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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 19 Sa 1956/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Eine Kündigung, die dem Arbeitnehmer während eines stationären Klinikaufenthaltes wegen einer psychischen Erkrankung n der Klinik persönlich übergeben wird, obwohl die Übergabe an einen Familienangehörigen oder der Einwurf in den Hausbriefkasten alternativ möglich ist, ist keine (ungehörige Kündigung) und verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 23. Oktober 2003 - 3 Ca 559/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine korrigierte Lohnabrechnung für den Monat Februar 2003 zu erteilen, die berücksichtigt, dass die private Nutzung des PKW nur bis zum 25. Februar 2003 andauerte.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 49/50, die Beklagte zu 1/50.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27. Februar 2003 abgewiesen worden ist.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei Kündigungen der Beklagten und eine Zahlungsverpflichtung des Klägers.

Der am 17. Juli 1969 geborene Kläger war bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 2001 (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift) als Systemtechniker zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.557,-- EUR zuzüglich privater PKW-Nutzung in Höhe von 465,66 EUR beschäftigt. Neben dem Kläger ist der Mitarbeiter K2xxxx ebenfalls als Systemtechniker bei der Beklagten tätig. Bis 28. Februar 2003 arbeitete die Mitarbeiterin W3xxx als Büroangestellte mit 30 Wochenstunden in der Woche und ging danach in Mutterschutz und Elternzeit. Für sie ist seit 1. Februar 2003 die Mitarbeiterin S7xxxxxxx als Ersatz im gleichen zeitlichen Umfang tätig, während des Monats Februar 2003 wurde sie eingearbeitet. Die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten erledigt Buchhaltungsarbeiten. Darüber hinaus ist für die Beklagte der Schwager des Geschäftsführers tätig, ob als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter ist zwischen den Parteien streitig.

An dem vom Kläger genutzten Dienstwagen war ein Motordefekt aufgetreten, der einen teilweisen Austausch des Motors erforderlich machte. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 4.198,92 EUR ohne Mehrwertsteuer. Unter dem 16. Dezember 2002 trafen die Parteien folgende Vereinbarung (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2003):

"Gemäß Absprache zwischen beiden oben genannten Parteien übernimmt Herr M1xxxxxxx einen Anteil von EUR 3.000,00, zu zahlen in Raten von EUR 100,00 pro Monat, an dem entstandenen Motorschaden am Fahrzeug MAZDA 323, pol. Kennzeichen L1x-K3 13x.

Der Beitrag von EUR 100,00 wird monatlich von der Gehaltsvergütung des Herrn M1xxxxxxx abgezogen.

Verlässt Herr M1xxxxxxx vorzeitig die Firma, so ist die Restsumme in einem Betrag zu zahlen."

Auf diesen Betrag leistete der Kläger 400,-- EUR bis zu seinem späteren Ausscheiden, weitere Zahlungen erfolgten nicht. Des Weiteren hat er noch zwei Rechnungen der Beklagten über einen Gesamtbetrag von 479,08 EUR zu bezahlen.

Der Kläger litt aufgrund des Todes seines Vaters unter Depressionen. Er wurde stationär in die L2xxxxxxx N2xxxxxxxxxx Dr. S9xxxxx GmbH & Co. aufgenommen. Während dieses Klinikaufenthaltes suchte der Geschäftsführer der Beklagten am 25. Februar 2003 die Ehefrau des Klägers auf und ließ sich von dieser das Firmenfahrzeug herausgeben. Die Abrechnung der Beklagten für den Monat Februar 2003 enthielt noch den vollen Betrag für die private PKW-Nutzung in Höhe von 465,66 EUR.

Am 27. Februar 2003 begaben sich der Mitarbeiter K2xxxx und eine Rechtsanwaltsgehilfin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu dem Kläger in die Nervenklinik. Sie übergaben ihm dort ein vom 27. Februar 2003 datierendes Kündigungsschreiben (Anlage K 2 zur Klageschrift) und forderten die Herausgabe eines Laptops sowie eines Handys, die dem Kläger dienstlich von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden waren und die er mit ihrer Erlaubnis in die Klinik mitgenommen hatte. Zu einer Herausgabe kam es nicht, der zuständige Stationsarzt Dr. K4xxxx wies die beiden Personen aus der Klinik und erteilte ihnen Hausverbot.

Mit seiner am 20. März 2003 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 27. Februar 2003 gewandt, mit seinem am 30. Mai 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz gegen eine weitere Kündigung vom 12. Mai 2003 zum 30. Juni 2003. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, unter Einschluss des Geschäftsführers, seines Schwagers und seiner Ehefrau beschäftige die Beklagte mehr als 5 Arbeitnehmer, die Kündigungen seien nicht sozial gerechtfertigt. Zumindest verstießen sie gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte seit Oktober 2002 über seinen Gesundheitszustand informiert gewesen sei und der Geschäftsführer ihm immer wieder versichert habe, es sei wichtig, dass er wieder gesund werde. Solange könne der Kläger Innendienst machen. Weiter hat er eine Korrektur der Lohnabrechnung für den Monat Februar 2003 wegen der seiner Auffassung nach unrichtigen Berechnung der privaten Pkw-Nutzung begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 27. Februar 2003 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine korrigierte Lohnabrechnung für den Monat Februar 2003 zu erteilen, die berücksichtigt, dass die private Nutzung des Pkws nur bis zum 25. Februar 2003 andauerte;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die weitere, in dem Schriftsatz vom 12. Mai 2003 ausgesprochene Kündigung zum 30. Juni 2003 nicht aufgehoben wurde, sondern weiter fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei, und im Übrigen bestritten, dass der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt habe, wegen des Todes seines Vaters sei er nervlich angegriffen. Erst vor dem Klinikaufenthalt sei es zu einem Gespräch gekommen, in dem der Kläger auf seine psychischen Probleme und den bevorstehenden Klinikaufenthalt hingewiesen habe.

Zur Begründung ihrer Widerklage hat die Beklagte auf die noch offenen Rechnungen und die Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 verwiesen und die Ansicht vertreten, aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schulde der Kläger der noch offenen Beträge.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie 3.079,08 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Diskontsatz jährlich nach § 1 DÜG seit dem 4. April 2003 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Kläger hat zur Widerklage erstinstanzlich nichts vorgetragen.

Durch sein am 23. Oktober 2003 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. Februar 2003 festgestellt und die Beklagte zur Erteilung der vom Kläger beantragten korrigierten Lohnabrechnung für den Monat Februar 2003 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigung vom 27. Februar 2003 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unwirksam sei, weil die Beklagte dem Kläger die Kündigung in der Klinik nicht habe zustellen lassen dürfen. Die Kündigung vom 12. Mai 2003 sei dagegen wirksam. Das Kündigungsschutzgesetz finde auf die Beklagte als Kleinbetrieb keine Anwendung. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinszeitraumes für begründet erachtet.

Das Urteil wurde den Parteien am 31. Oktober 2003 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 26. November 2003 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Kläger hat am 27. November 2003 Berufung eingelegt und diese am 31. Dezember 2003 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, es gebe keinen Rechtssatz, welcher die Kündigung eines Arbeitnehmers zu einem Zeitpunkt, in dem er krank sei, missbillige. Die Zustellung hätte kein Problem bereitet, wenn der Arzt in Verkennung seiner ärztlichen Pflichten diese Zustellung nicht extrem aufgebauscht hätte. Zudem habe die Beklagte den Laptop für die weitere Arbeit mit den Kunden benötigt. Es sei zudem nicht erkennbar, warum die Kündigung in der Krankenanstalt weniger Aufregung verursacht hätte als eine Zustellung der Kündigung an die Ehefrau des Klägers. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Nr. 1 des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 23. Oktober 2003 - 3 Ca 559/03 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 27. Februar 2003 zum 31. März 2003 aufgelöst worden ist.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 23. Oktober 2003 - 3 Ca 559/03 - abzuändern, soweit die Klage mit dem Klageantrag zu Nr. 3 abgewiesen worden ist und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die weitere, im Schriftsatz vom 12. Mai 2003 ausgesprochene Kündigung zum 30. Juni 2003 aufgehoben wurde, sondern weiter fortbesteht, sowie die Widerklage abzuweisen, soweit der Kläger zur Zahlung von mehr als 479,08 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Auffassung des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. Februar 2003 für zutreffend und ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Neben den Teilzeitkräften S7xxxxxxx, W3xxx sowie dem Mitarbeiter K2xxxx sei auch der Schwager und die Ehefrau des Geschäftsführers als Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Jeden Freitag sei außerdem eine Putzfrau ins Büro gekommen. Kündigungsgründe bestünden nicht. Darüber hinaus sei auch die zweite Kündigung treuwidrig. Durch das Vorgehen der Beklagten sei die psychische Erkrankung des Klägers verstärkt worden. Die Beklagte handele treuwidrig, wenn sie die zweite Kündigung auf die durch ihr Verhalten mitverursachte längere Erkrankung des Klägers stütze.

Die Widerklage sei hinsichtlich eines Betrages von 2.600,00 EUR abzuweisen, weil eine Zahlungspflicht des Klägers ausweislich der Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 nur habe bestehen sollen, wenn er die Firma vorzeitig verlasse, also im Falle einer Eigenkündigung. Diese habe er aber nicht ausgesprochen. Im Übrigen sei zwischen den Parteien keinesfalls unstreitig, dass die am Firmenfahrzeug durchgeführte Reparatur auf eine Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen sei. Der Geschäftsführer Beklagten habe den Kläger zur sofortigen Unterzeichnung der Vereinbarung gedrängt. Er habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Arbeitsverhältnis andernfalls kündigen werde. Darüber hinaus sei die Vereinbarung gemäß § 138 BGB unwirksam, der Anteil des Klägers an den entstandenen Reparaturkosten sei sittenwidrig überhöht.

Die Beklagte hat hierzu entgegnet, die Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 sei wirksam. Der Streit über die Verantwortung des Klägers für den Motorschaden habe durch die Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 erledigt werden sollen. Insbesondere entfalle eine Zahlungspflicht nicht deswegen, weil die Beklagte gekündigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 3. Februar 2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, die der Beklagten ist begründet, die des Klägers unbegründet.

I

Die Berufungen sind zulässig. Sie sind gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, c ArbGG statthaft. Sie wurden auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO.

II

Die Berufung der Beklagten ist begründet, weil ihre Kündigung vom 27. Februar 2003 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2003 beendet hat. Demgemäß kann die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage gegen die Kündigung vom 12. Mai 2003 keinen Erfolg haben. Ebenso wenig ist seine aufgrund der Widerklage erfolgte Verurteilung zur Zahlung zu beanstanden.

1. Die Kündigung vom 27. Februar 2003 ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen, weil das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. Darüber hinaus ist die Kündigung nicht aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam.

1.1. Voraussetzung für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes ist neben der Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von sechs Monaten, was hier beim Kläger der Fall ist, dass im Betrieb des Arbeitgebers mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig sind (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung). Die Beklagte beschäftigt weniger als fünf Mitarbeiter.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 27. Februar 2003 waren bei der Beklagten der Kläger und der weitere Systemtechniker K2xxxx als Vollzeitkräfte beschäftigt. Darüber hinaus war die Mitarbeiterin W3xxx als Teilzeitkraft mit 30 Stunden in der Woche für die Beklagte tätig und gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG a.F. mit 0,75 zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht für die ab 1. Februar 2003 eingestellte Mitarbeiterin S7xxxxxxx. Denn die Beklagte beschäftigte nicht regelmäßig zwei Teilzeitkräfte im Umfang von 30 Wochenstunden als Bürokräfte. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG a.F. stellt auf die regelmäßige Beschäftigtenzahl ab. Festzustellen ist die normale Beschäftigtenzahl eines Betriebes zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vgl. BAG, Urteil vom 31. Januar 1991 - 2 AZR 356/90 = AP Nr. 11 zu § 23 KSchG 1969; KR-Weigand, § 23 KSchG Rdnr. 37). Die zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zu diesem Zeitpunkt ist unbeachtlich. Es bedarf eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung, um die den Betrieb allgemein kennzeichnende Beschäftigungslage festzustellen (vgl. BAG, a.a.O., KR-Weigand, Rdnr. 37 f). Eine Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG wird regelmäßig nicht dadurch verändert, dass eine Arbeitnehmerin in Erziehungsurlaub geht, wenn vor und nach dem Erziehungsurlaub der Betrieb mit der gleichen Beschäftigtenzahl unverändert ausgestattet ist. Dies wird durch die Regelung des § 21 Abs. 7 BErzGG bestätigt, wonach bei der Ermittlung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nur der Erziehungsurlaubsberechtigte oder die für ihn eingestellte Ersatzkraft mitgezählt wird, wenn die Anwendung arbeitsrechtlicher Gesetze von der Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängt (vgl. BAG, a.a.O.). Frau S7xxxxxxx ist als Ersatz für Frau W3xxx, die ab 1. März 2003 in Mutterschutz und Elternzeit ging, eingestellt worden und sollte im Monat Februar 2003 lediglich eingearbeitet werden. Für die Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Kläger ist diese Doppelbesetzung während der Einarbeitungsphase nach den vorgenannten Grundsätzen unerheblich.

Rechnet man zu den unstreitig Beschäftigten (2,75) die vom Kläger genannten Personen hinzu, ergibt sich lediglich ein Wert von 4,75 Beschäftigten. Nach dem Vortrag des Klägers war der Schwager des Geschäftsführers als Vollzeitkraft tätig, während die Ehefrau des Geschäftsführers und die Putzfrau jeweils nicht mehr als 20 Stunden in der Woche bei der Beklagten arbeiteten und deswegen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG a.F. nur mit jeweils 0,5 zu berücksichtigen sind.

1.2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers ist die Kündigung vom 27. Februar 2003 nicht deswegen treuwidrig und unwirksam, weil sie dem Kläger während seines Aufenthalts in der Nervenklinik überreicht wurde. Eine so genannte "ungehörige Kündigung" liegt nicht vor.

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, eine hiergegen verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung ist unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vorschrift des § 242 BGB auf Kündigungen neben § 1 KSchG lediglich dann anwendbar, wenn die Kündigung aus Gründen, die nicht von § 1 KSchG erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden (vgl. BAG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; Urteil vom 1. Juli 1999 - 2 AZR 926/98 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Kündigung; Urteil vom 5. April 2001 - 2 AZR 185/00 = AP Nr. 13 zu § 242 BGB Kündigung).

Ein typischer Tatbestand der treuwidrigen Kündigung ist der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1984 - 7 AZR 174/83 = AP Nr. 88 zu § 626 BGB; Urteil vom 12. Juli 1990 - 2 AZR 39/90 = AP Nr. 87 zu § 613 a BGB; Urteil vom 5. April 2001, a.a.O.). Sie ist ein Unterfall der "ungehörigen Kündigung" (vgl. KR-Friedrich, § 13 KSchG, Rdnr. 243, 248). Eine Kündigung ist allerdings nicht schon deswegen unwirksam, weil sie zu einem den Arbeitnehmer besonders belastenden Zeitpunkt zugeht, vielmehr setzt die Annahme der Treuwidrigkeit der Kündigung weitere Umstände voraus. Hinzukommen muss eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Erklärungsempfängers, insbesondere auf Achtung seiner Persönlichkeit. Eine solche Beeinträchtigung kann vorliegen, wenn der Erklärende absichtlich oder auf Grund einer auf Missachtung der persönlichen Belange des Empfängers beruhenden Gedankenlosigkeit einen Zugangszeitpunkt wählt, der den Empfänger besonders beeinträchtigt (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1984, a.a.O.; Urteil vom 12. Juli 1990, a.a.O.; KR-Friedrich, a.a.O., Rdnr. 248). Dabei sind die Interessen des Arbeitgebers z.B. an der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1984, a.a.O.) oder der Einhaltung der Kündigungsfrist (vgl. BAG, Urteil vom 5. April 2001, a.a.O.) zu berücksichtigen. Ebenso ist die Pflicht zur Rücksichtnahme auf den anderen Vertragspartner bei kurzen Arbeitsverhältnissen nicht so stark ausgeprägt wie gegenüber Arbeitnehmern, die bereits jahrelang im Betrieb beschäftigt sind (vgl. BAG, Urteil vom 5. April 2001, a.a.O.). Im Ergebnis ist eine Abwägung der gegenseitigen Interessen und der Umstände des Einzelfalls entscheidend.

Demgemäß reicht es noch nicht aus, dass eine Kündigung am 24. Dezember eines Jahres zugeht (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1984, a.a.O.). Ebenso führt der Zugang einer Kündigung nach einer Fehlgeburt nicht zur Treuwidrigkeit, zumal der Gesetzgeber bei einer Fehlgeburt trotz der psychischen und physischen Belastung der Frau keinen besonderen Kündigungsschutz vorsieht (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 1990, a.a.O.). Schließlich reicht es nicht aus, dass die Kündigung zu einem Zeitpunkt zugeht, in dem der betroffene Arbeitnehmer über einen noch nicht verarbeiteten Schicksalsschlag (Tod des Lebensgefährten) hinaus durch die Kündigung offensichtlich ganz erheblich belastet wird (vgl. BAG, Urteil vom 5. April 2001, a.a.O.). Als anstößig könnte die Kündigung möglicherweise dann angesehen werden, wenn das Kündigungsschreiben anlässlich der Beerdigung überreicht wird (vgl. BAG, a.a.O.). Ebenso kann eine Kündigung als Verstoß gegen Treu und Glauben nichtig sein, wenn sie einem Arbeitnehmer nach einem schweren Arbeitsunfall am gleichen Tag im Krankenhaus unmittelbar vor einer auf dem Unfall beruhenden Operation ausgehändigt wird. Dies gilt auch dann, wenn das Motiv für die Kündigung nicht der Unfall, sondern betriebsbedingte Gründe sind und der zur Kündigung Berechtigte bei der Beauftragung eines Erklärungsboten den Unfall noch nicht kennt (vgl. LAG Bremen, Urteil vom 29. Oktober 1995 - 4 Sa 151/95 = LAGE Nr. 2 zu § 242 BGB).

