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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 1837/05
Rechtsgebiete: EFZG, BGB


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611 Abs. 1
Die Parteien dürfen bei der Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs dem Wortlaut nicht einfach den für sie günstigsten Sinn beilegen. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert. Insbesondere hat der objektive Sinn des Wortlauts eines gerichtlichen Vergleichs dann besondere Bedeutung, wenn die Vereinbarung von keiner der Parteien, sondern von dem Gericht vorgeschlagen worden ist.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.08.2005 - 2 (5) Ca 415/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche für die Zeit der Kündigungsfrist.

Die am 27.08.1972 geborene, verheiratete Klägerin ist vier Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Sie war in der Zeit vom 03.06.1992 bis zum 31.01.2005 bei der Beklagten als Kassiererin/Verkäuferin tätig. Ihre Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.421,79 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien am 03.06.1992 geschlossene Arbeitsvertrag.

In einem Gespräch am 11.10.2004 warf die Beklagte der Klägerin den Missbrauch von Treuekarten vor.

Aus diesem Grund erfolgte auch die Kündigung vom 13.10.2004 fristlos, hilfsweise zum 31.01.2005 .

In dem sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien Arbeitsgericht Bielefeld 2 Ca 3482/04 schlossen die Parteien am 09.12.2004 auf Vorschlag des Gerichts folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 13.12.2004 aus betrieblichen Gründen mit dem Ablauf des 31.01.2005 beendet wird.

2. Für den Fall, dass die Klägerin im Laufe der Kündigungsfrist ihre Arbeitsfähigkeit wieder erlangt, stellt die Beklagte die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Vergütung unter Anrechnung auf offene Resturlaubs- und sonstige Freizeitausgleichansprüche frei.

3. Das Arbeitsverhältnis wird für die Zeit vom 13.10.2004 - 31.01.2005 unter Beachtung der bestehenden arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen ordnungsgemäß abgewickelt.

4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

5. Die Parteien behalten sich den Widerruf vorstehenden Vergleichs durch schriftliche Anzeige zu Gericht bis zum 23.12.2004 vor.

Die Parteien machten von dem ihnen eingeräumten Widerrufsrecht keinen Gebrauch.

Die Klägerin war in der Zeit vom 13.10.2004 bis zum 16.12.2004 arbeitsunfähig krank. Es handelte sich um eine Fortsetzungserkrankung. Die Beklagte war für diesen Zeitraum nicht entgeltfortzahlungspflichtig, da die Sechs-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG schon abgelaufen war zu diesem Zeitpunkt.

Die Beklagte zahlte für die Zeit vom 14.10.2004 bis zum 16.12.2004 an die Klägerin keine Vergütung.

Hinsichtlich dieses noch im Berufungsverfahren anhängigen Vergütungsanspruchs ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte die unabhängig von der Frage der Arbeitsfähigkeit den Arbeitslohn bis zum 31.01.2005 bezahlten muss. Sie behauptet, dass in der mündlichen Verhandlung eindeutig zwischen den Parteien besprochen worden sei, dass die Beklagte ihr den Arbeitslohn bis zum 31.01.2005 bezahlen werde und zwar unabhängig davon, ob sie nun arbeitsfähig oder arbeitsunfähig sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihr Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 14.10.2004 - 16.12.2004 zu erteilen;

2. ihr das sich aus den Gehaltsabrechnungen zu Ziffer 1) ergebende Nettogehalt zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht zur Vergütungszahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet zu sein. Eine Entgeltfortzahlungspflicht nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes bestehe nicht. Sie habe sich im Gütetermin im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss nicht bereit erklärt, das Gehalt bis zum 31.01.2005 unabhängig von der Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu zahlen.

Durch Urteil vom 09.08.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat es auf 2.938,36 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, durch die Vereinbarung in Ziffer 2 und 3 des Vergleichs vom 09.12.2004 sei kein über die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes hinausgehender Vergütungsanspruch für die Klägerin begründet worden. Bei der Auslegung des Vergleiches komme es auf den objektiven Erklärungswert des Vergleichswortlautes an, nicht auf subjektive Auffassungen der Parteien.

Gegen diese ihr am 26.08.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Entscheidung hat die Klägerin am 21.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 05.10.2005 begründet.

Die Klägerin greift die arbeitsgerichtliche Entscheidung insgesamt an maßgeblich unter Stützung auf ihre erstinstanzlichen Behauptungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.08.2005 - 2 (5) Ca 415/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen

1. ihr Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 14.10.2004 - 16.12.2004 zu erteilen;

2. ihr das sich aus den Gehaltsabrechnungen zu Ziffer 1) ergebende Nettogehalt zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.08.2005 - 2 (5) Ca 415/05 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akte des Kündigungsschutzrechtsstreits zwischen den Parteien Arbeitsgericht Bielefeld - 2 Ca 3482/04 - war zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der begehrte Abrechnungs- und Vergütungsanspruch für die Zeit vom 14.10.2004 bis zum 16.12.2004 nicht zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

1. Die Klägerin kann den Vergütungsanspruch nicht auf §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG stützen.

In der Zeit vom 14.10.2004 bis 16.12.2004 war die Klägerin zwar arbeitsunfähig krank. Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten bestand aber in diesem Zeitraum nicht mehr, da die Sechs-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG am 14.10.2004 schon abgelaufen war.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr ein Vergütungsanspruch auch nicht gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vereinbarungen in Ziffer 2 und 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 09.12.2004 zu.

