Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.01.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1270/06
Rechtsgebiete: GewO, TV Lohn- und Gehaltssicherung Metallindustrie NRW, KSchG


Vorschriften:

GewO § 106
TV Lohn- und Gehaltssicherung Metallindustrie NRW § 2
TV Lohn- und Gehaltssicherung Metallindustrie NRW § 8
KSchG § 2
§ 8 des TV über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens verleiht dem Arbeitgeber nicht die Befugnis, den Arbeitnehmer einseitig auf einen geringer vergüteten Arbeitsplatz zu versetzen. Eine sogenannte tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers würde sich als objektive Umgehung des § 2 KSchG darstellen.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 04.07.2006 - AZ: 1 Ca 42/06 - wird dieses abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.422,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 367,50 € seit dem 01.12.2005, aus weiteren 367,50 € seit dem 01.03.2006, aus weiteren 477,18 € seit dem 01.04.2006 und aus weiteren 477,18 € seit dem 01.05.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Lohnansprüche.

Der am 20.10.1950 geborene Kläger ist seit dem 11.03.1970 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien unterliegen kraft Tarifgebundenheit den tariflichen Bestimmungen der Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen.

Der Kläger wurde eingestellt unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5 nach den damaligen Bestimmungen des Lohnrahmenabkommens für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (LRA). Seit 1977 war er als Vorarbeiter bei der Beklagten tätig. Jedenfalls ab April 1990 war er in die Lohngruppe 6 eingruppiert, danach seit dem 01.12.1995 durchgängig in der Lohngruppe 5. In dieser Zeit wurde der Kläger in der Lackiererei der Beklagten beschäftigt.

Der Kläger leidet seit dem Jahr 2003 an einer Beeinträchtigung des Hör- und Gleichgewichtssinns. Diesbezüglich ist Grad der Behinderung von 40% festgestellt.

Die Beklagte hat den Kläger in ihre Montageabteilung versetzt. Der Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls beantragte die Beklagte bei dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Klägers und weiterer neun Mitarbeiter im März 2005. Der Betriebsrat stimmte dem durch Beschluss am 22.07.2005 einstimmig zu. Aus der Sicht der Beklagten ist die Versetzung des Klägers in die Montageabteilung zum 01.04.2005 wirksam geworden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger in der Montageabteilung mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die solchen der Lohngruppe 3 entsprechen. Dies teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 03.05.2005, diesem übergeben am 18.05.2005, mit. Der Kläger antwortete daraufhin mit Schreiben vom 23.05.2005:

"Antrag auf Entgeltsicherung für ältere AN gem. § 18 MTV für die Metallindustrie NRW

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich wegen ständiger, gesundheitsbedingter Minderung meiner Leistungsfähigkeit die Entgeltsicherung gem. § 18 MTV für die Metallindustrie NRW.

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Entgeltsicherung werden von mir erfüllt, ich bin 54 Jahre alt, und seit 35 Jahren in der Fa. S3x D3xxxx GmbH beschäftigt.

Mit dem Wechsel meines Arbeitsplatzes von der Lackiererei zur Montage bin ich bei Gewährung der Entgeltsicherung einverstanden.

Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung ist Ihnen bekannt, wie auch eine Begutachtung durch den Werksarzt.

Ihrer positiven Antwort entgegensehend verbleibe ich

mit freundlichen Grüssen"

Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 08.06.2005:

"Ihr Antrag auf Entgeltsicherung vom 23.05.2005

Sehr geehrter Herr S1xxxxxx,

Ihren o.g. Antrag auf Entgeltsicherung haben wir erhalten. Wir stimmen Ihrem Antrag zu.

Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass von der Entgeltsicherung im Sinne des § 18 MTV nur Versetzungen auf geringer entlohnte Arbeitsplätze erfasst werden, die aus gesundheitlichen Gründen erfolgen.

Die bisher erfolgten Versetzungen erfolgten aus betrieblichen Gründen (Entfall von Lackiertätigkeiten) und fallen somit nicht unter den Anwendungsbereich des § 18 MTV.

