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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 2243/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 179
InsO § 182
BGB § 159
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 16.11.2007 - 1 Ca 961/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 945,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht eine Insolvenzforderung des Klägers in Höhe von 9.450,-- € festgestellt. Auf die überzeugende Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.

1. Dem Beklagten ist zunächst darin zu folgen, dass der Kläger als außertariflicher Angestellter vom Geltungsbereich des Restrukturierungstarifvertrages vom 30.11.2002 nicht erfasst wird. Mit der Vereinbarung vom 22.11.2002 sollte aber die Gleichstellung des Klägers mit den tarifgebundenen Mitarbeitern erreicht werden. Die Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin hatte sich nämlich gemäß § 5 des Restrukturierungsvertrages verpflichtet, zur Senkung der Personalkosten einen vergleichbaren Beitrag der leitenden Angestellten sicherzustellen. Deshalb wird in der Vereinbarung vom 22.11.2002 ausdrücklich auf die wirtschaftliche Lage des K1-K2 und auf erforderliche Maßnahmen bei den Personalkosten hingewiesen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den von den Mitarbeitern aufgrund des Restrukturierungsvertrages vom 13.11.2002 zu leistenden Gehalts- und Lohnverzicht unter anderem beim Weihnachts- und Urlaubsgeld wurde vereinbart, dass der Kläger für die Monate November 2002 bis einschließlich Oktober 2003 auf 15 % seiner arbeitsvertraglich zu zahlenden Vergütung verzichtet. Ähnlich wie bei einem Besserungsschein (vgl. dazu LAG Hamm 25.01.2005, 4 Sa 2419/04 JURIS; BGH 13.06.1984, IVa ZR 196/82 NJW 1984, 2762) hat die Insolvenzschuldnerin dem Kläger als Gegenleistung in Aussicht gestellt, ihn am wirtschaftlichen Erfolg des Restrukturierungsprogramms in Form einer Prämie zu beteiligen. In gleicher Weise ist auch in § 6 des Restrukturierungsvertrages als Belohnung für den von den Mitarbeitern geleisteten Verzicht eine von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängige Prämie geregelt. Insoweit sind die tariflichen Regelungen in der Vereinbarung vom 22.11.2002 nicht kongruent in Bezug genommen worden.

2. Da die Vertragsparteien aber im Übrigen uneingeschränkt die Geltung des Restrukturierungstarifvertrages vereinbart haben, sind die ursprünglich bestandenen vertraglichen Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Zeitraum November 2002 bis einschließlich Juli 2003 wiederaufgelebt und als Insolvenzforderungen zu berichtigen. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang ist der letzte Satz in § 6 RTV in dem Sinn zu verstehen, dass diejenigen Ansprüche, auf die die Arbeitnehmer bedingungslos verzichtet haben, im Falle der Kündigung des RTV wegen drohender Insolvenz wiederaufleben. Schon der Wortlaut erschließt unmittelbar die Bedeutung dieser Regelung: Die ursprünglich bestandenen Ansprüche sollen neu entstehen und unmittelbar fällig werden. Damit ist nicht bloß gemeint, dass der Verzicht nur für die Zukunft hinfällig wird und die in den §§ 2 bis 4 des RTV genannten Ansprüche wieder in vollem Umfang zum Tragen kommen. Insbesondere die sofortige Fälligkeit macht nur Sinn, wenn es um diejenigen Ansprüche geht, auf die die Arbeitnehmer verzichtet haben. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass ein unbedingter Forderungsverzicht mit auflösend bedingtem Wiederaufleben der Altverpflichtung vorliegt. Deshalb ist die Vereinbarung vom 22.11.2002 so zu verstehen, dass diejenigen Ansprüche, auf die der Kläger verzichtet hatte, nämlich die Herabsetzung seiner Vergütung um 1.050,-- € monatlich, bei Kündigung des Restrukturierungsvertrages wegen drohender Insolvenz, neu entstehen, d. h. wiederaufleben. Die Inbezugnahme des RTV hat nicht lediglich die Bedeutung, dass der Kläger mit der Kündigung des Restrukturierungsvertrages zukünftig wieder seine vertraglich vereinbarte Vergütung in vollem Umfang erhalten sollte. Wenn dies gewollt gewesen wäre, hätte es der Regelung im letzten Satz in § 6 des Restrukturierungstarifvertrages vom 13.11.2002 nicht bedurft, denn im Falle einer Kündigung des Tarifvertrages wäre der Verzicht ohnehin hinfällig geworden, weil gemäß § 9 RTV keine Nachwirkung vereinbart worden ist. Mit der Kündigung des Restrukturierungsvertrages gelten daher wieder in vollem Umfang die Bestimmungen des Flächentarifvertrages. Die Neubegründung der ursprünglichen Ansprüche und ihre sofortige Fälligkeit spricht daher für ein Wiederaufleben der Altverpflichtung (§ 159 BGB). Eine derartige tarifliche Regelung ist üblich und auch deshalb naheliegend, weil anderenfalls nicht nur ein erfolgloser Verzicht geleistet worden wäre, sondern den Arbeitnehmern auch noch Nachteile bezüglich des Insolvenzgeldes entstehen könnten. Das Konzept des Restrukturierungsvertrages beinhaltet einen unbedingten Verzicht auf tarifliche Leistungen als Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens. Falls die beabsichtigte Sanierung gelingt, sollte es bei dem Verzicht auf tarifliche Leistungen bleiben, die Arbeitnehmer sollten aber zum Ausgleich durch die in § 6 RTV geregelte Prämie belohnt werden, die der Höhe nach auf den Umfang der reduzierten tariflichen Ansprüche beschränkt ist. Falls der erwartete Erfolg ausbleibt und das Unternehmen in die Insolvenz gerät, ist die den Tarifvertrag schließende Gewerkschaft zur Kündigung des RTV berechtigt. In diesem Fall sollten die ursprünglich bestandenen Altansprüche wiederaufleben, um eine weitere Benachteiligung der Arbeitnehmer durch mögliche Einbußen beim Insolvenzgeld gemäß § 183 InsO zu vermeiden.

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten gilt aufgrund der Vereinbarung vom 22.11.2002 auch das im Restrukturierungstarifvertrag vorgesehene besondere Kündigungsrecht der IG Metall. Die vertragschließenden Parteien haben nämlich im Übrigen, d. h. in vollem Umfang die Regelungen des Restrukturierungstarifvertrages vom 13.11.2001 zum Inhalt der Vereinbarung vom 22.11.2002 gemacht. Selbst wenn sie bezüglich der Prämie eine besondere Regelung getroffen haben, sind die Kündigungsbefugnis der IG Metall und die damit verbundenen Folgen gerade nicht ausgenommen worden. Es ist nicht vereinbart worden, dass § 6 des Restrukturierungsvertrages in vollem Umfang keine Anwendung finden sollte. Nach Wortlaut und Sinn und Zweck sollte eine Verknüpfung mit dem Forderungsverzicht der tarifgebundenen Arbeitnehmer hergestellt werden. Durch den umfassenden Verweis auf den Restrukturierungstarifvertrag sollte der Forderungsverzicht des Klägers mit der Ausübung des der Gewerkschaft eingeräumten Kündigungsrechts ebenfalls hinfällig werden. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen uneingeschränkt zu folgen ist, wird Bezug genommen.

II.

Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und ist gemäß § 182 InsO unter Berücksichtigung der zu erwartenden Quote festgesetzt worden.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären waren. Vorrangig ging es um die Auslegung einer einzelvertraglichen Vereinbarung.

Ende der Entscheidung

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