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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 379/04
Rechtsgebiete: BAT, BGB, TVG


Vorschriften:

BAT § 22
BAT § 23 a
BAT § 24
BAT § 24 Abs. 1
BAT § 24 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 3 Satz 2
BGB § 611 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung des beklagten L1xxxx wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 31.08.2000 - 5 Ca 3041/99 - wie folgt neu gefasst:

Das beklagte L3xx ist verpflichtet, an die Klägerin ab dem 07.01.2000 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen.

Die Kosten der Berufung werden dem beklagten L3xx auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT bzw. V b BAT zusteht. Dabei geht es darum, ob das beklagte L3xx der Klägerin eine höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zuweisen durfte oder ob die höherwertige Tätigkeit der Klägerin auf Dauer zusteht.

Die am 27.09.1970 geborene Klägerin, die eine Berufsausbildung zur Justizfachangestellten absolviert hat, ist seit dem 01.12.1989 beim Versorgungsamt in G2xxxxxxxxxxx als Angestellte tätig. Beide Parteien sind tarifgebunden.

Vergütet wurde die Klägerin zunächst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT.

Am 01.01.1991 legte sie die Schreibprüfung ab und wurde in die Vergütungsgruppe VII BAT höhergruppiert.

Ab 23.08.1991 wurde die Klägerin in der Geschäftsstelle des Bezirkspersonalrats als Sachbearbeiterin eingesetzt und erhielt ab diesem Zeitpunkt eine Zulage nach der Vergütungsgruppe VI b BAT.

Von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm die Klägerin erfolgreich an dem internen Fortbildungslehrgang für Angestellte mit dem Ziel ihres Einsatzes in Aufgaben des mittleren Dienstes in allen Bereich der Versorgungsverwaltung teil.

In der Zeit vom 04.03.1996 bis zum 08.03.1998 war die Klägerin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) eingesetzt.

In der Zeit vom 29.04.1996 bis zum 31.12.1997 wurde sie dort aufgrund verschiedener Übertragungsverfügungen als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. Zu diesen bertragungen teilte das Versorgungsamt der Klägerin u.a. mit:

Im Schreiben vom 26.04.1996:

Mit Wirkung vom 29.04.1996 übertrage ich Ihnen vorübergehend zur Erprobung gemäß § 24 Abs. 1 BAT die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 a BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3.

Die Erprobungszeit dauert voraussichtlich 6 Monate. Anschließend erhalten Sie bezüglich Ihrer Verwendung weitere Nachricht.

Im Schreiben vom 24.10.1996:

Sehr geehrte Frau A2xx,

mit Ablauf des 28.10.1996 werden Sie gemäß § 24 Abs. 2 BAT vertretungsweise als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 eingesetzt. Die Tätigkeit entspricht den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 a BAT und damit einer höheren als Ihrer derzeitigen Vergütungsgruppe.

Vertretungsgrund ist die vorübergehende Abwesenheit der Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes Frau RHSŽin H2xxxx, die bis zum 30.06.1997 Erziehungsurlaub hat. Sie vertreten Frau H2xxxx bis zum 30.06.1997.

Im Schreiben vom 24.06.1997:

Ihr vertretungsweiser Einsatz für Frau H2xxxx endet wie ich Ihnen mit Schreiben vom 24.10.1996 - Ia - 2200 - mitgeteilt habe am 30.06.1997.

Ab 01.07.1997 werden Sie gemäß § 24 Abs. 2 BAT erneut vertretungsweise als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 eingesetzt. Die Tätigkeit entspricht den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1a BAT und damit einer höheren als Ihrer derzeitigen Vergütungsgruppe.

Vertretungsgrund ist der vorübergehende Einsatz der Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes Frau Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx im gehobenen Dienst. Sie vertreten Frau P1xxxxx bis zum 30.09.1997.

Im Schreiben vom 19.09.1997:

Am 01.10.1997 werden Sie im Anschluss an den bis zum 30.09.1997 dauernden Einsatz weiterhin vertretungsweise gem. § 24 Abs. 2 BAT als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 eingesetzt.

Vertretungsgrund ist der nunmehr über den 30.09.1997 hinausgehende Einsatz der Sachbearbeiterin Frau P1xxxxx im gehobenen Dienst. Sie vertreten Frau P1xxxxx bis zum 31.12.1997. Wegen der zustehenden Zulage erhalten Sie vom Landesamt für Besoldung und Versorgung in Düsseldorf weitere Nachricht.