Mit freundlichen Grüßen"

Die Vergütungsdifferenz beträgt monatlich 477,18 € zum Nachteil des Klägers. Aufgrund einer Verdienstsicherungsklausel nach dem Tarifvertrag über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 25.01.1979 (TV LGS) zahlte die Beklagte das bisherige Arbeitsentgelt des Klägers zunächst für die Dauer von sieben Monaten fort. Seit November 2005 zahlt sie an den Kläger nur noch das verminderte Arbeitsentgelt, basierend auf einer Eingruppierung in die Lohngruppe 3 nebst diversen Zulagen.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Entgeltdifferenzen für die Monate November 2005 bis April 2006 geltend. Er beziffert diese wie folgt:

November 2005 367,50 €

Dezember 2005 und Januar 2006 zusammen 733,50 €

Februar 2006 367,50 €

März 2006 483,25 €

April 2006 477,18 €.

Der Kläger hat vorgetragen, die Montage werde üblicherweise im Akkord verrichtet. Da er aus gesundheitlichen Gründen keinen Akkord mehr leisten könne, habe er im Mai 2005 Lohnsicherung nach § 18 des Manteltarifvertrags für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV) wegen Krankheit beantragt. Dem habe die Beklagte zugestimmt. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in der Abteilung Lackiererei dieser Arbeitsplatz zum Vertragsbestandteil geworden sei. Der Versetzung habe er nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er seinen alten Lohn weiter erhalte. Auch eine Änderungskündigung habe er nicht erhalten. Außerdem sei die ihm übertragene Montage von Edelstahlprodukten, die etwa 57% seiner Arbeitszeit ausmache, ebenfalls der Lohngruppe 5 zuzurechnen, weil dies eine Anlernzeit von mindestens drei Monaten erfordere. Weitere 40% seiner Zeit sei er damit beschäftigt, Teile aus- und umzupacken, was mindestens der Lohngruppe 4 zuzuordnen sei. Schließlich habe der Betriebsrat am 22.03.2005 nur seiner Versetzung zugestimmt, ein Antrag auf Umgruppierung sei damals gar nicht gestellt worden.

Die Beklagte hat vorgetragen, wegen einer stark rückläufigen Auslastung der Lackiererei sei der Kläger zunächst vorübergehend in die Abteilung Montage versetzt worden. Nachdem keine Aussicht mehr bestanden habe, dass die Auslastung der Lackiererei wieder anziehen werde, sei im März 2005 das Verfahren zur endgültigen Versetzung des Klägers in die Abteilung Montage eingeleitet worden. Einen Anspruch auf Entgeltsicherung nach § 18 MTV habe er in diesem Zusammenhang nicht erlangt, weil die vorgenommene Versetzung nicht aus gesundheitlichen, sondern aus betrieblichen Gründen erfolgt sei. Der Betriebsrat habe am 22.03.2005 auch der mit der Versetzung verbundenen Umgruppierung zugestimmt. Zur Vorbereitung habe man dem Betriebsrat eine Übersicht aller bevorstehender Versetzungen und Umgruppierungen vorgelegt und um Zustimmung gebeten, die auch erteilt worden sei. Die jetzige Tätigkeit des Klägers bestehe überwiegend in der Montage von Teilen und Artikeln. Diese Tätigkeit sei im Jahr 1994 bei einer Arbeitsbewertung einvernehmlich zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung der Lohngruppe 3 zugeordnet worden. Gleiches gelte für die Tätigkeit "Artikel und Teile verpacken". Beide Tätigkeiten seien nach einer Einarbeitungszeit von bis zu einer Woche ausführbar.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 04.07.2006 die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der geltend gemachten Entgeltdifferenzen. Nachdem der Kläger nach § 2 TV LGS für sieben Monate eine Verdienstsicherung erhalten habe, weil ihm aus betrieblichen Gründen ein geringer bezahlter Arbeitsplatz zugewiesen worden sei, stehe ihm für die Zeit danach keine weitere Verdienstsicherung zu. Dies ergebe sich insbesondere auch nicht aus § 18 MTV. Im Zeitpunkt der Antragstellung sei dem Kläger nämlich aufgrund betrieblicher Gründe bereits seit April 2005 ein geringer bezahlter Arbeitsplatz zugewiesen gewesen. Dagegen habe er sich nicht gewandt. Sein Antrag auf Verdienstsicherung nach § 18 MTV führe nicht dazu, dass die Verdienstsicherung, die ihm für den Zeitraum von sieben Monaten zu gewähren gewesen sei, dauerhaft erhalten bleibe. Tariflohn i.S.v. § 18 Nr. 3 MTV sei der Tariflohn nach der Lohngruppe 3. § 18 MTV solle nicht dazu dienen, eine Lohnsicherung nach § 2 TV LGS dauerhaft abzusichern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Aktenblatt 69-72) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 12.07.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit am 31.07.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 07.09.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor, sein Einverständnis zur Änderung der Arbeitsbedingungen habe nur bedingt für den Fall, dass die Beklagte eine Entgeltsicherung nach § 18 MTV gewähre, vorgelegen. Seiner Auffassung nach sei ihm dies auch zugesagt worden. Falls das Schreiben der Beklagten vom 08.06.2005 insgesamt als perplex angesehen werden müsse, sei es jedenfalls dadurch unwirksam und es gäbe damit auch keine Zustimmung zur Änderung der Arbeitsbedingungen. Er habe auch nicht durch Weiterarbeit auf einem anderen Arbeitsplatz den geänderten Arbeitsbedingungen zugestimmt. Er habe nämlich gar nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weitergearbeitet, sondern vielmehr auf demselben Platz wie zuvor. Die Umsetzung habe faktisch bereits im Jahre 2003 stattgefunden. Nach einer Operation in diesem Jahr sei er zunächst gesundheitlich beeinträchtigt gewesen, weshalb die Beklagte ihn schon damals nicht mehr in der Lackiererei, sondern in der Montage eingesetzt habe. Gelegentlich sei er im Laufe des Jahres 2003 noch als Springer in der Lackiererei eingesetzt gewesen, ab Ende 2003 dann ausschließlich in der Montage. Auch eine korrigierende Rückgruppierung komme nicht in Betracht, da seine Tätigkeit tatsächlich eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5 rechtfertige. Schließlich habe der Betriebsrat einer Abgruppierung in die Lohngruppe 3 nicht zugestimmt. Bestritten werden, dass die Beklagte den Betriebsrat diesbezüglich überhaupt angehört habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 04.07.2006 - 1 Ca 42/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

