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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 1664/05
Rechtsgebiete: KSchG, EFZG, GewO, BGB, BRTV-Bau


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 1
GewO § 106
BGB § 315 Abs. 3
BRTV-Bau § 7 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 29.06.2005 - 5 Ca 2790/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten sowie um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der am 18.03.1944 geborene, ledige Kläger ist seit dem 15.04.1986 als Maurer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von ca. 2.600,-- € im Betrieb der Beklagten in B2xxxx tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Der Kläger ist als Spezialbaufacharbeiter in die Lohngruppe 4 des Bundesrahmentarifvertrags eingruppiert. Er erbringt Maurerarbeiten im Rahmen der Errichtung neuer Bauvorhaben und bei Abbrucharbeiten und Reparaturarbeiten.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb ca. 60 Arbeitnehmer. Sie ist im Baugewerbe, im Dachdeckergewerbe und im Immobilienverwaltungsgewerbe tätig. In ihrem Baubetrieb beschäftigt sie ca. 20 Arbeitnehmer.

Im Juli und August 2004 litt der Kläger an einem Tennisarm und einer Knochenhautentzündung an beiden Armen, hauptsächlich am linken Arm. Er begab sich zunächst in medizinische Behandlung bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin S5xxxx. Dieser stellte am 23.07.2004 für den Zeitraum vom 23.07. bis 28.07.2004 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. In der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 81 d.A.) ist als Diagnose aufgeführt: "Epicondilitis rechts". Anschließend war der Kläger bei dem Facharzt für Orthopädie, Dr. med. R2xxxxxxxx, in Behandlung. Dieser stellte am 28.07.2004 für den Zeitraum 28.07. bis zum 04.08.2004 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. In der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 85 d. A.) ist als Diagnose aufgeführt: "M51.3G". Dieses Kürzel steht für "Rücken-Bandscheiben-Degeneration G = gesichert". Eine dritte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ebenfalls ausgestellt von Dr. med. R2xxxxxxxx, attestiert ein Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.08.2004. Sämtliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichte der Kläger bei der Beklagten ein.

Am 04.08.2004 erschien der Kläger bei der Beklagten. Er sprach mit dem Geschäftsführer der Beklagten über die Übernahme einer anderen Tätigkeit für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit. Der genaue Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. In dem Zeitraum 05.08.2004 bis 11.08.2004 arbeitete der Kläger im Lager der Beklagten. Welche Tätigkeiten der Kläger in diesem Zeitraum konkret durchführte, ist zwischen den Parteien streitig. Auf dem Arbeitsplatz im Lager beschäftigt die Beklagte üblicherweise einen Platzmeister, der gelernter Dachdecker und Facharbeiter ist. Der Platzmeister war im streitigen Zeitraum urlaubsabwesend.

Am 11.08.2004 suchte der Kläger Dr. med. R2xxxxxxxx auf. Er teilte ihm mit, dass er wieder arbeiten würde. Dr. med. R2xxxxxxxx erklärte dem Kläger, dass er aus medizinischen Gründen nicht arbeiten dürfe. Der Kläger teilte dies dem Geschäftsführer der Beklagten mit. Dieser führte ein Telefonat mit Dr. med. R2xxxxxxxx. Eine Klärung, ob und wenn ja mit welchen Aufgaben der Kläger beschäftigt werden dürfe, erfolgte in diesem Rahmen nicht.

Mit Schreiben vom 12.08.2004 (Bl. 23 d.A.) teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, dass der Kläger aufgrund der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit weder in der Lage, noch verpflichtet sei, Arbeiten in welcher Form auch immer auszuführen. Er sei bereits aus versicherungstechnischen Gründen verpflichtet, der Arbeit fernzubleiben, andernfalls verlöre er den Versicherungsschutz. Der Kläger werde die Aufnahme von Arbeiten jeglicher Art verweigern.

Mit Schreiben vom 13.08.2004 (Bl. 58 d.A.) teilte die Beklagte der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sie das Fernbleiben des Klägers ab Donnerstag, den 12.08.2004 als Arbeitsverweigerung auffasse. Hierfür spreche sie ausdrücklich eine Abmahnung aus. Im Wiederholungsfall werde das Arbeitsverhältnis gekündigt.

