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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 365/06
Rechtsgebiete: KSchG, InsO, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 3
KSchG § 17 Abs. 2
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BetrVG § 102 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.01.2006 - 1 (3) Ca 1480/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von dem Beklagten aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 15.07.2005 zum 31.10.2005.

Der am 10.12.1951 geborene Kläger, der verheiratet ist und eine Tochter hat, war seit dem 02.02.1993 bei der in B1x L1xxxxxxxxx ansässigen S4xxxxxxxxxx GmbH, einem Möbelwerk, zuletzt als Arbeiter an der Lackierstraße tätig, hat Kranzleisten eingepackt, verschiedene Maschinen bedient und in der Montage der Bettenabteilung gegen eine monatliche Vergütung von 1.800,00 € brutto gearbeitet.

Über das Vermögen der S4xxxxxxxxxx GmbH wurde am 01.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 08.07.2005 eine umfängliche Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich, der sich über ein Sanierungskonzept zur Fortführung der Kernbereiche des Schuldnerunternehmens verhält und den Abbau von 151 Arbeitsplätzen vorsieht. Im Bereich Endmontage/Versand entfallen infolge der Anpassung an die tatsächlich benötigten Kapazitäten, der Optimierung des Produktionsflusses und der Vereinheitlichung der Produktstruktur von 142 Arbeitsplätzen insgesamt 88 Arbeitsplätze weg, davon in der Abteilung Betten und Bettenüberbau insgesamt 17 von 44 Arbeitsplätzen. Die im Einzelnen wegfallenden Arbeitsplätze werden im Interessenausgleich mit einer abteilungsbezogenen Liste der zu entlassenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unter Angabe ihrer sozialen Daten dargestellt. Bestandteil der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich ist ferner eine zusammengefasste Liste der weiterbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine Namensliste der zu kündigenden 151 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Inhalt des Interessenausgleichs ist ferner eine Liste der nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommenen Arbeitnehmer.

Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs ist die Anhörung des Betriebsrats verbunden worden. Zuvor hatte der Beklagte den Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 20.06.2005 zu seiner Absicht angehört, nach Abschluss des Anhörungsverfahrens und Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigungen im Juli 2005 auszusprechen. Diesem Schreiben war eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit sämtlichen Sozialdaten sowie eine vollständige Personalliste der gesamten Belegschaft unter Aufschlüsselung der Unterhaltspflichten, der Beschäftigungsdauer im Unternehmen, der Beschreibung des konkreten Arbeitsplatzes, der Eingruppierung und des voraussichtlichen Kündigungstermins beigefügt.

Nach Eingang der Massenentlassungsanzeige am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit P2xxxxxxx kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 15.07.2005 fristgemäß zum 31.10.2005.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Er vertritt den Standpunkt, der Beklagte habe bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt. Seiner Meinung nach sind folgende Arbeitnehmer sozial weniger schutzbedürftig als er:

K5xxxxxx, 34 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, keine Kinder;

G1xxx, 49 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, keine Kinder;

S7xxxxxxxxxxxx, 50 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, keine Kinder;

S8xxxxx, 39 Jahre, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, zwei Kinder;

K6xxxxxxxx, 44 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, ein Kind;

V2xxxx, 56 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, keine Kinder;

L3xxx H2xxxxx, 42 Jahre alt, 11 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, zwei Kinder.

Nach Darstellung des Beklagten ist der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nach folgenden Qualifikationsstufen gebildet worden:

- MB FA = Maschinenbediener und Facharbeiter

- MB ang. = angelernter Maschinenbediener

- FA = Facharbeiter

- H = Helfer

- Sonstige = Mitarbeiter außerhalb der Produktion

Die mit einem FA gekennzeichneten Mitarbeiter verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die "angelernten Maschinenbediener" habe durch interne Schulung die Fähigkeit erlangt, bestimmte Fertigungsmaschinen selbständig zu bedienen. Diese Qualifikation könne ein ungelernter handwerklich begabter Mitarbeiter in etwa zwölf Monate erwerben. Auf Wunsch des Betriebsrats vom 05.07.2005 sei eine abgeänderte Liste erstellt worden. Danach sei unter Helfern zwischen Helfern "einfach einfache Tätigkeit" und Helfern "qualifizierte Tätigkeit" unterschieden worden. Am 07.07.2005 habe der Betriebsrat dem Interessenausgleich zugestimmt. Die Sozialdaten seien nach einem mit dem Betriebsrat abgestimmten Punkteschema wie folgt berücksichtigt worden:

- Unterhaltspflicht für Ehegatten: 8 Punkte

- Unterhaltspflicht für Kinder: 4 Punkte pro Kind gemäß Lohnsteuerkarte

- Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt pro Jahr bis zu 10 Jahren,

2 Punkte pro Jahr ab dem 11. Jahr

- Lebensalter: 1 Punkt pro Jahr, max. 55 Punkte

- Schwerbehinderung ab GdB 50: 4 Punkte

Der Kläger habe in der Abteilung Betten/Bettenüberbau als angelernter Maschinenbediener und als zweiter Mann die Kantenbearbeitungsmaschine bedient. Wenn keine Arbeiten angefallen seien, sei der Kläger am Bettenband tätig gewesen. Der als Schmied ausgebildete Herr K5xxxxxx habe die Kantenbearbeitungsmaschine als erster Mann bedient. Die Mitarbeiter G1xxx, S7xxxxxxxxxxxx, K6xxxxxxxx und V2xxxx seien der Gruppe Helfer "qualifizierte Tätigkeit" zugeordnet worden und gehörten daher einer anderen Vergleichsgruppe an als der Kläger an. Diese Arbeitnehmer hätten in der Bettenmontage nicht als Maschinenbediener gearbeitet, sondern sie hätten Einzelteile montiert, Handläufe angeleimt, Kanten geschleift und beschädigte Furnierstellen bearbeitet. Der Mitarbeiter O1xx S8xxxxx sei ebenfalls als erster Mann an der Kombima eingesetzt worden. Er sei als Maschinenführer tätig gewesen und verfüge über eine Schlosserausbildung. Frau L3xxx H2xxxxx sei mit dem Kläger überhaupt nicht vergleichbar, weil sie als einzige Mitarbeiterin in der Lage sei, Schubkästen an der Lackstraße zu bedrucken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12.01.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung sei gemäß § 125 InsO zu vermuten, da der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart habe. Der gesetzlich zu vermutenden Betriebsbedingtheit der Kündigung sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Die von dem Beklagten getroffene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Sein Vortrag lasse eine grob fehlerhafte Vergleichsgruppenbildung nicht erkennen. Der Betriebsrat sei gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden und die Massenentlassungsanzeige sei am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit eingegangen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiter. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei er der gesetzlichen Vermutung des § 125 InsO substantiiert entgegengetreten. Sein Arbeitsplatz sein nicht weggefallen, sondern seine Tätigkeit werde im Schuldnerunternehmen nach wie vor verrichtet. Außerdem werde Mehrarbeit und Samstagsarbeit geleistet. Die getroffene soziale Auswahl lasse jede Ausgewogenheit vermissen und sei daher grob fehlerhaft. Auffällig sei insbesondere, dass vermehrt ältere Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit entlassen worden seien. Anders als von dem Beklagten dargestellt habe er die Kombima-Maschine in Krankheits- und Urlaubsfällen auch eigenständig und allein bedient. Deshalb hätte er auch als erster Mann ohne Einarbeitungszeit eingesetzt werden können. Darüber hinaus habe er auch im Bereich der Bettenmontage gearbeitet und sei daher mit den Mitarbeitern G1xxx, S7xxxxxxxxxxxx, K6xxxxxxxx und V2xxxx vergleichbar. Er habe in dieser Abteilung neun Monate gearbeitet und könne die Arbeiten daher ohne weiteres verrichten. Nach seiner Freistellung sei der Mitarbeiter O1xx S8xxxxx mit Montagearbeiten betraut worden und habe nicht nur als erster Mann der Kombima gearbeitet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 12.01.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn - 1 (3) Ca 1480/05 - nach den diesseitigen Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Er trägt ergänzend vor, der Vortrag des Klägers zur angeblichen Mehrarbeit sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutungswirkung der Betriebsbedingtheit in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen sei eine Verlängerung der Arbeitszeiten nicht zutreffend, denn unter Zugrundelegung einer Betriebsvereinbarung aus September 2003 sei lediglich eine flexibilisierte Arbeitszeit vereinbart worden. Der Kläger sei mit Herrn K5xxxxxx nicht vergleichbar, denn er habe die Kombima lediglich als zweiter Mann bedient. Um die Tätigkeit von Herrn K5xxxxxx übernehmen zu können, sei eine Einarbeitungszeit von mindestens einem halben Jahr erforderlich. Auch mit dem ausgebildeten Schlosser O1xx S8xxxxx sei der Kläger nicht vergleichbar, da dieser als erster Mann an der Kombima gearbeitet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokollerklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I

Die Kündigung des Klägers ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO aufgrund des geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste, auf der sich auch der Name des Klägers befindet, zu vermuten. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung hat der Kläger nicht widerlegt.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung sind erfüllt, denn es ist wegen einer Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu einem Interessenausgleich mit Namensliste gekommen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen.