- an ihn 367,50 € brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen,

- an ihn 733,50 € zu zahlen,

- an ihn weitere 367,50 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006 zu zahlen,

- an ihn weitere 483,25 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen,

- an ihn weitere 477,18 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags die arbeitsgerichtliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, der Kläger habe sich mit seinem Schreiben vom 23.05.2005 mit dem Wechsel seines Arbeitsplatzes von der Lackiererei zur Montage einverstanden erklärt. Der damit verbundene Antrag nach § 18 MTV sei erst nach der aus betriebsbedingten Gründen bereits erfolgten Versetzung gestellt worden. Im Übrigen werde aus dem Schreiben des Klägers vom 23.05.2005 nicht ersichtlich, dass die vorgenommene Versetzung im Wege des Direktionsrechts angegriffen werde. Soweit der Kläger bereits im Jahre 2003 gelegentlich in der Montage und nicht in der Lackiererei beschäftigt worden sei, stünde dies nicht in einem Zusammenhang mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers, sondern wegen einer stark rückläufigen Auslastung der Lackiererei. Die endgültige Versetzung des Klägers sei jedenfalls erst dann erfolgt, als festgestanden habe, dass die Auslastung der Lackiererei nicht wieder anziehen werde. Nicht nur der Kläger, sondern neun weitere Mitarbeiter seien aus betrieblichen Gründen versetzt worden. Während die Fertigungsstunden in der Lackiererei im Jahre 2000 noch bei insgesamt 4.496,31 Stunden gelegen hätten, habe sich die Anzahl der Stunden kontinuierlich reduziert und sei bis zum Jahresende 2004 auf 827,35 Stunden zurückgegangen. Als sich in den ersten Monaten des Jahres 2005 gezeigt habe, dass eine Steigerung der Stundenzahl nicht erfolgen werde, habe sie sich entschlossen, den Kläger zu versetzen. Der Vortrag hinsichtlich der Eingruppierung der derzeitigen Tätigkeit des Klägers in die Entgeltgruppe 5 sei unsubstanziiert. Tatsächlich betrage die Anlernzeit auf dem Arbeitsplatz des Klägers nur 70,8 Stunden. Dem Betriebsrat seien vor der Betriebsratssitzung am 22.03.2005 Unterlagen übergeben worden, aus denen deutlich die aktuellen und die neuen Lohngruppen der von der Versetzung betroffenen Mitarbeiter ersichtlich gewesen seien. In der Sitzung habe der Betriebsrat über die bevorstehende Versetzungen und Rückgruppierungen ausführlich beraten, was der Kläger auch wisse, denn er sei zum damaligen Zeitpunkt selbst Mitglied des Betriebsrates gewesen. Der Betriebsrat habe einstimmig zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist auch weitgehend begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt auf der Basis der Lohngruppe 5 nach dem Lohnrahmenabkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Dies ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu gewähren. Die Vergütungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB ist die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers. Sie unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung der Vertragsparteien.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, er sei eingestellt worden unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5 nach dem LRA. Dies wird bestätigt durch die nachfolgende Vertragspraxis, soweit sie im vorliegenden Verfahren vorgetragen wurde. Unstreitig bezog der Kläger seit dem 01.12.1995 durchgängig eine Arbeitsvergütung nach der Vergütungsgruppe 5. In der Zeit davor war er jedenfalls ab April 1990 sogar höhergruppiert in der Lohngruppe 6. Dies verdeutlicht, dass die "vereinbarte Vergütung" i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall mindestens eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 LRA war.

Von dieser vertraglich übernommenen Verpflichtung kann die Beklagte sich nicht einseitig lösen.

Eine Änderungskündigung, die mit Rücksicht auf die rückläufige Auslastung in ihrer Lackiererei grundsätzlich in Betracht gekommen wäre, hat die Beklagte nicht erklärt. Eine Änderungskündigung i. S. v. § 2 KSchG ist eine einseitige Willenserklärung des Arbeitgebers, gerichtet auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dem Angebot auf dessen Fortsetzung zu geänderten Bedingungen. Eine derartige Kündigungserklärung liegt ersichtlich nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich ihr Schreiben vom 08.06.2005 auch nicht als Änderungskündigung umdeuten. Es fehlt schon an den Voraussetzungen des § 140 BGB. Es ist allgemein anerkannt, dass das Ersatzgeschäft in seinen rechtlichen Wirkungen nicht weiter reichen darf als das Unwirksame (BAG, Urteil vom 12.09.1974 - 2 AZR 535/73 = DB 1975, 214; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 140 Rdnr. 6). Da jede Kündigung, auch eine Änderungskündigung, prinzipiell auf die Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, geht sie weiter als die fehlgeschlagene Annahme des Angebots auf Abschluss eines Änderungsvertrages. Deshalb scheidet eine Umdeutung des Schreibens der Beklagten vom 8.06.2005 in eine Änderungskündigung aus.

