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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 1869/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 16.08.2005 - 3 Ca 273/05 O - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.02.2005 nicht zum 11.02.2005 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz trägt der Kläger 6/7, die Beklagte 1/7. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu tragen.

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren streiten die Parteien noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung, um Weiterbeschäftigung sowie um die Rücknahme einer Ermahnung und weiterer Abmahnungen.

Der Kläger ist am 21.01.1971 geboren, verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist türkischer Staatsangehöriger. Seit dem 04.10.1994 ist er bei der Beklagten, die ca. 700 Mitarbeiter beschäftigt, als Anlagenbediener in der Imprägnierung, zuletzt auch als stellvertretender Schichtführer aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.10.1995 (Bl. 11 ff.d.A.) tätig. Er erzielte zuletzt einschließlich Sonderzahlungen einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von durchschnittlich 3.800,00 €.

In der Vergangenheit erhielt der Kläger von der Beklagten eine schriftliche Ermahnung sowie weitere schriftliche Abmahnungen; ob sie berechtigterweise erteilt worden sind, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 09.02.2002 war der Kläger in der Frühschicht von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr tätig. Gegen 9.30 Uhr verließ er nach einer Mitteilung an seine Schichtkollegen ohne weitere Abmeldung bei seinen Vorgesetzten seinen Arbeitsplatz, um Möbel mit einem vorher bestellten Leihwagen abzuholen.

Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 19.02.2002 (Bl. 44 d.A.) eine Abmahnung. In dieser Abmahnung heißt es u.a.:

"Sie haben durch Ihr Verhalten gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Wir raten Ihnen dringend, weitere Verstöße gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu vermeiden, denn dadurch gefährden Sie den Fortbestand Ihres Arbeitsverhältnisses."

Mit Schreiben vom 03.04.2002 (Bl. 130 d.A.) nahm der Kläger zu der erteilten Abmahnung vom 19.02.2002 Stellung. Das Schreiben des Klägers vom 03.04.2002 nahm die Beklagte zu den Personalakten.

Am 13.01.2005 war der Kläger nach der im Betrieb der Beklagten existierenden elektronischen Zeiterfassung von 13.42 Uhr bis 14.31 Uhr im Unternehmen der Beklagten. Auf dem Original des Stundensammelbelegs für den 13.01.2005 - im Betrieb werden hinsichtlich der von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden Stundensammelbelege geführt, die aus Original und Durchschriften bestehen - war eine Arbeitszeit für den Kläger nicht vermerkt. Das Original des Belegs für den 13.01.2005 war vom Schichtleiter J1xxxxx unterzeichnet. Auf einer Durchschrift des Sammelbelegs für den 13.01.2005 war jedoch beim Kläger eine Arbeitszeit von 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr angegeben. Auf weiter geführten Abschriften des Sammelbelegs war sodann eine Freischicht mit Abkürzung "F" eingetragen. Im Anschluss an ein mit dem Kläger geführten Personalgespräch vom 24.01.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 31.01.2005 eine Ermahnung (Bl. 45 f.d.A.).

In der Nacht vom 24. auf den 25.01.2005 war der Kläger in der Nachtschicht tätig. Im Betrieb der Beklagten existiert eine Haspel, eine Vorrichtung, in welche Papierrollen eingehängt werden. Damit die Haspel nicht durch andere Geräte beschädigt wird, ist sie durch einen Anfahrschutz geschützt. In der Nachtschicht vom 24./25.01.2005 beschädigte der Kläger den Anfahrschutz dieser Haspel bei der Bedienung des Rollenstaplers. Der Kläger meldete diesen Vorfall nicht bei der Beklagten.

Am 29.01.2005 wurde der Kläger vom Produktionsleiter H3xxxxxxxx auf diesen Vorfall angesprochen. Dabei erwiderte der Kläger, dass eine solche Beschädigung doch jedem passieren könne.

Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 31.01.2005 (Bl. 47 f.d.A.) folgende Abmahnung:

"Am 25.01.2005, während der Frühschicht, stellte Herr H3xxxxxxxx, Produktionsleiter der Imprägnierung fest, dass an der Imprägnieranlage 2 der Anfahrschutz der Haspel beschädigt war. Es lag keine Meldung vor, wem diese Beschädigung unterlaufen war, die zur Frühschicht anwesenden Mitarbeiter konnten dazu auch nichts sagen. Auf Befragen der Nachtschicht stellte sich heraus, dass Sie Verursacher des Schadens waren, bestätigt wurde diese Tatsache durch den diensthabenden Schichtleiter der Nachtschicht, Herrn O2xxxx.

Herr H3xxxxxxxx sprach Sie am 29.01.2005, Sie hatten Frühschicht, auf diesen Vorfall an; zuvor hatte bereits der Schichtleiter, Herr H4xxxxxx, Sie angesprochen. Ihm gegenüber und auch gegenüber Herrn H3xxxxxxxx stellen Sie fest, dass "das doch jedem passieren könne;" mit anderen Worten, Sie legten dem Vorfall keinerlei Gewicht bei.

Sie verfügen aufgrund Ihrer langen Betriebszugehörigkeit über ausreichende Erfahrungen im Umgang mit dem Stapler, sodass wir Ihre Erklärung "dass das jedem passieren kann" nicht akzeptieren.

Abgesehen davon, dass bei sorgfältiger Fahrweise mit dem Stapler dieser Schaden nicht hätte verursacht werden müssen, mahnen wir Ihre grundsätzliche Einstellung zu diesem Vorfall ab und vor allen Dingen auch die Tatsache, dass Sie es nicht für nötig gehalten haben, diesen Vorfall offiziell zu melden.

Die Instandsetzung des Anfahrschutzes wird ca. € 1.000,-- kosten.

Von den Beschädigungen haben wir Fotos erstellt, die wir mit dieser Abmahnung in Ihre Personalakte nehmen.

Wir raten Ihnen dringend, sich zukünftig korrekt zu verhalten und Verstöße gegen Ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu vermeiden; weitere Verstöße führen unweigerlich zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Mittlerweile haben Sie eine Ermahnung in Ihrer Personalakte und dies ist schon die 2. Abmahnung."