Mit Schreiben vom 16.08.2004 (Blatt 57 d. A.) sprach die Beklagte gegenüber der Prozessbevollmächtigten des Klägers eine weitere Abmahnung aus, da der Kläger auch am 16.08.2004 seine Arbeit nicht aufgenommen habe. Sie forderte den Kläger unter Kündigungsandrohung zur umgehenden Arbeitsaufnahme auf.

Die Beklagte leistete für den Zeitraum vom 12.08.2004 bis 18.08.2004 keine Entgeltfortzahlung an den Kläger.

Am 19.08.2004 nahm der Kläger seine Arbeit bei der Beklagten auf einer Baustelle als Maurer wieder auf.

Mit Schreiben vom 19.08.2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

"Sehr geehrte Herren,

anliegend überreichen wir Ihnen die Kopien der Schreiben an Herrn K1xx, an die Anwälte des Herrn K1xx und die Schreiben der Anwälte.

Aus den vorgenannten Briefen ist ersichtlich, dass wir Herrn K1xx mehrfach zur Arbeitsaufnahme am Lager (Leichtarbeitsplatz) aufgefordert haben und diesbezüglich Herrn K1xx auch mehrfach abgemahnt haben mit Androhung einer Kündigung."

Mit Schreiben vom 25.08.2004 (Blatt 28 d. A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, er habe beschlossen, der beabsichtigten Kündigung zu widersprechen.

Mit Schreiben vom 15.09.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2005.

Gegen die Kündigung hat sich der Kläger mit der vorliegenden, am 27.09.2004 erhobenen Kündigungsschutzklage gewehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er sei nicht verpflichtet gewesen, während seiner Arbeitsunfähigkeit als Platzmeister zu arbeiten. Er behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm diese Tätigkeit einseitig zugewiesen. Hierzu sei er nicht berechtigt. Er habe während seiner Tätigkeit im Lager zwei Anrufe entgegengenommen, 15 Stunden Materialzählungen durchgeführt und im Übrigen ohne Beschäftigung herumgesessen. Die Übernahme der Tätigkeit für einen Zeitraum von 4 Tagen ändere die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht.

Der Kläger bestreitet weiter eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung. Der Betriebsrat sei in dem Schreiben vom 19.08.2004 nicht darauf hingewiesen worden, dass er in dem fraglichen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen sei. Dem Betriebsrat seien nicht sämtliche Unterlagen und der Schriftwechsel zwischen den Parteien zur Verfügung gestellt worden.

Die Beklagte schulde Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 12.08.2004 bis 18.08.2004.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15.09.2004 zum 31.03.2005 nicht beendet worden ist und

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 591,20 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe mit ihrem Geschäftsführer am 04.08.2004 ausdrücklich vereinbart, dass er ab 05.08.2004 als Platz- und Lagermeister arbeiten soll. Der Kläger sei nach dem 04.08.2004 nicht arbeitsunfähig krank gewesen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei trotz mehrfacher Abmahnungen unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Sie sei befugt gewesen, dem Kläger die Tätigkeiten auf dem Lager auch im Rahmen ihres Weisungsrechtes zuzuweisen. Auf dieser Position könne nur ein Facharbeiter eingesetzt werden. Nur dieser kenne sich mit den Begrifflichkeiten des Gewerbes aus. Nur ein Arbeitnehmer mit Fachkenntnissen könne den Anfragen der Baustellen unverzüglich nachkommen, Kommissionierungen und Inventarisierungen vornehmen und Anlieferungen entgegennehmen. Nach § 7 Ziffer 1 BRTV könne der Arbeitnehmer ohnehin auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden. Die Gesundheit des Klägers und der Heilungsprozess seien auf dem zugewiesenen Arbeitsplatz nicht gefährdet gewesen.

Durch Urteil vom 29.06.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 8.391,20 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe keine Arbeitsverweigerung begangen. Die Zuweisung der Lagertätigkeiten sei nicht durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen. Der Kläger habe nach der attestierten Arbeitsunfähigkeit davon ausgehen dürfen, nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein. Im Übrigen sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Der Kläger habe das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 12.08. bis 18.08.2004 durch die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. R2xxxxxxxx nachgewiesen.

