Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 1417/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
BGB § 139
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 313 Abs. 2
BGB § 611 Abs. 1
KSchG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.07.2006 - 2 Ca 176/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Vergütungsansprüche für den Zeitraum 01.11.2005 bis 09.03.2006 und über eine Berichtigung der Lohnabrechnung für den Monat November 2005.

Der am 03.08.1953 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.06.2004 bis zum 09.03.2006 bei dem Beklagten als Maler und Lackierer beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der am 13.07.2004 geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag, in dem unter anderem Folgendes ausgeführt ist:

"§ 1 Inhalt, Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses

1. Herr F1xxx W1xxxxxxx wird ab 01.06.04 als Maler und Lackierer auf unbestimmte Dauer eingestellt. ...

§ 2 Arbeitsentgelt

1. Der Arbeitnehmer erhält folgendes Arbeitsentgelt:

Bruttovergütung je Stunde

Lohn/Gehalt nach der Tarifgruppe ... ... Euro

im ... Beschäftigungs- bzw. Berufsjahr ... Euro

übertarifliche/allgemeine Zulage ... Euro

Zulage aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles ... Euro

Bruttovergütung gesamt 13,60 Euro".

Seit Dezember 2004 betrug die zwischen den Parteien vereinbarte Stundenvergütung 14,40 Euro brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommt der für allgemein verbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk in der Fassung vom 06.04.2004 zur Anwendung.

Bis einschließlich Oktober 2005 rechnete der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit einer Bruttostundenvergütung von 14,40 Euro ab. Der Abrechnung für den Monat November 2005 (Bl. 6 d. A.) legte der Beklagte eine Bruttostundenvergütung von 11,00 € zugrunde und zahlte den sich daraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus. Die Vergütung für den Monat Dezember 2005 rechnete der Beklagte zunächst weder ab, noch zahlte er an den Kläger eine Vergütung für diesen Monat. Der Kläger war ab dem 02.01.2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 27.03.2006, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugegangen am 28.03.2006, machte der Kläger Vergütungsansprüche für die Monate Januar und Februar 2006 geltend und forderte darin zugleich die Abrechnung für die Monate Januar und Februar 2006.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch ordentliche Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 09.03.2006 beendet worden.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 25.01.2006 erhoben.

In der mündlichen Verhandlung am 28.02.2006 hat der Beklagte hinsichtlich der Vergütung für Dezember 2005 einen Betrag in Höhe von 1.936,-- € nebst Zinsen anerkannt. Durch Anerkenntnisteilurteil vom 28.02.2006 hat das Arbeitsgericht den Beklagten entsprechend des Anerkenntnisses verurteilt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe der vereinbarte Stundenlohn in Höhe von 14,40 € auch weiter bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu.

Er hat behauptet, dass schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass er zwar eine Ausbildung als Maler und Lackierer absolviert habe, jedoch eine entsprechende Gesellenprüfung nicht abgelegt worden sei. Daraufhin habe ihm der Beklagte sinngemäß mitgeteilt, es komme ihm ausschließlich darauf an, dass er eine ordnungsgemäße und fachlich einwandfreie Arbeit ausführen könne. Aus diesem Grunde sei in dem Arbeitsvertrag auch eine Probezeit vereinbart worden.

Der Kläger hat in der ersten Instanz zuletzt beantragt,

1. 544,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 an ihn zu zahlen;

2. 598,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2006 an ihn zu zahlen;

3. an ihn 2.534,40 Euro brutto abzüglich durch die Krankenkasse gezahlter 426,80 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2006 zu zahlen;

4. an ihn 921,60 Euro brutto abzüglich durch die Krankenkasse gezahlter 388,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2006 zu zahlen;

5. ihm für November 2005 eine berichtigte Lohnabrechnung mit 160 Arbeitsstunden und einer Stundenvergütung von 14,40 Euro zu erteilen;

6. ihm für die Monate Dezember 2005, Januar und Februar 2006 jeweils eine Lohnabrechnung zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, dass bei einem Vorstellungsgespräch vor Abschluss des Arbeitsvertrages sich der Kläger als Maler- und Lackierergeselle vorgestellt habe, was auch in dem schriftlichen Arbeitsvertrag seinen Niederschlag gefunden habe. Im November 2005 habe sich herausgestellt, dass der Kläger keinen Gesellenbrief gehabt habe und er mithin normaler Maler- und Lackierergehilfe sei. In Ansehung der erfolgten Täuschung durch den Kläger bei der Einstellung habe er den Lohn auf den leicht aufgerundeten Tariflohn für Maler- und Lackierergehilfen mit 11,00 Euro brutto je Stunde abgesenkt.

Durch Schlussurteil vom 19.07.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Den Streitwert des Schlussurteils hat es auf 4.658,60 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Kläger ständen die begehrten Ansprüche zu. Die einseitige Kürzung der vereinbarten Vergütung durch den Beklagten sei unwirksam.

Gegen diese ihm am 01.08.2006 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Entscheidung hat der Beklagte am 30.08.2006 Berufung eingelegt und diese am 27.09.2006 begründet.