Bei der Beklagten existiert für die Mitarbeiter der Imprägnierung eine schriftliche Arbeitsanweisung vom 16.11.2004 (Bl. 140 d.A.), nach der die Bediener der Rollenvorbereitung zu arbeiten haben. Inhalt dieser Arbeitsanweisung ist u.a., dass Rollen erst dann im Relag gebucht werden, wenn sie aus der Haspel genommen werden. Unter dem 25.01.2005 wurde nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass Rollen nach wie vor zu früh gebucht werden, obwohl sie noch "in Produktion sind" (Bl. 139 d.A.).

Am 29.01.2005 löschte der Kläger entgegen der Anweisung vom 16.11.2004 eine Rolle bereits um 8.20 Uhr im Relag-Datensystem, obwohl die Rolle noch bis 8.39 Uhr in der Haspel weiter lief.

Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.02.2005 (Bl. 49 f.d.A.) eine weitere Abmahnung. In dieser Abmahnung heißt es u.a.:

"Am 29.01.2005 hatten Sie Frühschicht. Sie löschten um 8.20 Uhr eine Rolle aus dem Relag, obwohl der Auftrag zu dieser Zeit noch nicht beendet war, er lief noch bis 8.39 Uhr. Herr H3xxxxxxxx sprach Sie, im Beisein Ihres Schichtleiters, Herrn H4xxxxxx, auf Ihr Fehlverhalten an. Als Antwort kam von Ihnen "es ist doch egal, wann ich sie lösche, da sie eh komplett verbraucht wird".

Herr H3xxxxxxxx wies Sie darauf hin, dass er Ihre Arbeitsauffassung nicht duldet und dass Sie aufgrund dieses Fehlverhaltens eine erneute Abmahnung bekommen - Ihre Reaktion darauf war "ist nicht schlimm und ist mir auch egal".

Mit Hinweis auf die Abmahnung vom 31.01.2005 ist durch dieses Ihr erneutes Fehlverhalten das Maß nahezu voll. Bei einem weiteren Fehlverhalten/Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen werden wir Ihnen die Kündigung des zwischen uns bestehenden Arbeitsverhältnisses aussprechen."

Bereits am 03.01.2005 hatte sich der Kläger zur Ableistung einer sogenannten "Füllschicht" für Sonntag, den 06.02.2005, eingetragen (Bl. 51 d.A.). Die Einzelheiten der Behandlung von/oder "Vertretungsschichten" regelt eine Betriebsvereinbarung vom 17.02.2003 (Bl. 217 f.d.A.).

Der Kläger verabsäumte es, am Sonntag, den 06.02.2005 zu der Füllschicht zu erscheinen. Als er am 07./08.02.2005 vom Schichtleiter auf sein Fehlen in der Frühschicht vom 06.02.2005 angesprochen wurde, gab er zur Begründung lediglich an, dass er nicht daran gedacht habe, dass er sich für die Frühschicht am 06.02.2005 eingetragen habe.

Mit Schreiben vom 09.02.2005 (Bl. 52 ff., 56 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebrat zu einer beabsichtigten fristlosen sowie hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an.

Mit Schreiben vom 10.02.2005 (Bl. 52, 55 d.A.) erhob der Betriebrat gegen die fristlose Kündigung Bedenken, weil er der Meinung war, dass die Schwere der in den Abmahnungen genannten Vergehen eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen könne. Der beabsichtigten ordentlichen Kündigung widersprach der Betriebrat mit Schreiben vom 14.02.2005 (Bl. 56, 57 d.A.) "gemäß § 102 Abs. 3 Satz 3 Ziff. 3".

Mit Schreiben vom 11.02.2005 (Bl. 14 d.A.), dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sodann fristlos. Mit einem weiteren Schreiben vom 14.02.2005 (Bl. 15 d.A.), dem Kläger zugegangen am 15.02.2005, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.06.2005.

Mit Schreiben vom 15.02.2005 (Bl. 22 d.A.) machte der Kläger unter Berufung auf den Widerspruch des Betriebsrats seine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend. Die Beklagte lehnte das Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers mit Schreiben vom 21.02.2005 (Bl. 59 d.A.) ab.

Mit der am 04.03.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte der Kläger zunächst die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 11. und 14.02.2005 den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 11.02.2005 und 30.06.2005 hinaus, seine Weiterbeschäftigung als stellvertretender Schichtleiter und S5xxxxxx und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses geltend. Ferner verlangte er die Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005 sowie der Abmahnungen vom 19.02.2002, vom 31.01.2005 und vom 01.02.2005. Schließlich hat er die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 42.000,00 € verlangt.

Der Kläger hat die Kündigungen vom 11. und 14.02.2005 für unwirksam gehalten und hierzu die Auffassung vertreten, die Beklagte habe seit Anfang des Jahres 2005 nahezu täglich einen Weg gesucht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Schon die enge zeitliche Abfolge von Ermahnung, Abmahnungen und Kündigungen zeige, dass es die Beklagte geradezu mutwillig darauf angelegt habe, den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis zu entfernen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die ihm erteilte Ermahnung sowie die Abmahnungen jeweils zu Unrecht erfolgt seien.

Dies gelte bereits für die Abmahnung vom 19.02.2002. Insoweit hat er behauptet, dass er davon ausgegangen sei, dass es ausreichend sei, seinen Stellvertreter über das Entfernen vom Arbeitsplatz zu informieren. Im Übrigen sei genügend Personal vorhanden gewesen. Die Anlage, an der er eingesetzt gewesen sei, sei überbesetzt gewesen. Darüber hinaus habe er zu jenem Zeitpunkt bereits Mehrarbeit geleistet. Die Abmahnung sei aus diesem Grunde in jedem Falle unverhältnismäßig gewesen.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, dass auch die Ermahnung vom 31.01.2002 aus der Personalakte zu entfernen sei. Bereits aus der Ermahnung selbst ergebe sich, dass die Beklagte sich nicht sicher sei, ob überhaupt ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten vorgelegen habe. Manipulationen an den Stundensammelbelegen könnten dem Kläger jedenfalls nicht vorgeworfen werden. Im Übrigen hätten sowohl der Produktionsleiter als auch seine anderen Mitarbeiter mitbekommen, dass der Kläger das Werk verlassen habe. Alle Mitarbeiter seien darüber informiert worden, dass der Kläger nicht mehr im Werk sein würde.

