Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: 2 Ta 863/06
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 24.08.2006 - 3 Ca 2073/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 283.659,91 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 18.05.2004 - 160 IN 24/04 - wurde über das Vermögen der G2 K1 KG Holz- und Baustoffgroßhandlung das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Er nimmt die Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch mit der Behauptung, sie hätten im Zeitraum 1993 bis 2001 durch unversteuerte und rechnungslose Verkäufe aus dem Warenbestand der G2 K1 KG, die nicht als Betriebseinnahmen erfasst worden seien, einen Schaden in Höhe von insgesamt 945.553,04 € verursacht. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagten seien nicht nur Kommanditisten der Schuldnergesellschaft, sondern auch bei ihr angestellt gewesen.

Die Beklagten haben die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt. Sie hätten gesellschaftsrechtlich als mitarbeitende Kommanditisten Dienstleistungen für die Insolvenzschuldnerin erbracht. Arbeitsverhältnisse hätten nicht bestanden.

Persönlich haftender Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin war aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 31.12.1977 der Vater der Beklagten, der Bauingenieur P2 K1, der am 12.08.1995 verstarb. Er wurde von seiner Ehefrau E2 K1 beerbt. Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin waren die Beklagten mit einem Gesellschaftsanteil von jeweils 120.000,00 DM. Gemäß Gesellschaftsvertrag vom 31.12.1977 wurde das Gesellschaftskapital auf 1.040.000,00 DM festgesetzt. Nach dem Bericht der Steuerfahndung (Bl. 25, 26 d.A.) vom 19.05.2004 waren die Beklagten zuletzt jeweils zu 25 % an der KG beteiligt. Dem Beklagten zu 1) war als Kommanditisten Einzelprokura erteilt worden.

In § 5 des Gesellschaftsvertrages vom 31.12.1977 heißt es:

"Die Kommanditisten G3 K1 und G2 K1 sind zur tätigen Mitarbeit im Betrieb verpflichtet.

Der Kommanditist G3 K1 erhält für diese tätige Mitarbeit eine Vorwegvergütung in Höhe von 2.700,00 DM, der Kommanditist G2 K1 erhält für diese tätige Mitarbeit eine Vorwegvergütung von 1.200,00 DM, die nicht auf ihre Gewinnanteile anzurechnen sind."

Mit dem Eintritt der Beklagten schied die Kommanditistin E2 K1, die Ehefrau des persönlich haftenden Gesellschafters P2 K1, aus der Gesellschaft aus. Die von den Beklagten zu leistende Einlage wurde durch Übertragung der Geschäftsanteile ihrer Mutter E2 K1 erbracht.

Die monatlich an die Beklagten ausgezahlten Vorwegvergütungen wurden nach und nach erhöht. Für ihre Tätigkeiten in der Gesellschaft erhielt der Beklagte zu 1) ausweislich der Jahresabschlüsse zuletzt 54.000,00 DM und der Beklagte zu 2) 42.000,00 DM.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluss vom 11.05.2006 zunächst für zulässig erklärt, weil es sich bei den Beklagten zumindest um arbeitnehmerähnliche Personen handele.

Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde der Beklagten hat das Arbeitsgericht abgeholfen. Unter Aufhebung seines Beschlusses vom 11.05.2006 hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 24.08.2006 die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten festgestellt und den Rechtsstreit an das Landgericht Essen verwiesen. Zur Begründung seines dem Kläger am 11.09.2006 zugestellten Beschlusses hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet, weil es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis handele. Die Beklagten hätten ihre Arbeitskraft als mitarbeitende Gesellschafter aufgrund ihrer im Gesellschaftsvertrag geregelten Verpflichtung zur tätigen Mitarbeit zur Verfügung gestellt. Arbeitsverträge zwischen der Gesellschaft und den Beklagten seinen nicht geschlossen worden. Wer als Kommanditist in der Gesellschaft mitarbeite, sei jedenfalls dann als Arbeitnehmer zu qualifizieren, wenn die Gesellschafter wie im vorliegenden Fall familiär untereinander verbunden seien.

Die Beklagten könnten auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als arbeitnehmerähnliche Personen angesehen werden, weil es an der erforderlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit fehle, denn sie hätten ohne qualifizierten Widerspruch des Klägers vorgetragen, die Einlagen in die KG seien stets höher gewesen als die getätigten Entnahmen. Außerdem hätten die Beklagten Einkünfte aus anderweitiger selbständiger Tätigkeit, Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.09.2006, der am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen ist,

sofortige Beschwerde

eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, die Beklagten hätten seit 1987 hohe, an der Versicherungsfreigrenze orientierte Vergütungen erhalten. Sie seien mindestens seit 1987 von der Schuldnergesellschaft wirtschaft abhängig gewesen, denn sie hätten in den Jahren 1987 bis 1993 einschließlich an Gehältern und Gewinnanteilen jährliche Zahlungen in der Größenordnung zwischen 62.000,00 und 96.000,00 DM erhalten. Auch in den Jahren 1994 bis 1999 hätten die Beklagten ausweislich der Bilanzen keinesfalls mehr in die Gesellschaft eingezahlt als sie erhalten hätten.

Die Beklagten verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss und treten dem Vorbringen des Klägers entgegen. Sie tragen ergänzend vor, die Vorwegvergütung, die sie in den Jahren 1993 bis 2001 erhalten hätten, seien zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage nicht geeignet gewesen. Auf ihre Einkünfte aus der Beteiligung an der KG könne es nicht ankommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen. Bezug genommen wird ferner auf den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 14.12.2006.

II

Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 48 Abs. 1 Nr. 2, 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verneint. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine anderslautende Entscheidung.

1. Die Beklagten sind für die Insolvenzschuldnerin nicht als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG tätig geworden. Es handelt sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Die Kommanditisten einer KG können Dienstleistungen für die Gesellschaft aufgrund eines Gesellschaftsvertrages oder auch im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses erbringen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass die Beklagten aufgrund § 5 des Gesellschaftsvertrages vom 31.12.1977 und damit gesellschaftsrechtlich zur tätigen Mitarbeiter im Betriebe der Insolvenzschuldnerin verpflichtet waren. Arbeitsverträge sind daneben nicht geschlossen worden. Sie ergeben sich auch nicht konkludent aus den Umständen oder aus der tatsächlichen Abwicklung der geleisteten Tätigkeiten. Die Verpflichtung der Beklagten, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, wurzelt in § 5 des Gesellschaftsvertrages und damit im Gesellschaftsverhältnis. Die erbrachten Dienstleistungen waren Gesellschafterbeiträge i.S.d. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB (vgl. BAG vom 11.05.1978 - 3 AZR 21/77, AP Nr. 2 zu § 161 HGB). Als Familienunternehmen war die Firma G2 K1 KG auf die Mitarbeiter der Beklagten als Kommanditisten angewiesen, um den Geschäftsbetrieb als Familienunternehmen führen zu können. Bezeichnenderweise ist dem Beklagten zu 1) Einzelprokura erteilt worden. Nach den Vorstellungen des Vaters sollten die Beklagten das Unternehmen übernehmen. Der Kläger räumt ein, dass nach dem Tode des persönlich haftenden Gesellschafters P2 K1, des Vaters der Beklagten, am 12.08.1995 dessen Ehefrau als Erbin die Geschäfte der Schuldnergesellschaft tatsächlich nicht geführt habe. Es ist davon auszugehen, dass die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich von den Beklagten geführt worden sind. Bereits vorher hatte sich der Gesellschafter P2 K1 krankheitsbedingt aus dem Firma zurückgezogen und war nicht mehr aktiv tätig gewesen. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält die Neufassung des § 5 des Gesellschaftsvertrages gemäß Änderungsbeschluss vom 01.01.1979 (Bl. 83 d.A.) keine Hinweise auf den übereinstimmenden Willen, die tätige Mitarbeit der Beklagten als Arbeitsverhältnis zu behandeln. Sozialversicherungsbeiträge wurde ab 1979 nicht mehr abgeführt.

Die Dienstleistungen der Beklagten sind nicht in persönlicher Abhängigkeit geleistet worden, sondern als unternehmerischer Beitrag im Rahmen einer Familien-KG. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Beklagten ihre Tätigkeiten weisungsabhängig (wer sollte die Weisungen erteilt haben?) erbracht haben. Nach Darstellung der Beklagten hat zwar die persönlich haftende Gesellschafterin E2 K1 die Geschicke des Unternehmens nach dem Tode ihres Ehemanns gelenkt. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte für die Ausübung eines Weisungsrechts gegenüber den Beklagten hinsichtlich der Art und Weise der zu erbringenden Dienstleistungen. Treffen die Behauptungen des Klägers zu, konnten die Beklagten wie die tatsächlichen Inhaber der Schuldnergesellschaft schalten und walten und die Geschäfte des Betriebes bestimmen. Feste Arbeitszeiten brauchten sie nicht einzuhalten. Sie waren darüber hinaus in nennenswertem Umfang am Kapital der Gesellschaft beteiligt und hafteten damit auch für eintretende Verluste. Auf die streitigen Einnahmen- und Überschussrechnungen kommt es für die Frage des Rechtswegs nicht an. Die Tätigkeit und die Vergütung der Beklagten sind im Gesellschaftsvertrag gesellschaftsrechtlich geregelt worden. Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses bestehen keine überzeugenden Anhaltspunkte.

2. Die Beklagten können auch nicht als arbeitnehmerähnliche Personen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angesehen werden. Ob sie von der Beklagten wirtschaftlich abhängig waren, kann offen bleiben. Dagegen spricht, dass die Beklagten neben ihren Zahlungen von der KG über Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verfügten. In jedem Fall fehlt es an den weiterhin für den Status einer arbeitnehmerähnlichen Person zu erfüllenden Voraussetzungen.

Arbeitnehmerähnliche Personen müssen nach dem gesamten Zuschnitt ihrer Tätigkeit mit Arbeitnehmern vergleichbar und in ähnlicher Weise wie sie sozial schutzbedürftig sein (BAG vom 16.07.1997 - 5 AZB 29/96, AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 9 I Rdnr. 2; Beschluss der Kammer vom 24.01.2003 - 2 Ta 302/02). Das ist hier nicht der Fall, denn die Beklagten sind nicht arbeitnehmerähnlich, sondern eher arbeitgeberähnlich tätig gewesen. Dies ergibt sich schon aus der Darstellung des Klägers bezüglich der stattgefundenen Verkäufe aus den Räumlichkeiten des Betriebes der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagten hatten Schlüssel zu den Büroräumen und Lagerflächen und Lagerhäusern. Sie konnten den Umfang ihrer Arbeitszeiten selbst bestimmen und sind nach außen hin als Gesellschafter und damit als Mitinhaber des Familienunternehmens aufgetreten. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte für eine arbeitnehmertypische Ausgestaltung der von ihnen erbrachten Dienstleistungen (vgl. dazu BAG vom 28.11.1990 - 4 AZR 198/90, NZA 1991, 392 = ZIP 1991, 817). Es ist typisch für kleinere oder mittelständische Unternehmen, die Arbeitsleistungen der mitarbeitenden Gesellschafter als gleichberechtigten unternehmerischen Beitrag und damit als Gesellschaftereinlage anzuerkennen (vgl. dazu Loritz, RdA 1992, 310).

III

Da der beschrittene Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten unzulässig ist, hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 GVG zu Recht an das zuständige Landgericht Essen verwiesen.

IV

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

V

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

Zurück