Gegen dieses ihm am 29.07.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 22.08.2005 Berufung eingelegt und diese am 29.09.2005 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Sie stützt sich im Wesentlichen auch weiterhin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 29.06.2005 - 5 Ca 2790/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 29.06.2005 - 5 Ca 2790/04 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

I Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.09.2004 nicht aufgelöst worden, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

Die Kündigung vom 15.09.2004 ist nicht sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 und 2 KSchG).

1. Das Kündigungsschutzgesetz kommt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG). Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung vom1 5.09.2004 nicht durch das Verhalten des Klägers bedingt.

a) In der Regel ist eine nachhaltige, rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung an sich als Grund für eine außerordentliche oder für eine ordentliche Kündigung geeignet.

aa) Aufgrund seines Weisungsrechtes nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einseitig bestimmte Arbeiten unter Beachtung billigem Ermessens gemäß § 315 Abs. 3 BGB zuweisen, soweit das Weisungsrecht nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt ist (vgl. BAG, Urteil vom 11.10.1995 - 5 AZR 1009/94 - NZA 1997, 623; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - 2 AZR 357/95 - NZA 1997, 487; BAG, Urteil vom 11.02.1998 - 5 AZR 472/97 - NZA 1998, 647; BAG, Urteil vom 05.04.2001 - 2 AZR 580/99 - NZA 2001, 893).

Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Falle der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. Danach setzt die beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt, vielmehr muss eine intensive Weigerung vorliegen. Das Moment der Beharrlichkeit kann allerdings schon darin zu sehen sein, dass der Arbeitgeber in einem einmaligen Fall eine Anweisung nicht befolgt. Das muss dann aber z. B. durch eine vorhergehende erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden.

bb) Eine ordentliche Kündigung anstelle einer fristlosen Kündigung kommt im Rahmen der Arbeitsverweigerung insbesondere dann in Betracht, wenn es an der für eine sogenannte beharrliche Arbeitsverweigerung typische Nachhaltigkeit im Willen des Arbeitnehmers fehlt. Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn dieser trotz eines gegenteiligen Hinweises des Arbeitgebers rechtsirrtümlich davon ausgeht, zu einer bestimmten Arbeit nicht verpflichtet zu sein, oder wenn er sich über die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechtes irrt (vgl. z.B. LAG Niedersachsen, Urteil vom 08.12.2003 - 5 Sa 1071/03 - MDR 2004, 759).

cc) Im Falle des Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Tätigkeit verweigern. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer wegen der Schwere der Erkrankung seiner Tätigkeit objektiv nicht oder nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit kommt es entscheidend auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit an (vgl. BAG, Urteil vom 25.06.1981 - 6 AZR 940/78 - BB 1982, 805; BAG, Urteil vom 29.01.1992, AP SGB V, § 74 Nr. 1; Reinecke, DB 1998, 130, 133; Stückmann, NZS 1994, 529).

Kann der Arbeitnehmer krankheitsbedingt die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen, wohl aber noch andere Tätigkeiten, darf ihn der Arbeitgeber grundsätzlich die anderen leidensgerechten Tätigkeiten zuweisen, sofern dies durch sein Direktionsrecht gedeckt ist. Ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, die vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen einer Erkrankung auszuüben, so können die Parteien des Arbeitsvertrages für die Dauer der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eine andere leidensgerechte Tätigkeit vereinbaren (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 20.07.1988 - 1 Sa 729/88 - LAGE Nr. 21 zu § 1 LohnFG).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte der Beklagte dem Kläger ab 05.08.2004 nicht die im Lager auszuübenden Tätigkeiten einseitig zuweisen.

Der Kläger war nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht verpflichtet, während seiner Arbeitsunfähigkeit die anderen zugewiesenen Tätigkeiten auszuüben. Er hat keine Arbeitsverweigerung begangen.

