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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 576/04
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.06.2004 - 3 Ca 2883/04 abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichtsgerichten wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird auf Antrag der Beklagten an das Amtsgericht Dortmund verwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 541,50 € festgesetzt.

Gründe: I. Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Vergütung für eine Verkostungsaktion "Dr. Oetker Culinaria" in Anspruch. Die Beklagte betreibt eine Werbeagentur und führt für Geschäftskunden sogenannte "Promotion-Aktionen" durch. Zu diesem Zweck unterhält sie eine Kartei über geeignete Werbekräfte, die nach Bedarf und Verfügbarkeit angefragt werden können. Die Klägerin wurde in diese Kartei aufgrund einer Bewerbung vom 19.08.2002 aufgenommen. Sie erhielt erstmals im Juli 2003 von der Beklagten den Auftrag, an insgesamt sechs Tagen bei Lebensmittelmärkten in S4xxxxxxx, K2xxxxxxxxxxxx und S2xxxxxxxxx eine Promotion für "Dan-Cake" durchzuführen. Über den vereinbarten Tagessatz von 95,00 € zuzüglich Benzinkosten erstellte die Klägerin eine Rechnung. Auf weitere Anfrage der Beklagte erklärte sich die Klägerin bereit, im Zeitraum Oktober/November 2003 zusammen mit ihrer Freundin Frau S5xxxx eine weitere Verkostungsaktion "Dr. Oetker Culinaria" in verschiedenen Lebensmittelmärkten im Saarland und in Rheinland-Pfalz durchzuführen. Weil die Klägerin zunächst keine Zeit hatte, nahm absprachegemäß eine Freundin der Klägerin die ersten Termine wahr und erteilte der Beklagten darüber eine Rechnung. Am 18.10.2003 versah erstmals die Klägerin ihren Dienst im Globalmarkt in S4xxxxxx. Es ging darum, Pizzen der Marke "Dr. Oetker Culinaria" zu verkosten. Die Klägerin erhielt von der Beklagten die dafür erforderlichen Unterlagen der Dr. Oetker Deutschland über die Einhaltung von Hygienevorschriften, das richtige Auftreten gegenüber den Verbrauchern und weitere Handlungsanweisungen. Ihr wurde ferner ein Pizzaofen mit drei Ständen sowie ein Tourenplan zur Verfügung gestellt. Den am 20.10.2003 vorgesehenen Einsatz konnte nicht Klägerin nicht selbst durchführen, so dass für sie eine Ersatzkraft einspringen musste. Zu einem weiteren geplanten Einsatz am 23.10.2003 kam es nicht, weil die Klägerin von der Beklagten verlangte, ihr einen Mietwagen zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten gerügt, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sondern die Klägerin ihrer Meinung nach als selbständige Auftragnehmerin im Rahmen eines Dienstvertrages habe tätig werden sollen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, den zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtsweg für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Dortmund zu verweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 24.06.2004, welcher der Beklagten am 20.07.2004 zugestellt worden ist, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt, weil es sich um einen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis handele. Die Klägerin sei als Arbeitnehmerin im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG anzusehen und nicht als selbständige Gewerbetreibende. Sie habe nämlich einem weitreichenden Weisungsrecht der Beklagten unterlegen, die ihr genaue Angaben für die Durchführung der Werbe- und Verkaufstätigkeit gemacht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen. Mit ihrer am 20.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, will die Beklagte eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses und die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Dortmund erreichen. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte vor, die Klägerin sei nicht als Arbeitnehmerin anzusehen, weil sie nicht in ihre betrieblichen Arbeitsabläufe eingegliedert worden sei. Die der Klägerin angebotene Verkostungsaktion im Herbst 2003 habe von vornherein zwanzig Aktionstage umfasst. Dabei sei vereinbart worden, dass die ersten Termine nicht von der Klägerin, sondern von ihrer Freundin durchgeführt würden. Ein Weisungsrecht habe nicht bestanden, denn der Klägerin seien lediglich bestimmte Vorgaben für die Ausübung ihrer Tätigkeit gemacht worden. Lediglich ihre Anwesenheit habe sie sich von dem jeweiligen Marktleiter bestätigen lassen müssen. Die Klägerin habe nicht als Abrufkraft verpflichtet werden können, sondern sei bei der Annahme von Aufträgen völlig frei gewesen. Die Beklagte beantragt, den Beschluss der 3. Kammer des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.06.2004 aufzuheben, den zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtsweg für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Dortmund zu verweisen. Die Klägerin beantragt, die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Klägerin hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Hilfsweise macht sie geltend, dass sie zumindest als arbeitnehmerähnliche Person zu behandeln sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. II. Die gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 78 ArbGG an sich statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Die Arbeitsgerichte sind nicht zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Die Klägerin ist keine Arbeitnehmerin im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Sie kann auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angesehen werden. 1. Das Arbeitsgericht ist zunächst zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die die Rechtsprechung des BAG zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Rechtsverhältnissen entwickelt hat. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur leistungsweisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG vom 16.02.2000 - 5 AZB 71/99 sowie vom 12.12.2001 - 5 AZR 253/00). Das arbeitsbegleitende Weisungsrecht betrifft typischerweise Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht bereits, dass die Klägerin die geschuldete Tätigkeit nicht in Person zu erbringen hatte. Im Rahmen der Promotions-Aktion für die Firma Dr. Oetker wurde zunächst absprachegemäß die Freundin der Klägerin, Frau S5x-xxx, eingesetzt. Auch für den am 20.10.2003 vorgesehenen Termin musste Ersatz für die Klägerin beschafft werden. Ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne von § 12 TzBfG lag nicht vor, denn die Klägerin wurde von der Beklagten jeweils für eine bestimmte Werbeveranstaltung angesprochen. Die Klägerin konnte selbst im Rahmen ihrer Verfügbarkeit über die Annahme des Angebots der Beklagten entscheiden. Sowohl über die Promotion "Dan-Cake" als auch über die Verkostungsaktion "Dr. Oetker Culinaria" sind zwischen den Parteien jeweils neue aktionsbezogene Vertragsverhältnisse begründet worden. Die Klägerin war bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Wesentlichen frei. Der vorgegebene zeitliche Rahmen und die ihr mitgegebenen Verhaltensregeln bei der Verkostung dürfen nicht als arbeitsbegleitendes Weisungsrecht missverstanden werden. Auch bei der Abwicklung eines Auftrages können vom Auftraggeber bestimmte Bedingungen vorgegeben werden. Die von der Beklagten angegebenen Uhrzeiten über Beginn und Ende der Promotionstätigkeit richteten sich nach den Öffnungszeiten des jeweiligen Lebensmittelmarktes und nach der zu erwartenden Kundenfrequenz. Es handelt sich dabei insgesamt um Rahmenbedingungen, um das von der Auftraggeberin mit der Verkostungsaktion verfolgte Ziel zu erreichen. Arbeitsbegleitende Weisungen, die die Klägerin bei der eigentlichen Ausübung ihrer Tätigkeit zu beachten hatte, konnten ihr schon deshalb nicht erteilt werden, weil es dafür keinen Vorgesetzten vor Ort gab. Von dem jeweiligen Marktleiter musste sich die Klägerin lediglich ihre Anwesenheitszeiten abzeichnen lassen. Die Klägerin war auch nicht in einer betrieblichen Organisation der Beklagten eingegliedert, denn zur Erbringung der von ihr geschuldeten Dienstleistungen war sie nicht auf die Organisation und die Arbeitskräfte der Beklagten angewiesen (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 10. Auflage, § 36 Rn. 9). Schließlich ergibt auch die Gesamtbetrachtung, dass die Klägerin als Selbständige Promotionsaufträge der Beklagten abgewickelt hat. Sie ist als geeignete Promoterin bereits 2002 in die Kartei der Beklagten aufgenommen worden und wurde erstmals im Juli 2003 für eine insgesamt sechs Tage umfassende Werbeveranstaltung von der Beklagten in Anspruch genommen. Darüber hat die Klägerin der Beklagten eine entsprechende Rechnung ausgestellt. Für die hier fragliche Verkostungsaktion ist die Klägerin dann erneut von der Beklagten mit den dargestellten Modalitäten (teilweise zusammen mit ihrer Freundin) engagiert worden. Ein Abrufarbeitsverhältnis oder ein jeweils von Fall zu Fall begründetes Arbeitsverhältnis kann darin nicht erblickt werden. 2. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte folgt auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Danach werden arbeitnehmerähnliche Personen wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit den Arbeitnehmern gleichgestellt. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheiden. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit (BAG vom 14.01.1997 - 5 AZB 22/96 - NZA 1997, 344; BAG vom 30.08.2000 - 2 AZB 12/00 - NZA 2000, 1359, 1360). Vorliegend fehlt es bereits an einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Klägerin, weil sich nicht feststellen lässt, dass die aus der drei- bis vierwöchigen Tätigkeit der Klägerin fließende Vergütung ihre entscheidende Existenzgrundlage war. Die Klägerin war nicht gehindert, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Eine auf Dauer angelegte enge Zusammenarbeit haben die Parteien gerade nicht vereinbart (vgl. dazu BAG vom 14.01.1997 - 5 AZB 22/96 - NZA 1997, 344 unter II. 2 der Gründe). Es ist daher nicht erkennbar, dass die Klägerin in vergleichbarer Weise wie eine Arbeitnehmerin als sozial schutzbedürftig angesehen werden muss. III. Da der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, war der Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 GVG auf Antrag der Beklagten an das zuständige Amtsgericht zu verweisen. IV. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind für den Beschwerdewert davon drei Zehntel in Ansatz gebracht worden.

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