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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 1429/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
Die Berufung ist nur zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung eine Beschwer des Berufungsklägers enthält und wenn mit der Berufung gerade die Beseitigung dieser Beschwer oder eines Teils von ihr erstrebt wird. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht allein Ziel der Berufung sein, vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel eine zulässige Berufung voraus.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.06.2003 - 2 (4) Ca 2831/97 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der am 03.01.1940 geborene Kläger war seit dem 01.10.1969 bei der Beklagten als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens tätig. Ihm war Prokura erteilt. Die Beklagte ist die Konzernobergesellschaft eines unter der Bezeichnung "R2xxxx-Möbel-Unternehmensverband" betriebenen Möbelhandelsbetrieb mit Zentraleinkauf, Beteiligungsgesellschaften und einer Vielzahl von Möbelhäusern.

Mit Schreiben vom 27.08.1997 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.1998 aus.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger sich gewehrt mit seiner am 04.09.1997 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

In der Folgezeit hat er klageerweiternd mit Schriftsätzen vom 16.12.1997 und 31.01.1998 Zahlung ausstehender Gehaltsbezüge für die Zeit von Juli 1997 bis Oktober 1997 in Höhe von 76.659,-- DM brutto sowie für den Zeitraum November 1997 bis einschließlich Februar 1998 in Höhe von 76.664,-- DM brutto gefordert. Ferner hat er PKW-Nutzungsentschädigung und Auslagenersatz für den Zeitraum Juli 1997 bis Januar 1998 in Höhe von insgesamt 36.531,02 DM geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam und die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche ständen ihm zu.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.1998 hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.08.1997 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Bruttogehalt in Höhe von 76.624,-- DM für die Monate November 1997 bis einschließlich Februar 1998 zu zahlen,

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn als PKW-Nutzungsentschädigung und Auslagenersatz für den Monat Dezember 1997 in Höhe von 4.251,69 DM und für den Monat Januar 1998 in Höhe von 4.058,98 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr wegen des vollständigen Vertrauensverlustes unzumutbar. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Leiter der Buchhaltung Kenntnis von Bilanzmanipulationen durch einen ehemaligen Geschäftsführer gehabt. Ferner habe der Kläger die ihm eingeräumten Kompetenzen überschritten, indem er zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer zu Lasten der Beteiligungsgesellschaften D3xxxxx und G2xxxxxxxxxxx Bürgschaftsverpflichtungen begründet habe. Im Übrigen wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe vorzeitig unzulässige a-Konto-Zahlungen an einen Kommanditisten veranlasst.

In dem parallel geführten Kündigungsschutzprozess ArbG Gelsenkirchen - 2 Ca 1116/97 -/ LAG Hamm - 8 Sa 644/98 - hat der Kläger sich u.a. gegen die Kündigung der Beklagten vom 13.03.1997 gewehrt. In dem Teilurteil vom 03.12.1998 hat das Landesarbeitsgericht bezüglich des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13.03.1997 nicht mit Wirkung zum 17.03.1997 beendet worden ist, sondern bis zum 31.10.1997 fortbestanden hat. Im Übrigen ist die Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte abgewiesen worden. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17.02.1998 (Bl. 362 ff d.A.) verwiesen.

Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.12.1998 haben die Parteien in dem vorliegenden Rechtsstreit am 09.12.1999 einen Vergleich geschlossen, der im Wesentlichen die Abgeltung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien mit folgendem Wortlauf regelte:

1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass es insoweit der Stand 09.12.1999 bei den abgewickelten Zahlungen und Vollstreckungen verbleibt. Im Ergebnis sind die Parteien sich einig, dass weder der Kläger von der Beklagtenseite Vergütungsansprüche verlangen kann, noch dass die Beklagtenseite dem Kläger gegenüber irgendwelche Rückabwicklungsansprüche erheben kann. Mithin sind die Parteien einig, dass es bei der bisher getätigten Abwicklung bleibt und dass aus dem beendeten Arbeitsverhältnis sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien gleich welcher Natur ausgeglichen sind.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, die Ansprüche aus dem Vertrag wegen der Direktversicherung des Klägers mit der Vertragsnummer 52xxxxx bei der G3xxxxx L1xxxxxxxxxxxxxxxxx-AG in D4xxxxxxxx an den Kläger abzutreten. Der Kläger nimmt die Abtretung hiermit an.