Im vorliegenden Fall befand sich der Kläger auf Grund einer depressiven Erkrankung nach dem Tode seines Vaters in stationärer Behandlung. Im Gegensatz zu einem Arbeitsunfall, der im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, ist hier die Krankheitsursache der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. Darüber hinaus ist es nach der Rechtsordnung zulässig, den Arbeitnehmer nicht nur während einer Krankheit, sondern auch aus krankheitsbedingten Gründen zu kündigen. Krankheit schützt weder vor der Kündigung an sich noch vor deren Zugang. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die persönliche bergabe des Kündigungsschreibens in der Klinik eine zusätzliche Belastung gerade im Hinblick auf die zugrunde liegende Krankheit (Depression) verursachte. Die Behauptung der Beklagten, das Verhalten des Arztes hätte sich belastend ausgewirkt, erscheint angesichts des Attestes (Anlage K 3 zur Klageschrift) fragwürdig. Auch wenn es von dem behandelnden Arzt stammt, ist darin eindeutig festgehalten, dass vor seinem Eingreifen bereits der Kläger auf Grund des "Krankenbesuchs" durch seinen Kollegen und die Rechtsanwaltsgehilfin nervlich angeschlagen reagiert hatte. Trotzdem lässt sich darin kein Verhalten der Beklagten erkennen, das auf eine Missachtung der Persönlichkeit des Klägers hinauslief. Zum einen galt es, im Hinblick auf den Ablauf der Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende den Zugang der Kündigung sicherzustellen. Dies stand im legitimen Interesse der Beklagten. Zudem war durch eine persönliche Übergabe auch der Nachweis des Zugangs der Kündigung am ehesten sichergestellt.

Soweit das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang darauf verweist, ein Zugang der Kündigung hätte auch durch Übergabe des Kündigungsschreibens an die Ehefrau des Klägers oder durch Einwurf in den Hausbriefkasten erfolgen können, ist dies zwar zutreffend. Allerdings hätte sich hierdurch die Belastung des Klägers, die durch den Erhalt einer Kündigung wegen einer stationär zu behandelnden Depression in jedem Fall zusätzlich ausgelöst worden wäre, zeitlich nur verzögert, wäre aber nicht ausgeschlossen gewesen. Am Ausspruch der Kündigung selbst hätte die Beklagte ohnehin nicht gehindert werden können. Auch unter Berücksichtigung der - noch nicht allzu langen - Betriebszugehörigkeit von erst 1,5 Jahren wog die zusätzliche Belastung, die durch die unmittelbare Zustellung der Kündigung in der Klinik gegenüber der Wahl einer anderen Zugangsform hervorgerufen wurde, jedenfalls nicht so schwer, dass hieraus eine Treuwidrigkeit der Kündigung abgeleitet werden kann. Ein anderes Verhalten der Beklagten und ihres Prozessbevollmächtigten mag zwar wünschenswert gewesen sein und hätte den Vorstellungen von Rücksichtnahme auf einer menschlichen Ebene eher entsprochen als das gewählte Vorgehen. Rechtlich geboten war es damit noch nicht.

2. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2003 beendet hat, kam es auf die Wirksamkeit der Kündigung vom 12. Mai 2003 nicht mehr an. Die hiergegen gerichtete Klage war schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

3. Der Kläger ist auf die Widerklage hin zu Recht verurteilt worden, neben den noch nicht erstatteten Rechnungsbeträgen in Höhe von 479,08 EUR, die er anerkannt hat, auch den noch offenen Betrag aus der Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 in Höhe von 2.600,00 EUR zu zahlen.

4.1. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung gemäß § 138 BGB bestehen nicht. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nach Inhalt, Zweck und Beweggründen verstößt (vgl. BAG, Urteil vom 1. April 1976 - 4 AZR 96/75 = AP Nr. 34 zu § 138 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, § 138 Rdnr. 2). Dies hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die Vereinbarung betraf nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien eine Einigung über die Frage der Regulierung des Motorschadens an dem Dienstwagen, der dem Kläger zur Verfügung gestellt war. Insoweit haben die Parteien über die Verursachung und die Verantwortlichkeit des Klägers gestritten. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass es sich bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 um einen Vergleich handelt, der diesen Streit beilegen sollte. Eine Quotelung des vorhandenen Schadens von rund 4.000,00 EUR von 3/4 zu 1/4 ist nicht unangemessen, zumal dann, wenn dem Kläger tatsächlich die Hauptverantwortung auf Grund der eigenen Nutzung und der unterbliebenen Wartung des Fahrzeugs zukommen sollte. Wenn er darüber hinaus behauptet hat, die Beklagte habe diese Vereinbarung unter dem Druck einer Kündigungsandrohung erzwungen, führt dies allein zum einen nicht zur Sittenwidrigkeit. Zum anderen hat der Kläger für diesen Vortrag sowie zur Frage der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung insgesamt keinen Beweis angeboten.

4.2. Ebenso wenig kann der Auffassung des Klägers gefolgt werden, eine Rückzahlung des noch offenen Restbetrages sei nur für den Fall geschuldet, dass er auf Grund einer eigenen Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheidet. Dies kann dem letzten Satz der Vereinbarung vom 16. Dezember 2002 nicht entnommen werden. Wenn danach die Restsumme zurückzuzahlen ist, wenn der Kläger die Firma vorzeitig verlässt, schließt dies auch den Fall einer Kündigung der Beklagten mit ein.

Nach § 133, § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände bei der Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2001 - 4 AZR 544/02 = AP Nr. 21 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 Rdnr. 14 f). Hierzu zählen insbesondere Entstehungsgeschichte, Äußerungen der Parteien, aber auch die Interessenlage (vgl. im Einzelnen Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 16 bis 18). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzuhalten, dass der Begriff "verlassen" auch im Zusammenhang mit der Vokabel "vorzeitig" nicht zwingend den Schluss zulässt, eine Rückzahlungsverpflichtung solle nur für den Fall bestehen, dass der Kläger eine Kündigung ausspricht. Die Firma seines Arbeitgebers verlässt auch der Arbeitnehmer, dem vom Arbeitgeber gekündigt wird. Entscheidend gegen das Verständnis des Klägers spricht insbesondere der Anlass der Vereinbarung. Es ging darum, seine Haftung für den Motorschaden festzuschreiben, der an dem von ihm genutzten Dienstwagen entstanden war. Das war von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängig. Vor dem Hintergrund dieses Anlasses erscheint es ausgeschlossen, dass die Beklagte ein Interesse daran hatte, dem Kläger die Zahlung zu erlassen, wenn von ihr das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wurde. Nach ihrer Interessenlage ging es um einen möglichst weitgehenden Ersatz des Schadens, und zwar ohne lange Auseinandersetzungen mit dem Kläger. Dem Kläger selbst ging es nach seinem Vortrag um den Erhalt des Arbeitsplatzes, den die Beklagte aus seiner Sicht von der Unterzeichnung dieser Vereinbarung abhängig machte. Schon daraus lässt sich erkennen, dass der Ersatz des für die Reparatur aufgewandten Betrages für die Beklagte im Vordergrund stand. Vor diesem Hintergrund fehlt jeglicher Anhaltspunkt für eine Annahme, die Beklagte wollte die vollständige Zahlung dieses Betrages vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während der vereinbarten Ratenzahlung abhängig machen und für den Fall, dass sie eine Kündigung aussprach, auf die Rückzahlung des offenen Restbetrages verzichten. Dies war angesichts der Umstände, unter denen die Vereinbarung geschlossen wurde, dem Kläger auch erkennbar.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die vorgenommene Quotelung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen beider Parteien. Der Kläger gewinnt nur hinsichtlich der Korrektur seiner Abrechnung, dies entspricht einer Quote von 1/50, die die Beklagte wiederum als Kosten zu tragen hat.

Die Revision war für den Kläger zuzulassen, soweit die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27. Februar 2003 abgewiesen worden ist. Es ist höchstrichterlich noch ungeklärt, ob ein Arbeitgeber nach Treu und Glauben verpflichtet ist, von einer persönlichen Übergabe der Kündigung an einen Arbeitnehmer abzusehen, wenn diese Zustellungsform den Arbeitnehmer erheblich zusätzlich belastet und andere Möglichkeiten einer Übersendung der Kündigung durch Übergabe an Familienangehörige oder Einwurf in den Hausbriefkasten bestehen.

Ende der Entscheidung

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