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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.05.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 476/05
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 48
ArbGG § 78
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.09.2004 - 1 (9) Ca 2290/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.394,00 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Die Klägerin will feststellen lassen, dass das zwischen den Parteien begründete Dienstverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 03.03.2004 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht. Außerdem macht sie Vergütungsansprüche für die Monate Februar und März 2004 in Höhe von 3.480,00 € geltend.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 02.06.2003 ihrer Darstellung zufolge zunächst als Koordinatorin im TV-Akquisitionsbereich und ab 01.10.2003 als Verkaufsleiterin in dem Bereich Telefonmarketing der Beklagten tätig. Streitig ist, ob es sich bei der Zusammenarbeit zwischen den Parteien wie die Klägerin meint um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat oder ob sie wie die Beklagte meint freiberuflich tätig geworden ist.

Nach der Bestätigung der Beklagten vom 27.10.2003 sollte die Klägerin aus eigenen, bezahlten Verkäufen eine Provision in Höhe von 10 % + Mehrwertsteuer erhalten und eine Mindestgarantie in Höhe von 1.500,00 €, welche aktive und tägliche Verkaufsarbeit voraussetze.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe eine Gewerbeanmeldung vorgelegt und es sei ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen, freiberuflich für sie tätig zu sein. Die Klägerin habe keine feste Arbeitszeit einhalte müssen. Sie sei weisungsfrei wahlweise im Büro in M3xxxx oder in U1xx tätig gewesen.

Demgegenüber behauptet die Klägerin, sie habe in M3xxxx feste Bürozeiten von 9.30 Uhr bis 17.00 Uhr einhalten müssen. Die Beklagte sei ihr gegenüber weisungsbefugt gewesen wie sich aus vielfältigen E-Mails ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 17.09.2004 den Rechtsweg zum Arbeitsgericht Dortmund für zulässig erklärt, weil von der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin auszugehen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe seines Beschlusses, welcher der Beklagten am 16.10.2004 zugestellte worden ist, Bezug genommen.

Mit Urteil vom 04.02.2005 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 03.03.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.480,00 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zuvor hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.10.2004, der am 25.10.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Dortmund gerügt, da die Klägerin freie Mitarbeiterin gewesen sei und vornehmlich das Verkaufsbüro M3xxxx zur Terminierung benutzt habe. Die Auffassung des Gerichts, die Klägerin sei Angestellte gewesen, sei falsch. Die Klägerin habe wissentlich unzutreffend vorgetragen. Den Beschluss bezeichnete die Beklagte als ungerecht, einseitig und unfair. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 21.10.2004 (Bl. 158 bis 160 d.A.) Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte erklärt, ihr Schreiben vom 21.10.2004 sei als Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.09.2004 anzusehen.

Die Klägerin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II

Der Schriftsatz der Beklagten vom 21.10.2004 ist als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 17.09.2004 zu behandeln. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 78 Satz 1 ArbGG an sich statthaft und im Übrigen nach Form und Frist gemäß den § 569, 571 ZPO zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet. Die Klägerin ist zumindest als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.

1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist von Amts wegen zu prüfen (BGH vom 23.10.2003 - IX ZB 369/02 - MDR 2004, 348). Dazu gehört auch die Prüfung, ob mit einer Eingabe überhaupt eine sofortige Beschwerde gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt werden sollte. Die sofortige Beschwerde kann eingelegt werden, sobald wie im vorliegenden Fall die anzufechtende Entscheidung erlassen und zugestellt worden ist. Die Einlegung der Beschwerde geschieht durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, die die angefochtene Entscheidung bezeichnen und erkennen lassen muss, dass gegen sie Beschwerde eingelegt wird (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 569 Rdnr. 7). Wegen der geringen Formenstrenge reicht es aus, dass der Schriftsatz bei großzügiger Auslegung den Willen des Beschwerdeführers zur Überprüfung der angefochtenen Entscheidung erkennen lässt (BGH vom 23.10.2003 - IX ZB 369/02 - MDR 2004, 348; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 569 Rdnr. 7). Daran gemessen kann der Schriftsatz der Beklagten vom 21.10.2004 als sofortige Beschwerde aufgefasst werden, denn die Beschwerdeführerin bezeichnet darin die anzufechtende Entscheidung und bringt zum Ausdruck, dass sie die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges für unzutreffend hält. Sie begründet die ihrer Meinung nach fehlende Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin und nennt den Beschluss ungerecht, einseitig und unfair. Der Schriftsatz erschöpft sich daher nicht in einer bloßen Stellungnahme, sondern lässt den Anfechtungswillen der Beklagten erkennen.

2. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist in der Sache selbst nicht begründet. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin wie das Arbeitsgericht meint, zu der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Die Klägerin ist zumindest als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Für diesen Personenkreis hat das Gesetz den Rechtsweg zu den Arbeitgerichten ebenfalls eröffnet. Eine Klärung, ob die Klägerin Arbeitnehmerin war, ist für die Rechtswegbestimmung nicht erforderlich (BAG vom 14.01.1997 - 5 AZB 22/96 - AP Nr. 41 zu § 2 ArbGG 1979; BAG vom 17.06.1999 - 5 AZB 23/98 - NZA 1999, 1175 = DB 1999, 2172).

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die wegen fehlender oder gegenüber Arbeitnehmern geringerer Weisungsgebundenheit oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation im Vergleich zu Arbeitnehmerin in einem Arbeitsverhältnis in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig sind. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt die wirtschaftliche Abhängigkeit. Allerdings muss der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach in vergleichbarer Weise wie ein Arbeitnehmer schutzbedürftig sein (BAG vom 16.07.1997 - 5 AZB 29/96 - AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979) und die geleisteten Dienste müssen nach ihrer soziologischen Typik denen eines Arbeitnehmers ähnlich sein (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 9 I Rdnr. 2). Die wirtschaftliche Abhängigkeit in diesem Sinn kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Vertragspartner aufgrund eines Dienstvertrages überwiegend für eine Person tätig ist, die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringt (BAG vom 15.04.1993 - 2 AZB 32/92 - NZA 1993, 789; ErfK-Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rdnr. 133).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin, denn sie hat aufgrund der Vereinbarung vom 27.10.2003 für die Beklagte regelmäßig Dienste im Bereich Telefonmarketing erbracht und dafür Provisionen mit einer Mindestgarantie in Höhe von 1.500,00 € erhalten. Es handelt sich dabei um Tätigkeiten, die auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden können. Die Preise und Konditionen waren ihr von der Beklagten vorgegeben. Nach dem Vortrag der Beklagten nutzte sie für die Ausführung ihrer Tätigkeiten die Büros der Beklagten in M3xxxx und U1xx. Ob und in welchem Umfang sie dabei in eine betriebliche Organisation eingebunden war und feste Arbeitszeiten zu beachten hatte, kann offen bleiben. Die Klägerin war jedenfalls von der Beklagten wirtschaftlich abhängig, denn ist davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen aus den Provisionseinnahmen bei der Beklagten bestritt. Bezeichnenderweise hat die Beklagte der Klägerin eine Mindestgarantie von 1.500,00 € zugesagt. Weitere Anhaltspunkte für die Arbeitnehmerähnlichkeit der Klägerin ist der Umstand, dass sie eigene Wochenberichte fertigen und die Umsätze der übrigen Mitarbeiter wöchentlich erfassen und an die Zentrale melden musste. Die Beklagte wollte über den Stand ihrer Provisionsaktivitäten ständig unterrichtet werden.

3. Die Klägerin war keine Handelsvertreterin im Sinne von § 5 Abs. 3 ArbGG, § 84 HGB, denn eine Handelsvertretervertrag ist nicht geschlossen und ein Handelsvertreterverhältnis von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

III

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

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