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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.05.2003
Aktenzeichen: 18 Ta 49/03
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG, ArbGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 120
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 124 Nr. 4
ZPO § 127 Abs. 2
RPflG § 11
ArbGG § 46 Abs. 2 Satz 3
BGB § 282 a.F.
BGB § 285 a.F.
BGB § 280 n.F.
BGB § 286 n.F.
Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist unzulässig, wenn die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht mehr entsprechen. Da die Bewilligungsentscheidung bei einer Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse rückwirkend auf den Zeitpunkt geändert werden kann, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, kommt eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen in diesen Zeitraum fallender rückständiger Beträge nicht in Betracht.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der PKH-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17.05.2002 - 4 Ca 1964/01 - aufgehoben.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat dem Kläger zur Durchführung des Kündigungsschutzrechtsstreits 4 Ca 1964/01 mit Beschluss vom 10.10.2001 mit Wirkung vom 26.06.2001 Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt A2xxx aus B1xxxxxxx mit der Maßgabe beigeordnet, dass der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten von 30,-- DM zu zahlen hat.

Mit Schreiben vom 15.10.2001 hat das Arbeitsgericht den Beginn der Ratenzahlung auf den 05.11.2001 festgesetzt. Mit Schreiben vom 18.10.2001 erhielt der Kläger den PKH-Zahlungsplan. Die Kopie eines Schreibens des Klägers vom 02.12.2001 ging am 14.12.2001 bei dem Arbeitsgericht in Bielefeld ein. In dem Schreiben heißt es u.a.:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen Ihre Mahnung bzw. Rechnung lege ich hiermit nochmals "schriftlich" Einspruch bzw. Widerspruch gegen diese Bescheide ein.

...

Aufgrund der umfangreichen Akten bitte ich Sie, unter dem Aktenzeichen der Ladung doch Rücksprache mit dem dortigen Familiengericht bzw. deren Gerichtskasse aufzunehmen.

Trotzdem eine Kopie über meinen derzeitigen Verschuldungsstand bzw. eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber meinen beiden Kindern."

Dem Schreiben lag der Bescheid des Arbeitsamts vom 03.12.2001 für den Zeitraum 13.10.2001 bis 04.11.2001 (Bl. 35 PKH-Akte) und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Firma R1xxxxx GmbH & Co. KG zum 12.10.2001 (Bl. 36 PKH-Akte) bei.

Mit Schreiben vom 17.12.2001 teilte das Arbeitsgericht dem Kläger u.a. Folgendes mit:

"In dem oben genannten Rechtsstreit wird Bezug genommen auf die von Ihnen eingereichten Unterlagen.

Soweit Sie die Raten aufgehoben haben möchten, ist ein ausdrücklicher Antrag zu stellen. Dieser ist schriftlich und im Original einzureichen. Zur Begründung ist die anliegende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen. Weiterhin sind eine aktuelle Einkommensbescheinigung und Kontoauszüge für den laufenden Monat beizufügen, aus denen sich alle Einkünfte und Belastungen ergeben sollten.

Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass die Raten erst ab dem Zeitpunkt geändert werden können, in dem der Antrag hier eingegangen ist. Die bis dahin fällig gewordenen Raten sind noch zu zahlen.

Um Erledigung binnen einer Frist von zwei Wochen wird gebeten."

Am 17.01.2002 mahnte das Arbeitsgericht den Kläger wie folgt:

"In dem Rechtsstreit K1xxxxxxxxxxxxxx ./. Fa. I1xxxx P1xxx GmbH sind Sie mit der Zahlung Ihrer Prozesskostenhilfe-Raten für die Monate November 2001, Dezember 2001 und Januar 2002 rückständig.

Sie werden hiermit dringend gebeten, die bereits fälligen Raten unverzüglich auf das Konto bei der Gerichtskasse Düsseldorf zum Kassenzeichen 43171 912 8 nachzuzahlen und die weiteren Raten pünktlich zu leisten.

