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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 172/04
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG § 48 Abs. 1
GVG § 13
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 2
ZPO § 569
ZPO § 571
ZPO § 572
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 13.02.2004 - 4 Ca 3435/02 - abgeändert.

Der Rechtsstreit zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Münster verwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe: I. Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Kläger will feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.11.2002 nicht aufgelöst worden ist. Im Wege der Klageerweiterung nimmt er die Beklagte auf Auskunft und Zahlung einer Prämie für die Jahre 2002 und 2003 in Anspruch. Der am xx.xx. geborene Kläger trat am 01.01.1976 in die Dienste der Beklagten, einem genossenschaftlichen Unternehmen der Vieh- und Fleischwarenbranche, die verschiedene Tochter- und Beteiligungsgesellschaften unterhält. Bereits ab 1980 wurde der Kläger Geschäftsführer der T1x N2xxxxxxxx W1xxxxxxxxx V2xxxxxxxxx-G4xx und ab 01.01.1992 Geschäftsführer der W2xxxxxx F1xxxxx & C2xxxxxxxxx GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten. Nach dem zuletzt maßgeblichen Einstellungsvertrag vom 27.11./30.11.1998 übernahm er ab 01.09.1998 die Aufgabe eines Geschäftsführers der W3xxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG in M2xxxxx. Er wurde gemäß Handelsregistereintragung vom 14.09.1998 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Komplementär GmbH, der O3xxxxxxxx V2xxxxxxxxx G4xx, bestellt. Zu seinen Aufgaben und Pflichten heißt es in dem Anstellungsvertrag: § 1 ... 2. Herr D2. O2xxxxx führt die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nach Maßgabe der Gesetze. Er hat hierbei die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, die Regelungen dieses Vertrages und die Weisungen der Gesellschafter zu beachten. 3. Herr D2. O2xxxxx wird ab dem 01.09.1998 seine ganze Areitskraft und all seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der W4xxxxxxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG widmen. 4. Die vom Vorstand der W1xxxxxxxxx herausgegebenen Richtlinien und Weisungen sind zu beachten. 5. Herr D2. O2xxxxx ist verpflichtet, den Vorstand der W1xxxxxxxxx laufend, unverzüglich und objektiv über alle wichtigen betriebs- und unternehmensbezogenen Maßnahmen und Handlungen, Kenntnisse und Erkenntnisse, Chancen und Gefahren personeller und sachlicher Art zu informieren. 6. Die W1xxxxxxxxx und W3xxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG behalten sich vor, das Tätigkeitsgebiet zu ändern und Herrn D2. O2xxxxx eine andere gleichwertige Tätigkeit innerhalb des Unternehmens und der Beteiligungsgesellschaft zu übertragen. Nach dem Kommanditgesellschaftervertrag der W4xxxxxxxxxxx-F1xxxxx O3xxxxxxxx GmbH & Co. KG vom 07.12.1995 ist die O3xxxxxxxx Verwaltungsgesellschaft mbH vollhaftende Gesellschafterin der KG. Die Beklagte ist neben zwei natürlichen Personen, Kommanditistin. Die Komplementär-GmbH, die O3xxxxxxxx Verwaltungsgesellschaft mbH, ist zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ermächtigt. Nach Ausscheiden der beiden weiteren Kommanditisten ist die Beklagte Alleinkommanditistin der KG und Alleingesellschafterin der O3xxxxxxxx Verwaltungs GmbH. Der Kläger bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von 8.180,67 EUR brutto zuzüglich Prämie und privater Nutzung des Dienstwagens. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.11.2002 wurde die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der W4xxxxxxxxxxx-F2xxxxxxxxxx G4xx widerrufen. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt. Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Arbeitsgerichte seien zuständig, weil ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Organ der Beklagten sei er nicht gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 13.02.2004 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist. Zur Begründung des der Beklagten am 17.02.2004 zugestellten Beschlusses hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger sei als Arbeitnehmer der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG anzusehen. Die Ausnahme des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greife vorliegend nicht ein, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Organstellung für die Beklagte innegehabt habe. Nur im Verhältnis zur W3xxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG sei er nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses Bezug genommen. Die Beklagte hat dagegen sofortige Beschwerde eingelegt, die am 01.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer sofortigen Beschwerde die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Münster. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie vor, bei dem Vertrag vom 27./30.11.1998 handele es sich um einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, der allerdings nicht mit der W4xxxxxxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH, sondern mit ihr geschlossen worden sei. Sie sei alleinige Kommanditistin der KG und Alleingesellschafterin der Komplementär GmbH. Der Kläger sei einzig und allein für die Geschäftsführung der W3xxxxxxx-O3xxxxxxxx GmbH & Co. angestellt worden und habe diese als Geschäftsführer der Komplementär GmbH vertreten. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen habe eine starke interne Weisungsabhängigkeit nicht bestanden. Die Beklagte beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 13.02.2004 - 4 Ca 3435/02 - aufzuheben. Der Kläger beantragt, die sofortige Beschwerde der Gegenseite vom 01.03.2004 zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Er meint, auch nach der neuesten Rechtsprechung des BAG gelte § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nur im Verhältnis zu dem Unternehmen, welches vom Organmitglied tatsächlich vertreten werde. Er sei jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen. II. Die gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht gegeben. Der Kläger gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. 1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zu verneinen, denn der Kläger ist schuldrechtlich als Vertretungsorgan tätig geworden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder Personengesamtheit diejenigen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder gemeinsam zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG betrifft das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Es kommt maßgeblich darauf an, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag das Tätigwerden als Vertretungsorgan beinhaltet (BAG, Urteil vom 23.08.2001 - 5 AZB 9/01 - DB 2001, 2660). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn der Anstellungsvertrag vom 27.11./30.11.1998 beinhaltet das Tätigwerden des Klägers als Geschäftsführer der W4xxxxxxxxx-F2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG. Es kommt nicht darauf an, dass der Anstellungsvertrag nicht unmittelbar mit derjenigen Gesellschaft geschlossen worden ist, deren Vertretungsorgan der Kläger sein soll. Gesetzliche Vertreter im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind nicht nur diejenigen Personen, die unmittelbar als Organvertreter der Anstellungsgesellschaft fungieren. Erforderlich ist allein, dass der Kläger als Mitglied eines Vertretungsorgans kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der W3xxxxxx-F2xxxxxxx GmbH & Co. KG berufen ist (BAG, Urteil vom 20.08.2003 - 5 AZB 79/02 - AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979 unter B I 6. b der Gründe; vgl. ferner Moll, RdA 2002, 226, 227). Bei richtigem Verständnis ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als eng zu interpretierende Ausnahmevorschrift zu behandeln, sondern der Gesetzgeber wollte für diese Personengruppe unabhängig von ihrem materiell-rechtlichen Status festlegen, dass sie nicht als Arbeitnehmer zu behandeln sind. Nach dem hinter § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG stehenden Rechtsgedanken wäre es sachwidrig, danach zu unterscheiden, von wem das Vertretungsorgan angestellt worden ist. Ausschlaggebend ist allein, dass der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag Geschäftsführer derjenigen Gesellschaft war, die zur Geschäftsführung und Vertretung der KG ermächtigt ist. Stehen wie im vorliegenden Fall gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Fragen im Streit, wollte der Gesetzgeber für diesen Fall festlegen, dass die ordentlichen Gerichte zuständig sind (Wank, Anm. zu BAG vom 20.08.2003 - 5 AZB 79/02 - AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979). 2. Anders als vom Kläger angenommen bezieht sich die Entscheidung des BAG vom 20.08.2003 - 5 AZB 79/02 - (AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979) nicht ausschließlich auf den Geschäftsführer der GmbH & Co. KG, sondern hat darüber hinausgehende Bedeutung. Das BAG hat in dem genannten Beschluss nämlich erneut und ausdrücklich klargestellt, dass die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG unabhängig davon gilt, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis ist. Auch wenn die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien - wie der Kläger meint - wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sind, sind zur Entscheidung des Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen. Dies ist deshalb sachgerecht, weil der Kläger als GmbH-Geschäftsführer Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen hat (vgl. dazu Reinecke, ZIP 1997, 1525, 1528; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG, 4. Aufl., § 5 Rdnr. 29). Die Parallele zum Geschäftsführer, der aufgrund eines Anstellungsvertrages mit der KG die persönlich haftende Gesellschafterin, nämlich die GmbH als Geschäftsführer vertritt, ist augenfällig. Die Beklagte ist unbestritten Alleinkommanditistin der KG und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH, als deren Geschäftsführer der Kläger fungiert. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Verwaltungs GmbH als Komplementärin allein zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ermächtigt. Der vorliegende Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten ist daher in gleicher Weise ein Streit im Arbeitgeberlager wie ein Rechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und dieser Gesellschaft. Die anderslautende Entscheidung des BAG vom 13.07.1995 - 5 AZB 37/94 - (AP Nr. 23 zu § 5 ArbGG 1979) ist vom BAG ausdrücklich aufgegeben worden. 3. Aufgrund der unwiderlegbaren Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist nicht zu prüfen, ob der Kläger möglicherweise als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen ist. III. Da der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, war der Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht Münster zu verweisen. IV. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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