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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 19 Sa 896/06
Rechtsgebiete: TVG, MTV


Vorschriften:

TVG § 3 Abs. 1
MTV Einzelhandel
Haben die Vertragsparteien im tarifgebundenen Arbeitsverhältnis eine vom Manteltarifvertrag abweichende höhere Arbeitszeit bei gleich bleibender Vergütung vereinbart, so ist die Differenzvergütung auch dann nachzuzahlen, wenn der entsprechende Lohntarif nur noch nachwirkt.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.04.2006 - 2 Ca 2524/05 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 651,00 Euro brutto nebst Prozesszinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 04.11.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers.

Der Kläger steht seit dem 01.04.2001 bei der Beklagten aufgrund des schriftlichen für zunächst 12 Monate befristeten Arbeitsvertrages vom 23.10.1997 als Lagerist in deren Möbelhaus in M2xxxxx in einem Arbeitsverhältnis. Am 31.01.2002 wurde der befristete Vertrag bis zum 30.09.2002 verlängert. Seit dem 01.10.2002 ist das Arbeitsverhältnis unbefristet.

Im ursprünglichen Arbeitsvertrag ist unter § 2 Nr. 1 unter anderem vereinbart, dass der Kläger als Vollzeitkraft mit 37,5 Stunden wöchentlich eingestellt wird. In § 4 Ziffer 1c) des Arbeitsvertrages ist ein Stundenlohn von 20,62 DM vereinbart. Während des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses rechnete die Beklagte ausweislich der Gehaltsabrechnungen durchgehend ein festes Monatsbruttogehalt in Höhe von zuletzt 1786,55 € ab.

Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist Mitglied im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V., der seinerseits Mitglied des Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen e.V. als Tarifträgerverband ist. Mit schriftlicher Erklärung vom 20.09.2004 gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. hat die Beklagte von der in § 3 Abs. 2 der Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. vorgesehenen Möglichkeit, die Mitgliedschaft in diesem Verband unter Ausschluss der Tarifbindung und gleichzeitigem Ausschluss an Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechten in tariflichen Angelegenheiten zu begründen, Gebrauch gemacht. Seit dem 01.11.2004 wird sie vom Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. als Mitglied ohne Tarifbindung geführt.

Am 01.03.2005 schlossen die Parteien folgende Vereinbarung:

"Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.

Arbeitszeit

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.

Zuschläge

Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.

Sonderzahlungen

1. Ein eventueller bisheriger Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) entfällt.

2. Hat der Arbeitnehmer im November 2004 ein Weihnachtsgeld erhalten, so gilt folgendes: Mit der Lohnabrechnung November wird eine Sonderzahlung in Höhe von 30 % des in 2004 gezahlten Weihnachtsgeldes fällig. Diese Sonderzahlung erfolgt freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch darauf entsteht. Auch bei mehrmaliger Zahlung entsteht für die Zukunft kein Anspruch darauf. Ebenfalls erhält der Arbeitnehmer einmalig im Juni 2005 eine Sonderzahlung in Höhe von 75 % des Urlaubsgeldanspruchs.

Urlaub

Der Urlaub beträgt ab dem 01.01.2005 nach Lebensalter gestaffelt:

- bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 24 Arbeitstage je Kalenderjahr

- nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 26 Arbeitstage je Kalenderjahr

- nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 27 Arbeitstage je Kalenderjahr

- nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 28 Arbeitstage je Kalenderjahr"

Die Vereinbarung ist von der Beklagten und vom Kläger unterschrieben. Links neben seinem Namen hat der Kläger noch die Buchstaben "u.v." angefügt, was nach seiner Behauptung "unter Vorbehalt" bedeuten soll.

Im Hinblick auf den Verzicht des Klägers hat die Beklagte im März 2005 schriftlich gegenüber ihm auf eine betriebsbedingte Kündigung bis zum 28.02.2007 verzichtet.

