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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.08.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 729/05
Rechtsgebiete: EntgFG, BRTV Bau, TV 13. Monatseinkommen Bau


Vorschriften:

EntgFG § 3 Abs. 1
EntgFG § 4 Abs. 1
EntgFG § 4 Abs. 3
BRTV Bau § 15
TV 13. Monatseinkommen Bau § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.02.2005 - 1 Ca 2656/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.936,00 € brutto abzüglich 1.341,79 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 25 % und der Beklagten zu 75 % auferlegt.

Tatbestand:

Der am 29.02.1952 geborene verheiratete Kläger ist seit Oktober 1978 bei der Beklagten als Baufachwerker tätig. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 14,55 €.

In der Abrechnung 11/03 zahlte die Beklagte an den Kläger als Anteil auf das 13. tarifliche Monatseinkommen 363,35 € brutto. Mit Schreiben vom 15.02.2004 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten folgendes mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

bekanntlich vertreten wir die rechtlichen Interessen des Herrn P1xxx.

Nachdem unser Mandant sich mit der Absenkung des 13. Monatseinkommens nicht einverstanden erklärt hat, sind Sie verpflichtet, zunächst die Hälfte entsprechend den bisherigen Regelungen auszuzahlen.

Eine Abrechnung ist bislang aber weder in der Dezemberabrechnung noch in der Januarabrechnung vorgenommen worden.

Sie werden hiermit zur unverzüglichen Abrechnung und Auszahlung des fälligen Nettobetrages aufgefordert."

Das Schreiben wurde in Telefaxform der Beklagten am 16.02.2004 zugesandt. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 18.02.2004 wie folgt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

leider ist Ihr Mandant immer noch nicht trotz eindringlicher Erklärung in der Lage, seine Abrechnungen zu lesen.

Mit der Abrechnung 11/03 hat Ihr Mandant entsprechend des neuen Tarifvertrages das 13. Gehalt (= 363,35 €/Basis auf 63 Std.) erhalten."

In der Zeit vom 16.08.2004 bis zum 03.09.2004 war dem Kläger Jahresurlaub bewilligt. Während des Jahresurlaubs erkrankte der Kläger am 23.08.2004 und war bis einschließlich 24.09.2004 arbeitsunfähig krank. Die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legte er der Beklagten vor. In den Lohnabrechnungen für die Monate August und September rechnete die Beklagte für die Zeit der Erkrankung das Kurzarbeitergeld ab.

Mit der vorliegenden, am 10.09.2004 erhobenen Klage hat der Kläger die Restzahlung des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Baugewerbe für das Jahr 2003 in Höhe von 582,40 € und die Restentgeltfortzahlung für den Zeitraum 23.08.2004 bis 24.09.2004 in Höhe von 2.936,00 € brutto abzüglich 1.341,00 € netto verlangt als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 582,40 € brutto zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.05.2004 zu zahlen, die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 2.936,00 € brutto abzüglich 1.341,79 € netto zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Restanspruch auf das anteilige 13. Monatseinkommen sei verfallen. Eine Geltendmachung vom 08.07.2004 des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe sie weder per Fax noch im Original erhalten.

Die Beklagte hat behauptet, während der Zeit der Erkrankung des Klägers habe seine Abteilung Kurzarbeit geleistet.

Im Urteil vom 25.02.2005 ist das Arbeitsgericht der Auffassung des Klägers gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Beklagten auferlegt worden. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 2.276,61 € festgesetzt.

Gegen dieses ihm am 14.03.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 13.04.2005 Berufung eingelegt und diese ebenfalls am 13.05.2005 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil in vollem Urteil an. Sie stützt sich weiterhin auf ihre erstinstanzlich vorgetragenen Auffassungen und Behauptungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Bochum vom 25.02.2005 - 1 Ca 2656/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Bochum vom 25.02.2005 - 1 Ca 2656/04 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

I. Der mit der Klage geltend gemachte Restanspruch auf Zahlung des tariflichen 13. Monatseinkommens im Baugewerbe ist entgegen der Auffassung des Klägers verfallen.

1. Nach § 15 Abs. 1 BRTV Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. § 15 Abs. 2 BRTV Bau bestimmt in der 2. Stufe, dass der Anspruch verfällt, wenn die Gegenpartei den Anspruch ablehnt oder sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs erklärt, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder den Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

2. Diese Voraussetzungen des Verfalls liegen für den begehrten Restanspruch des Klägers auf das anteilige 13. Monatseinkommen im Baugewerbe vor.

a) Nach § 6 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen Bau ist das 13. Monatseinkommen je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns bzw. der Ausbildungsvergütung für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen. Nach § 5 Nr. 7.2 BRTV Bau wird der Anspruch auf Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf dem Monat folgt, für den er zu zahlen ist.

Damit begann für die erste Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Baugewerbe 2003 gemäß § 15 Abs. 1 BRTV Bau die Verfallfrist am 15.12.2003 zu laufen und endete am 15.02.2004. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er innerhalb dieser Frist den hälftigen Anspruch geltend gemacht hat. Das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2004 an die Beklagte ist der Beklagten, wie auch der Zugang des Faxes dieses Schreibens zeigt, frühestens am 16.02.2004 zugegangen. Im Übrigen ist nach der Ablehnung des Anspruchs durch die Beklagte im Schreiben vom 18.02.2004 die gerichtliche Geltendmachung erst mit der vorliegenden Klage am 10.09.2004 verspätet erfolgt.

b) Für die zweite Hälfte des 13. tariflichen Monatseinkommens im Baugewerbe 2003 begann die Verfallfrist am 15.05.2004 zu laufen und endete am 15.07.2004. Dass der Kläger den Anspruch vor Ablauf der Verfallfrist des § 15 Nr. 1 BRTV Bau mit Schreiben vom 08.07.2004 nach den tariflichen Vorschriften geltend gemacht hat, ist nicht bewiesen.