2. Greift die gesetzliche Vermutungswirkung ein, muss nunmehr der Kläger darlegen und beweisen, dass seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen ist. Es tritt eine Umkehr der Beweislast ein. Nunmehr muss der Arbeitnehmer die zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung schlüssig und begründet widerlegen (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933; BAG vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Schon seine Behauptung, die verbliebenen Mitarbeiter hätten Mehrarbeitsstunden verfahren, steht der Annahme, eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers sei weggefallen, nicht zwingend entgegen. Jedenfalls hat der Beklagte dazu auf die mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitflexibilisierung verwiesen und damit eine in sich schlüssige und plausible Erklärung für das geänderte Arbeitszeitverhalten geliefert. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass der Vortrag des Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist.

Seine Behauptung, sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, weil die von ihm geleisteten Arbeiten nach wie vor anfielen, widerlegt die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht. Der Beklagte hat nicht die Einstellung der Tätigkeiten behauptet, sondern nur deren Reduzierung.

II

Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann nicht festgestellt werden. Auch insoweit ist dem Arbeitsgericht zu folgen. Dem Kläger ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, eine grob fehlerhafte Sozialauswahl gemäß §§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG, 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nachzuweisen.

1. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit bezieht sich auf den gesamten Vorgang der sozialen Auswahl und nicht nur auf die Gewichtung der sozialen Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Sanierung insolventer Unternehmen durch Kündigungserleichterungen gefördert werden. Deshalb ist der individuelle Kündigungsschutz zugunsten einer kollektiv-rechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt worden (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933 und vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; MünchKommInsO - Löwisch/Caspers, § 125 Rdnr. 85; Uhlenbruck/-Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 42). Ist die Überprüfbarkeit der sozialen Auswahl umfassend eingeschränkt, kann auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit kontrolliert werden (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774; BAG vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - ZIP 2004, 1271).

2. Grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine soziale Auswahl nur dann, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774 und vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - ZIP 2004, 1271). Sind die sozialen Daten Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten im Wesentlichen berücksichtigt worden, kann von einer groben Fehlerhaftigkeit nur in krassen Ausnahmefällen die Rede sein (vgl. dazu BAG vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 - DB 2000, 1338).

In Anwendung dieser Grundsätze bestehen bereits Bedenken, bezüglich der vom Kläger benannten Mitarbeiter S7xxxxxxxxxxxx, K6xxxxxxxx, V2xxxx und G1xxx eine grob fehlerhafte Gewichtung der sozialen Kriterien zu bejahen. Die unterschiedliche Punktezahl ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, denn eine Punktetabelle ist nur zur Vorauswahl zu verwenden. In jedem Fall muss im Anschluss an die aufgrund eines Punkteschemas getroffene Vorauswahl eine abschließende individuelle Prüfung anhand der sozialen Kriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG stattfinden (BAG vom 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 - NZA 1990, 729; BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791). Dabei steht dem Arbeitgeber nach der gesetzlichen Konzeption ein Wertungsspielraum zu. Es geht nicht darum, ob der Arbeitgeber nach den Vorstellungen des Gerichts die bestmögliche Sozialauswahl vorgenommen hat. Weil er gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die sozialen Gesichtspunkte nur "ausreichend" berücksichtigen muss, kann er bei der Gewichtung der sozialen Kriterien einen Wertungsspielraum in Anspruch nehmen. Es kommt nur darauf an, ob die von ihm getroffene Auswahlentscheidung vertretbar ist. Dies schließt andere, ebenfalls mögliche Auswahlentscheidungen nicht aus. Nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer können die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl mit Erfolg rügen (BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791).

Ist die soziale Auswahl wie vorliegend noch weiter eingeschränkt, ist die Grenze des Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien nur bei gravierender Vernachlässigung der sozialen Gesichtspunkte überschritten. Bei nur geringen Abständen bezüglich Alter und Betriebszugehörigkeit kann dies noch nicht angenommen werden. Erst wenn unter Zugrundelegung der sozialen Indikatoren ganz erhebliche Unterschiede vorliegen und die soziale Schutzbedürftigkeit evident verkannt worden ist, kann die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit erreicht sein.

a) Derart deutliche Abstände zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern S7xxxxxxxxxxxx, K6xxxxxxxx, V2xxxx und G1xxx können nicht festgestellt werden. Der Mitarbeiter V2xxxx hat zwar eine deutlich geringere Betriebszugehörigkeit aufzuweisen, ist mit 56 Jahren aber älter als der Kläger. Von einer groben Verkennung der sozialen Schutzbedürftigkeit kann daher nicht gesprochen werden.

