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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1994/06
Rechtsgebiete: BGB, AWbG NRW


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
AWbG NRW § 1 Abs. 1
AWbG NRW § 1 Abs. 3
AWbG NRW § 7
Bildungsinhalte einer beruflichen Arbeitnehmerweiterbildungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 AWbG NRW müssen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit voraussichtlich verwendbar sein. Die Bildungsmaßnahme kann nicht unabhängig von der konkreten Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers beurteilt werden. Ein hinreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit erfordert bei dem Besuch eines Sprachkurses eine Kontinuität in der Verwendung der Sprache in der beruflichen Tätigkeit.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine berufliche Arbeitnehmerweiterbildungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 AWbG NRW die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber über die beantragte Freistellung des Arbeitnehmers zu entscheiden hat.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.08.2006 - 10 (2) Ca 2542/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit der Freistellung vom 19.09. bis 23.09.2005 und vom 26.09. bis 30.09.2005 zu vergüten.

Der am 12.01.13xx geborene Kläger ist bei der Beklagten als Flugkapitän tätig. Seine Monatsvergütung beträgt 7.000,00 €. Der Kläger wohnt in W1xxxxxxx. Seine Homebase ist der Flughafen D2xxxxxxxx.

Die beklagte Luftverkehrsgesellschaft hat ihren handelsregisterlichen Sitz in N1xxxxxx (Handelsregister A2 N1xxxxxx H6x 82xx). In D1xxxxxx befindet sich der Sitz der Verwaltung der Beklagten und der Personalleitung. In N1xxxxxx befindet sich der Schwerpunkt der Technik der Beklagten.

Bis zum 22.11.2006 bestand nach den internationalen Vorschriften (JAR - FCL) ein Flugverbot über dem französischsprachigen Luftraum Europas für über sechzigjährige Piloten.

Im Juli/August 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seinen fünftägigen Bildungsurlaub aus 2004 gemäß § 3 Abs. 1 AWbG NRW zusammen mit dem Bildungsurlaub aus 2005 im Jahre 2005 nehmen wolle.

Mit Schreiben vom 09.05.2005 unterrichtete der Kläger die Beklagte darüber, dass er im Rahmen der Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes Bildungsurlaub für die Bildungsveranstaltungen "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger" in der Zeit vom 19.09.2005 bis zum 23.09.2005 und "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger mit Vorkenntnissen" in der Zeit vom 26.09.2005 bis zum 30.09.2005 nehmen wolle. Der Schulungsveranstalter L3x in D2xxxxxxxx sei eine nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz anerkannte Einrichtung. Das Seminar diene der beruflichen Arbeitnehmerweiterbildung.

Mit Schreiben vom 18.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und unterbreitete dem Kläger folgendes Angebot:

1. Herr H1xx nimmt in der Zeit vom 19. bis 23. September 2005 an einem Kurs "Französisch für Anfänger" und in der Zeit vom 26. bis 30. September 2005 an einem Kurs "Französisch mit Vorkenntnissen" teil.

2. Die E1xxxxxxx L1xxxxxxxxxx AG wird Herrn H1xx hierfür unbezahlt frei stellen.

3. Herr H1xx lässt arbeitsgerichtlich klären, ob es sich bei den hier streitbefangenen Veranstaltungen um Bildungsmaßnahmen handelt, die alle Voraussetzungen des AWbG NRW erfüllen, ob dieses Gesetz überhaupt auf fliegendes Personal mit ständig wechselndem Erfüllungsort anwendbar ist, und ob es sich hier um eine zulässige Zusammenfassung gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 AWbG NRW handelt.

4. Sollte Herr H1xx den Prozess rechtskräftig gewinnen, werden wir ihm die Vergütung für die Tag, an denen er unbezahlt frei gestellt war, nachzahlen.

Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 20.06.2005 an.

Die vorliegende Feststellungsklage hat der Kläger am 20.06.2005 erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der von ihm besuchte Sprachkurs sei eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW. Es sei davon ausgegangen, mit Düsenflugzeugen vermehrt im Ausland eingesetzt zu werden. Von der Altersbegrenzung im französischsprachigen Luftraum habe er keine Kenntnis gehabt zum Zeitpunkt der Anmeldung.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihn vom 19.09.2005 bis zum 23.09.2005 und vom 26.09.2005 bis zum 30.09.2005 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zur Teilnahme an den Bildungsveranstaltungen "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger" und "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger mit Vorkenntnissen" des Anbieters L3x von der Arbeitsleistung gemäß § 3 Arbeitnehmerweiterbilddungsgesetz NRW freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW sei schon auf den Kläger als Flugkapitän nicht anwendbar, da die Flugrouten, die er zu fliegen habe, nicht überwiegend über N2xxxxxxx-W4xxxxxxx verliefen. Zum Zeitpunkt der beruflichen Weiterbildung sei es für den Kläger nicht möglich gewesen, über französischsprachige Länder Europas eingesetzt zu werden, da er bereits das sechzigste Lebensjahr vollendet habe. Eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen liege bei den vom Kläger besuchten Sprachkursen nicht vor.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden. Der Streitwert ist auf 3.233,25 € festgesetzt worden.

Gegen diese ihm am 21.11.2006 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Entscheidung hat der Kläger am 21.12.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.02.2007 am 16.02.2007 begründet.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er weist darauf hin, dass die Altersbeschränkung spätestens im November 2006 für ihn entfallen sei. Der Sprachkurs habe einen mittelbaren Vorteil für die Beklagte, wenn er sich gegenüber Fluggästen, Hotelpersonal und sonstigem Flughafenpersonal in der Landessprache Französisch unterhalten könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dormund vom 18.08.2006 - 10 (2) Ca 2542/06 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihn vom 19.09.2005 bis zum 23.09.2005 und vom 26.09.2005 unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zur Teilnahme an den Bildungsveranstaltungen "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger" und "Französisch im Geschäftsleben für Anfänger mit Vorkenntnissen" des Anbieters L3x von der Arbeitsleistung gem. § 3 AWbG NRW freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.08.2006 - 10 (2) Ca 2542/06 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Zwar ist der Feststellungsantrag auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt gerichtet. Feststellungsanträge mit diesem Inhalt sind jedoch zulässig, wenn sich daraus Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.02.1998 - 9 AZR 100/97 - NZA 1999, 87; BAG, Urteil vom 24.09.1997 - 4 Ca 429/95 - NZA 1998, 330).

Solche Rechtsfolgen liegen vor. Die Beklagte hat sich für den Fall ihres Unterliegens in diesem Rechtsstreit verpflichtet, dem Kläger die Vergütung für die Zeit der Bildungsveranstaltung nachzuzahlen.

II. Die Klage ist aber nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 7 AWbG NRW i.V.m. § 1 Abs. 1 AWbG NRW.

Nach § 1 Abs. 1 AWbG NRW erfolgt die Arbeitnehmerweiterbildung über die Freistellung von der Arbeit durch den Arbeitgeber. Eine solche Freistellungserklärung ist von der Beklagten verweigert worden.

2. Dem Kläger steht die begehrte Vergütung auch nicht aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung vom 18.05.2005/20.06.2005 zu.

a) In Ziffer 4 der Vereinbarung hat sich die Beklagte verpflichtet, dass sie im Fall eines rechtskräftigen Unterliegens für die Tage, an denen der Kläger freigestellt wird, die Vergütung nachzahlt.

Die Voraussetzungen der Vereinbarung sind nicht erfüllt. Dem Kläger steht nach den Vorschriften des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes ein Anspruch auf vergütete Freistellung für die Zeit der Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in dem Zeitraum 19.09.2005 bis 23.09.2005 und 26.09.2005 bis 30.09.2005 nicht zu.

b) Die vom Kläger besuchten Sprachkurse sind keine Arbeitnehmerweiterbildungen im Sinne des § 1 AWbG NRW. Entgegen der Auffassung des Klägers dienten sie nicht seiner beruflichen Weiterbildung.

aa) Nach § 1 Abs. 3 AWbG NRW fördert die berufliche Arbeitnehmerweiterbildung die berufsbezogene Handlungskompetenz der Beschäftigten und verbessert deren berufliche Mobilität. Sie ist nicht auf die bisher ausgeübte Tätigkeit beschränkt. Bildungsinhalte, die sich nicht unmittelbar auf eine ausgeübte berufliche Tätigkeit beziehen, sind eingeschlossen, wenn sie in der beruflichen Tätigkeit mit zumindest zu einem mittelbar wirkenden Vorteil des Arbeitgebers verwendet werden können. Bei dem Erwerb von Sprachkenntnissen als berufliche Weiterbildung hat das Bundesarbeitsgericht verlangt, dass sie für den ausgeübten Berufung einen objektiv nachvollziehbaren oder fördernden Bezug ausweisen müssen (BAG, Urteil vom 21.09.1993 - 9 AZR 258/91 - NZA 1994, 690).

Die Sprachkenntnisse müssen voraussichtlich verwendbar sein. Die Bildungsmaßnahme kann nicht unabhängig von der konkreten Arbeitsaufgabe der Arbeitnehmer beurteilt werden (BAG, Urteil vom 21.10.1997 - 9 AZR 510/96 - NZA 1998 758). Ein hinreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit eines Sprachkurses erfordert eine Kontinuität in der Verwendung der Sprache in der beruflichen Tätigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.1993 - 9 AZR 473/90 - NZA 1994, 451). Berufliche Weiterbildung ist zukunftsorientiert. Ob der Arbeitnehmer die Sprachkenntnisse in seiner beruflichen Praxis anwenden kann, ist deshalb vorab zu beurteilen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber über die bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers zu entscheiden hat.

bb) Diesen Anforderungen wird die vom Kläger besuchte Bildungsmaßnahme nicht gerecht.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Antrag des Klägers April/Mai 2005 war nicht erkennbar, dass der Kläger französische Sprachkenntnisse in seiner beruflichen Praxis anwenden konnte, wie es das Arbeitsgericht auch zutreffend gesehen hat.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung war in keiner Weise absehbar, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Pilot französischsprachige Länder anfliegen oder überfliegen würde. Da er zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag über sechzig Jahre alt war, durfte er weder französischsprechende Länder anfliegen noch überfliegen. Es war deshalb in keiner Weise ersichtlich, dass für die berufliche Tätigkeit des Klägers als Flugkapitän französische Sprachkenntnisse kontinuierlich zumindest von einem gewissen nicht unbeachtlichen Nutzen für die Beklagte sein werden.

Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (April/Mai 2005) dieses Flugverbot aufgehoben werden würde, lagen nicht vor.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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