In der Zeit vom 01.01.1998 bis zum 08.03.1998 war die Klägerin eingesetzt als Vertreterin der Angestellten L6xxxx. Die Klägerin erhielt für diese Tätigkeit eine Zulage nach der Vergütungsgruppe VI b BAT.

In der Zeit vom 09.03.1998 bis zum 16.06.1998 war die Klägerin in der Abteilung HuK tätig aufgrund verschiedener Verfügungen des beklagten L1xxxx. Zu diesen Übertragungen teilte das Versorgungsamt der Klägerin u.a. mit:

Im Schreiben vom 05.03.1998:

Sehr geehrte Frau A2xx,

mit Wirkung vom 09.03.1998 übertrage ich Ihnen vertretungsweise die Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 2C, Gruppe HuK. Sie vertreten die arbeitsunfähig erkrankte Frau D6xx für die Dauer ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit, längstens bis 30.09.1998.

Im Schreiben vom 07.04.1998:

Sehr geehrte Frau A2xx,

nachdem die von Ihnen vertretende Frau D6xx verstorben ist, entfällt die Grundlage für ihren vertretungsweisen Einsatz. Der Einsatz ist daher mit sofortiger Wirkung beendet.

Mit Schreiben vom 20.04.1998:

Sehr geehrte Frau A2xx,

mit sofortiger Wirkung übertrage ich Ihnen vertretungsweise die Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 2A, Gruppe HuK. Sie vertreten mit der Hälfte ichrer Arbeitszeit die vorübergehend im gehobenen Dienst eingesetzte RHSŽin Frau B4xxxxx für die Dauer deren Einsatzes, längstens bis 31.12.1998. Mit der anderen Hälfte Ihrer Arbeitszeit vertreten Sie die vorübergehend teilzeitbeschäftigte (halbtags) ROSŽin Frau G4xxxx im Rahmen ihrer halbtägigen Abwesenheit, und zwar ebenfalls längstens bis 31.12.1998.

Ab 17.06.1998 bis zum 31.12.2000 war die Klägerin wieder in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) tätig aufgrund folgender Verfügungen:

Schreiben vom 17.06.1998:

Seher geehrte Frau A2xx,

Ihr mit Bezugsschreiben veranlasster vertretungsweiser Einsatz für Frau B4xxxxx und Frau G4xxxx endet mit Ablauf des 16.06.1998.

Mit Wirkung vom 17.06.1998 werden Sie aus dienstlichen Gründen zur Abteilung 3 umgesetzt und dort vertretungsweise gemäß § 24 Abs. 2 BAT als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. Vertretungsgrund ist die vorübergehende Abwesenheit der Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes Frau D4xxxxx, die bis zum 31.12.1998 Erziehungsurlaub hat.

Schreiben vom 19.11.1998:

Sehr geehrte Frau A2xx,

da Frau D4xxxxx ihren Erziehungsurlaub voraussichtlich bis 31.12.1999 verlängert, wird Ihr vertretungsweiser Einsatz gemäß § 24 Abs. 2 BAT ebenfalls entsprechend verlängert. Sie vertreten Frau D4xxxxx für die Dauer ihrer Abwesenheit, längstens bis 31.12.1999. Die Zulage nach § 24 Abs. 2 BAT steht weiterhin zu.

Ab 01.01.2000 wurde die Klägerin wieder als Assistenzkraft mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VII BAT betraut. Nach der Verkündung des obsiegenden Urteils setze das Versorgungsamt die Klägerin unter Vorbehalt der Rechtskraft des Urteils wieder als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes ein.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vorrangig eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT.

