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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 507/07
Rechtsgebiete: BGB, TVG, MTV Einzelhandel NRW, TV Sonderzahlungen Einzelhandel NRW


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 4
TVG § 4 Abs. 5
MTV Einzelhandel NRW vom 25.07.2003
TV Sonderzahlungen Einzelhandel NRW vom 20.09.1996
Eine arbeitsvertragliche Regelung, die auf Abänderung einer tariflichen Regelung zu Ungunsten des Arbeitnehmers gerichtet ist und dahin ausgelegt werden kann, dass sie zumindest nach Ablauf der Tarifbindung die Nachwirkung beseitigen soll, ist nicht nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam, sondern wird lediglich bis zum Ablauf der Tarifbindung durch den Tarifvertrag verdrängt.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 - 3 Ca 1280/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf das tarifliche Urlaubsgeld für das Jahr 2006, auf Vergütungsansprüche für in den Monaten April bis Juni 2006 geleistete Arbeitszeit sowie die Gutschrift von zwei Urlaubstagen auf das Urlaubskonto der Klägerin.

Die am 09.07.1970 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.1992 bei der Beklagten als Dekorateurin beschäftigt, zuletzt als stellvertretende Abteilungsleiterin der Deko-Abteilung. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2.136,-- €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag, in dem u.a. Folgendes geregelt wird:

§ 1 Anstellung

...

3. Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.

Besteht eine Betriebs- und/oder Sozialordnung, so ist/sind auch diese Bestandteil dieses Vertrages in ihrer jeweils geltenden Fassung.

...

§ 7 Urlaub und Urlaubsgeld

1. Jeglicher Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach mehr als dreimonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen.

2. Der Urlaub beträgt demnach zur Zeit 27 Werktage im Kalenderjahr, für 1991 anteilig.

3. Der/Die Arbeitnehmer/in erhält ein Urlaubsgeld entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen. Das Urlaubsgeld beträgt demnach zur Zeit 1.233,-- DM, für 1991 anteilig.

In dem einschlägigen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen e.V. vom 25.07.2003 (MTV), der am 31.03.2006 außer Kraft trat, war u.a. Folgendes geregelt:

...

§ 2 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden ausschließlich der Pausen. Im Übrigen richtet sich die Arbeitszeit nach den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, der Gewerbeordnung, des Jugendarbeitsschutzgesetzes sowie des Mutterschutzgesetzes.

...

§ 4 Mehrarbeit

(1) Mehrarbeit für Vollbeschäftigte ist jede über die vereinbarte oder festgelegte tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit, sofern sie nicht gemäß § 2 Abs. 5 ausgeglichen wird. Mehrarbeit für Teilzeitbeschäftigte ist jede Arbeitszeit, die über die in § 2 Abs. 1 geregelte Arbeitszeit hinaus geleistet wird.

(2) Eine über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit bis zu 40 Stunden je Woche ist als zuschlagfreie Mehrarbeit zu vergüten.

...

§ 15 Urlaub

...

(2) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Maßgebend für die Urlaubsdauer ist das Lebensalter bei Beginn des Kalenderjahres.

(3) Der Urlaub beträgt je Kalenderjahr:

bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30

nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 32

nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34

nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Werktage

..

Tariflich eingruppiert ist die Klägerin in die Gehaltsgruppe G I 6. Sie erhält für ihre Funktion als stellvertretende Abteilungsleiterin weiter eine Zulage in Höhe von 150,-- €.

Die Klägerin ist seit 1987 Mitglied der Gewerkschaft ver.di bzw. der Rechtsvorgängerin HBV.

Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe. Durch Schreiben vom 20.09.2004 erklärte die Beklagte gegenüber dem Einzelhandelsverband den Ausschluss der Tarifbindung (Bl. 111 d.A.). Mit Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 112 d.A.) bestätigte der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe die Annahme des Antrags zum Wechsel in die OT-Mitgliedschaft. Seit dem 01.11.2004 wird die Beklagte nur noch als Mitglied ohne Tarifbindung beim Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe geführt. Das Verfahren des Erwerbs der Mitgliedschaft ist in § 3 der Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. (Bl. 113, 114 d.A.) geregelt.

Die Parteien schlossen unter dem 01.03.2005 eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 10 d.A.), in der die Parteien u.a. Folgendes regelten:

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.

Arbeitszeit

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40,0 Stunden.

Zuschläge

Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.

Sonderzahlungen

Ein evtl. bisheriger Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) entfällt.