Die Parteien haben sich auch nicht einvernehmlich durch Änderungsvertrag darauf verständigt, dass der Kläger weiterbeschäftigt wird in der Montageabteilung unter Herabgruppierung in die Lohngruppe 3. Selbst wenn man das Schreiben der Beklagten vom 03.05.2005 als Angebot auf Abschluss eines derartigen Änderungsvertrages verstehen würde, was deshalb nicht gerade nahe liegt, weil darin von einer "Lohnmitteilung", mithin von einem einseitigen Vorgang, die Rede ist, so hat der Kläger dieses Angebot jedenfalls nicht durch sein Schreiben vom 23.05.2005 angenommen. Er erklärte darin, er sei mit dem Wechsel seines Arbeitsplatzes von der Lackiererei zur Montage einverstanden bei Gewährung der Entgeltsicherung, die er zugleich beantragte. Eine derartige Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Vertragsangebots, verbunden mit einem neuen Antrag. Diesen nunmehr vom Kläger ausgehenden Antrag hat jedoch die Beklagte ihrerseits nicht angenommen. Zugestimmt hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8.06.2005 nämlich nicht der angebotenen Vertragsänderung unter gleichzeitiger Gewährung der Entgeltsicherung nach § 18 MTV. Vielmehr soll sich die Zustimmung zum Antrag des Klägers nur auf künftige Fälle beschränken und erfasst damit gerade nicht den aktuellen Arbeitsplatzwechsel, auf den sich das Angebot des Klägers bezog. Dies wird aus den nachfolgenden beiden Sätzen deutlich, in denen die Beklagte darlegt, dass ihrer Auffassung nach die bisher erfolgten Versetzungen und damit auch die spätestens am 01.04.2005 vollzogene Versetzung von der Lackiererei zur Montageabteilung gerade nicht dem Anwendungsbereich des § 18 MTV unterfallen soll. Mithin kann auch diese Erklärung der Beklagten allenfalls wieder als eine modifizierte Vertragsannahme i.S.v. § 150 Abs. 2 BGB verstanden werden und damit als erneutes Angebot an den Kläger. Dieses hat der Kläger jedoch nicht angenommen. Es liegt auch kein Fall der stillschweigenden Annahme i.S.v. § 151 BGB vor, weil die Beklagte auf einen Zugang der Annahmeerklärung weder ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hat und sie nach Lage der Dinge unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auch nicht davon ausgehen konnte, dass eine Annahmeerklärung seitens des Klägers ihr nicht zugehen sollte. Der Umstand, dass der Kläger zunächst auf dem neuen Arbeitsplatz weiterarbeitete, ohne Vorbehalte anzumelden, bedeutet nach Lage der Dinge im vorliegenden Fall keine stillschweigende Zustimmung und damit Annahme des Änderungsangebots, weil die Beklagte, wenn auch auf einer anderen Rechtsgrundlage, nämlich nach § 2 TV LGS, vorübergehend die vom Kläger gewünschte Entgeltsicherung gewährte. Da für den Kläger zunächst keine Verdienstminderung eintrat, bestand aus seiner Sicht kein Anlass, sich gegen die vorgenommene Versetzung zu wehren. Deshalb kann man die Verrichtung der ihm zugewiesenen Montagetätigkeit nicht als stillschweigendes Einverständnis auslegen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war es aber auch nicht möglich, die Höhe der vereinbarten Vergütung durch Versetzung auf einen geringer vergüteten Arbeitsplatz kraft Direktionsrechts zu verändern. Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht, welches seit dem 01.01.2003 in § 106 GewO positivrechtlich geregelt ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst (ErfK-Preis, 7. Aufl. 2007, § 611 BGB, Rdnr. 274). Aufgrund seines Direktions- oder Weisungsrechts kann der Arbeitgeber die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art bestimmen. Dabei kann er dem Arbeitnehmer auch einen Wechsel in der Art der Beschäftigung auferlegen (ErfK-Preis, a.a.O., Rdnr. 275). Die Grenzen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ergeben sich jedoch wiederum aus dem Arbeitsvertrag sowie aus den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, anwendbarer tarifvertraglicher Vorschriften und dem Gesetz (§ 106 Satz 1 GewO). Soweit im Arbeitsvertrag keine konkreteren Vereinbarungen getroffen sind, ist der Arbeitgeber berechtigt, dem Arbeitnehmer eine andere gleichwertige Tätigkeit zuzuweisen. Das Direktionsrecht umfasst dagegen nicht die Befugnis zur Versetzung des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz mit einer geringerwertigen Tätigkeit (BAG, Urteil vom 30.08.1995 - 1 AZR 47/95 = NZA 1996, 440 ff.; BAG, Urteil vom 24.04.1996 - 4 AZR 976/94 = NZA 1997, 104 ff.). Selbst wenn im Einzelarbeitsvertrag durch eine entsprechende Klausel vereinbart ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine geringerwertige Tätigkeit mit einer verminderten Vergütung zuweisen kann, ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in den Kernbereich der Entgeltzahlungspflicht dies nur dann zulässig, wenn die Änderung entweder an die strengen Voraussetzungen der §§ 1, 2 KSchG gebunden ist oder wenn der Arbeitnehmer angemessenen Einfluss auf Eintritt und Umfang der Änderung hat (ErfK-Preis, a.a.O., §§ 305-310 BGB, Rdnr. 55a). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass überhaupt eine derartige einzelvertragliche Erweiterung des Versetzungsrechts vereinbart wurde. Dann war sie aber ungeachtet der Frage, ob sie den Kläger einseitig in die Montageabteilung versetzen durfte, zumindest verpflichtet, die einmal zugesagte Vergütung diesem trotz der vorgenommenen Versetzung weiterhin zu zahlen.