Sie hat die Auffassung vertreten,

sie übe seit Dezember 1991 mit kurzfristigen Unterbrechungen durchgängig jeweils vertretungsweise höherwertige Tätigkeiten aus. Die ständige Vertretung gehöre zu ihren auszuübenden Tätigkeiten gemäß § 22 BAT. Sie habe während der verschiedenen Vertretungen nicht ihren Arbeitsplatz gewechselt. Arbeitsbereich, Arbeitsaufgabe und Arbeitsumfang seien unverändert geblieben. Die Übertragung der Tätigkeiten habe nur auf dem Papier stattgefunden. Seit dem 24.04.1996 erfülle sie die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT. Sie habe sich zudem in der Bewährungszeit nach der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT bewährt. Das beklagte L3xx verhindere mit der Art ihres Personaleinsatzes bewusst die Möglichkeiten des Bewährungsaufstiegs nach § 23 a BAT. Dies sei ein Verstoß gegen § 242 BGB.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das beklagte L3xx verpflichtet ist, an sie ab dem 01.09.1999 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen und dies im Arbeitsvertrag festzuschreiben,

hilfsweise

festzustellen, dass sie in die Vergütungsgruppe V c BAT eingruppiert ist.

Das beklagte L3xx hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte L3xx ist der Auffassung, für die jeweiligen Vertretungszeiträume habe jeweils ein sachlicher Grund für die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten vorgelegen. Die Umstände, die in jedem Einzelfall zum vertretungsweisen Einsatz geführt hätten, seien jeweils unvorhergesehen und von der Dienststelle nicht beeinflussbar eingetreten. Während des Gesamtvertretungszeitraums vom 29.10.1996 bis 31.12.1999 habe ein Gesamtvertretungsbedarf im mittleren Dienst existiert. Vertretungsfälle über den Gesamtvertretungsbedarf hinaus habe es nicht gegeben.

Ab dem 01.01.2000 sei wegen sinkender Fallzahlen im Sozialentschädigungsrecht bzw. sinkender Antragszahlen nach dem Schwerbehindertengesetz die Zahl der Dienstposten reduziert worden nach einer aktuellen Personalbedarfsrechnung.

Im Urteil vom 31.08.2000 ist das Arbeitsgericht der Auffassung der Klägerin gefolgt und hat im Wesentlichen der Klage stattgegeben. Den Streitwert hat es auf 25.200,00 DM festgesetzt.

Gegen dieses ihm am 23.01.2001 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat das beklagte L3xx am 15.02.2001 Berufung eingelegt und am 13.03.2001 begründet.

Das beklagte L3xx stützt die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Das beklagte L3xx beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 21.08.2000 - 5 Ca 3041/99 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des beklagten L1xxxx gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 21.08.2000 - 5 Ca 3041/99 - zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen R3xxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung des beklagten L1xxxx ist nicht begründet.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine prozessualen Bedenken bestehen (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 09.08.2000 - 4 AZR 439/99 - AP Nr. 281 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - ZTR 2003, 76).

B. Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT seit dem 01.07.2000 gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

I. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT/BL).

II. Danach setzt die von der Klägerin erstrebte Eingruppierung voraus, dass bei ihr zeitlich zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich genommen die Anforderungen mindestens eines Tätigkeitsmerkmals der von ihr für sich in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe V b BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT), in der eingruppiert sind Angestellte im Büro, Buchhalterei, sonstigen Innendienst und Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert, nach dreijähriger Bewährung in der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL.

1. Die der Klägerin übertragene Sachbearbeitertätigkeit des mittleren Dienstes entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL.

Diese Bewertung ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Sie war entsprechend der Grundsätze zur Überprüfung der Eingruppierung bei einer korrigierenden Rückgruppierung (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 16.02.2000, - 4 AZR 62/99 - BAGE 93, 340 ff, 357; BAG, Urteil vom 20.06.2001 - 4 AZR 288/00 - ZTR 2002, 178) zugrunde zu legen.

2. Im vorliegenden Fall hat das beklagte L3xx der Klägerin in dem Zeitraum vom 29.04.1996 bis zum 31.12.1997 zunächst ohne Unterbrechung Tätigkeiten des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) vorübergehend übertragen. Die rechtliche Überprüfung dieser Übertragungen nach den Grundsätzen für die Ermessensprüfung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeiten nach § 24 BAT (vgl. grundlegend zur neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - ZTR 2003, 76) führt zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ab 01.07.1997 nicht mehr billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entsprochen hat.

a) Nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen zur Ermessensüberprüfung setzt § 24 BAT für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit die Möglichkeit einer solchen Maßnahme in Ausübung des Direktionsrechts voraus und gestaltet diese Maßnahme.

Deshalb muss die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in entsprechender Anwendung von § 315 BGB nach billigem Ermessen erfolgen. Das billige Ermessen der Ausübung des Direktionsrechts muss sich auf die Tätigkeitsübertragung "an sich" und die "Nicht-Dauerhaftigkeit" der Übertragung beziehen ("doppelte Billigkeit"). Die Grundsätze der Billigkeit sind gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind. Wendet sich der Angestellte nicht gegen die Tätigkeitsübertragung "an sich", sondern gegen deren zeitliche Dauer, so sind das Interesse de Arbeitnehmers, die höherwertige Tätigkeit auf Dauer zu behalten, und das Interesse des Arbeitgebers, die Tätigkeit nicht auf Dauer zu übertragen, gegeneinander abzuwägen. Entspricht nur die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen, ergeht eine richterliche Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Werden demselben Angestellten dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander vorübergehend oder vertretungsweise übertragen, so unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB. Ist bei auch nur einer dieser mehreren interimistischen Übertragungen billiges Ermessen hinsichtlich dessen, dass die Übertragung nicht auf Dauer erfolgte, nicht gewahrt, so kann dies zur Folge haben, dass diese Übertragung kraft richterlicher Entscheidung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als auf Dauer erfolgt anzusehen ist.

b) Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit in der Zeit vom 29.04.1996 bis 28.10.1996 ist nicht zu beanstanden.

Es entspricht grundsätzlich billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten zum Zwecke der Erprobung nach § 24 Abs. 1 BAT eine höherwertige Tätigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum überträgt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2002 - 4 AZR 431/01 - ZTR 2003, 82; BAG, Urteil vom 15.05.2002 - 4 AZR 434/01 -). Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, auch nach der Ausbildung und Einarbeitung einen Angestellten in einer nunmehr höherwertigen Tätigkeit zunächst zu erproben mit dem Ziel, ihm nach erfolgter Erprobung diesen Arbeitsplatz zu übertragen. Eine befristete Probezeit kann sachlich nicht nur bei einer Neueinstellung, sondern auch vertretbar sein, wenn einem bereits beschäftigten Angestellten qualifiziertere Arbeiten übertragen werden.

Die verfügte Dauer der Erprobung von sechs Monaten ist nach § 315 BGB nicht zu beanstanden.

c) Weiter erfolgte die Übertragung im Zeitraum vom 29.10.1996 bis zum 30.06.1997 zu Recht nur vorübergehend.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dieser Einsatz der Klägerin als Sachbearbeiterin der Vertretung der Angestellten H2xxxx galt, die sich im Erziehungsurlaub befand. Die Billigkeit der vertretungsweisen Übertragung höherwertiger Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT folgt schon aus dem Übertragungsgrund. Denn nach Rückkehr des vertretenden Arbeitnehmers besteht kein Bedürfnis für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für die Zeit der Verhinderung des Vertreters entspricht daher regelmäßig billigem Ermessen (BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01- a.a.O.).

d) Dagegen hält die darauffolgende Übertragung in der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 31.12.1997 der Billigkeitskontrolle nicht stand. Das Gericht sieht es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als bewiesen an, dass der von der Beklagten behauptete Vertretungsfall gegeben war.

Die Übertragungsanordnungen in diesem Zeitraum entsprachen nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BAG, so dass die Übertragungen nach den Grundsätzen für die Ermessensprüfung bei der vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nach § 24 BAT (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - ZTR 2003,76) als auf Dauer erfolgt anzusehen sind (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).

aa) Nach § 24 BAT ist bei der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit zu unterscheiden zwischen einer Übertragung nach § 24 Abs. 1 BAT und der vertretungsweisen Übertragung der Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT. Letztere bildet einen speziell geregelten Sonderfall der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit.

Um eine Vertretung handelt es sich nur dann, wenn der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahrnimmt (vgl. z.B. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 24 Rz. 53). Bei der Vertretung muss im Zeitpunkt der Übertragung ein notwendiger Zusammenhang zwischen dem vorübergehenden höherwertigen Einsatz des Angestellten und der vorübergehend unbesetzten Stelle des Vertretenen bestehen. Der Arbeitgeber ist darlegungspflichtig dafür, dass zum Zeitpunkt der Übertragung diese Zuordnung zwischen Vertreter und Vertretenem aufgrund konkreter Dispositionen des Arbeitgebers bestanden hat (vgl. auch BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 432/01 -; BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 484/01 -).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze lag zum Zeitpunkt der Übertragungsanordnung vom 07.06.1999 der in der Anordnung angegebene Vertretungsfall nicht vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht bewiesen, dass zum Zeitpunkt der Übertragungsanordnung der notwendige Zusammenhang zwischen dem angeordneten Einsatz der Klägerin in der Abteilung 3 und dem wegen des vorübergehenden Einsatzes in der Widerspruchsstelle freigewordene Arbeitsplatz der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx bestand.

