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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 327/04
Rechtsgebiete: BGB, MTV, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
MTV § 5 Abs. 4
MTV § 24
MTV § 24 Abs. 1
MTV § 24 Abs. 2
ZPO § 447
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.01.2004 - 5 Ca 975/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Ansprüche der Klägerin auf Mehrarbeitsvergütung.

Die Beklagte unterhält einen Textileinzelhandelsbetrieb in B2xxxxxxx. Sie beschäftigte im Jahr 2002 sechs Arbeitnehmer, im Jahr 2003 weniger als sechs Arbeitnehmer.

Die am 01.02.12xx geborene, verheiratete Klägerin war in der Zeit vom 01.11.1995 bis zum 30.09.2003 als Verkäuferin beschäftigt. Ihre vertragliche Arbeitszeit betrug 20 Stunden pro Woche. Sie erzielte zuletzt eine Vergütung von ca. 1.000,-- EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis kommen die tariflichen Vorschriften für den Einzelhandel NRW zur Anwendung.

Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung. Die Klägerin war in der Zeit vom 05.02.2003 bis zum 07.06.2004 durchgehend arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte wies in der Vergangenheit in verschiedenen schriftlichen Anweisungen ihre Arbeitnehmer darauf hin, dass Mehrstunden/Überstunden nur dann erstattungsfähig seien, wenn sie zuvor von der Geschäftsleitung schriftlich genehmigt worden seien. Die entsprechende Anweisung aus dem Jahre 1997 wurde von der Klägerin unterschrieben. Bezüglich des Inhalts der schriftlichen Anweisungen wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichten Kopien (Bl. 42 bis 48 d.A.) verwiesen.

Des Weiteren wurde von der Beklagten ein Formular eingeführt zur Genehmigung von berstunden/Mehrstunden. Bezüglich des Inhalts dieses Formulars wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichten Kopie (Bl. 49 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe im Jahre 2002 78,5 Mehrarbeitsstunden geleistet, die noch von der Beklagten zu vergüten seien. Unter Zugrundelegung eines tariflichen Stundensatzes von 11,74 EUR ergebe sich eine Forderung in Höhe von 921,60 EUR brutto. Diese Überstunden seien jeweils von dem Geschäftsführer der Beklagten angeordnet worden. Sie habe den Geschäftsführer der Beklagten auch mehrfach aufgefordert, ihre Überstundenaufstellung abzuzeichnen. Bei einer entsprechenden Aufforderung vom 31.10.2002 habe der Geschäftsführer erwidert, dass sie die Aufstellung ins Büro legen solle. Die Überstundenliste habe sie im Übrigen am 04.12.2002 dem Geschäftsführer der Beklagten in die Hand gegeben. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sie auch mehrfach darauf hingewiesen, dass sie Überstunden abbauen könne und habe sie dann nach Hause geschickt. Die Bezahlung von Überstunden könne nicht daran scheitern, dass der Geschäftsführer sie zuvor nicht ausdrücklich genehmigt habe.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr weiter ein Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2003 in Höhe von 25 Urlaubstagen zustehe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 921,60 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2003 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.028,43 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass, falls Überstunden bei den Mitarbeiterinnen angefallen seien, diese auf dem dafür vorgesehenen Formular festgehalten worden seien. Angefallene Überstunden seien grundsätzlich in Freizeit abgegolten worden. Die entsprechenden Zettel seien danach vernichtet worden.

Durch Urteil vom 13.01.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.950,-- EUR festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf Mehrarbeitsvergütung sei nicht schlüssig vorgetragen worden.

Gegen dieses ihr am 02.02.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 19.02.2004 Berufung eingelegt und diese am 01.04.2004 begründet.

Die Klägerin greift das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit die Ansprüche auf Vergütung der Überstunden für die Monate Juni bis Dezember 2002 abgewiesen worden sind. Sie stützt die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.01.2004 - 5 Ca 975/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 763,10 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.01.2004 - 5 Ca 975/03 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der begehrte Vergütungsanspruch für im Jahr 2002 geleistete Mehrarbeit nicht gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 4 MTV zu.

I. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, fehlt für die tatsächliche Leistung der behaupteten Mehrarbeit ein geeigneter Beweisantritt.

Der angebotenen Parteivernehmung nach § 447 ZPO hat die Beklagte widersprochen.