3. Der Kläger verpflichtet sich, die Beklagten im Hinblick auf das bis zum 31.10.1997 bestehende Arbeitsverhältnis von etwaigen Rückforderungsansprüchen des Arbeitsamtes freizustellen.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, hinsichtlich der geflossenen und abgewickelten Vergütungsansprüche in der Folge der Vollstreckung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17.02.1998 eine ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung zu erteilen und die entsprechenden Abwicklungen auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ordnungsgemäß ausgefüllt einzutragen und zu unterschreiben. Zahlungsansprüche entstehen wechselseitig insoweit nicht.

5. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind die mit dem Rechtsstreit berührten Ansprüche mit dem Aktenzeichen 2 Ca 1016/97 Arbeitsgericht Gelsenkirchen = 8 Sa 644/98 Landesarbeitsgericht Hamm insgesamt erledigt. Aus dem Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.12.1998 wird weiter nicht vollstreckt. Zugleich erledigt sind sämtliche Ansprüche aus dem Rechtsstreit 2 (4) Ca 2831/97 sowie die Ansprüche zwischen den Parteien auch über den Zeitraum vom 30.06.1997 hinausgehend bis zum 31.10.1997 aus dem Arbeitsverhältnis.

Am 08.04.2002 hat der Kläger eine weitere Klage gegen die Beklagte bei dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen anhängig gemacht (4 Ca 778/02). In diesem Verfahren verlangt der Kläger als Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Beklagten insgesamt den Betrag von 501.737,03 EUR.

Mit Schriftsatz vom 14.02.2003 hat der Kläger die Anfechtung des Vergleichs vom 09.02.1999 wegen arglistiger Täuschung erklärt und beantragt, das Verfahren fortzusetzen.

Der Kläger hat hierzu behauptet,

die Beklagte habe durch die Vorlage gefälschter Bilanzdaten für das Geschäftsjahr 1996 einen Verlust in Höhe von 5,6 Mio. DM vorgetäuscht. In Wirklichkeit habe die Beklagte einen Gewinn in Höhe von 13,6 Mio. DM verzeichnet. Durch diese Bilanzfälschung habe die Beklagte die Rückforderung bereits erhaltener a-Konto-Zahlungen des Klägers bezweckt und darüber hinaus weitere dem Kläger zustehende Tantieme-Ansprüche vernichten wollen. Ferner habe die Beklagte wahrheitswidrig vorgetragen, dass aus der vom Kläger unterzeichneten Bürgschaftserklärung eine Inanspruchnahme der Beteiligungsgesellschaften G2xxxxxxxxxxx und D3xxxxx in Höhe von jeweils einer Mio. DM erfolgt sei.

Hätte er gewusst, dass anstelle eines Verlustes ein Gewinn erwirtschaftet worden sei, so hätte er die auf Abschluss des Vergleichs gerichtete Willenserklärung nicht abgegeben, sondern die Durchsetzung seiner Tantiemeforderungen weiter verfolgt.

Der Kläger hat weiter zuletzt beantragt,

dem Rechtsstreit Fortgang zu geben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger während des gesamten Verfahrens durchgehend von einer Manipulation der Geschäftsbilanzen ausgegangen sei. Insoweit könne der Kläger keinem Irrtum unterlegen sein. Entsprechend sei der Kläger auch stets davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme der Beteiligungsgesellschaften aus der Bürgschaftsverpflichtung nie erfolgt sei. Auch in dieser Hinsicht könne der Kläger eine Fehlvorstellung nicht schlüssig vortragen. Der Kläger sei somit nicht aufgrund eines Irrtums zum Vergleichsabschluss bestimmt worden.