Auch die Abmahnung vom 31.01.2005 sei aus der Personalakte zu entfernen. Seine Einschätzung, dass eine Beschädigung des Anfahrschutzes der Haspel jedem Mitarbeiter einmal passieren könne, sei nach wie vor zutreffend. Insoweit handele es sich bei seiner Tätigkeit um eine gefahrgeneigte Tätigkeit. Im Übrigen sei die Reparatur des Anfahrschutzes erst mehr als zwei Monate nach der Beschädigung erfolgt. Eine Produktionsbeeinträchtigung sei mit dem Vorfall vom 24./25.01.2005 nicht einher gegangen. Da lediglich ein Blech nur wenige Zentimeter eingedrückt worden sei, seien die Schadensbeseitigungskosten von der Beklagten mit 1.000,00 € auch viel zu hoch gegriffen. Der Kläger habe den Vorfall auch nicht verheimlicht. Die komplette Schicht, der der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles angehört habe, habe den Unfall mitbekommen. Er, der Kläger, sei seinerzeit davon ausgegangen, dass der Schichtführer den Vorfall melden würde.

Schließlich sei auch die Abmahnung vom 01.02.2005 zu Unrecht erfolgt. Eine mündliche Anweisung, so hat der Kläger behauptet, habe er nicht erhalten. Die vorzeitige Buchung habe er deshalb vorgenommen, weil er sich noch um eine weitere Anlage habe kümmern müssen. Insgesamt handele es sich nicht um eine Fehlbuchung, ein Schaden sei der Beklagten nicht entstanden.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, dass auch sein Fernbleiben in der Füllschicht vom 06.02.2005 weder die außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Der Kläger habe lediglich die Teilnahme an dieser Schicht vergessen. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger darauf, dass nach seiner Einschätzung die Schicht vom 06.02.2005 gleichwohl ausreichend besetzt gewesen sei. Auch in der Vergangenheit seien vier bis sechs Mitarbeiter pro Schicht ausreichend gewesen, ohne dass es zu Produktionseinschränkungen gekommen wäre. Sein Verhalten vom 06.02.2005 habe mit einer Arbeitsverweigerung nichts zu tun. Es sei der Beklagten ohne Weiteres möglich gewesen, den Kläger auch telefonisch zu erreichen; er wäre dann sicherlich umgehend zur Arbeit erschienen.

Der Kläger hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats zu den ausgesprochenen Kündigungen bestritten. Insbesondere sei seine Gegendarstellung zu der Abmahnung vom 19.02.2002 dem Betriebsrat nicht vorgelegt worden.

Neben dem geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch stehe ihm auch ein Entschädigungsanspruch nach § 61 Abs. 2 ArbGG zu. Insoweit hat der Kläger den Wert des Annahmeverzuges für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses durch zwei Instanzen in Ansatz gebracht und den durch eine zwölfwöchige Sperrfrist entstandenen Schaden hinzugerechnet.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11.02.2005, zugegangen am 11.02.2005, zum 11.02.2005 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 11.02.2005 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 14.02.2005, dem Kläger zugestellt am 14.02.2005, zum 30.06.2005 aufgelöst worden ist, sondern über den 30.06.2005 zu unveränderten Bedingungen hinaus weiter fortbesteht,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 11.02.2005 und 30.06.2005 hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 31.01.2005 erteilte Ermahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen,

5. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 31.01.2005 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen,

6. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 01.02.2005 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen,

7. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt,

8. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1. und 2. zu den im Arbeitsvertrag vom 13.10.1995 geregelten Arbeitsbedingungen als stellvertretender Schichtleiter und S5xxxxxx bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen,

9. kommt die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nicht nach, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 42.000,00 € brutto zu zahlen,

10. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 19.02.2002 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 11.02.2005 sei wirksam. Mindestens sei das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 14.02.2005 beendet worden. Das mehrfache erhebliche Fehlverhalten des Klägers innerhalb kurzer Zeit zeige, dass er nicht gewillt sei, sich vertragskonform zu verhalten. Die dem Kläger erteilten Abmahnungen seien wirksam.

Der Kläger sei zunächst unter dem 19.02.2002 zu Recht für sein Fehlverhalten am 09.02.2002 abgemahnt worden. Nachdem der Kläger sich unerlaubt von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, sei die Schicht ohne Schichtführung gewesen, in der Schicht seien lediglich noch vier Mitarbeiter gewesen. Der Kläger vertrete offenbar auch jetzt noch die Auffassung, kommen und gehen zu können, wie er wolle, ohne sich bei seinem Vorgesetzten abmelden zu müssen. Die dem Kläger am 19.02.2002 erteilte Abmahnung habe auch noch nach Ablauf von drei Jahren im vorliegenden Kündigungsschutzprozess Bedeutung.

Auch die Ermahnung vom 31.01.2005 sei dem Kläger zu Recht erteilt worden. Eine Ermahnung könne auch wegen des Verdachts eines vertragswidrigen Verhaltens erfolgen. Erst recht sei bei Vorliegen eines bloßen Verdachts das mildere Mittel der Ermahnung denkbar. Aufgrund des Verhaltens des Klägers habe der Verdacht der Manipulation an den Stundensammelbelegen bestanden. Der Schichtleiter J1xxxxx habe jedenfalls bei seiner Abzeichnung der Durchschrift des Stundensammelbelegs keine Uhrzeiten eingetragen.

Auch die Abmahnung vom 31.01.2005 sei zu Recht erfolgt. Unstreitig sei, dass der Kläger den Anfahrschutz der Haspel beschädigt habe. Der dem Kläger gemachte Vorwurf ziele aber darüber hinaus auch dahin, dass der Kläger nach der Beschädigung dieselbe nicht gegenüber der Beklagten angezeigt habe. Seine auf den Vorhalt der Beklagten gemachte Äußerung zeige, dass es dem Kläger offensichtlich völlig egal sei, welche tatsächlichen Konsequenzen sich aus dem Fehlverhalten hinsichtlich der Gefährdung der Produktionsfortsetzung bei Beschädigung des Haspels ergeben konnten. Der Kläger habe offensichtlich kein Interesse an einer ordnungsgemäßen Arbeit und Pflichterfüllung. Die Instandsetzung des Anfahrschutzes mache einen Betrag von über 1.000,00 € aus.