Geraten Sie mit der Zahlung einer Rate länger als drei Monate in Rückstand, wird die Prozesskostenhilfe aufgehoben (§ 121 Nr. 4 der Zivilprozessordnung). Der gesamte noch offene Kostenbetrag in der Höhe von 836,12 EUR ist dann sofort fällig und kann zwangsweise beigetrieben werden."

Durch Beschluss vom 12.04.2002 änderte das Arbeitsgericht Bielefeld den PKH-Bewilligungsbeschluss vom 10.10.2001 mit der Maßgabe ab, dass der Kläger ab 28.01.2002 keinen Beitrag mehr zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hatte. Der Beschluss enthielt den Hinweis:

"Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass eine Änderung erst ab Antragseingang erfolgen kann. Die bis zum 27.01.2002 fällig gewordenen Raten von insgesamt 46,02 EUR sind noch zu leisten."

Mit Ablichtung des Schreibens vom 17.04.2002, welches am 19.04.2002 bei dem Arbeitsgericht einging, bat der Kläger um Stundung der Raten in Höhe von 46,02 EUR. Er fügte diesem Schreiben die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Firma S3xxxxx H2xxx Textil-Druck vom 04.03.2002 zum 31.03.2002 bei. Auf den Stundungsantrag teilte das Arbeitsgericht dem Kläger mit Schreiben vom 19.04.2002 u.a. mit:

"Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass Anträge im Original einzureichen sind. Erst bei Eingang des Originals ist dieser zu berücksichtigen.

Darüber hinaus hätten Sie die Raten bereits vor dem 01.04.2002 zahlen müssen und können. Daher kann auf den Betrag nicht verzichtet werden. Soweit es Ihnen aber nicht möglich ist, den Betrag auf einmal zu zahlen, bitte ich darum, monatliche Beträge von mindestens 10,00 EUR zu leisten. Dabei ist der erste Betrag bis zum Monatsende einzuzahlen."

Mit Schreiben vom 03.05.2002 teilte das Arbeitsgericht dem Kläger mit:

"In dem Rechtsstreit K1xxxxxxxxxxxxxx ./. Fa. I1xxxx P1xxx GmbH sind Sie mit der Zahlung Ihrer Prozesskostenhilfe-Raten seit dem 05.11.2001 rückständig.

Es wird Ihnen eine Nachfrist bis zum 13.05.2002 gesetzt.

Nach Ablauf der Frist wird die Prozesskostenhilfe aufgehoben (§ 124 Nr. 4 der Zivilprozessordnung). Der gesamte noch offene Kostenbetrag in der Höhe von 836,12 EUR ist dann sofort fällig und kann zwangsweise beigetrieben werden.

Die Zahlung der Raten liegt daher in Ihrem eigenen Interesse."

Ratenzahlungen leistete der Kläger in der Folgezeit nicht. Durch Beschluss vom 17.05.2002 hat das Arbeitsgericht die dem Kläger durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.10.2001 bewilligte Prozesskostenhilfe wegen des Ratenrückstands des Klägers im Zeitraum 05.11.2001 bis 27.01.2002 aufgehoben.

Gegen diesen ihm am 22.05.2002 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 10.06.2002 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die nach § 11 RPflG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet.

1. Nach § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist.

Die Vorschrift des § 124 Nr. 4 ZPO steht im Zusammenhang mit den §§ 115, 120 ZPO und soll sicherstellen, dass die Partei ihrer Verpflichtung, auf zumutbarer Weise aus eigenen Mitteln zu den Kosten des Rechtsstreits beizutragen, auf der vom Gericht angeordneten Weise nachkommt. Voraussetzung für die Aufhebung der PKH-Bewilligung ist zunächst der mindest dreimonatige Rückstand mit einer Monatsrate. Aufgehoben werden kann also schon, wenn eine seit drei Monaten fällige Monatsrate nicht gezahlt worden ist, denn es wird nicht etwa verlangt, dass die Partei mit drei Monatsraten in Rückstand ist (vgl. Stein/Jonas/Bork, § 124 ZPO Rz. 24). Zu berücksichtigen ist weiter, dass unpünktliche Zahlung allein noch keine Aufhebung der Prozesskostenbewilligung rechtfertigt (vgl. OLG Schleswig vom 30.03.1993 - 9 W 2/93 -, JurBüro 1993, 691). Die Partei, welcher Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, muss entsprechend den §§ 282, 285 BGB a.F. = §§ 280, 286 BGB n.F. nachweisen, dass der Rückstand unverschuldet ist (Musielak/Fischer, § 124 ZPO Rz. 9).

2. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist unzulässig, wenn die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht mehr entsprechen (OLG Düsseldorf vom 23.03.1993 - 6 WF 5/93 -, FamRZ 1993, 1474).

Der Hinweis der PKH-Partei auf verschlechterte wirtschaftliche Umstände ist in der Regel als Abänderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO auszulegen und entsprechend zu beachten (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 26.01.2001 - 4 Ta 7/02 -; LAG Hamm, Beschluss vom 31.03.2003 - 4 Ta 397/02 -; OVG Saarlouis vom 12.10.1987 - 1 Z 1/87 -, JurBüro 1988, 370). Da die Bewilligungsentscheidung bei einer Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse rückwirkend auf den Zeitpunkt geändert werden kann, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, kommt eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen in diesen Zeitraum fallender rückständiger Beträge nicht in Betracht (LAG Hamm, Beschluss vom 31.03.2003 - 4 Ta 397/02 -; LAG Niedersachsen vom 20.05.1985 - 8 Ta 9/85 -, JurBüro 1985, 1575 (Mümmler); LAG Bremen vom 08.10.1987 - 4 Sa 169/87 -, LAGE § 120 ZPO Nr. 6 = ARST 1988, 93 = MDR 1988, 81; OLG Bamberg vom 16.12.1991 - 1 W 94/91 -, JurBüro 1992, 250). Die auferlegte Ratenzahlung ruht in einem solchen Falle bis zur Besserung der Vermögensverhältnisse des Bedürftigen (LAG Düsseldorf vom 11.04.1983 - 7 Ta 59/83 -, JurBüro 1984, 616). Erfolg kann ein solches, in einen Abänderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO umzudeutendes Vorbringen aber in aller Regel nur haben, wenn der Hilfsbedürftige bis zum Eintritt der Vermögensverschlechterung nicht so lange in Rückstand gekommen ist, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 4 ZPO aufzuheben war.

3. Nach diesen zuletzt aufgezeigten Grundsätzen war der Aufhebungsbeschluss aufzuheben.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts konnte der Abänderungsbeschluss vom 12.04.2004 wegen Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht zwingend erst ab dem 28.01.2001 erfolgen. Das Arbeitsgericht hätte prüfen müssen, ob eine Aufhebung der Ratenzahlungsverpflichtung nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt hätte erfolgen müssen, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist. Durch den Hinweis des Klägers vom 02.12.2001, der am 14.12.2001 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, war es dem Arbeitsgericht bekannt, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers verschlechtert hatten. Aus der Kündigung der Firma R1xxxxx und aus dem Bescheid des Arbeitsamts Paderborn vom 03.12.2001 ergab sich, dass der Kläger in der Zeit vom 13.10.2001 bis 04.11.2001 arbeitslos war. Die Verdienstbescheinigung seines neuen Arbeitgebers S3xxxxx H2xxx Textil-Druck hat der Kläger später mit der ausdrücklichen Antragstellung am 28.01.2002 eingereicht. Die Vermögensverschlechterung des Klägers ist vor Fälligkeit der ersten Rate eingetreten. Der Kläger hat die Vermögensverschlechterung dem Arbeitsgericht am 14.12.2001 mitgeteilt, zu einem Zeitpunkt, als er erst mit einer Monatsrate im Rückstand war. Damit war der Zahlungsrückstand des Klägers nicht verschuldet.

III.

Nach alledem hat das Rechtsmittel Erfolg.

Ende der Entscheidung

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