßen.

a) Beide Tarifnormen enthalten tarifliche Öffnungsklauseln für den Abschluss abweichender Regelungen durch Betriebsvereinbarung. Solche Öffnungsklauseln sind grundsätzlich zulässig (vgl. BAG, Beschluss vom 18.08.1987 - 1 ABR 30/86 - AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG).

b) Eine auf Grund einer tariflichen Öffnungsklausel ergehende Betriebsvereinbarung ist an die tariflich gesetzten Schranken der Ermächtigung gebunden.

In Ziffer 15. e) MTS ist ausdrücklich geregelt, dass Regelungen nach Ziffer 15. b) 1. bei einem Planungszeitraum ab 26 Wochen mindestens zwei Wochen vor der in Frage stehenden Arbeitswoche durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden können, wenn sich die Situation gegenüber dem Plan verändert hat. Die tarifliche Ermächtigungsnorm lässt allein eine Abänderung durch Betriebsvereinbarung zu, nicht aber durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers.

4. Die Anordnung vom 04.07.2000 überschreitet weiter die zeitlichen Vorgaben der tariflichen Ermächtigungsnorm.

Entsprechend der Vorgabe in Ziffer 15. b) 1. MTS und auch nach Ziffer 3. Abs. 2 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 darf die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als acht Stunden pro Tag und die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 40 Wochenstunden überschreiten.

Diese Grenze überschreitet die Weisung vom 04.07.2000 bei der Anordnung von 10 Arbeitsstunden arbeitstäglich und von 50 Arbeitsstunden in der Woche.

5. Bei einer Unterstellung der von der Beklagten vorgetragenen Auslegung der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 ist weiter zu berücksichtigen, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG bezüglich der Änderung der Arbeitszeit und des Schichtplans in der 30. und 31. Kalenderwoche für den Bereich Handwerker BS-Werk I und III der Beklagten durch die Anordnung vom 04.07.2000 verletzt wurde.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG nicht durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 ordnungsgemäß ausgeübt.

a) Zwar kann eine Betriebsvereinbarung für bestimmte Fälle ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers vorsehen, sofern dadurch das Mitbestimmungsrecht nicht in seiner Substanz beeinträchtigt wird (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 - AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG, Beschluss vom 26.07.1988 - 1 AZR 54/87 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision). In Betracht kommt eine solche Ermächtigung des Arbeitgebers zur einseitigen Anordnung bei Überstunden nur dann, wenn es sich um den Teil einer Verfahrensregelung für außergewöhnliche Fälle handelt. Weder die Betriebspartner noch die Tarifvertragsparteien sind in der Lage, den Arbeitgeber pauschal zur Anordnung von Überstunden zu ermächtigen (vgl. BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 - AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG, Beschluss vom 23.03.1999 - 1 ABR 33/98 - AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

b) Eine solche außergewöhnliche Fallgestaltung liegt der Abänderungsbefugnis in Ziffer 3. Abs. 4 und 5 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 12.12.1997 nicht zu Grunde.

Nach der Betriebsvereinbarung hat sich die Abänderung an der zu erwartenden Auftrags- und Beschäftigungssituation des Betriebs und den Interessen der Belegschaft zu orientieren. Hier handelt es sich um planbare Vorgänge, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch in Eilfällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 - AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 19.02.1991 - 1 ABR 31/90 - AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

6. Da der Kläger in der 30. und 31. Kalenderwoche 2000 arbeitstäglich jeweils drei Stunden über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat, stehen ihm die Zuschläge nach Ziffer 39. MTS zu.

Durch die Ausgleichung des Arbeitszeitkontos gemäß Ziffer 4. Abs. 4 und 5 der Betriebsvereinbarung vom 12.12.1997 über die Zahlung des verstetigten Entgelts ist der Zuschlagsanspruch durch die Zahlung eines 25 %igen Zuschlags teilweise erfüllt. Noch zu erfüllen bleibt der vom Kläger mit der Klage verlangte Restzuschlag für die dritte Mehrarbeitsstunde, die mit 50 % Zuschlag zu vergüten war, für 10 Tage 73,45 DM (=37,55 Euro) brutto.

III. Nach alledem hatte das Rechtsmittel Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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