Der Beklagte beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.07.2006 - 2 Ca 176/06 - insoweit abzuändern, als er verurteilt worden ist

a) für den Monat November 2005 544,00 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 zu zahlen;

b) für den Monat Dezember 2005 598,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.01.2006 zu zahlen;

c) für den Monat Januar 2006 mehr als 1.509,20 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.02.2006 zu zahlen;

d) für den Monat Februar 2006 mehr als 316,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.03.2006 zu zahlen;

e) für den November 2005 eine berichtigte Lohnabrechnung mit 160 Arbeitsstunden und einer Stundenvergütung von 14,40 Euro zu erteilen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.07.2006 - 2 Ca 176/06 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger stehen die begehrten Abrechnungs- und Vergütungsansprüche gemäß § 611 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG, § 108 Abs. 1 GewO zu.

I. Alle geltend gemachten Ansprüche setzen voraus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Anspruchszeitraum unverändert über den 30.10.2005 fortbestanden hat.

Dies ist der Fall, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten war dieser nicht befugt, den Vergütungsanspruch des Klägers einseitig zu kürzen.

1. Der Beklagte konnte nicht im Wege der sogenannten "korrigierenden Rückgruppierung" die Stundenvergütung von 14,40 € auf 11,00 € kürzen.

Zwischen den Parteien ist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht der jeweilige Tariflohn vereinbart worden. In dem Arbeitsvertrag vom 13.07.2004 ist für die Tätigkeit des Klägers als Maler und Lackierer eine Vergütung von 13,60 € vereinbart worden, die später einvernehmlich auf 14,40 € erhöht worden ist. In § 2 des Arbeitsvertrages vom 13.07.2004 haben die Parteien als Bruttovergütung je Stunde von gesamt 13,60 € vereinbart. Die nach dem Vertragsformular mögliche Bezugnahme auf die tarifliche Vergütung fehlt. Die Felder "Lohn/Gehalt nach der Tarifgruppe ... im ... Beschäftigungs- bzw. Berufsjahr ... Euro" sind nicht ausgefüllt worden.

2. Die vorgenommene Lohnkürzung kann auch nicht als Änderungskündigung ausgelegt werden, da der Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht beenden wollte, sondern lediglich die Vergütung kürzen wollte. Im Übrigen fehlt für eine Änderungskündigungserklärung die Schriftform nach § 623 BGB.

3. Auch eine Anpassung der Vergütung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB entfällt.

Nach § 313 Abs. 2 BGB ist eine Anpassung möglich, wenn wesentliche Vorstellungen der Parteien, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. Voraussetzung der Anpassung ist ein gemeinschaftlicher Irrtum beider Parteien über eine für die Willensbildung wesentlichen Umstand (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 08.11.2001 - IX ZR 64/01 - NJW 2002, 292, 294 ; Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 Rz. 38).

Auf einen einseitigen Irrtum, wie ihn der Beklagte vorträgt, kommt § 313 Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung.

4. Auch wenn man die Kürzung des Lohnes als Teilanfechtung, gestützt auf § 123 Abs. 1 BGB, auslegt, geht diese Teilanfechtung ins Leere.

a) Die Rechtsfolge einer Anfechtung des Arbeitsvertrages ist nach § 142 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit des Vertrages.

Eine solche Rechtsfolge ist von dem Beklagten mit der Gehaltskürzung nicht gewollt worden.

b) Eine Teilanfechtung des Arbeitsvertrages allein bezogen auf die Vergütungsvereinbarung ist im Arbeitsvertrag nicht möglich.

aa) Eine Teilanfechtung wird für möglich angesehen, bei einem einheitlichen, aber teilbaren Rechtsgeschäft, wenn die Anfechtung nur einen Teil des Rechtsgeschäftes erfasst (vgl. Staudinger/Dilcher, 12. Aufl., § 142 Rz. 10; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl., § 142 BGB, Rz. 6; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche, 12. Aufl., § 143 BGB Rz. 11; Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., § 143 BGB, Rz. 2).

Das Restrechtsgeschäft bleibt bestehen, wenn dies entsprechend § 139 BGB dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht (BGH, Urteil vom 14.11.2001 - IV ZP 181/00 - NJW RR 2002, 380; BGH, Urteil vom 13.03.1986 - III ZR 114/874, NJW 1986, 2576; OLG Köln, Urteil vom 14.04.2000 - 3 U 147/99 - VersR 2000, 871). Ist die Anfechtung beschränkt auf einen nicht abtrennbaren Teil des Rechtsgeschäftes ist die Anfechtung unwirksam (vgl. auch Vetter, MDR 1998, 573).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Teilanfechtung in der Vergütungsvereinbarung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages nicht möglich.

Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft. Mit der Anfechtung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien beschränkt auf die Vergütungsvereinbarung würde ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitsverhältnisses nichtig. Bei der Vergütungsvereinbarung handelt es sich um die Hauptpflicht des Beklagten aus dem Arbeitsvertrag.

Der Wegfall dieser Hauptpflicht würde zum Wegfall der übrigen verbliebenen Regelungen des Arbeitsvertrages führen, da sich die übrig bleibenden Vertragselemente nicht mit selbständiger rechtsgeschäftlicher Bedeutung aufrechterhalten lassen (vgl. auch Hahn, Die fehlerhafte Normenanwendung im Arbeitsverhältnis, S. 40 ff.).

II. Auch die übrigen Voraussetzungen der klägerischen Ansprüche liegen dem Grunde und der Höhe nach vor, wie das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück