Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 2 Ta 738/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
BGB § 323
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet, wenn es um die Kündigung des der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses geht. Dies gilt auch dann, wenn der aufgrund eines Arbeitsvertrages als technischer Leiter beschäftigte Arbeitnehmer zum Geschäftsführer ernannt wird und tatsächlich die Tätigkeiten eines Geschäftsführers ausübt, ohne dass der bisher bestandene Arbeitsvertrag aufgehoben und ein schriftlicher Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen worden ist (Abweichung von LAG Niedersachen, 05.03.2007 - 17 Ta 618/06, NZA-RR 2007, 522 und LAG Bremen, 02.03.2006 - 3 Ta 9/06, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 11).
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 31.10.2007 - 5 Ca 878/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 31.609,47 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger will gegenüber den Beklagten feststellen lassen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten zu 1) und 2) vom 30.03.2007 nicht aufgelöst worden ist, fordert Weiterbeschäftigung als technischer Leiter und macht rückständige Vergütungsansprüche geltend.

Der am 01.08.1958 geborene Kläger trat aufgrund eines Arbeitsvertrages für Angestellte als technischer Leiter mit Personalverantwortung ab 01.04.2005 in die Dienste der Beklagten zu 1), deren Mutter die Beklagte zu 2) ist. Die Parteien vereinbarten ein jährliches Bruttogehalt von 75.000,00 €.

Am 17.10.2005 wurde der Kläger zum gemeinsam vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt. Am 06.12.2006 ist er zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ernannt worden. In diesem Zusammenhang wurde sein Jahresgehalt auf 130.000,00 € erhöht. Zum Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages kam es nicht. Der von der Beklagten zu 1) vorgelegte Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der die Aufhebung des Anstellungsvertrages vom 05.10.2004 zum Gegenstand hat, ist nicht unterschrieben worden. Tatsächlich hat der Kläger seit seiner Geschäftsführerbestellung Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt.

Mit Schreiben vom 30.03.2007 kündigte die Beklagte zu 1) vor dem Hintergrund der schwebenden Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des Anstellungsverhältnisses vorsorglich ein etwa bestehendes Anstellungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin. In gleicher Weise kündigte die Beklagte zu 2) ebenfalls mit Schreiben vom 30.03.2007 vorsorglich das etwaig bestehende Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin.

Durch Gesellschafterbeschluss vom 12.04.2007 wurde der Kläger von seinem Amt als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abberufen.

Der Kläger meint, da der ursprünglich geschlossene Arbeitsvertrag gemäß § 623 BGB nicht wirksam aufgehoben worden sei, seien die Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.

Demgegenüber vertritt die Beklagte den Standpunkt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aufgrund der Organstellung des Klägers nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 31.10.2007 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist und den Rechtsstreit an das Landgericht Bochum verwiesen. Zur Begründung seiner dem Kläger am 05.11.2007 zugestellten Entscheidung hat es ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet. Wer als Organ zur Vertretung einer juristischen Person berufen sei, gelte nach der gesetzlichen Fiktion weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person. Zugunsten des Klägers könne unterstellt werden, dass er Arbeitnehmer im materiell-rechtlichen Sinne sei, denn § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ordne an, dass die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien, wenn es um die Kündigung des Anstellungsvertrages gehe, der Grundlage der Geschäftsführerbestellung sei. Da ein schriftlicher Geschäftsführer-Anstellungsvertrag nicht geschlossen worden sei, sei der Arbeitsvertrag für Angestellte vom 05.10.2004 weiterhin Grundlage für die Vertragsbeziehungen der Parteien. Die vom Bundesarbeitsgericht für die Zulässigkeit des Rechtsweges entwickelte sog. sic-non-Rechtsprechung sei auf Organvertreter nicht anwendbar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Der dagegen eingelegten

sofortige Beschwerde

des Klägers, die am 12.11.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, es gäbe keinen schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, sondern nur den Anstellungsvertrag vom 05.10.2004, der nicht aufgehoben worden sei. In diesen Fällen habe sowohl des LAG Bremen als auch das LAG Niedersachsen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bejaht. Er habe sein Amt als Geschäftsführer freiwillig und in der Erwartung niedergelegt, als technischer Leiter weiterbeschäftigt zu werden.

Die Beklagte verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Sie trägt ergänzend vor, das gesamte Vertragsverhältnis sei seit 2006 als Geschäftsführerdienstverhältnis "gelebt" worden. Seitdem sei der Kläger nicht mehr als weisungabhängiger technischer Leiter tätig geworden, sondern ausschließlich als Geschäftsführer. Anders als vom Kläger dargestellt hätten sich die Parteien auf bestimmte Vertragskonditionen für die Tätigkeit als Geschäftsführer geeinigt.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

II

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat sich zu Recht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zur Entscheidung berufene Landgericht Bochum verwiesen. Das Beschwerdegericht folgt den überzeugenden Gründen des Arbeitsgerichts und nimmt darauf gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Die dagegen gerichteten Angriffe der sofortigen Beschwerde greifen nicht durch.

1. Es kommt für die Frage des Rechtsweges nicht darauf an, ob der im Jahre 2005 geschlossene Arbeitsvertrag im Hinblick auf § 623 BGB wirksam aufgehoben worden ist. Die Arbeitsgerichte sind vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann nicht zuständig, wenn der Anstellungsvertrag als technischer Leiter weiterhin besteht. Vorliegend geht es nämlich um die Kündigung des der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegenden Schuldverhältnisses. Ob es sich dabei um den fortentwickelten Arbeitsvertrag oder um einen mündlich geschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag handelt, kann offenbleiben. Der Kläger war gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG zum vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten zu 1) berufen worden und hat tatsächlich die Tätigkeiten eines Geschäftsführers ausgeübt. Die vertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GmbH gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann nicht als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG, wenn sie sich darauf berufen, das der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen. Für diese Personengruppe hat der Gesetzgeber unabhängig von ihrem materiell-rechtlichen Status geregelt, dass sie nicht als Arbeitnehmer zu behandeln sind (BAG vom 20.08.2003 - 5 AZB 79/02, AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979 m.zutr.Anm.v. Wank).

2. Der Hinweis des Klägers auf das weiter bestehende Arbeitsverhältnis verfängt nicht. Seine Klageanträge sind so zu verstehen, dass er sich gegen die Auflösung des zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses wendet. Dieses war ein zumindest mündlich geschlossener Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, denn die Parteien haben sich auf eine veränderte Tätigkeit und die Erhöhung des Jahresgehaltes auf 130.000,00 € verständigt. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn unabhängig voneinander zwei selbständige schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestehen würden, nämlich der Geschäftsführerdienstvertrag und daneben das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis und der Kläger nur den Fortbestand des ruhenden Arbeitsverhältnisses geltend macht (zur Doppelstellung vgl. BAG vom 10.12.1996 - 5 AZB 20/96, BB 1997, 998). Eine solche Differenzierung kann nach den Darlegungen des Klägers nicht festgestellt werden. Klageanträge und Klagebegründung können nicht dahin verstanden werden, dass es dem Kläger nur um die Kündigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses als technischer Leiter geht. Dem Kläger geht es vielmehr um die Kündigung des zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses, welches er mangels formgerechter Aufhebung des Arbeitsvertrages für ein Arbeitsverhältnis hält. Grundlage für die vom Kläger als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ausgeübte Tätigkeit war der fortentwickelte Arbeitsvertrag. Bezeichnenderweise berechnet er die Höhe seiner Vergütung nach den zuletzt im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bestandenen Konditionen. Der Begründung des Arbeitsgerichts ist daher in vollem Umfang zu folgen.

3. Ob zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Rechtsverhältnis bestanden hat, kann im Rechtswegbestimmungsverfahren offen bleiben. Der Kläger greift mit seiner auch gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Feststellungsklage die Kündigung des zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses an. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte handelt es sich dabei um die der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, sodass auch insoweit § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eingreift.

4. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch für den Weiterbeschäftigungsantrag nicht eröffnet, denn der Kläger stützt diesen Anspruch nicht auf den Arbeitsvertrag vom 05.10.2004, sondern auf die unwirksame Kündigung des zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses. Gleiches gilt für die Zahlungsklage.

5. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ferner ausgeführt, dass im Falle des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die sog. sic-non-Rechtsprechung des BAG nicht anwendbar ist. Auch darauf kann gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen werden.

II

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Wegen der vom LAG Bremen (Beschluss vom 02.03.2006 - 3 Ta 9/06, NZA 2006) und vom LAG Niedersachen - 17 Ta 618/06 (NZA-RR 2007, 522) vertretenen abweichenden Auffassung hat das Beschwerdegericht gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG, 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück