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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 50/05
Rechtsgebiete: MTV für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandten Berufen der BRD vom 31.10.1994


Vorschriften:

MTV für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandten Berufen der BRD vom 31.10.1994 § 8 Ziffer 6.1
Bei der Auslegung des § 8 Ziffer 6.1 des Manteltarifvertrags für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandten Berufen der BRD vom 31.10.1994 ergibt sich schon aus dem Wort-laut der tariflichen Vorschrift, dass alle Arbeitnehmer ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 v.H. ihres durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes erhalten sollen
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.11.2004 - 4 Ca 1336/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auflegt

Tatbestand: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von restlichem Urlaubsgeld in Anspruch. Der am 30.10.1969 geborene Kläger ist seit dem 15.02.1990 bei der Beklagten als Galvanohelfer tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 15.02.1990, in dem es u.a. heißt: ... 2. Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das Galvanohandwerk jeweils gültigen Bestimmungen - des Rahmen- bzw. Manteltarifvertrages - des Lohn- bzw. Akkordtarifvertrages - des tariflichen Arbeitszeitabkommens - sowie ggf. weiterer einschlägiger Tarifverträge - bei tariflosem Zustand gelten die vereinbarten Tarifverträge weiter. ... In dem Manteltarifvertrag (Handwerk) für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandten Berufen für die Bundesrepublik Deutschland vom 31.10.1994 (MTV) ist in § 8 Ziffer 6 u.a. Folgendes geregelt: Urlaubsvergütung Alle Arbeitnehmer erhalten eine Urlaubsvergütung in Höhe von 100 v.H. zuzüglich eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 50 v.H. ihres durchschnittlichen Bruttoverdienstes. Die Berechnung erfolgt nach § 2 Ziffer 11.1.1. Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden. Der abgelöste und bis zum 31.12.1994 geltende Manteltarifvertrag vom 28.01.1987 enthielt zur Urlaubsvergütung bei Arbeitern in § 8 Ziffer 6 u.a. folgende Regelungen: Urlaubsvergütung Bei der Berechnung der Urlaubsvergütung sind zugrunde zu legen: bei den Arbeitern hinsichtlich der Lohnhöhe 150 % des Durchschnittsverdienstes (Berechnung gemäß § 2 Ziffer II). ... Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden. Mit der vorliegenden, am 15.10.2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zusätzliches Urlaubsgeld für 54,25 Urlaubsstunden im Juni 2003 und für 147,25 Urlaubsstunden im Juli 2003 verlangt. Wegen der Höhe der Klageforderung wird auf die Berechnung in der Klageschrift vom 15.10.2003 (Bl. 3 ff d.A.) verwiesen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach dem Manteltarifvertrag für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandte Berufe für die Bundesrepublik Deutschland vom 31.10.1994 ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubsentgeltes zu, so dass ihm über den bereits unstreitig gezahlten Betrag von 551,-- € eine weitere Zahlung in Höhe des eingeklagten Betrages zustehe. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 688,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % eines Bruttomonatsentgeltes zu, das beim Kläger unstreitig 1.891,50 € betrage. Umgerechnet auf einzelne Urlaubstage betrage das zusätzliche Urlaubsgeld 27,-- € pro Urlaubstag, da dem Kläger unstreitig 35 Urlaubstage im Jahr zustünden. Insoweit sei für die Monate Juni und Juli 2004 noch ein Betrag in Höhe von 43,-- € offen. Dem Kläger seien unstreitig im Juni 2003 vier Tage Resturlaub aus 2002, für die bereits Urlaubsgeld gezahlt worden sei, sowie drei Tage Urlaub aus dem Jahr 2004 und im Juli für 19 Tage Urlaub gewährt worden. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Tarifauskunft bei den vertragsschließenden Parteien des Manteltarifvertrages für die Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandten Berufen für die Bundesrepublik Deutschland. Wegen der Einzelhei-ten der Auskünfte wird auf den Schriftsatz des Bundesinnungsverbandes vom 06.04.2004 (Bl. 26 bis 29 d.A.) und den Schriftsatz der IG Metall vom 21.05.2004 (Bl. 33 d.A.) verwiesen. Durch Urteil vom 18.11.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 43,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2003 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden. Der Streitwert ist auf 688,19 € festgesetzt worden. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Auslegung der tariflichen Vorschrift des § 8 Ziffer 6 MTV ergebe, dass 50 % eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes für das gesamte Urlaubsjahr anteilig zur Auszahlung kommen soll. Gegen dieses ihm am 17.12.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 11.01.2005 Berufung eingelegt und diese am 16.02.2005 begründet. Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt sich weiterhin auf die von ihm erstinstanzlich vorgetragene Auslegung der streitigen tariflichen Vorschrift. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.11.2004 - 4 Ca 1336/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 645,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 22.10.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.11.2004 - 4 Ca 1336/04 - zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht die begehrte zusätzliche Urlaubsvergütung für die im Juni und Juli 2003 gewährten Urlaubstage nach § 8 Ziffer 6 MTV in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag nicht zu. I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommen die tariflichen Vorschriften des Manteltarifvertrages für Graveure, Galvaniseure, Gürtler und verwandte Berufe für die Bundesrepublik Deutschland vom 31.10.1994 kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung. II. Nach § 8 Ziffer 6.1 MTV erhalten alle Arbeitnehmer eine Urlaubsvergütung in Höhe von 100 v.H. zuzüglich eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 50 v.H. ihres durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes. Die Berechnung der Urlaubsvergütung erfolgt nach § 2 Ziffer 11.1.1 MTV. Nach der zutreffenden Auslegung des Arbeitsgerichts, der das Berufungsgericht folgt, kann diese tarifliche Regelung nur dahingehend ausgelegt werden, dass dem Arbeitnehmer für den gesamten Jahresurlaub ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe eines halben durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes zusteht, das anteilig zu den gewährten Urlaubstagen zur Auszahlung gelangt. 1. Die Auslegung von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lassen sich auch so zuverlässige Auslegungsergebnisse nicht gewinnen, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Anhaltspunkte wie die Tarifgeschichte, die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags und die praktische Tarifübung zurückgreifen. Auch auf die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen fachgerechten zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 18.08.1999 - 4 AZR 247/98 - NZA 2000, 432, 433; BAG, Urteil vom 28.07.1999 - 4 AZR 175/98 - NZA 2000, 41,42; BAG, Urteil vom 11.11.1998 - 5 AZR 63/98 - NZA 1999, 605; BAG, Urteil vom 16.06.1998 - 5 AZR 97/97 - NZA 1998, 1288, 1290). 2. Der Wortlaut in § 8 Ziffer 6.1 MTV ist bezüglich der Regelung der Urlaubsvergütung "Alle Arbeitnehmer erhalten eine Urlaubsvergütung in Höhe von 100 v.H." nicht eindeutig. a) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, würde die streng grammatikalische Auslegung nach dem inhaltlichen Bezug zu dem Ergebnis kommen, dass sich "ihres durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes" sowohl auf eine Urlaubsvergütung in Höhe von 100 v.H. und auf "zuzüglich eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 50 v.H." bezieht. b) Dagegen ist die Regelung der Höhe des zusätzlichen Urlaubsgeldes eindeutig durch den Wortlaut festgelegt: "zuzüglich eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 50 v.H. ihres durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes". Die vom Kläger vertretene Auffassung, dass für den Erholungsurlaub eine Vergütung von insgesamt 150 % der Vergütung geschuldet sein soll, wird vom Wortlaut der tariflichen Vorschrift nicht gedeckt. Dass als Vergütung der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst zugrunde zu legen ist, ergibt sich aus dem Tarifwortlaut nicht. 3. Gegen die Auslegung des Klägers spricht weiter die Tarifgeschichte. Die Vor-gängerregelung in § 8 Ziffer 6.1 des Manteltarifvertrags vom 28.01.1987 gewährte den ge-werblichen Arbeitnehmern eine Urlaubsvergütung (einschließlich des Urlaubsgeldes) in Hö-he von 150 % des Durchschnittsverdienstes. Die nunmehrige Beschränkung des Urlaubs-geldes auf 50 % eines durchschnittlichen Bruttomonatlohnes zeigt, dass die Tarifvertrags-parteien eine Änderung, eine Beschränkung der Höhe des Urlaubsgeldes auf den Brutto-monatsverdienst gewollt haben. Falls die Tarifvertragsparteien eine Urlaubsgeldregelung gewollt haben, so wie vom Kläger ausgelegt, hätten sie die tarifliche Vorschrift nicht zu ändern brauchen. B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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