...

Urlaub

Der Urlaub beträgt ab dem 01.01.2005 nach Lebensjahr gestaffelt:

...

nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 28 Arbeitstage je Kalenderjahr.

Im März 2005 teilte die Beklagte der Klägerin nach Unterzeichnung der Vereinbarung vom 01.03.2005 in einem weiteren Schreiben mit, dass sie im Hinblick auf die Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages auf eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin bis zum 28.02.2007 verzichte und bis zu diesem Zeitpunkt den Bestand des Arbeitsverhältnisses garantiere.

In der Folgezeit wurde die Klägerin ab 01.04.2005 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eingesetzt ohne Erhöhung der Monatsvergütung.

Mit der am 25.09.2006 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung des tarifvertraglichen Urlaubsgeldes für 2006 sowie die Vergütung der in der Zeit von April bis Juni 2006 geleisteten über 37,5 Wochenarbeitsstunden hinaus gehenden Arbeitszeiten und die Gutschrift von zwei weiteren Urlaubstagen für das Jahr 2006 beansprucht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr für die Zeit von April bis Juni 2006 die über 37,5 Stunden geleisteten Wochenarbeitsstunden mit 424,96 € brutto zu vergüten. Weiterhin stehe ihr für das Jahr 2006 das tarifvertragliche Urlaubsgeld in Höhe von 881,72 € brutto zu. Darüber hinaus habe die Beklagte ihr zwei Urlaubstage auf dem Urlaubskonto gutzuschreiben, da sie gemäß dem Manteltarifvertrag für den Einzelhandel einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen habe. Die Begründung einer OT-Mitgliedschaft der Beklagten könne keine Berücksichtigung finden, da diese schon unwirksam sei. Ebenso sei die von den Parteien unter dem 01.03.2005 geschlossene Änderungsvereinbarung unzulässig, da hinsichtlich der einschlägigen Tarifverträge des Einzelhandels eine Nachbindung bestanden habe. Im Übrigen sei der von den Parteien am 01.03.2005 geschlossenen Vereinbarung eine Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich nicht zu entnehmen. Eine Vorbesprechung der Vereinbarung durch die Parteien habe nicht stattgefunden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.306,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.09.2006 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Urlaubskonto zusätzlich zwei Tage gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihre OT-Mitgliedschaft sei zulässig. Wegen der von den Parteien am 01.03.2005 geschlossenen Vereinbarung stünden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Vereinbarung sei wirksam und regele eindeutig, dass die Wochenarbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich erfolge. Darüber hinaus seien mit der Klägerin vor Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung alle Einzelheiten erörtert worden. Insbesondere sei darauf hingewiesen worden, dass die Vereinbarung der Sicherung der Arbeitsplätze bei der Beklagten diene.

Das Arbeitsgericht hat die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung zur Abänderung des Arbeitsvertrages vom 01.03.2005 für wirksam angesehen und durch Urteil vom 24.01.2007 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.510,11 € festgesetzt.

Gegen dieses ihr am 20.02.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 19.03.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.05.2007 am 21.05.2007 begründet.

Die Klägerin greift das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen vollständig an unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 - 3 Ca 1280/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.155,77 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.09.2006 zu zahlen und ihrem Urlaubskonto zusätzlich zwei Tage für das Urlaubsjahr 2006 gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 - 3 Ca 1280/06 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A. Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz für die Monate April bis Juni 2006 in Höhe von 274,05 € nicht gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

Die Klägerin hat zwar ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in der Zeit, für die sie die Restvergütung verlangt, geleistet. Hierdurch wurde aber ein über die von der Beklagten gezahlten Monatsvergütung hinausgehender Vergütungsanspruch nicht begründet.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, steht dem streitgegenständlichen Vergütungsanspruch die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 01.03.2005 entgegen.

I. Diese Vereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 TVG unwirksam (§ 134 BGB).

Nach § 4 Abs. 3 TVG sind von einem Tarifvertrag abweichende Abmachungen für tarifgebundene Parteien nur dann zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

1. Für beide Parteien bestand zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 01.03.2005 bezüglich des Manteltarifvertrages (MTV) Tarifbindung.

Nach § 3 Abs. 1 TVG sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist.

Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die Tarifgebundenheit bestehen bis der Tarifvertrag endet.

a) Am 01.03.2005 war die Klägerin Mitglied der Tarifvertragspartei ver.di und damit tarifgebunden.

b) Dagegen war die Beklagte - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht mehr nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Die Tarifgebundenheit der Beklagten endete mit dem Wechsel der Beklagten von der Mitgliedschaft mit Tarifbindung im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. zu einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) am 01.11.2004.

aa) Die von der Beklagten begründete Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist in der nach der Satzung vorgeschriebenen Form erfolgt und zulässig.

Ein Arbeitgeberverband kann in seiner Satzung - wie vorliegend in § 3 Ziffer 2 des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. - eine Form der Mitgliedschaft vorsehen, die nicht zur Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG führt. Die Koalitionen sind grundsätzlich nicht gehindert, in ihren Satzungen die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder unterschiedlich auszugestalten. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, Mitgliedschaften vorzusehen, welche nicht die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 1 TVG auslösen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken hiergegen (vgl. BAG, Beschluss vom 18.07.2006 -1 ABR 36/05 - NZA 2006, 1225; BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - NZA 2005, 1320; ErfK/Frantzen, 7. Aufl., § 3 TVG Rz. 21; Löwisch/Rieble, 2. Aufl., § 3 TVG Rz. 86; Wilhelm/Dannhorn, NZA 2006, 466, 472). Insoweit ist der Wechsel der Mitgliedschaft nicht anders zu behandeln, als der Austritt aus dem Verband.

bb) Der Wechsel erfolgte auch in der von der Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. vorgeschriebenen Form. Die Beklagte hat am 20.09.2004 den Antrag gestellt. Dieser Antrag ist am 23.09.2004 durch den Vorstand des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe angenommen worden. Die Beklagte hat dies nachgewiesen durch die Vorlage des Originals der Annahmeverklärung des Vorstandes vom 23.09.2004, unterzeichnet von dem Vorstandsvorsitzenden W3.

c) Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abänderungsvertrages (01.03.2005) bestand aber noch eine Tarifgebundenheit der Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 TVG bezüglich des am 25.07.2003 abgeschlossenen Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NRW, gültig ab 01.04.2003, der frühestens zum 31.12.2005 gekündigt werden konnte (§ 7 Abs. 3 MTV) und am 31.03.2006 außer Kraft trat § 27 Abs. 2 MTV Einzelhandel NRW vom 10.02.2006) .

Damit war die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Mitgliedsstatus bei dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. ebenfalls bis zum 31.03.2006 noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG an dem Manteltarifvertrag Einzelhandel (MTV) gebunden.

2. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 01.03.2005 lagen auch die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 TVG vor.

a) Die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden weicht von der tariflichen Regelung in § 2 Abs. 1 MTV ab.

b) Die vertragliche Regelung der Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden ist keine zu Gunsten der Klägerin abweichende Regelung.

Bei einem Günstigkeitsvergleich von tariflichen und vertraglichen Regelungen nach § 4 Abs. 3 TVG sind nur sachlich zusammenhängende Arbeitsbedingungen vergleichbar und deshalb zu berücksichtigen. § 4 Abs. 3 TVG lässt es nicht zu, dass Tarifbestimmungen über die Wochenarbeitszeit und die Höhe des Arbeitsentgelts mit einer betrieblichen Arbeitsplatzgarantie verglichen werden (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 97.11.2002 - 2 AZR 742/00 - DB 2003, 742).

3. Da die Vereinbarung zur Abänderung des Arbeitsvertrages vom 01.03.2005 tariflich nicht gestattet ist und auch keine Änderung zugunsten der Klägerin enthält, bleibt festzustellen, welche rechtlichen Wirkungen diese Abweichung bezüglich der streitgegenständlichen Vergütungsforderung für die Zeit April bis Juni 2006 hat.

a) Es ist umstritten, ob eine gegen § 4 Abs. 3 TVG verstoßende Regelung nichtig ist oder ob sie durch die unmittelbar und zwingend geltende tarifliche Regelung nur verdrängt wird (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - DB 2005, 2307).

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 23.02.2005 zwei mögliche Lösungswege aufgezeigt, die vertretbar seien.

aa) Würde man von einer Nichtigkeit der Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 TVG ausgehen, so wäre die getroffene Regelung der Parteien über die Erhöhung der Wochenarbeitszeit gemäß § 134 BGB unwirksam, zumindest solange bis die Tarifbindung endet. Nach den Maßstäben des § 139 BGB wäre dann auszulegen, ob die Vereinbarung für den Zeitraum der Nachwirkung getroffen worden wäre, wenn die Parteien die Unwirksamkeit ihrer Vereinbarung im Hinblick auf den vorliegenden Fall für den Zeitraum 01.04. bis 31.12.2005 gekannt hätten.