Schließlich kann die Beklagte sich auch nicht auf ein sog. erweitertes Direktionsrecht kraft Tarifvertrags berufen. Zwar bestimmt § 8 TV LGS, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, andere ihm zugewiesene Arbeiten und Tätigkeiten zu übernehmen. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt durch Tarifvertrag das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erweitert werden kann, wogegen nicht zuletzt der Umstand spricht, dass im Tarifvertragsrecht zugunsten des Arbeitnehmers günstigere einzelvertraglichen Abreden kraft des in § 4 Abs. 3 TVG verankerten Günstigkeitsprinzips tariflichen Bestimmungen vorgehen, ist nicht davon auszugehen, dass § 8 TV LGS eine derartige Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts beinhaltet (bejahend offenbar aber das BAG, Urteil vom 31.03.1983 - 2 AZR 398/81 - Juris; ebenso Ziepke, Handkommentar zum TV LGS, § 8 Anm. 1; verneinend LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.1995 - 17 Sa 1981/94 = DB 1995, 2224; LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.09.1995 - 15 Sa 715/95 - Juris; differenzierend danach, ob mit der Versetzungsanordnung dem Arbeitnehmer eine geringerwertige Tätigkeit zugewiesen werden soll LAG Hamm, Urteil vom 10.06.2002 - 19 (11) Sa 1031/01 - Juris). Auch das BAG, das die grundsätzliche Möglichkeit einer tarifvertraglichen Erweiterung des Direktionsrechts auch für den Fall bejaht, dass dem Arbeitnehmer eine geringer vergütete Tätigkeit übertragen wird (etwa BAG, Urteil vom 22.05.1985 - 4 AZR 427/83 = NZA 1986, 166 ff.; BAG, Urteil vom 22.05.1985 - 4 AZR 88/84 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge - Bundesbahn), geht davon aus, dass die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht unbeschränkt gilt, sondern ihre Grenzen im entgegenstehenden Gesetzesrecht findet (BAG, Urteil vom 15.11.2001 - 6 AZR 629/00 = ZTR 2002, 485 f.). Insbesondere muss eine tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts mit den Wertungen des § 2 KSchG in Einklang stehen. Daran fehlt es, wenn tarifliche Regelungen dem Arbeitgeber ohne jede Vorgabe Einschränkungen bis hin zur Suspendierung des Arbeitsverhältnisses gestatten. Die tarifliche Regelung muss nach Anlass und Umfang gerichtlich kontrollierbare Voraussetzungen bestimmen, nach denen der Arbeitgeber zu einseitigen Eingriffen in das Arbeitsverhältnis berechtigt ist (BAG, Urteil vom 23.09.2004 - 6 AZR 442/03 = NZA 2005, 475 ff.). Eine tarifvertragliche Erweiterung des Vertragsgestaltungsrechts des Arbeitgebers darf sich nicht als objektive Umgehung des zwingenden allgemeinen Änderungsschutzes aus § 2 KSchG darstellen (BAG, Urteil vom 19.11.2002 - 3 AZR 591/01 = AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge - Papierindustrie).