In der Folgezeit arbeitete der Kläger nunmehr 40 Stunden pro Woche und erhielt weiterhin ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.768,55 €.

Mit der beim Arbeitsgericht am 27.10.2005 eingegangenen Klage machte der Kläger die Zahlung seiner Vergütungsdifferenz für die Monate April bis einschließlich September 2005 geltend. Dabei legte er zugrunde, dass er monatlich 10 Stunden mehr arbeitet als im Arbeitsvertrag vorgesehen und er bei einem errechneten Stundenlohn von 10,85 € monatlich 108,50 € brutto zu wenig erhalten habe. Er hat die Auffassung vertreten, mit der Vereinbarung vom 01.03.2005 habe er keiner Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich zugestimmt. Der Inhalt der Vereinbarung sei nämlich so zu verstehen, dass sich lediglich die wöchentliche Arbeitszeit geändert habe, die zu zahlende Vergütung aber entsprechend anzupassen sei. Auch in der Vergangenheit habe er jede Stunde, die er gearbeitet habe, vergütet bekommen. Es sei kein Monatsgehalt sondern ein Stundenlohn vereinbart. Im Übrigen sei die Regelung unklar und von ihm nur unter Vorbehalt unterzeichnet worden.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 651,00 € brutto nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.11.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, im Rahmen der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 sei von einem Lohnausgleich nicht die Rede gewesen. Es sei klar gewesen, dass insbesondere das Gehalt gleich bleiben sollte, was auch den Mitarbeitern in der Frühbesprechung am gleichen Tage vorher so mitgeteilt worden sei. Deswegen sei die Vereinbarung bereits vorher mündlich zustande gekommen. Eine Inhaltskontrolle sei nicht aus diesem Grunde nicht möglich.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe mit dem Vorbehalt lediglich deutlich machen wollen, dass er die Vereinbarung rechtlich überprüfen lassen wolle, dem Vertragschluss stehe dies nicht entgegen. Zwischen den Parteien sei aufgrund der ständigen Handhabung kein Stundenlohn sondern monatliches Gehalt vereinbart. Die Vereinbarung vom 01.03.2005 sei dahingehend ausgelegt, dass die Parteien keine Änderung in der Höhe der monatlichen Vergütung vorgenommen hätten. Deshalb sei die Regelung eindeutig und nicht überraschend.

Gegen das am 17.05.2006 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Kläger am 29.05.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.08.2006 am 17.08.2006 begründet.

Er vertritt die Auffassung, der erklärte Vorbehalt stehe einer wirksamen Vereinbarung entgegen. Durch die Ergänzung habe der Kläger das Angebot unter Änderungen angenommen, was als Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot anzusehen sei. Im März 2005 hätten die Arbeitsvertragsparteien keine vom Tarifvertrag abweichende Regelung der Arbeitszeit treffen können, weil beide Parteien an den Tarifvertrag gebunden gewesen seien. Daran habe auch die von der Beklagten im September 2004 angestrebte Mitgliedschaft ohne Tarifbindung im Verband nichts geändert. Im Übrigen ergebe sich aus der Vereinbarung nicht, dass die Erhöhung der Arbeitszeit zu einer Senkung der Vergütung führen solle. Dies sei auch nicht zuvor besprochen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.04.2006 - 2 Ca 2524/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 651,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 04.11.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe nach wie vor ein Monatslohn in Höhe von 1768,55 € brutto zu. Die Parteien hätten nämlich die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich vereinbart. Dies ergebe sich aus der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005. Eine Tarifbindung habe nicht mehr bestanden, da die Beklagte seit dem 01.11.2004 Mitglied ohne Tarifbindung sei. Zwar sei der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 25.07.2003 gültig ab 01.04.2003 zum 31.12.2005 gekündigt worden, während der am 01.11.2004 geltende Lohntarif für den Einzelhandel NRW vom 25.07.2003 fristgemäß zum 31.03.2005 gekündigt worden ist. Da die Vereinbarung vom 01.03.2005 erst ab dem 01.04.2005, also nach Ablauf der Nachbindungsfrist, in Kraft getreten sei, habe es den Parteien freigestanden, trotz der Erhöhung der Wochenarbeitszeit keine entsprechende Erhöhung der bis dahin gezahlten Vergütung zu vereinbaren. Denn den Parteien wäre es auch erlaubt gewesen, unter Beibehaltung der bis dahin geltenden Wochenarbeitszeit eine Absenkung des Lohnes zu vereinbaren. Im Übrigen habe die Beklagte sich im Gegenzug durch Vereinbarung aus März 2005 auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 28.02.2007 verzichtet. Deswegen sei die Vereinbarung in Ansehung des hohen Gutes der Beschäftigungssicherung günstiger als das Festhalten an der bisherigen Regelung, zumal sich die tarifliche Regelung einer Wochenarbeitszeit von 37,5 nur auf eine regelmäßige Arbeitszeit beziehe und anders als das Arbeitszeitgesetz keine Höchstarbeitszeit bestimme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.

I

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht und ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der monatlichen Vergütungsdifferenz für die Monate April bis September 2005, da die über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeit von der Beklagten zu vergüten ist.

1. Die zwischen den Parteien am 01.03.2005 getroffene Vereinbarung über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden entfaltet keine Wirkung, so dass die Berufungskammer es offen lassen kann, ob eine Vereinbarung zustande gekommen ist und wie diese im Einzelnen auszulegen ist. Denn diese Vereinbarung ist tarifwidrig und daher nicht anzuwenden.

a) Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen Anwendung, da beide Arbeitsvertragsparteien während des streitgegenständlichen Zeitraums im Jahre 2005 gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden waren.

aa) Dass der Kläger als Mitglied der Gewerkschaft ver.di tarifgebunden ist, steht nicht im Streit.

bb) Aber auch die Beklagte war an den MTV-Einzelhandel gebunden. In der Berufungsinstanz wurde erstmals vorgetragen, dass sie Mitglied im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. ist , der seinerseits Mitglied des Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen e.V. als Tarifträgerverband ist. An der Tarifbindung ändert der Wechsel der Beklagten zur so genannten OT-Mitgliedschaft im September 2004 nichts.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken dagegen, dass ein Arbeitgeberverband in seiner Satzung die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit vorsieht und damit die Wirkung des § 3 Abs. 1 TVG ausschließt (vgl. BAG, Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05 - NZA 2006, S. 1225 ff.; BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - NZA 2005, S. 1320 ff.). Von der Mitgliedschaft im Verband ist aber die Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG zu unterscheiden. Denn diese endet nicht mit Beendigung der Vollmitgliedschaft, sondern endet nach § 3 Abs. 3 TVG, der auch in diesem Zusammenhang Anwendung findet, erst, wenn der Tarifvertrag endet (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42; LAG München, Beschluss vom 12.04.2005 - 11 TaBV 33/04 - NZA RR 2006, S. 145, 147; LAG Hamm, Urteil vom 27.09.2005 - 19 Sa 936/05 - Beck RS 2006, 40423; Löwisch/Rieble, 2. Aufl. 2004, § 3 TVG, Rdnr. 86; ErfKomm.-Franzen, 7. Aufl. 2006, § 3 TVG, Rdnr. 21; Wilhelm/Dannhorn, NZA 2006, S. 466, S. 472). Insofern ist der Wechsel der Mitgliedschaft nicht anders zu behandeln, als der Austritt aus dem Verband.

(2) Zum Zeitpunkt des Wechsels der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft galt der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 25.07.2003, gültig ab 01.04.2003, der frühestens zum 31.12.2005 gekündigt werden konnte. Danach war die Beklagte auch mit ihrem Mitgliedschaftsstatus als OT-Mitglied jedenfalls bis zum 31.12.2005 noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den MTV-Einzelhandel NRW gebunden. Dieser sieht in § 2 Abs. 1 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden ausschließlich der Pausen vor. Nach § 4 Abs. 2 des Tarifvertrages ist die über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit bis zu 40 Stunden je Woche als zuschlagsfreie Mehrarbeit zu vergüten. Nach dessen § 4 Abs. 4 sind Mehrarbeitsstunden mit 1/163 des Monatsentgelts zu bezahlen. Gegen diese Tarifvorschriften verstößt die Vereinbarung vom 01.03.2005 in der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung. Denn nach der Auffassung der Beklagten, der auch das Arbeitsgericht gefolgt ist, haben die Parteien eine Vereinbarung dahingehend geschlossen, dass der Kläger ab dem 01.04.2005 ohne Lohnausgleich 40 Stunden in der Woche arbeitet.

b) Eine andere Beurteilung der Tarifwidrigkeit ist nicht deswegen geboten, weil die Parteien zulässigerweise vom Lohntarifvertrag des nordrhein-westfälischen Einzelhandels abgewichen wären.

aa) Dieser Tarifvertrag wurde am 25.07.2003 in Ergänzung des MTV Einzelhandel abgeschlossen und trat am 01.04.2003 in Kraft. Da der Tarifvertrag zum 31.03.2005 gekündigt wurde, endete er auch mit Ablauf dieses Datums. Aufgrund des Wechsels der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft im Jahre 2004 endete damit auch die Nachbindung der Beklagten an diesen Tarifvertrag, so dass grundsätzlich ab dem 01.04.2005 abweichende Vereinbarungen möglich waren, da die Tarifbindung ausgelaufen war. Zwar wirkte der Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG ab dem 01.04.2005 nach, jedoch waren abweichende Abmachungen zu diesem Zeitpunkt möglich und konnten auch schon vor dem Nachwirkungszeitraum abgeschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42). In diesem Zusammenhang kann nach allgemeiner Meinung eine "andere Abmachung" nach § 4 Abs. 5 TVG auch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung sein (BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42; Urteil vom 18.03.1992 - 4 AZR 339/91 - AP TVG § 3 Nr. 13; Löwisch/Rieble, § 4 TVG, Rdnr. 384; H/W/K-Henssler, 2. Aufl. 2006, § 4 TVG, Rdnr. 11).

bb) Die Vereinbarung vom 01.03.2005 ist aber nicht als "andere Abmachung" zum nachwirkenden Lohntarifvertrag im nordrhein-westfälischen Einzelhandel zu verstehen. Die Änderungen, die vorgenommen worden sind, betreffen lediglich Regelungen aus dem Manteltarifvertrag. Betroffen ist die Arbeitszeit, sind die Zuschläge, die Sonderzahlungen und der Urlaub. Zur Vergütungshöhe finden sich in der Vereinbarung keine Regelungen. Die Beklagte wollte zwar mittelbar durch die Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden durch die Veränderung des Zeitfaktors die Stundenvergütung faktisch reduzieren, hat dies aber durch eine Abmachung zum Manteltarifvertrag herbeizuführen versucht. In § 4 Abs. 2 MTV ist aber klar geregelt, dass eine über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit bis zu 40 Stunden zu vergüten ist. Damit lässt die Vereinbarung vom 01.03.2005 den Geldfaktor unberührt, da mit dem Kläger ein festes Entgelt vereinbart ist. Zwar ist im Arbeitsvertrag ein Stundenlohn vereinbart. Da der Kläger aber seit Beginn des Arbeitsverhältnisses eine feste Monatsvergütung bekam, ist mit dem Arbeitsgericht von einer Änderung der ursprünglichen Abrede auszugehen.