Schließlich sei auch die Abmahnung vom 01.02.2005 gegenüber dem Kläger zu Recht erfolgt. Der Kläger habe gegen die Anweisungen vom 16.11.2004 und 25.01.2005 hinsichtlich der Buchung von Rollen im Relag verstoßen. Nur durch die ordnungsgemäße Buchung der Rollen zu einem Zeitpunkt, wenn sie tatsächlich aus der Haspel genommen würden, sei ein Überblick darüber, ob die erforderlichen Mindestbestände des Lagers an Papierrollen noch gewahrt seien, und damit die Gewährleistung eines kontinuierlichen Produktionsflusses sichergestellt. Als der Kläger auf den Vorgang noch während des Laufens der Rolle durch den Schichtleiter angesprochen worden sei, habe er geantwortet, es sei doch egal, wann er diese Rolle lösche, da sie doch eh komplett verbraucht werde.

Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, sie sei im Hinblick auf das Fehlverhalten des Klägers vom 06.02.2005 schließlich berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis - auch fristlos - zu beenden. Der Kläger habe durch sein unentschuldigtes Fehlen an diesem Tag ein weiteres Mal seine Gleichgültigkeit hinsichtlich seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dokumentiert. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Schichtbesetzung am 06.02.2005 ausreichend gewesen sei. Seit Jahren seien die Schichten in der Imprägnierung grundsätzlich mit sieben Personen besetzt, damit in Anbetracht der Unterschiedlichkeit der Mengengrößen von einzelnen Aufträgen alle Arbeiten einschließlich des Umrüstens der Maschinen von Mitarbeitern durchgeführt werden könnten. Durch das Fehlen des Klägers am 06.02.2005 hätten tatsächlich nur fünf Mitarbeiter in der Schicht die Arbeit aufgenommen und durchgeführt. Gerade auch in Anbetracht der vorangegangenen Fehlleistungen des Klägers und der ihm erteilten Abmahnungen habe der Kläger dafür Sorge tragen müssen, dass er seine Arbeitsverpflichtungen auch hinsichtlich des 06.02.2005 ordnungsgemäß erfüllt, ein bloßes "Vergessen" könne ihn nicht entschuldigen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger etwa telefonisch an seine Arbeitsverpflichtung für den 06.02.2005 zu erinnern.

Durch Urteil vom 16.08.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und insbesondere die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 11. und 14.02.2005 festgestellt und die Beklagte zur Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005 und der Abmahnung vom 01.02.2005 verurteilt. Die Klage hat es abgewiesen, soweit der Kläger die Rücknahme der Abmahnungen vom 19.02.2002 und vom 31.01.2005, seine Beschäftigung als stellvertretender Schichtleiter sowie einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hat. Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Kläger seien zwar Pflichtverletzungen vorzuwerfen, aufgrund der Interessenabwägung sei das Fehlverhalten des Klägers jedoch nicht so schwerwiegend, dass eine außerordentliche oder auch nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei.

Gegen das der Beklagten am 08.09.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 28.09.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 05.10.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ist die Beklagte nach wie vor der Auffassung, die dem Kläger erteilte Ermahnung vom 31.01.2005 sowie die Abmahnung vom 01.02.2005 seien zutreffend und zu Recht erteilt worden. Unter Berücksichtigung des vorangegangenen Fehlverhaltens des Klägers sei auch die fristlose Kündigung vom 11.02.2005, mindestens aber die ordentliche Kündigung vom 14.02.2005 sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Beurteilung offenbar die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen wie der ordentlichen Kündigung den gleichen Kriterien unterworfen. Der Kläger habe am 06.02.2005 unentschuldigt gefehlt und sei zuvor einschlägig abgemahnt gewesen. Auch die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung könne nicht zu Gunsten des Klägers ausgehen. Allein die Länge der Betriebszugehörigkeit spreche nicht für die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen. Der Kläger habe eben nicht zehn Jahre lang beanstandungslos bei der Beklagten gearbeitet, sondern auch nach der ihm erteilten Abmahnung vom 01.02.2005 mit besonders gleichgültigem Fehlverhalten einen ausreichenden Grund zur fristlosen, mindestens zur fristgerechten Kündigung gesetzt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger, der den allgemeinen Fortbestandsantrag nicht aufrechterhalten hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. soweit es der Klage stattgegeben hat und ist nach wie vor der Auffassung, dass die erteilte Ermahnung vom 31.01.2005 zu unbestimmt sei. Auch die Abmahnung vom 01.02.2005 sei unzutreffend, weil ein konkreter Vorwurf in der Abmahnung nicht erkennbar sei. Das Fehlverhalten des Klägers vom 06.02.2005 sei nicht so gravierend gewesen, dass eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Mindestens die erforderliche Interessenabwägung müsse zu Gunsten des Klägers ausgehen, da Produktionsprobleme in der Schicht vom 06.02.2005 nicht aufgetreten seien. Die Beklagte könne dem Kläger auch keine besondere Gleichgültigkeit vorwerfen. Der Kläger habe schlicht eine außerhalb seiner normalen Schichten laufende Füllschicht vergessen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte in den Monaten Januar und Februar 2005 derartigen Druck auf den Kläger, der sich auch in einer schwierigen familiären Situation befunden habe, ausgeübt habe, dass in einer derartigen Situation halt auch einmal Dinge vergessen werden könnten. Die Beklagte habe es auch nicht für erforderlich gehalten, den Kläger mit Nachdruck an die Einhaltung seiner Arbeitszeiten noch am selben Tage zu erinnern; die Handynummer des Klägers sei der Beklagten bekannt gewesen. Offenbar habe die Beklagte alles darauf angelegt, sich vom Kläger mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu trennen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Die zulässige Klage des Klägers war nämlich abzuweisen, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 14.02.2005, die Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005 sowie der Abmahnung vom 01.02.2005, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten verlangt. Soweit der Kläger hingegen die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 11.02.2005 geltend gemacht hat, ist die Berufung der Beklagten unbegründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der zulässigen Feststellungsklage des Klägers gegen die außerordentliche Kündigung vom 11.02.2005 stattgegeben.

Die außerordentliche Kündigung vom 11.02.2005 ist unwirksam, da der Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Seite stand.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

1. Hiernach ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (BAG, Urteil vom 23.01.1963 - AP GewO § 124 a Nr. 8; BAG, Urteil vom 30.05.1978 - AP BGB § 626 Nr. 70; BAG, Urteil vom 15.11.1984 - AP BGB § 626 Nr. 87).

Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 17.05.1984 - AP BGB § 626 Versacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 13.12.1984 - AP BGB § 626 Nr. 81; BAG, Urteil vom 02.03.1989 - AP BGB § 626 Nr. 101; KR/Fischermaier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 84 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 626 BGB Rz. 34, 62 m.w.N.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 11.02.2005 mangels eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Die Beklagte kann die außerordentliche Kündigung vom 11.02.2005 nicht darauf stützen, dass der Kläger am 06.02.2005 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen ist.

a) Zwar ist in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anerkannt, dass grundsätzlich eine beharrliche Arbeitsverweigerung, eine beharrliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. In Fällen einer sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung kann in aller Regel auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 09.05.1996 - AP BGB § 273 Nr. 5; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 05.04.2001 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32; LAG Hamburg, Urteil vom 03.11.1999 - NZA-RR 2000, 304; KR/Fischermaier, § 626 BGB Rz. 412; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 630 ff., 638; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 209 m.j.w.N.). Eine beharrliche Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag liegt nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 123 GewO insbesondere dann vor, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu wollen (BAG, Urteil vom 12.01.1956 - AP GewO § 123 Nr. 5; BAG, Urteil vom 17.03.1988 - AP BGB § 626 Nr. 99; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 05.04.2001 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32).

Ebenso kann auch unentschuldigtes Fehlen je nach den Umständen des Einzelfalles eine ordentliche oder gar außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Längeres oder wiederholtes unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers ist je nach den Umständen an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 17.01.1991 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25; BAG, Beschluss vom 22.01.1998 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 38; LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.1970 - DB 1970, 595; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.1978 - DB 1978, 1698; LAG Hamm, Urteil vom 01.09.1995 - LAGE BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; LAG Hamm, Urteil vom 15.01.1999 - NZA 1999, 1221; KR/Fischermaier, § 626 BGB Rz. 409; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.O., Rz. 649; APS/Dörner, § 626 BGB Rz. 197 m.w.N.).

b) Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger am Sonntag, den 06.02.2005 keine Arbeitsleistung erbracht hat, er ist am 06.02.2005 nicht zu der vereinbarten Schicht erschienen.

Die Berufungskammer unterstellt zu Gunsten der Beklagten auch, dass der Kläger zur Arbeitsleistung am 06.02.2005 verpflichtet gewesen ist. Dies ergibt sich bereits aus den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 17.02.2003. Dort ist nämlich ausdrücklich geregelt, die Arbeitsleistung in einer Füll- und/oder Vertretungsschicht für Mitarbeiter verbindlich ist, wenn diese Mitarbeiter nachweislich zur Ableistung von Füll- und/oder Vertretungsschichten eingetragen sind. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger sich am 03.01.2005 für die Füllschicht vom 06.02.2005 eingetragen hat. Hiernach war er verbindlich zur Arbeitsleistung am 06.02.2005 verpflichtet. Soweit in der Betriebsvereinbarung vom 17.02.2005 zusätzlich geregelt ist, dass eine Eintragung für Füll- und/oder Vertretungsschichten nur über den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreter möglich ist, folgt hieraus nicht, dass die vom Kläger allein vorgenommene Eintragung in die Schichtvertretung vom 03.01.2005 nicht verbindlich wäre. Die Gegenzeichnung durch den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreter ist nicht Voraussetzung für die Verbindlichkeit der Eintragung des Mitarbeiters. Auch die bloße Eintragung eines Mitarbeiters zur Ableistung einer Füll- und/oder Vertretungsschicht ohne Gegenzeichnung des Vorgesetzten oder dessen Stellvertreter führt zur verbindlichen Verpflichtung des Mitarbeiters, die eingetragene Schicht auch abzuleisten.

Der Kläger ist der Schicht vom 06.02.2005 auch rechtswidrig und unentschuldigt ferngeblieben. Der bloße Umstand, dass der Kläger die Eintragung für die Füllschicht vom 06.02.2005 vergessen hat, entschuldigt ihn in keiner Weise.

Aus dem Umstand, dass der Kläger die Schicht vom 06.02.2005 nicht wahrgenommen hat, kann jedoch nicht auf eine beharrliche Arbeitsverweigerung geschlossen werden. Dass der Kläger bewusst und nachhaltig seine Arbeitspflicht am 06.02.2005 verletzen wollte, ist auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht feststellbar. Der Kläger hat es lediglich schlicht vergessen, dass er sich bereits am 03.01.2005 für die Füllschicht vom 06.02.2005 eingetragen hatte. Insoweit liegt lediglich eine fahrlässige Pflichtverletzung vor. Ein einmaliges Fehlverhalten eines Arbeitnehmers rechtfertigt aber regelmäßig noch keine außerordentliche Kündigung (LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.1970 - DB 1970, 595; LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.1989 - LAGE BGB § 626 Nr. 50; LAG Hamm, Urteil vom 26.11.2004 - NZA-RR 2005, 414; KR/Fischermaier, § 626 BGB Rz. 409).

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die dem Kläger am 19.02.2002 erteilte Abmahnung berufen. Der Vorfall vom 09.02.2002, der zur Abmahnung vom 19.02.2002 geführt hat, war anders gelagert, als das Fehlverhalten des Klägers am 06.02.2005. Während der Kläger am 09.02.2002 seine Arbeitsleistung für die Beklagte bewusst vorsätzlich eingestellt hat, ohne sich zuvor bei einem Vorgesetzten abzumelden oder Urlaub zu nehmen, ist er der Arbeit am 06.02.2005 lediglich fahrlässig ferngeblieben. Insoweit ergibt sich, wie auch das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass die außerordentliche Kündigung nicht die zutreffende Reaktion auf das Fehlverhalten des Klägers vom 06.02.2005 gewesen ist. Bei Verhaltensgründen wird nämlich die Interessenabwägung wesentlich auch vom Grad des Verschuldens beeinflusst (BAG, Urteil vom 14.02.1996 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26; BAG, Urteil vom 21.01.1999 - AP BGB § 626 Nr. 151; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 64). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung konnten zu Gunsten der Beklagten auch nicht die Vorfälle berücksichtigt werden, die zu der Ermahnung des Klägers vom 31.01.2005 und den Abmahnungen vom 31.01.2005 und 01.02.2005 geführt haben. Bei diesen Vorfällen handelt es sich nämlich nicht um gleichartige Pflichtverletzungen. Pflichtverletzungen sind nur dann gleichartig, wenn sie in einem inneren Bezug zu der der Kündigung zugrunde liegenden negativen Zukunftseinschätzung stehen (BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50). Die Ermahnung vom 31.01.2005 sowie die Abmahnungen vom 31.01.2005 und vom 01.02.2005 betrafen jedoch andere Vorfälle als unentschuldigtes Fehlen, wie es dem Kläger am 06.02.2005 vorzuwerfen ist. Ob mit einer Wiederholung von unentschuldigtem Fehlen innerhalb der Kündigungsfrist durch den Kläger zu rechnen gewesen ist, lässt sich aus der Ermahnung vom 31.01.2005 und den Abmahnungen vom 31.01.2005 und 01.02.2005 nicht entnehmen. Vertragsverstöße, die zu etwa bereits abgemahnten Pflichtverletzungen in keinem Zusammenhang stehen, können nichts zu einer Einschätzung der Frage beitragen, ob mit einer Wiederholung der abgemahnten Pflichtverletzungen zu rechnen ist.

Nach alledem konnte auch die Berufungskammer - ebenso wie bereits das Arbeitsgericht - auch unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit des Klägers von mehr als 10 Jahren nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für die Beklagte nicht mehr zumutbar gewesen ist.

II.

Soweit sich der Kläger mit der vorliegenden Klage auch gegen die ordentliche Kündigung vom 14.02.2005 wendet, hatte die Berufung der Beklagten Erfolg. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist insoweit unbegründet.

Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14.02.2005 ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 KSchG.

Zwar rechtfertigen sowohl die Beschäftigungszeit des Klägers im Betrieb der Beklagten als auch die Größe des Betriebes der Beklagten die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

Die Kündigungsschutzklage ist auch rechtzeitig erhoben worden, § 4 KSchG.

Die Kündigung des Klägers vom 14.02.2005 ist jedoch sozial gerechtfertigt, weil sie durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

1. Ein die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt vor, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 22.07.1982 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (BAG, Urteil vom 13.03.1987 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 18; BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 29; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; KR/Etzel, § 1 KSchG Rz. 398 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung vom 14.02.2005 nicht festgestellt werden.

a) Bereits oben unter I. ist im Einzelnen ausgeführt worden, dass unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers je nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach Erteilung einer einschlägigen Abmahnung, auch zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung führen kann. Darauf wird Bezug genommen.

b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger am 06.02.2005 nicht zu der Füllschicht erschienen ist. Er hat insoweit unentschuldigt gefehlt. Dass er vergessen hat, dass er sich bereits am 03.01.2005 zur Ableistung der Füllschicht vom 06.02.2005 eingetragen hatte, entschuldigt den Kläger nicht. Rechtfertigungsgründe für sein unentschuldigtes Fehlen sind nicht vorhanden. Der Kläger hat damit eine Pflichtverletzung gegenüber seinem Arbeitgeber begangen.

c) Dieser Pflichtverletzung vom 06.02.2005 ist auch eine einschlägige Abmahnung, nämlich diejenige vom 19.02.2002 vorangegangen. Nach Erteilung der Abmahnung vom 19.02.2002 hat der Kläger durch sein unentschuldigtes Fehlen am 06.02.2005 erneut eine Pflichtverletzung begangen. Hieraus ergibt sich der nachhaltige Wille des Klägers, seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen zu wollen oder zu können (BAG, Urteil vom 10.11.1988 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 3).

Bei der Abmahnung vom 19.02.2002, mit der gerügt worden ist, dass der Kläger am 09.02.2002 um 9.30 Uhr ohne Abmeldung seinen Arbeitsplatz verlassen hat, handelt es sich um eine einschlägige Abmahnung. Um nach Erteilung einer Abmahnung eine erneute Pflichtwidrigkeit annehmen zu können, die eine Kündigung rechtfertigen kann, müssen die gerügten Pflichtverletzungen vergleichbar sein (BAG, Urteil vom 10.11.1988 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 3, BAG, Urteil vom 16.01.1992 - NZA 1992, 1023; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 45). Eine Vergleichbarkeit der gerügten Pflichtverletzungen in der Abmahnung vom 19.02.2002 mit dem unentschuldigten Fehlen in der Schicht vom 06.02.2005 ist gegeben. Erforderlich ist insoweit keine Identität, sondern lediglich eine materielle Vergleichbarkeit, wie sie beispielsweise bei den unterschiedlichsten Formen unentschuldigten Fehlens anzunehmen ist. So besteht zwischen Verspätung und vorzeitigem Verlassen der Arbeitsstätte einerseits sowie unentschuldigtem Fehlen andererseits ein solcher Zusammenhang, dass die Abmahnung wegen einer dieser Pflichtverletzungen Bedeutung für beide Bereiche behält (BAG, Urteil vom 10.12.1992 - AP ArbGG 1979 § 87 Nr. 4; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 45). So liegt der vorliegende Fall. Die Abmahnung vom 19.02.2002 betraf einen Fall von vorzeitigen Verlassens der Arbeitsstätte. Der Vorfall, der zur ordentlichen Kündigung vom 14.02.2005 geführt hat, betraf unentschuldigtes Fehlen.

Die Abmahnung vom 19.02.2002 ist auch der Sache nach gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte hat dem Kläger in der Abmahnung vom 19.02.2002 zu Recht vorgeworfen, am 09.02.2002 seinen Arbeitsplatz ohne vorangegangene Abmeldung bei seinem Vorgesetzten bereits um 9.30 Uhr verlassen zu haben, obgleich der Kläger für die Frühschicht bis um 14.00 Uhr eingeteilt gewesen ist. Die Abmahnung vom 19.02.2002 hat auch das Arbeitsgericht in der Sache für gerechtfertigt gehalten und die auf Rücknahme der Abmahnung vom 19.02.2002 gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger keine Berufung eingelegt.

Die Abmahnung vom 19.02.2002 hat auch nicht allein wegen Zeitablaufs ihre Wirkung verloren (BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 28; BAG, Urteil vom 10.10.2002 - NZA 2003, 1295 = DB 2003, 1797; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 45). Die in der Abmahnung vom 19.02.2002 enthaltene Warnfunktion ist aufrecht erhalten geblieben.

Der Kläger war danach in ausreichender Weise gewarnt, sich nicht wieder eines einschlägigen Verstoßes gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen schuldig zu machen.

Aufgrund der erneuten schuldhaften Vertragspflichtverletzung vom 06.02.2005 konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Kläger sich in der Zukunft keines ähnlichen Pflichtenverstoßes schuldig machen, sondern vertragstreu verhalten würde.

d) Auch die abschließende Interessenabwägung führt nicht zu dem Ergebnis, dass das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.

Zu Gunsten des Klägers war zwar, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers zum Betrieb der Beklagten zu berücksichtigen. Der Kläger war immerhin bei Ausspruch der Kündigung am 14.02.2005 mehr als zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt, wobei davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sich in der früheren Zeit - mit Ausnahme des Vorfalles vom 09.02.2002, der zu der Abmahnung vom 19.02.2002 geführt hat - vertragstreu verhalten hat. Dennoch war der Kläger durch die Erteilung der Abmahnung vom 19.02.2002 gewarnt. Er durfte sich keiner weiteren Pflichtverletzung, sei es durch vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes, sei es durch unentschuldigtes Fehlen, schuldig machen, ohne sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel zu setzen.

Hinzu kommt, dass der Kläger im Januar und Februar 2005 eine weitere Ermahnung sowie weitere Abmahnungen erhalten hat, die, auch wenn sie im Hinblick auf den zur Kündigung führenden Vorwurf unentschuldigten Fehlens am 06.02.2005 nicht einschlägig gewesen sind, dennoch zeigen, dass der Kläger es mit der Erfüllung seiner gegenüber der Beklagten obliegenden vertraglichen Verpflichtungen nicht so genau nimmt. Dies ergibt sich insbesondere aus den Vorfällen vom 24./25.01.2005 und vom 29.01.2005, die die Beklagte mit den Abmahnungen vom 31.01.2005 und 01.02.2005 gerügt hat. Die vom Kläger auf die entsprechenden mündlichen Vorhalte der Vertreter der Beklagten getätigten Äußerungen zeigen insgesamt eine Interessenlosigkeit und Gleichgültigkeit des Klägers gegenüber seinen vertraglichen Arbeitspflichten, die die Beklagte nicht länger hinzunehmen brauchte. Zu Recht schloss die Beklagte aus der Erklärung des Klägers, "dass das jedem passieren" könne, dass der Kläger den gerügten Vorfall, der Beschädigung des Anfahrschutzes der Haspel, keinerlei Gewicht beigelegt hat. Insoweit mahnte die Beklagte auch zu Recht die grundsätzliche Einstellung des Klägers zu diesem Vorfall ab, wie sie im Abmahnungsschreiben vom 31.01.2005 ausgeführt hat. Auch nach dem Vorfall vom 29.01.2005 hat die Beklagte den Kläger auf dessen Äußerung, "es ist doch egal, wann ich sie lösche, da sie eh komplett verbraucht wird", darauf hingewiesen, dass man seine Arbeitsauffassung nicht dulde und dies mit der Abmahnung vom 01.02.2005 auch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht. Auch die Äußerung des Klägers auf die Ankündigung einer weiteren Abmahnung spricht für sich. Die insgesamt gerügte Gleichgültigkeit des Klägers gegenüber seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gipfelte anschließend darin, dass er die Schicht vom 06.02.2005 versäumte und auf Vorhalt zur Begründung lediglich angegeben habe, er habe es vergessen, dass er sich für die Zusatzschicht eingetragen habe. Diese Gleichgültigkeit gegenüber seinen arbeitsvertraglichen Pflichten, die auch in den - im Übrigen nicht einschlägigen - Abmahnungen vom 31.01.2005 und 01.02.2005 gerügt worden ist, war für die Beklagte nach dem neuerlichen Vorfall vom 06.02.2005 nicht mehr hinnehmbar.

Demgegenüber kam dem Umstand, dass das unentschuldigte Fehlen des Klägers vom 06.02.2005 zu keinen Produktionseinschränkungen geführt hat, sowie dem Alter des Klägers und seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Ehefrau und zwei Kindern kein entscheidendes Gewicht zu. Das Alter eines Arbeitnehmers ist bei einer verhaltensbedingten Kündigung zwar berücksichtigungsfähig (BAG, Urteil vom 15.11.1995 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73). Der Kläger war bei Ausspruch der Kündigung vom 14.02.2005 jedoch noch nicht in einem Alter, in dem ausgeschlossen ist, dass er keine neue Tätigkeit mehr findet. Angesichts der dem Kläger vorzuwerfenden Pflichtverletzungen kommt dem Alter des Klägers und seinen Unterhaltsverpflichtungen jedenfalls kein derart entscheidendes Gewicht zu, dass das Bestandsschutzinteresse des Klägers das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist überwiegt.

Nach alledem erweist sich die ordentliche Kündigung vom 14.02.2005 als sozial gerechtfertigt.

3. Die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 14.12.2005 zum 30.06.2005 ergibt sich auch nicht aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Betriebsrat ist zur ordentlichen Kündigung vom 14.02.2005 ordnungsgemäß angehört worden.

a) Die Beklagte hat das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch Schreiben an den Betriebsrat vom 09.02.2005 eingeleitet. Im Anhörungsschreiben vom 09.02.2005 hat die Beklagte die Personalien des Klägers, sein Geburtsdatum und seinen Familienstand wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit angegeben.

b) Auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe ist der Betriebsrat durch die Anlage zum Anhörungsschreiben vom 08.02.2005 zutreffend und in ausreichender Weise unterrichtet worden.

Das Anhörungsverfahren hat den Sinn, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat die nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgebenden Sachverhalts gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgebenden Tatsachen mitzuteilen (BAG, Urteil vom 02.11.1983 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 29; zuletzt: BAG, Urteil vom 05.12.2002 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60 m.w.N.). Allerdings sind an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Zudem gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung, demzufolge der Betriebsrat immer schon dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat (BAG, Urteil vom 17.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 113; BAG, Urteil vom 05.12.2002 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist ein Fehler bei der Betriebsratsanhörung auch im Hinblick auf die Mitteilung der Kündigungsgründe nicht erkennbar. Im Anhörungsschreiben vom 08.02.2005 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die dem Kläger erteilte Ermahnung und die ihm erteilten Abmahnungen die sämtlich in Kopie beigefügt waren, alle für sie maßgebenden Tatsachen, die zu der beabsichtigten außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung führen sollten, im Einzelnen geschildert. Das Anhörungsschreiben vom 08.02.2005 enthält keine unzureichenden, unrichtigen oder gar falsche Sachverhaltsdarstellungen gegenüber dem Betriebsrat.

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass der Betriebsrat über die Gegendarstellung des Klägers vom 03.04.2002 zur Abmahnung vom 19.02.2002 nicht unterrichtet worden ist, führt auch dieser Umstand nicht dazu, dass die Anhörung fehlerhaft gewesen ist.

Zwar gehört zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrates auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und von ihm als für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam bekannte Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen (BAG, Urteil vom 22.09.1994 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 68; BAG, Urteil vom 06.02.1997 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85). In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist auch anerkannt, dass zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats bei einer Kündigungsmaßnahme in der Regel nicht nur die Information über eine erteilte Abmahnung gehört, sondern auch über eine bereits vorliegende Gegendarstellung des Arbeitnehmers. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gebietet es, dem Betriebsrat mit einer solchen Gegendarstellung auch Umstände mitzuteilen, die gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Betriebrat bei vollständiger Kenntnis der Umstände, die die Kündigung begründen sollen, möglicherweise zu einer anderen Beschlussfassung gekommen wäre (BAG, Urteil vom 31.08.1989 - AP LPVG Schleswig-Holstein § 77 Nr. 1; BAG, urteil vom 17.02.1994 - RzK II 2 Nr. 7; BAG, Urteil vom 06.02.1997 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62, 64; ErfK/Kania, a.a.O., § 102 BetrVG Rz. 9; APS/Koch, a.a.O., § 102 BetrVG Rz. 89, Rincke, NZA 1998, 77, 83 m.w.N.).

Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht angenommen werden, das die Anhörung des Betriebsrats durch die Beklagte fehlerhaft gewesen ist. Zwar hat die Beklagte die Gegendarstellung des Klägers vom 03.04.2002 dem Anhörungsschreiben vom 08.02.2005 nicht beigefügt. Die Stellungnahme des Klägers vom 03.04.2002 enthält jedoch keine Einwendungen über feststehende Tatsachen, sondern lediglich Behauptungen und Meinungen des Klägers, die von der Beklagten nicht geteilt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Abmahnungsschreiben vom 19.02.2002. Dass der Kläger am 09.02.2002 während der Frühschicht um 9.30 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen hat, ohne sich bei einem Vorgesetzten abzumelden, hat der Kläger weder in seiner Stellungnahme vom 03.04.2002 noch im weiteren Verlauf des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens bestritten. Bereits insoweit war die Beklagte nicht verpflichtet, den Betriebsrat über die Einwendungen des Klägers gegen die Abmahnung vom 19.02.2002 im Einzelnen zu unterrichten, weil sie diese Einwendungen als unzutreffend angesehen hat und hierauf die Kündigung nicht stützen wollte. Eine bewusste und gewollte Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Unterrichtung des Betriebsrats liegt insoweit nicht vor.

4. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endet danach nach Einhaltung der für den Kläger zutreffenden Kündigungsfrist von vier Monaten zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB) mit Ablauf des 30.06.2005.

III.

Die Berufung der Beklagten erweist sich auch als begründet, soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005 und der Abmahnung vom 01.02.2005 und deren Entfernung aus der Personalakte verlangt. Auch insoweit war die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005 und der Abmahnung vom 01.02.2005, nachdem das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2005 beendet worden ist. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte (BAG, Urteil vom 14.09.1994 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; LAG Köln, Urteil vom 29.06.2001 - NZA-RR 2002, 356). Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnung dem Kläger auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.

IV.

Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2005 erweisen sich auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch sowie der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses als unbegründet.

Die Beklagte ist nach dem 30.06.2005 nicht mehr verpflichtet, dem Kläger in seiner bisherigen Position weiterzubeschäftigen, da zum 30.06.2005 das Arbeitsverhältnis geendet hat.

Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2005 hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Ein Zwischenzeugnis kann lediglich während des bestehenden Arbeitsverhältnisses erteilt werden, nicht nach seiner Beendigung.

V.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Berufungskammer hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie zweiter Instanz im Verhältnis des jeweiligen Unterliegens bzw. Obsiegens gequotelt.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert. Er beträgt für das Berufungsverfahren 34.200,00 €. Dabei sind für die Feststellungsanträge, mit denen die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 11.02.2005 und 14.02.2005 geltend gemacht worden sind, mit insgesamt vier Bruttomonatsverdiensten à 3.800,00 € bewertet worden. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist mit zwei Bruttomonatsentgelten bewertet worden. Für die Anträge auf Rücknahme der Ermahnung vom 31.01.2005, der Abmahnung vom 01.02.2005 sowie auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses sind jeweils ein Bruttomonatsentgelt in Ansatz gebracht worden. Dies macht einen Streitwert für das Berufungsverfahren von 34.200,00 € aus.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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