Eine Auslegung des § 8 TV LGS, die dem Arbeitgeber ein erweitertes tarifvertragliches Direktionsrecht zugesteht, würde mit der zwingenden Vorschrift des § 2 KSchG kollidieren. § 2 KSchG knüpft die Durchsetzung von Änderungen des Arbeitsvertrags an den Ausspruch einer Änderungskündigung. Diese eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt anzunehmen und zugleich die soziale Rechtfertigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Wird die Änderungskündigung mit dringenden betrieblichen Erfordernissen begründet, dann muss der Arbeitgeber u.a. auch die Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG beachten und ggf. eine soziale Auswahl treffen. Diese dem Schutz des Arbeitnehmers dienenden Vorschriften würden umgangen, wenn man dem Arbeitgeber stattdessen kraft tarifvertraglicher Erweiterung des Direktionsrechts gestatten würde, durch einfache Versetzungsanordnung in den Kernbereich des Arbeitsvertrags einzugreifen. § 8 TV LGS nimmt Bezug u.a. auf § 2 TV LGS, auf den sich auch die Beklagte im vorliegenden Fall stützt. § 2 TV LGS setzt die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes aus dringenden betrieblichen Gründen voraus. Es gelten mithin dieselben Voraussetzungen, die auch im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens bei einer betriebsbedingten Kündigung zu beachten wären (so auch das BAG im Urteil vom 31.03.1983 a. a. O.), nur mit dem Unterschied, dass bei einer einseitigen Versetzung der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hat, das Änderungsangebot unter Vorbehalt anzunehmen und nicht einwenden kann, er sei im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern sozial schutzbedürftiger. Dass die Tarifvertragsparteien für eine Übergangsfrist von hier sieben Monaten eine Sicherung des bisher bezogenen Arbeitsentgelts vorsehen, ist bei Licht betrachtet jedenfalls für länger beschäftigte Arbeitnehmer keine Kompensation, weil der Arbeitgeber auch im Fall einer Änderungskündigung die nach § 622 Abs. 2 BGB zu bemessende Kündigungsfrist von bis zu sieben Monaten einhalten müsste. Schließlich verschafft auch die in § 8 TV LGS vorgesehene Beschränkung auf zumutbare Arbeiten und Tätigkeiten dem Arbeitnehmer keine Kompensation für einen fehlenden Änderungsschutz nach § 2 KSchG, denn bei der Ausübung des Direktionsrechts muss der Arbeitgeber ohnehin die Grenzen des billigen Ermessens wahren (§ 106 Satz 1 GewO) und ist schon dadurch gehalten, dem Arbeitnehmer keine unzumutbaren Tätigkeiten zu übertragen. Da der Wortlaut des § 8 TV LGS dem Arbeitgeber ohnehin keine Befugnisse zuweist, insbesondere sich nicht über eine Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts verhält, zwingen die vorstehenden Überlegungen zu einer einschränkenden Auslegung des § 8 TV LGS dahin, dass dort lediglich deklaratorisch die Verpflichtung des Arbeitnehmers festgestellt wird, im Rahmen der ursprünglich eingegangenen oder wirksam geänderten arbeitsvertraglichen Pflichten ihm übertragene Arbeiten auszuführen. Ob § 8 TV LGS darüber hinaus bewirkt, dass der Arbeitnehmer bei einer Änderungskündung schon vor Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet ist, die geänderte Tätigkeit zu verrichten, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Dass auch die Tarifvertragsparteien mittlerweile davon ausgehen, dass die dauerhafte Übertragung einer niedriger bewerteten Tätigkeit eine Änderungsvereinbarung oder den Ausspruch einer Änderungskündigung bedarf, kann § 2 Ziff. 6 des Entgeltrahmenabkommens vom 19.12.2003 eindeutig entnommen werden, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat. Unmittelbar ist diese Tarifnorm allerdings nicht anwendbar, weil das genannte Entgeltrahmenabkommen im Betrieb der Beklagten erst zum 01.10.2006 eingeführt wurde.

Nach alledem konnte die Beklagte sich nach keiner Betrachtungsweise von der ursprünglich vereinbarten vertraglichen Bindung, die eine Vergütung des Klägers nach der Lohngruppe 5 vorsieht, lösen. Sie ist mithin auch über den 01.11.2005 hinaus verpflichtet, den Kläger vertragsrecht zu vergüten, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob zugunsten des Klägers die Vorschriften des § 18 MTV zur Anwendung kommen oder ob die vom Kläger nunmehr in der Montageabteilung ausgeübten Tätigkeiten ohnehin eine Eingruppierung in die Lohngruppe 5 rechtfertigen.

Da die Beklagte zu den einzelnen Lohnbestandteilen keine Einwendungen erhoben hat, sondern stattdessen selbst vorträgt, die Vergütungsdifferenz durch die vorgenommene Versetzung betrage im Monat 477,18 €, war sie verpflichtet, die vom Kläger beantragten Differenzbeträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) zu zahlen. Nur soweit der Kläger für den Monat März 2006 eine über den Betrag von 477,18 € hinausgehende Differenz von 483,25 € einklagt, muss die Berufung in Höhe von 6,07 € erfolglos bleiben, weil es der Kläger nicht vermocht hat, darzulegen, wie sich dieser Betrag errechnet. Ansonsten war der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wie tenoriert stattzugeben.

Die Zinsansprüche beruhen auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.

Wegen einer möglichen Divergenz zu der Entscheidung des BAG vom 31.03.1983 (2 AZR 398/81) war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugunsten der Beklagten zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück