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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 2361/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 125 Abs. 1
BGB § 126 Abs. 2
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 27.10.2004 - 2 Ca 103/04 O - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit dem 01.02.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung. Der am 01.01.1939 geborene Kläger war seit 1983 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Er verfügte zuletzt über ein durchschnittliches Bruttoeinkommen in Höhe von 2.015,87 €. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 % anerkannt. Mit Schreiben vom 20.10.2002 (Bl. 16 d.A.) beantragte die Beklagte beim Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung. Die mündliche Verhandlung der Fürsorgestelle des Kreises Olpe fand am 03.12.2002 im Betrieb der Beklagten statt. Dort verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger zum 31.01.2003 gegen Zahlung einer Abfindung von 6.000,-- € ausscheiden sollte. Zum Abschluss einer vorgesehenen schriftlichen Vereinbarung kam es jedoch nicht. Mit Schreiben vom 09.12.2002 überreichte die Beklagte den Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung. In dem Schreiben heißt es u.a.: Im Nachgang zu unserer mündlichen Vereinbarung vom 03.12.2002 übersende ich Ihnen den zugesagten Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung. Die Beklagte erinnerte mit Schreiben vom 08.01.2003 und 13.01.2003 den Kläger an die Erledigung der Angelegenheit (Bl. 22 f d.A.). Der Kläger übersandte dann mit Schreiben vom 20.01.2003 einen die Ausgleichsklausel abändernden Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung (Bl. 24 ff d.A.). Dieser wurde von der Beklagten nicht unterzeichnet, die zwischenzeitlich das Schreiben der AOK Westfalen-Lippe vom 12.02.2003 erhalten hatte. In dem Schreiben heißt es: Sehr geehrte Frau N1xxx, wie bereits mit Ihnen besprochen, ist für den o.g. Versicherten die Beitragsabrechnung zu berichtigen. Aufgrund der uns vorliegenden Angaben hat Herr C1xxx am 31.10.2002 einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe (med. Rehabilitation) gestellt. Der zuständige Rentenversicherungsträger hat diesen Antrag in einen Rentenantrag umgewandelt. Herr C1xxx erhält rückwirkend ab dem 01.10.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. In der Zeit vom 01.10. - 31.12.2002 hat der Arbeitnehmer jedoch noch Krankengeld von der AOK erhalten, so dass für diesen Zeitraum ein Erstattungsanspruch der AOK gegenüber dem Rentenversicherungsträger besteht. Die laufende Zahlung der Rente wird durch den Rentenversicherungsträger am 01.01.2003 beginnen. Über die Möglichkeit der Beantragung einer Rente wegen Erwerbsminderung war in der Verhandlung vor der Fürsorgestelle des Kreises Olpe am 03.12.2002 gesprochen worden. Der Kläger hatte daraufhin am 11.12.2002 einen entsprechenden Antrag (Bl. 58 d.A.) gestellt, der am 16.12.2002 bei der LVA Westfalen einging. In Feld 1 des Rentenantrags hatte der Kläger auf die Frage "Soll die Altersrente zu einem späteren Zeitpunkt als dem frühest möglichen Rentenbeginn gezahlt werden" die Spalte ja angekreuzt und als Beginn den 01.02.2003 eingetragen. In der Abrechnung für den Monat Dezember 2002 waren von dem monatlichen Bruttoverdienst die Sozialabgaben in Höhe von 415,27 € seitens der Beklagten nicht abgezogen worden. Unter dem 10.02.2003 überwies die Beklagte dem Kläger zunächst einen Betrag von 5.584,73 €, den sie jedoch noch am selben Tag stornieren ließ. Unter dem 09.10.2003 teilte das Integrationsamt dem Kläger mit, dass die Beklagte den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zurückgenommen hatte. Die vorliegende Klage hat der Kläger am 07.01.2004 anhängig gemacht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten: Die Beklagte sei aufgrund der mündlichen Vereinbarung vom 03.12.2002 zur Zahlung einer Abfindung von 6.000,-- € verpflichtet. Hierauf habe man sich verbindlich geeinigt. Für die Abfindungszahlung gelte nicht das Formerfordernis des § 623 BGB. Zudem sollten lediglich die mündlich getroffenen Vereinbarungen noch schriftlich fixiert werden. Die Beklagte handele treuwidrig, wenn sie sich hinsichtlich der Aufhebungsvereinbarung auf § 623 BGB berufe. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.000,-- € brutto = netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten: Es bestehe kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, da ein schriftlicher Aufhebungsvertrag nicht geschlossen worden sei. In der Kündigungsverhandlung am 03.12.2002 habe man die Möglichkeit besprochen, zum 31.01.2003 das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Die Beklagte habe dazu einen Entwurf vorlegen sollen, den der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten in Ruhe habe durchsprechen wollen. Zu dieser Vereinbarung sei es nicht gekommen, nachdem die Beklagte nach Vorlage des Entwurfs durch den Kläger erfahren habe, dass entgegen seiner Angabe in der Verhandlung vor dem Integrationsamt er bereits rückwirkend ab 01.10.2002 Rente beziehe. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat durch Urteil vom 27.10.2004 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 6.000,-- € festgesetzt. Gegen dieses ihm am 18.11.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 15.12.2004 Berufung eingelegt und diese am 05.01.2005 begründet. Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt sich weiterhin auf seine erstinstanzliche Auffassung. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 27.10.2004 - 2 Ca 103/04 O - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.000,-- € brutto = netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen. D2 Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 27.10.2004 - 2 Sa 103/04 O - zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die persönlichen Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht die begehrte Abfindung aus der Vereinbarung der Parteien vom 03.12.2002 zu. 1. Die Parteien haben am 03.12.2002 in der Kündigungsverhandlung der Fürsorgestelle des Kreises O1xx vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.2003 enden wird und die Beklagte an den Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 6.000,-- € zahlt. Die Beklagte hat zwar eine Einigung der Parteien bestritten. Das Berufungsgericht sieht eine solche Einigung aber schon als bewiesen an (§ 286 Abs. 1 ZPO) durch die schriftliche Bestätigung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 09.12.2002, wo ausgeführt ist "Im Nachtrag zu unserer mündlichen Vereinbarung vom 03.12.2002 übersende ich Ihnen den zugesagten Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung". 2. Wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, handelt es sich bei der am 03.12.2002 getroffenen Vereinbarung um einen Aufhebungsvertrag, der nach § 623 BGB zu seiner Wirksamkeit der Schriftform (§ 126 Abs. 2 BGB) bedurfte. Da das Schriftformerfordernis von den Parteien nicht eingehalten worden ist, ist die Vereinbarung nach § 125 Abs. 1 BGB unwirksam. 3. Der Beklagten ist es aber verwehrt, sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen (§ 242 BGB). Insoweit greift der Grundsatz des "venire contra factum proprium" (widersprüchliches Verhalten). a) Die Berufung auf einen Formmangel kann nur ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 04.12.1997 - 2 AZR 799/96 - NZA 1998, 420). Wenn die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts nicht ausgehöhlt werden sollen, kann ein Formmangel nur ausnahmsweise nach § 242 BGB als unbeachtlich angesehen werden. Dies kann unter dem Gesichtspunkt des Verbotes des widersprüchlichen Verhaltens dann der Fall sein, wenn der Erklärungsgegner einen besonderen Grund hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen und der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 16.09.2004 - 2 AZR 659/03 - NZA 2005, 162). Die Unzulässigkeit des "venire contra factum proprium" stellt eine von Amts wegen zu prüfende Schranke jeder Rechtsanwendung dar (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 04.12.1997 - 2 AZR 799/96 - NZA 1998, 421; vgl. auch Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348, 354 f; Müller-Glöge/von Senden, AuA 2000, 199). b) Nach den Umständen des vorliegenden Falls durfte der Kläger darauf vertrauen, dass die schriftliche Niederlegung der erzielten Einigung erfolgen würde. Nach der mündlichen Vereinbarung vom 03.12.2002 sollte der Inhalt der Einigung gemäß § 126 Abs. 2 BGB schriftlich fixiert werden. Auch diese Verpflichtung der Beklagten wird zur Überzeugung des Berufungsgerichts bestätigt durch das Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 09.12.2002. In der Anlage wird der "zugesagte" Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung übersandt. Die Beklagte setzt sich mit der Berufung auf den Formmangel zu ihrem eigenen vorangegangenen Verhalten in Widerspruch, wenn sie sich nunmehr endgültig weigert, die Vereinbarung vom 03.12.2002 schriftlich niederzulegen. II. Nach alledem hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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