Ein Beweisantritt dafür, dass und wann das Schreiben des Klägers vom 08.07.2004 der Beklagten auch zugegangen ist, fehlt.

c) Weiter ist nicht bewiesen, dass dieses Schreiben in Fax-Form der Beklagten zugegangen ist.

aa) Die Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne des § 15 BRTV ist keine Willenserklärung, sondern eine einseitige geschäftsähnliche Handlung, auf die die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur entsprechend ihrer Eigenart analog zur Anwendung kommen (vgl. BAG Urteil vom 11.10.2000 - 5 AZR 313/99 - AP Nr. 153 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Da die Geltendmachung eines Anspruchs den Schuldner an seine Leistungspflicht erinnern soll, ist der Zugang des Geltendmachungsschreibens beim Schuldner Voraussetzung zur Wahrung der Ausschlussfrist. Insoweit ist § 130 BGB auf die Geltendmachung tariflicher Ausschlussfristen entsprechend anzuwenden. Eine schriftliche Geltendmachung geht dem Schuldner zu, wenn es so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Insoweit kann ein Anspruch im Sinne des § 15 Nr. 1 des BRTV Bau auch schriftlich erhoben werden, wenn dies in Form eines Telefax-Schreibens geschieht.

bb) Der Kläger hat aber nicht bewiesen, dass das Telefax seines Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2004 der Beklagten zugegangen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich der Zugang nicht zwingend aus dem vorgelegten Sendebericht mit dem "OK-Vermerk".

Einem solchen Sendebericht kommt nicht der Wert eines Anscheinsbeweises zu (vgl. BGH v. 07.12.1994 - VII ZR 153/93 - NJW 1995, 665; BFH v. 08.07.1998 - I R 17/96 - BFH 186, 491, 493; BAG Urteil vom 14.08.2002 - 5 AZR 169/01 - AP Nr. 166 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Telefaxsendungen den Empfänger vollständig und richtig erreichen. Allenfalls kann die Absendung hierdurch bewiesen sein. Hieraus ergibt sich jedoch nicht auch der vollständige Eingang des Telefaxes beim Empfänger mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme (streitig siehe Überblick über die Meinungen in Riesenkampff, NJW 2004, 3296).

II. Dem Kläger steht als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EntgFG für die Zeit vom 23.08.2004 bis zum 24.09.2004 ein Restvergütungsanspruch in Höhe von 2.936,00 € brutto abzüglich gezahlter 1.341,79 € netto zu.

1. Nach § 3 Abs. 1 EntgFG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihm ein Verschulden trifft.

2. Diese Voraussetzungen lagen in der Zeit vom 23.08.2004 bis 24.09.2004 vor. Der Kläger hat das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit in diesem Zeitraum durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen.

3. Nach § 4 Abs. 1 EntgFG ist einem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EntgFG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

Hiernach ergibt sich für den Kläger für den Zeitraum vom 23.08.2004 bis 24.09.2004 ein Anspruch auf 2.936,00 € (25 Arbeitstage x 8 Stunden x 14,68 €) brutto. In Höhe der gezahlten Nettovergütung von 1.341,79 € ist der Anspruch gemäß § 362 BGB wegen Erfüllung erloschen.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten mindert sich dieser Vergütungsanspruch des Klägers nicht nach § 4 Abs. 3 EntgFG.

a) § 4 Abs. 3 bestimmt, dass, wenn in dem Betrieb verkürzt gearbeitet wird und deshalb das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers im Falle seiner Arbeitsfähigkeit gemindert würde, die verkürzte Arbeitszeit für ihre Dauer als die für den Arbeitnehmer maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs. 1 EntgFG anzusehen ist.

b) Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger im Monat August 56 Stunden Kurzarbeit und im September 144 Stunden Kurzarbeit geleistet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre.

aa) Durch den Bescheid der Agentur für Arbeit H3xxx vom 06.08.2004 ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Kurzarbeit für die von der Beklagten behaupteten Stunden im August und September nicht nachgewiesen.

Der Bescheid vom 06.08.2004 erfolgte auf die Anzeige der Beklagten über Arbeitsausfall vom 23.07.2004. Der Bescheid stellt nur dem Grunde nach fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen für den Zeitraum 01.07.2004 bis 30.09.2004. Nach den Abrechnungen der Beklagten für August und September 2004 hätte der Kläger nur während der Zeit seiner Erkrankung 23.08. bis 24.09.2004 Kurzarbeit geleistet, vorher und nachher nicht. Dass tatsächlich die Abteilung Straßenbau bzw. Kanalbau in der Zeit vom 23.08. bis 24.09.2004 Kurzarbeit geleistet hat, ist den von der Beklagten vorgelegten Urkunden nicht zu entnehmen. Einen solchen Schluss hätte man nur ziehen können, wenn die Beklagte auch die konkreten Leistungsanträge mit Abrechnungslisten und mit den Namen der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer vorgelegt hätte.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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