Ein Beweisantritt der Klägerin dafür, dass die Stundenmeldungen/Arbeitszettel nach der jeweiligen Gehaltsabrechnung nicht vernichtet worden sind, fehlt.

II. Dem Vortrag der Klägerin ist weiter nicht zu entnehmen, dass die Ansprüche auf Bezahlung der im Jahr 2002 geleisteten Mehrarbeit im Rahmen der Verfallfrist gemäß § 24 Abs. 2 MTV schriftlich geltend gemacht worden sind.

1. Nach § 24 Abs. 1 MTV verfallen die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis wie folgt:

a) drei Monate nach Fälligkeit: Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

b) spätestens drei Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

c) sechs Monate nach Fälligkeit: alle übrigen im Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

Nach § 24 Abs. 2 MTV verfallen die Ansprüche nicht, wenn sie innerhalb der vorgenannten Ausschlussfristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

2. Der Streit zwischen den Parteien, ob für die Ansprüche auf Vergütung der Mehrarbeit die dreimonatige Verfallfrist oder die sechsmonatige Verfallfrist des Tarifvertrags zur Anwendung kommt, kann dahingestellt bleiben. Eine ordnungsgemäße Geltendmachung im Sinne des § 24 Abs. 2 MTV ist erst durch die Anlage des klägerischen Schriftsatzes vom 30.10.2003 erfolgt, und zwar mit Zugang des Schriftsatzes bei der Beklagten.

a) Die Ausschlussfristen des § 24 MTV beginnen mit der Fälligkeit der erfassten Ansprüche.

aa) Die Mehrarbeits- und Überstundenvergütung bei Teilzeitbeschäftigten wird am Schluss des Kalendermonats fällig, der auf den Monat folgt, in dem der Arbeitnehmer die zusätzliche Arbeit geleistet hat (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 07.02.1995 - 3 AZR 483/94 - NZA 1995, 1048). Dies gilt auch für die streitigen Ansprüche. Dass Mehrarbeitsstunden auch durch Freizeitgewährung abgegolten worden sind, ändert nicht die grundsätzliche Fälligkeit des Vergütungsanspruchs. Nach der tariflichen Regelung in § 5 Abs. 4 MTV kann eine Abgeltung von Mehrarbeitsstunden durch Freizeit mit entsprechenden Zeitzuschlägen auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgen. Über den Zeitpunkt der Abgeltung ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeizuführen.

bb) Durch die Abgeltung durch Freizeit wird die grundsätzliche Fälligkeit des Vergütungsanspruchs nicht berührt. Sobald der Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung verfallen ist, erlischt ebenfalls die Ersetzungsbefugnis mit der Folge, dass kein Freizeitausgleich mehr verlangt werden kann (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 07.02.1995 - 8 AZR 483/94 - NZA 1995, 1048).

cc) Die in der Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17.06.2003 überreichte Überstundenaufstellung und Vergütungsberechnung für die 6. bis 45. Woche des Jahres 2002 erfüllt nicht die Anforderungen, die an eine schriftliche Geltendmachung im Sinne des § 24 Abs. 2 MTV zu stellen sind.

Zur Geltendmachung eines Anspruchs gehört die Spezifizierung nach Grund und Höhe. Der Anspruch muss dem Grunde nach individualisiert werden, damit der Anspruchsgegner erkennen kann, welche Forderungen erhoben werden. Bei der Geltendmachung von Mehrarbeitsvergütung ist eine Überprüfung des geltend gemachten Anspruchs dem Arbeitgeber nur möglich, wenn im Einzelnen dargelegt wird, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten der Arbeitnehmer über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Die am 04.12.2002 angeblich überreichte Aufstellung enthält lediglich die geleisteten Mehrarbeitsstunden in der jeweiligen Kalenderwoche ohne Spezifizierung, an welchem konkreten Tag und zu welcher konkreten Tageszeit diese geleistet wurden.

dd) Diese Konkretisierung enthält erstmals die mit Schriftsatz vom 30.10.2003 überreichte Aufstellung.

Von den Ansprüchen der Aufstellung vom 15.08.2003 ist zuletzt die Vergütung von Mehrarbeitsstunden für Dezember 2002 mit der Abrechnung der Vergütung für Januar 2003 fällig geworden.

b) Zum Zeitpunkt des Zugangs des klägerischen Schriftsatzes vom 30.10.2003 nebst deren Anlage war die tarifliche Verfallfrist für alle geltend gemachten Mehrarbeitsvergütungsansprüche abgelaufen.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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