Bei dieser Lösung ist schon fraglich, ob § 4 Abs. 3 TVG ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellt (vgl. z.B. Buchner, RdA 2006, 308, 311 m.w.N.).

bb) In Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts hält das Berufungsgericht die zweite vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 23.02.2005 angedachte Lösungsmöglichkeit für überzeugend.

Diese geht von einer Verdrängung der vertraglichen Regelung durch die tarifvertraglichen Vorschriften aus mit der Folge, dass die vertraglichen Regelungen grundsätzlich wieder aufleben können (vgl. z.B. ErfK/Frantzen, 7. Aufl., § 4 TVG Rz. 3 m.w.N.; Buchner, RdA 2006, 308 ff.). Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall.

Dies ergibt sich aus der Auslegung der Vereinbarung vom 01.03.2005.

(1) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zunächst ist der Wortlaut für die Auslegung maßgeblich. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind daneben auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BAG, Urteil vom 05.06.2007 - 9 AZR 241/06 - NZA 2007, 1369; BAG, Urteil vom 11.04.2006 - 9 AZR 369/05 - NZA 2006, 927).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Parteien bei dem Vertragsschluss zumindest auch die Beseitigung der Nachwirkung gewollt haben.

Der Beklagten ging es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation darum, in jedem Fall eine Minderung der Lohnkosten zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erreichen. Die Klägerin hat offensichtlich wegen der bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten und der Gefährdung ihres Arbeitsplatzes die Minderung der Vergütungsansprüche durch die Vereinbarung vom 01.03.2005 für die Zukunft akzeptiert. Beide Parteien haben eine Bindung für die Zukunft zum frühestmöglichen Zeitpunkt gewollt. Dieser Wille erfasst auch den Fall, dass die Vereinbarung als Teil eines Bündnisses für Arbeit erst wirksam werden kann nach Ablauf des noch laufenden Tarifvertrages mit Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nach § 3 Abs. 3 TVG.

cc) Eine solche Vereinbarung, wie sie die Parteien geschlossen haben, verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB.

Diese tarifvertragliche Regelung verdrängt zunächst kraft ihres aus der Rechtsquellenhierarchie folgenden Vorrangs die arbeitsvertragliche Vereinbarung, die im Hinblick auf den Ablauf eines Tarifvertrages getroffen worden ist. Wie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 23.02.2005 (a.a.O.) entschieden hat, kann eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auslösen soll, auch schon vor Eintritt der Nachwirkung ausgeschlossen werden, wie im vorliegenden Fall.

b) So wurde die Vereinbarung vom 01.03.2005 bis zur Beendigung der beiderseitigen Tarifgebundenheit verdrängt. Mit Ablauf des Manteltarifvertrages vom 25.07.2003 am 31.03.2006 ist die Vereinbarung dann als andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG wirksam geworden.

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Manteltarifvertrag vom 25.07.2003 mit dem Außerkrafttreten zum 31.03.2006 seine Wirksamkeit für das Arbeitsverhältnis verloren.

Soweit in § 27 Abs. 6 MTV geregelt ist, dass dieser Tarifvertrag auch nach erfolgter Kündigung bis zum Abschuss eines neuen Vertrages in Kraft bleiben und die Rechtswirkungen enden, wenn nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens eine der Vertragsparteien den anderen Vertragsparteien schriftlich mitteilt, dass die Verhandlungen als gescheitert anzusehen sind, führt diese Regelung nicht zu einer Verlängerung der Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG über den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist hinaus.

Nach herrschender Meinung können die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung nicht zur echten Normwirkung verstärken. Insoweit ist der Regelung in § 4 Abs. 5 TVG zwingende Wirkung beizulegen (Wiedemann, TVG, 7. Aufl., § 4 Rz. 361; Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl., § 4 Rz. 412, anderer Auffassung: Däubler/Becker, § 4 TVG Rz. 895). Die Tarifvertragsparteien können die nachwirkenden Tarifnormen allein durch einen neuen echten Tarifvertrag abändern. Durch die Kündigung verliert der Tarifvertrag seine normative Wirkung nach Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. hierzu Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl., § 4 Rz. 13).

II. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht ist die von den Parteien am 01.03.2005 geschlossene Vereinbarung auch dahingehend auszulegen, dass die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich vereinbart wurde.