In Ziffer 3 des Vergleichs haben die Parteien vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 13.10.2004 bis zum 31.01.2005 unter Beachtung der bestehenden arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen ordnungsgemäß abgewickelt wird (von der Beklagten). Da die Klägerin in der Zeit vom 13.10. bis zum 16.12.2004 arbeitsunfähig krank war, so auch zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, und anschließend in der Zeit vom 17.12.2004 bis zum 31.01.2005 arbeitsfähig, aber freigestellt sein sollte, ist in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht durch Auslegung zu ermitteln, welcher Vergütungsanspruch im Rahmen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte erfüllt werden sollte.

a) Nach §§ 133, 157 BGB ist ein Vergleich so auszulegen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gebieten. Zugrunde zu legen ist der wirkliche Wille der Parteien (§ 133 BGB), wie er im Vergleichstext zum Ausdruck kommt, unter Berücksichtigung der Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung. Die Parteien dürfen der Erklärung allerdings nicht einfach den für sie günstigsten Sinn beilegen. Entscheidend ist im Ergebnis der objektive Erklärungswert. Insbesondere hat der objektive Sinn des Wortlauts eines Vergleichs dann besondere Bedeutung, wenn die Vereinbarung von keiner der Parteien, sondern von dem Gericht vorgeschlagen wird. Die Äußerungen des Gerichts sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 16.01.2003 - 2 AZR 316/01 - AP Nr. 2 zu § 57 ArbGG 1979; Palandt, BGB, 65. Aufl., § 133 Rdnr. 9; BAG, Urteil vom 29.09.2004 - 5 AZR 99/04 - NZA 2005, 104).

b) Hiernach ist die Vereinbarung in Ziffer 3 nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, auch wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass durch diese Vereinbarung ein Vergütungsanspruch zu ihren Gunsten für die Zeit vom 13.10.2004 bis zum 31.01.2005 begründet werden sollte.

aa) Der Wortlaut des Vergleichs selbst ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Wortlaut ist vorgespielt und von der Klägerin genehmigt worden.

bb) Nach der objektiven Auslegung des Wortlauts ist lediglich die Verpflichtung der Beklagten begründet worden, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzuwickeln.

Abwickeln bedeutet nicht, dass neue Ansprüche durch diese Vereinbarung geschaffen werden sollten, sondern dass nach den arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen entstandene bzw. noch entstehende Ansprüche von der Beklagten abgerechnet und ausgezahlt werden sollten. Wie das Arbeitsgericht auch zutreffend gesehen hat, sollten durch diese Vereinbarung keine neuen über die arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen hinaus gehende Ansprüche begründet werden.

cc) Dies wird umso deutlicher durch die Regelung in Ziffer 2 des Vergleichs. Ziffer 2 des Vergleichs begründet einen eigenständigen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung jedoch nur für den Fall, dass die Klägerin im Laufe der Kündigungsfrist ihre Arbeitsfähigkeit wieder erlangt. Diese Bedingung ist ab 17.12.2004 eingetreten und insoweit auch durch diese Vereinbarung in Ziffer 2 ein Vergütungsanspruch für die Zeit vom 17.12.2004 bis zum 31.01.2005 geschaffen worden.

dd) In Ziffer 2 des Vergleichs ist jedoch offen gelassen worden, ob der Klägerin für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit Ansprüche zustehen. Diese Frage war unter Zugrundelegung der bestehenden arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen zu klären. Wie das Arbeitsgericht auch im Einzelnen dargelegt hat, sollte durch die Vereinbarung der langen Widerrufsfrist der Klägerin Gelegenheit gegeben werden, unter Einschaltung der Krankenkasse zu klären, ob nicht doch Ansprüche gegen die Krankenkasse für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bestehen.

Ansprüche gegen die Beklagte bestanden nach den arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Bestimmungen nicht, wie oben unter Ziff. 2 a) dargelegt worden ist.

c) Da es für einen durch Vergleich begründeten Anspruch der Klägerin auf den objektiven Erklärungswert des Vergleichswortlauts ankam, erübrigt sich die Durchführung der Beweisaufnahme.

3. Falls die Klägerin sich geirrt hat, stand es ihr frei, den Vergleich anzufechten. Eine Anfechtung ist innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erfolgt.

II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Ende der Entscheidung

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