Die Mitarbeiter G1xxx und S7xxxxxxxxxxxx sind nur unwesentlich jünger als der Kläger. Sie haben zwar eine um vier Jahre geringere Betriebszugehörigkeit aufzuweisen. Indes sind diese Abstände nicht so erheblich, dass bereits von einer grob fehlerhaften sozialen Auswahl gesprochen werden kann.

b) Der Mitarbeiter K6xxxxxxxx ist zwar zehn Jahre jünger als der Kläger und fünf Jahre kürzer im Betrieb der Insolvenzschuldnerin tätig gewesen, gehört aber einer anderen Vergleichsgruppe an, weil er als qualifizierter Helfer eingestuft worden ist. Der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ist nicht in grob fehlerhafter Weise bestimmt worden. Nur wenn die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und es an sachbezogenen Differenzierungsgründen mangelt, kann die Bildung der Vergleichsgruppen grob fehlerhaft sein (vgl. BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - unter 2 c bbb) der Gründe, DB 2006, 844; LAG Hamm vom 12.11.2003 - 2 Sa 1232/03 -). Eine unzulässige oder gar willkürliche Vergleichsgruppenbildung kann nicht festgestellt werden, weil Herr K6xxxxxxxx in der Bettenmontage arbeitet und daher eine andere Tätigkeit als der Kläger ausgeübt hat. Der Darstellung seiner Tätigkeiten ist der Kläger nicht qualifiziert entgegengetreten.

Der Mitarbeiter K5xxxxxx ist zwar deutlich schutzwürdiger als der Kläger, aber mit ihm nicht zu vergleichen. Der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht nachgewiesen, dass er die gleiche Tätigkeit ausgeübt hat und K5xxxxxx ohne Einarbeitungszeit jederzeit ersetzen kann.

Die im Rahmen der sozialen Auswahl anzustellende Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und daher nach der bisher ausgeübten Tätigkeit. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Aufgaben eines anderen Arbeitnehmers übernehmen kann. Neben der ausgeübten Tätigkeit können die Qualifikation und die Eingruppierung von Bedeutung sein. Die Eingruppierung ist vorliegend kein taugliches Abgrenzungsmerkmal, weil der Kläger und Herr K5xxxxxx denselben Stundenlohn erhalten. Maßgeblich ist aber der Vortrag des Beklagten, K5xxxxxx habe die Kombima selbständig bedient, denn der Kläger räumt ein, dies nur in Urlaubs- und Krankheitsfällen getan zu haben. Der Beklagte hat dazu in der Berufungsverhandlung erläutert, Herr K5xxxxxx sei von Herrn S8xxxxx vertreten worden. Als erster Maschinenführer sei der Kläger nicht tätig gewesen und auch nicht in der Lage, die Maschinen selbständig so zu bedienen wie es ein erster Maschinenführer kann. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Klägers, er sei auch ohne Einarbeitungszeit in der Lage, die Maschine selbständig und als erster Mann zu bedienen, nicht schlüssig. Der Kläger hat nämlich nicht dargelegt, dass er die Kombima wie ein erster Mann selbständig bedient habe. Daher ergeben sich bezüglich der ausgeübten Tätigkeit sachlich begründbare Unterschiede, die einer sofortigen Substituierbarkeit entgegenstehen. Diese Unterschiede verbieten es, eine offensichtlich falsche oder gar willkürliche Vergleichsgruppenbildung anzunehmen. Die von den Betriebsparteien getroffene Auswahlentscheidung ist zu respektieren.

Gleiches gilt für den Mitarbeiter S8xxxxx, der ebenfalls als erster Maschinenführer eingesetzt worden ist. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er ihn ohne Einarbeitungszeit ersetzen kann.

Bezüglich der Mitarbeiterin L3xxx H3xxxxx besteht keine Vergleichbarkeit, weil Frau H3xxxxx ganz andere Tätigkeiten als der Kläger ausgeübt hat. Außerdem bestehen erhebliche Zweifel, ob bei unterstellter Vergleichbarkeit von einer offensichtlichen Verkennung der sozialen Schutzbedürftigkeit die Rede sein kann.

III

Der Betriebsrat ist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Beklagte hat in zulässiger Weise die Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verbunden. Dies ergibt sich aus III des Interessenausgleichs. Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs hat der Betriebsrat gleichzeitig den beabsichtigten Kündigungen zugestimmt und damit seine abschließende Stellungnahme abgegeben. Erst danach ist die Kündigung ausgesprochen worden, so dass die Beteiligungsrecht des Betriebsrats gewahrt sind.

Der Beklagte ist ferner seiner Verpflichtung, die Massenentlassung der Agentur für Arbeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG vor Erklärung der Kündigung anzuzeigen, nachgekommen. Ebenso wenig greift die erstinstanzliche Rüge des Klägers durch, der Betriebsrat sei gemäß den Vorgaben des § 17 Abs. 2 und 3 KSchG nicht ordnungsgemäß konsultiert worden. Die Information des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ist in zulässiger Weise mit dem Abschluss des Interessenausgleichs verbunden worden.

IV

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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