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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 2 Ta 629/08
Rechtsgebiete: ArbGG, HGB, GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 3 Satz 1
ArbGG § 48
ArbGG § 78 Satz 1
HGB § 89 Abs. 1
HGB § 92 a Abs. 1 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 569
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 22.08.2008 - 2 Ca 570/08 - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.341,27 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 15.07.2004 als Handelsvertreter tätig. Gemäß § 5 des Handelsvertretervertrages durfte er nur für den Beklagten tätig werden und Vertretungen für andere Unternehmen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Beklagten übernehmen. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Bestimmungen wird auf den Handelsvertretervertrag vom 15.07.2004 Bezug genommen.

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG durchschnittlich mehr als 1.000,00 € monatlich verdient hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und den Akteninhalt verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22.08.2008 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Paderborn verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem Kläger handele es sich zwar um einen Einfirmenvertreter "kraft Vertrages" i.S.v. § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB. Er gelte aber nicht als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, weil er während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses mehr als 1.000,00 € monatlich als Vergütung bezogen habe. Es können offen bleiben, ob als maßgeblicher Referenzzeitraum die letzten sechs Monate vor Klageerhebung von Oktober 2007 bis März 2008 oder die letzten sechs Monate vor der Freistellung von Juli 2007 bis Dezember 2007 zugrunde gelegt würden. In beiden Fällen habe der Kläger durchschnittlich mehr als 1.000,00 € pro Monat bezogen. Es komme nicht allein auf die tatsächlich erhaltenen Zahlungen an, sondern bei der Bestimmung der Entgeltgrenze sei auf die unbedingt entstandenen Bruttoansprüche abzustellen. Die durch Aufrechnung oder Verrechnung geminderten Zahlungen seien als bezogene Vergütung i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zu behandeln. Danach habe der Kläger im Zeitraum Oktober 2007 bis März 2008 Provisionsansprüche in Höhe von insgesamt 6.046,27 € gehabt, so dass die Verdienstgrenze von durchschnittlich 1.000,00 € monatlich überschritten werde.

Der am 02.09.2008 eingegangenen sofortigen Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 22.08.2008 zugestellten Beschluss hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, es müsse richtigerweise auf den Zeitraum 01.11.2007 bis 30.04.2008 abgestellt werden, denn das Vertragsverhältnis habe durch die Kündigung des Beklagten vom 02.01.2008 erst zum 30.04.2008 beendet werden können. Im Übrigen sei die Verdienstberechnung des Arbeitsgerichts fehlerhaft, weil es in seiner Aufstellung einen Betrag von 838,16 € als weitere Provisionsgutschriften berücksichtigt habe. Dieser Betrag sei infolge des Verrechnens mit Stornobeträgen nicht ausgezahlt worden. Ziehe man die 838,16 € von den vom Gericht zugrunde gelegten Betrag von 6.046,27 € ab, verblieben nur 5.208,11 € und damit weniger als 1.000,00 € monatlich.

Der Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29.08.2008 gegen den Beschluss des Arbeitsgericht Paderborn vom 22.08.2008 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den Beschluss des Arbeitsgerichts für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II

Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48, 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Die Arbeitsgerichte sind zuständig, weil der Kläger gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG als Arbeitnehmer gilt.

1. Für die Berechnung der maßgeblichen Verdienstgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist auf den Bestand des Vertragsverhältnisses abzustellen (BAG vom 15.02.2005, 5 AZB 13/04, NJW 2005, 1104 unter II 2 b cc der Gründe). Die im Gesetz genannte Verdienstgrenze von durchschnittlich 1.000,00 € monatlich ist auch dann maßgeblich, wenn der Handelsvertreter in den letzten Monaten des Vertragsverhältnisses nicht gearbeitet und nichts verdient hat oder wie im vorliegenden Fall freigestellt worden ist. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen ist auf die letzten sechs Monate bis zum 30.04.2008 abzustellen, weil das Handelsvertreterverhältnis durch die Kündigung des Beklagten gemäß § 89 Abs. 1 HGB wirksam erst zum 30.04.2008 beendet werden konnte.

2. Im Zeitraum November 2007 bis einschließlich April 2008 hat der Kläger insgesamt nicht mehr als 6.000,00 € i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG bezogen. Bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG anzusetzenden Beträge sind alle unbedingt entstandenen Ansprüche des Handelsvertreters zu berücksichtigen. Die im Geschäftsbetrieb des Handelsvertreters entstandenen Aufwendungen sind ebenso wenig abzuziehen wie etwaig verrechnete Gegenansprüche. Der Handelsvertreter hat die vertragliche Vergütung auch dann i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG bezogen, wenn tatsächliche keine oder nur geringere Zahlungen erfolgt sind. Maßgeblich sind die tatsächlich entstandenen Provisions- und Aufwendungsersatzansprüche des Handelsvertreters (BGH 12.02.2008, VIII ZB 51/06, BB 2008, 770 sowie OLG Hamm 20.02.2006, 18 U 40/05, Juris). Sowohl der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG als auch sein Sinn und Zweck sprechen für die Auffassung, dass die Vergütung zugeflossen sein muss. Dem Handelsvertreter sind die Ansprüche auch dann zugeflossen, wenn mit anderen Ansprüchen aufgerechnet worden ist. Die Aufrechnung ist ein Erfüllungssurrogat, welches in gleicher Weise wie die Zahlung zur Befriedigung des Anspruchs führt (vgl. ErfK-Koch, 8. Aufl., § 5 ArbGG, Rdnr. 12 sowie BGH 12.02.2008, VIII ZB 51/06, unter II 2 b aa der Gründe, BB 2008, 777 = VersR 2008, 533).

III

Der Beklagte hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

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