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es dem Kläger aufgrund der Erkrankung nicht möglich war, die vertraglich geschuldete Tätigkeit als Maurer auszuüben.

bb) Die Zuweisung der Tätigkeiten im Lager waren nicht durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien war die geschuldete Tätigkeit des Klägers als Spezialfacharbeiter Maurertätigkeiten auszuüben. Diese Tätigkeit hat der Kläger auch in der Vergangenheit durchgeführt.

Bei den ihm zugewiesenen Lagertätigkeiten handelte es sich um andere Tätigkeiten als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit. Die einseitige Zuweisung dieser Tätigkeiten war nach dem Arbeitsvertrag nicht möglich. Es handelt sich bei dieser Tätigkeit um keine Maurertätigkeit, auch wenn die Beklagte für diese Tätigkeiten regelmäßig Spezialfacharbeiter einsetzt. Es kommt auf die Art der geschuldeten Tätigkeit an. Dass die Tätigkeiten derselben tariflichen Vergütungsgruppe zuzuordnen sind, rechtfertigt keine Zuweisung der Tätigkeiten im Rahmen des Direktionsrechtes. Eine Zuweisung ist nur dann möglich, wenn eine entsprechende vertragliche Abänderungsvereinbarung getroffen worden ist bzw. nach Ausspruch einer Änderungskündigung.

cc) Die Befugnis der Beklagten, dem Kläger vorübergehend eine andere als die vertraglich geschuldete Tätigkeit zuweisen zu können, ergibt sich auch nicht aus § 7 BRTV-Bau.

Nach § 7 Nr. 1 BRTV-Bau kann der Arbeitnehmer auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden, auch auf solche, die er von seiner Wohnung aus nicht an jedem Arbeitstag erreichen kann. Aus § 7 BRTV-Bau folgt lediglich eine Erweiterung des Direktionsrechtes in Bezug auf den Ort der Arbeitsleistung, nicht aber auf den geschuldeten Inhalt der Arbeitsleistung (vgl. Karthaus/Müller, BRTV-Bau, 5. Aufl., § 7 Anm. Nr. 1).

c) Soweit die Beklagte behauptet, die Parteien hätten sich am 04.08.2004 darauf geeinigt, dass der Kläger für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit die Tätigkeiten des Platz- oder Lagermeisters ausüben solle, so hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz für diese Behauptung keinen Beweis angetreten.

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine solche Vereinbarung nicht durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen.

Allein die Tatsache, dass der Kläger in der Zeit vom 05. bis 11.08.2004 die Tätigkeiten im Lager ausgeübt hat, lässt sich nicht schließen, dass er auch mit der Änderung der Arbeitsbedingungen einverstanden war. Aus der Sicht des Empfängers konnte die Beklagte dieses Verhalten nur so auslegen, dass der Kläger ihrer Anweisung folgte.

e) Andere Kündigungsgründe liegen nicht vor. Tatsachen dafür, dass der Kläger eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat, sind nicht ersichtlich.

3. Da die Kündigung vom 15.09.2004 sozialwidrig ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden ist, insbesondere auch vollständig über die Kündigungsgründe informiert worden ist.

II. Dem Kläger steht weiter gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EFZG der begehrte Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 12.08.2004 bis zum 18.08.2004 zu.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzungen sind nachgewiesen.

1. Der Arbeitnehmer hat die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.11.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 370; BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - NZA 1997, 652).

a) In der Regel führt der Arbeitnehmer diesen Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber, wie auch vor dem Gericht, durch die Vorlage einer förmlichen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweis für das Vorliegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erwiesen ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche ärztliche Bescheinigung vorlegt (BAG, Urteil vom 19.02.1997, aaO.).

b) Bestreitet der Arbeitgeber trotz der vorgelegten ordnungsgemäß erteilten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, so muss er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Eine Erschütterung liegt dann vor, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden durch Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch das Verhalten des Arbeitnehmers während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

2. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle durch die Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes Dr. R2xxxxxxxx nachgewiesen.

Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 12.08. bis 18.08.2004 hat die Beklagte schon keine Tatsachen vorgetragen, die den Beweiswert der von dem Arzt Dr. R2xxxxxxxx ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttern könnten. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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