Durch Urteil vom 17.06.2003 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 09.02.1999 rechtswirksam erledigt worden ist. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger auferlegt. Der Streitwert ist auf 128.003,04 EUR festgesetzt worden. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, eine arglistige Täuschung liege nicht vor, da der Kläger schon durch die behaupteten Fehlvorstellungen nicht zum Vergleichsabschluss bestimmt worden sei. Im Übrigen sei die Anfechtungsfrist abgelaufen.

Gegen dieses ihm am 28.07.2003 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 27.08.2003 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.10.2003 am 29.10.2003 begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.06.2003 - 2 (4) Ca 2831/97 - abzuändern und

1. festzustellen, dass der im Verfahren Arbeitsgericht Gelsenkirchen 2 (4) Ca 2831/97 am 09.02.1999 geschlossene Prozessvergleich rechtsunwirksam ist,

2. hilfsweise festzustellen, dass der in dem Verfahren Arbeitsgericht Gelsenkirchen 2 (4) Ca 2831/97 am 09.02.1999 geschlossene Prozessvergleich die von ihm im Verfahren Arbeitsgericht Gelsenkirchen 4 Ca 778/02 geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung nicht ausschließt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.06.2003 - 2 (4) Ca 2831/97 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Die Akten der Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien Arbeitsgericht Gelsenkirchen 2 Ca 1116/97 und 4 Ca 778/02 waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist schon mangels Beschwer des Klägers nicht zulässig.

1. Eine Berufung ist nur zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung eine Beschwer des Berufungsklägers enthält und wenn mit der Berufung gerade die Beseitigung dieser Beschwer oder eines Teils von ihr erstrebt wird (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., vor § 511 Rdnr. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., Grundz. vor § 511 Rdnr. 13).

Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen bisher nicht geltend gemachten Streitgegenstand zur Entscheidung stellt. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht allein Ziel des Rechtsmittels sein, vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel ein zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2003 - XII ZB 191/02 - NJW 2003, 2172; BGH, Urteil vom 14.02.2000 - VII ZR 362/01 - NJW-RR 2002, 1072; BGH, Urteil vom 06.05.1999 - IX ZR 250/98 - NJW 1999, 2118).

2. Mit den Berufungsanträgen hat der Kläger den in der Vorinstanz verfolgten und durch das arbeitsgerichtliche Urteil entschiedenen Streitgegenstand nicht angegriffen, sondern einen anderen neuen Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt.

Mit dem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens war Streitgegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zum Urteil vom 17.06.2003 weiterhin die durch die in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.1998 gestellten Anträge geltend gemachte Feststellung und die geltend gemachten Vergütungsansprüche, auch wenn zunächst die rechtliche Vorfrage zu prüfen war, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 09.02.1999 rechtswirksam beendet worden ist.

Der Streit darüber, ob ein Prozessvergleich unwirksam ist, ist - wie vorliegend geschehen - grundsätzlich in Fortführung des Ursprungsverfahrens auszutragen. Dies gilt auch dann, wenn es um die Frage geht, ob die von einer Vergleichspartei erklärte Anfechtung rückwirkend zur Unwirksamkeit des Vergleichs geführt hat (§ 142 Abs. 1 BGB). Maßgebend ist hierfür vor allem die Erwägung, dass ein nichtiger Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hat und daher einer neuen Klage, jedenfalls soweit mit ihr das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiter verfolgt werden soll, der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegenstehen würde (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29.07.1999 - III ZR 272/98 - NJW 1999, 2903).

Da der Streitgegenstand der mit der Berufung verfolgten Feststellungsanträge nicht identisch ist mit den Streitgegenständen, die durch das arbeitsgerichtliche Urteil entschieden worden sind, liegt eine Klageänderung vor. Dies ergibt sich auch aus der Begründung der Berufung. Die Angriffe der Berufung richten sich nicht gegen den Streitgegenstand des erstinstanzlichen Urteils. In der Berufungsbegründung stellt der Kläger klar, dass er die verbindliche Gerichtsentscheidung zu der Rechtsfrage sucht, ob er an der Verfolgung seiner Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung, die er in dem Rechtsstreit Arbeitsgericht Gelsenkirchen 4 Ca 778/02 verfolgt, durch den Vergleich vom 09.02.1999 gehindert ist.

II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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