2) Die Abweichung der Vereinbarung zum Manteltarifvertrag macht diese jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum unanwendbar.

a) Umstritten ist, wie sich tarifwidrige, ungünstigere Regelungen rechtlich auswirken. In Frage kommt zum einen die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB, die aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 3 TVG folgt (vgl. BAG, Urteil vom 11.09.2003 - 6 AZR 323/02 - AP TVG § 4 Nr. 24; BAG, Urteil vom 10.02.1999 - 2 AZR 422/98 - AP KSchG 1969, § 2 Nr. 52; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.05.1996 - 8 Sa 160/95 - NZA RR 1996, S. 139; Löwisch/Rieble, § 4 TVG, Rdnr. 21 f.). Andererseits wird aber auch die Auffassung vertreten, dass die vertraglichen Regelungen nicht unwirksam sind, sondern lediglich verdrängt werden und grundsätzlich wieder aufleben können (vgl. ErfKomm.-Franzen, 7. Aufl. 2006, § 4 TVG, Rdnr. 3; Wiedemann/Wank, § 4 TVG Rdnr. 370 ff.; offen gelassen vom BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42).

Auch hier kann die Frage im Ergebnis offen bleiben, da man in jedem Fall zu einer Unanwendbarkeit der Vereinbarung kommt. Denn im streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Dezember 2005 wurde die Vereinbarung vom 01.03.2005 jedenfalls noch verdrängt.

b) Die Vereinbarung vom 01.03.2005 ist auch nicht als Änderung zu Gunsten des Klägers nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig.

aa) Zunächst kann kein Zweifel bestehen, dass die Vereinbarung vom 01.03.2005 in all ihren Punkten ungünstiger ist als der Tarifvertrag. Der Kläger hat bei einer Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge, auf Sonderzahlungen sowie auf Urlaub verzichtet. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die Vereinbarung auch nicht insgesamt deswegen günstiger als der Manteltarifvertrag durch den Zusatz aus März 2005, nach dem die Beklagte im Hinblick auf die Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages auf eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bis zum 28.02.2007 verzichtet und damit den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis dahin garantiert.

bb) Im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 3 ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen, wonach nur solche Regelungen miteinander verglichen werden können, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BAG, Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art. 9 Nr. 89; BAG, Urteil vom 23.05.1984 - 4 AZR 129/82 - AP BGB 339 Nr. 9; Löwisch/Rieble, § 4 TVG, Rdnr. 198 ff.; ErfKomm.-Franzen, § 4 TVG Rdnr.. 36 ff.; Wiedemann/Wank, § 4 TVG, Rdnr,. 436 ff.; Urteil vom 27.01.2004 - 1 AZR 148/03 - NZA 2004, S. 667 ff.). Bereits in der Entscheidung vom 20.04.1999 (sogenannte Burda-Entscheidung, BAG Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art. 9 Nr. 89) hat das BAG es für unmöglich gehalten, Regelungen miteinander zu vergleichen, deren Gegenstände sich thematisch nicht berühren. In diesem Sinne sind Arbeitszeit oder Arbeitsentgelt einerseits und Beschäftigungsgarantie andererseits völlig unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, bei denen ein Günstigkeitsvergleich unmöglich ist. Verschlechterungen beim Arbeitsentgelt oder bei der Arbeitszeit können durch eine Beschäftigungsgarantie nicht gerechtfertigt werden (BAG Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98; AP GG Art. 9 Nr. 89 mit zustimmender Anmerkung Richardi; Wiedemann/Wank, 6 Aufl. 1999, § 4 TVG Rdnr. 438; Kempen/Zachert, 4. Aufl. 2005, § 4 TVG Rdnr. 331; einschränkend Schliemann, NZA 2003, S. 122, 125; ErfKomm.-Franzen, § 4 TVG Rdnr. 36).

3. Da die Beklagte die Höhe der Monatsdifferenz in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen hat, war die Beklagte auch der Höhe nach antragsgemäß zu verurteilen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 247, 288 BGB.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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