(1) Der Zeuge R3xxxx konnte zwar bestätigen, dass die Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx nur vorübergehend in der Widerspruchsstelle eingesetzt worden ist. Schon nicht mit Sicherheit bestätigen konnte der Zeuge R3xxxx, dass der frühere Arbeitsplatz der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx im Rahmen der Neuorganisation des Versorgungsamtes G2xxxxxxxxxxx

Anfang 1996 überhaupt der neu geschaffenen Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) zugeordnet worden ist oder ob diese Zuordnung erst erfolgt ist nach Beendigung des vorübergehenden Einsatzes der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx in der Widerspruchsstelle. Falls eine Zuordnungsentscheidung des beklagten L1xxxx nicht vorliegt, konnte die Klägerin mit der Ausübung ihrer Tätigkeiten als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 auch keine Vertretungstätigkeiten hinsichtlich der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx durchführen.

(2) Zweifel, die der Zeuge R3xxxx auch nicht ausräumen konnte, daran, dass die Klägerin tatsächlich die von der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx auf Dauer übertragene Tätigkeit vertretungsweise ausgeübt hat, ergeben sich auch aus der Eintragung in die Dienstpostenbesetzungsliste Stand 01.10.1997 (Bl. 258 der Akte und Bl. 248 der Akte). Entgegen der behaupteten hundertprozentigen Vertretung der Regierungsamtsinspektorin P1xxxxx durch die Klägerin ist hier für die Zeit ab 01.10.1997 bis 31.12.1997 lediglich eine fünfzigprozentige Vertretung eingetragen. Nach der Eintragung soll die Klägerin die Frau P1xxxxx und die Abteilungsschreibkraft je zur Hälfte vertreten haben. Tätigkeiten einer Abteilungsschreibkraft hat die Klägerin aber in diesem Zeitraum unstreitig nicht ausgeübt.

cc) Den Nachteil des nicht erbrachten Beweises hat das beklagte L3xx als darlegungs- und beweispflichtige Partei zu tragen.

Die Übertragung ist entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als auf Dauer erfolgt anzusehen, so dass der Klägerin ab 01.07.1997 Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL auf Dauer übertragen worden sind.

3. Der so begründete Anspruch auf Vergütung und auch auf Beschäftigung mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V c BAT ist durch die anschließende Ausübung von Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VI b BAT (Vertretung der Angestellten L6xxxx) in der Zeit vom 01.01.1998 bis zum 08.03.1998 durch die Klägerin nicht beseitigt worden.

Zwar kann ein Arbeitsverhältnis bezüglich der Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe konkludent abgeändert werden, wenn ein Angestellter mit seinem Einverständnis über einen längeren Zeitraum eine ihm vom Arbeitgeber übertragene tariflich niedriger bewertete und entsprechend bezahlte Tätigkeit ausübt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 06.12.2002 - 4 AZR 432/01 - (über sechs Monate); siehe auch BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 485/01 - (kurzfristige Einsätze mit Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe). Der vorliegende Zeitraum von etwas mehr als zwei Monaten ist nicht geeignet, auf den Willlen der Klägerin schließen zu lassen, dass sie mit einer Änderung der Vergütungsgruppe auf Dauer einverstanden ist. Es handelt sich um eine kurzfristige Übertragung (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 432/02 - (etwas mehr als 1 1/2 Monate)). Andere Umstände, die auf einen Vertragswillen schließen lassen, sind nicht ersichtlich.

4. Mit dem 01.07.1997 begann die Bewährungszeit der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT/BL. Die dreijährige Bewährungszeit endete am 30.06.2000. Damit steht der Klägerin ab 01.07.2000 ein Anspruch auf Vergütung aus der begehrten Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT/BL zu.

Das beklagte L3xx hat nicht vorgetragen, dass die Klägerin sich den in der ihr übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen nicht gewachsen gezeigt hat.

C. Nach alledem hat das Rechtsmittel im Wesentlichen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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