Dies ergibt sich aus der Auslegung der Vereinbarung nach §§ 157, 133 BGB unter Berücksichtigung der o.a. (unter I. 3. a)) angeführten Auslegungsregeln.

Zwar ist die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich im Wortlaut der Vereinbarung nicht ausdrücklich festgehalten. Bei der Auslegung ist aber zu berücksichtigen, dass der Klägerin bereits seit 1991 von der Beklagten ein feststehender Monatslohn gezahlt wird. Eine Änderung des Monatslohnes ist durch die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 gerade nicht erfolgt. In der Vereinbarung ist vielmehr ausdrücklich festgehalten, dass "die dabei nicht genannten Regelungen weiter gelten sollten". Bereits hieraus muss entnommen werden, dass die Klägerin bei gleichbleibendem Lohn nunmehr verpflichtet werden sollte, eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden statt bisher 37,5 Stunden abzuleisten, ohne dass sich ihr Monatslohn änderte.

Hierfür sprechen auch die weiteren Begleitumstände beim Abschluss der Vereinbarung vom 01.03.2005 und insbesondere auch der von der Beklagten im März 2005 erklärte Verzicht auf eine betriebsbedingte Kündigung der Klägerin gegenüber, der ausdrücklich Bezug nimmt auf die Vereinbarung vom 01.03.2005 (vgl. auch LAG Hamm, Urteil vom 30.10.2006 - 10 Sa 407/06 -). Beide Rechtsgeschäfte sind vorgenommen worden im Rahmen eines sogenannten "Bündnisses für Arbeit".

III. Die Unwirksamkeit der von den Parteien getroffenen Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 ergibt sich nicht aus den § 305 ff BGB. Infrage käme lediglich eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt aber auf die Vereinbarung der Verlängerung der Arbeitszeit nicht zur Anwendung. Hier handelt es sich um eine Regelung der Hauptpflichten des Vertrages gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Diese unterliegen nicht der AGB-Kontrolle (vgl. z.B. LAG Köln, Urteil vom 13.02.2006 - 2 Sa 1271/05 -).

B. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2006 in Höhe von 881,72 € brutto gemäß Abschn. B § 1 Abs. 1 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über Sonderzahlungen vom 20.09.1996 (TV Sonderzahlungen) in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag.

Die Parteien haben in der Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 01.03.2005 vereinbart, dass ein evtl. bisheriger Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) entfällt.

I. Diese abändernde Vereinbarung ist wirksam.

Der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 01.03.2005 einschlägige, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 20.09.1996 war bereits zum 31.01.2000 gekündigt worden und befand sich seitdem in Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Hiernach sind abweichende einzelvertragliche Regelungen der Arbeitsvertragsparteien - wie auch die vorliegende - zulässig, da die zwingende Wirkung des Tarifvertrages selbst mit Beendigung des Tarifvertrages endete.

II. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf das Urlaubsgeld auch nicht auf den Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 10.02.2006 stützen, der ab 01.01.2006 in Kraft ist.

Bei Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages im Jahr 2006 fehlte es an einer beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien, da die Beklagte seit dem 01.11.2004 (wie oben dargelegt) nicht mehr tarifgebunden ist.

III. Die Klägerin kann zur Begründung des Urlaubsgeldanspruchs auch nicht auf die Regelung in § 1 Ziff. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.05.1990 verweisen.

1. Die Parteien haben in der Vereinbarung über die Abänderung des Arbeitsvertrages vom 01.03.2005 eine speziellere individualrechtliche Vereinbarung über Sonderzahlungen getroffen. Als speziellere Vorschrift geht die Vereinbarung vom 01.03.2005 der allgemeinen Verweisung im Arbeitsvertrag vom 02.05.1990 vor.

2. Darüber hinaus ist die Verweisung in § 1 Ziff. 3 und § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen, bewirkt also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern.

Bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers, hier ab 01.11.2004, endete auch die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - NZA 2006, 607) sind im Wege der Auslegung arbeitsvertragliche Bezugsnahmeklauseln in bis zum 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen als Gleichstellungsabreden auszulegen.

C. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gutschrift von zwei weiteren Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2006 auf ihr Urlaubskonto zu.

Nach der Vereinbarung vom 01.03.2005 beträgt der Urlaubsanspruch der Klägerin 28 Urlaubstage je Kalenderjahr.

Diese Vereinbarung ist wirksam, wie oben unter A dargelegt.

Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs.2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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