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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 705/04
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 2
BSHG § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2
BSHG § 88 Abs. 3
1. Wenn das gesetzliche Schonvermögen durch die gezahlte Abfindung überschritten wird, hat der PKH-Empfänger sich im Kosteninteresse grundsätzlich mit einem Betrag in Höhe von 10% seiner Kündigungsabfindung an den Kosten der Prozessführung bestreiten. Weder Gegenforderungen des Arbeitgebers noch die bei höheren Abfindungen abzuführenden Steuern, die den Auszahlungsbetrag tatsächlich verringern, ermäßigen den für die Prozesskostenhilfe einzusetzenden Betrag von 10% des Nennwertes der Abfindung.

2. Dass es sich vorliegend möglicherweise nicht um eine echte Abfindung, sondern (teilweise) um verschleiertes Arbeitseinkommen handelt, ist für die Frage der Einsetzung eines Teils der Vergleichssumme unbeachtlich. Es kommt allein darauf an, ob der vom Arbeitgeber zu zahlende Betrag als Abfindung oder als Lohn deklariert ist. Falls die Parteien hier eine echte Lohnzahlung verschleiert haben sollten, führt dies nicht dazu, dass der PKH-Empfänger neben der (möglicherweise) ersparten Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben auch noch bei der Prozesskostenhilfe zu begünstigen wäre.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Einmalzahlung im PKH-Abänderungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 02.09.2004 - 5 Ca 4265/03 - wird zurückgewiesen

Gründe: I. Die Parteien haben am 27./30.07.2004 einen Bestätigungsvergleich geschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtet hat, das zum 31.07.2004 auslaufende Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und an den Kläger eine sofort fällige Abfindung in Höhe von 8.500,00 € zahlen. Das Arbeitsgericht hat sodann mit Beschluss vom 02.09.2004 die PKH-Bewilligung vom 24.02.2004 unter Bezugnahme auf § 120 Abs. 4 ZPO abgeändert und angeordnet, dass der Kläger auf die gestundeten Prozesskosten zunächst einen Betrag in Höhe von 850,00 € als Einmalbetrag zu zahlen hat. Gegen den am 10.09.2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.09.2004, bei dem Arbeitsgericht am 13.09.2004 per Telefax eingegangen, mit der Begründung sofortige Beschwerde eingelegt, die Abfindung umfasse den miteingeklagten Lohn für die Monate April bis September 2003 in Höhe von 4.520,47 €, so dass nur der Restbetrag in Höhe von 3.979,33 € ein evtl. einsetzbares vermögen darstellen könnte. Dies sei aber nicht einzusetzen, da er ein Privatdarlehen in Höhe von 3.000,00 €, welches ihm der Zeuge N2xxxxx W2xxx gewährt habe, abgelöst habe. Das Arbeitsgericht hat die Einlassung, es handele sich teilweise um rückständigen Lohn, nicht gelten lassen und der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 04.10.2004 nicht abgeholfen. II. Die nach § 11 RPflG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2, 222 Abs. 2 ZPO zulässige, form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht gegenüber dem Kläger die Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 10% der erhaltenen Abfindung gemäß § 115 Abs. 2 ZPO angeordnet. 1. Ein solcher Beitrag entspricht der ständigen Rechtsprechung der bisherigen beiden Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm (vgl. LAG Hamm v. 21.02.1989 - 7 Ta 502/88, n.v.; LAG Hamm v. 21.01.1998 - 14 Ta 158/98, n.v.), der sich die beiden neuen Beschwerdekammern angeschlossen haben (vgl. LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAGReport 2003, 125 m. zust. Anm. Schwab; LAG Hamm v. 19.02.2003 - 18 Ta 40/03, NZA-RR 2003, 381). 1.1. Die Anrechnung von 10% des Nennwertes einer Abfindung hat ihren Grund darin, dass es sich bei der Kündigungsabfindung nach §§ 9, 10 KSchG in vielen Fällen um einen schlichten Risikoausgleich handelt, bei dem sich der Arbeitgeber von der Last der Darlegungsverteilung und der Beweislast gewissermaßen freikauft (LAG Hamm v. 01.02.1999 - 14 Ta 10/99, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAGReport 2003, 125 m. zust. Anm. Schwab). Der betroffene Arbeitnehmer kann die ihm gezahlte Abfindung beliebig verwenden, so dass von einer Zweckbindung keine Rede sein kann. Damit stellt die Zahlung einer Kündigungsabfindung für den Betroffenen einen Vermögenszuwachs dar, der je nach seiner individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Situation mal stärker, mal schwächer zu Buche schlägt (siehe zum Meinungsstand Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, S. 81 Rz. 216). Aus alledem folgt, dass eine Kündigungsschutzabfindung keineswegs grundsätzlich der Kostenpflicht entzogen werden kann, allerdings muss die Abfindung dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zufließen (LAG Hamm v. 03.04.2002 - 4 Ta 636/01, LAGReport 2002, 154, 156), was vorliegend bis auf einen unbedeutenden Restbetrag der Fall ist. 1.2. Nach § 115 Abs. 2 Hs. 1 ZPO ist das Vermögen nur im Rahmen der Zumutbarkeit zu verwenden; dieser Begriff wird aufgrund der Verweisung in § 115 Abs. 2 Hs. 2 ZPO durch die Vorschriften des § 88 Abs. 2 und Abs. 3 BSHG und den dazu ergangenen Durchführungsverordnungen über das sog. Schonvermögen konkretisiert. Hier ist auch geregelt, in welcher Höhe das sogenannte Schonvermögen zu berücksichtigen ist. Wenn die Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, die sich auf 2.301,00 € für den Antragsteller beläuft und sich für den unterhaltsberechtigten Ehepartner um 614,00 € und für jedes unterhaltsberechtigte Kind um 256,00 € erhöht, vorliegend wegen fehlender Unterhaltspflichten beim Sockelbetrag von 2.301,00 € verbleibt, überschritten wird, hat der PKH-Empfänger in Höhe von 10% des Nennwertes der Abfindung (die Steuern ermäßigen den einzusetzenden Betrag nicht) für die entstandenen Kosten der Prozessführung einzustehen. Weder Gegenforderungen des Arbeitgebers noch die bei höheren Abfindungen abzuführenden Steuern, die den Auszahlungsbetrag tatsächlich verringern, ermäßigen den für die Prozesskostenhilfe einzusetzenden Betrag von 10% des Nennwertes der Abfindung (LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAGReport 2003, 125, 126 m. zust. Anm. Schwab). Dies macht bei dem Kläger -wie das Arbeitsgericht zutreffend festgesetzt hat - den Betrag von 850,00 € aus. 1.3. Zwar ist nur ein das Schonvermögen übersteigendes Guthaben zur Finanzierung eines Prozesses heranzuziehen (OLG Naumburg v. 01.06.1993 - 4 WF 12/93, FamRZ 1994, 638 = JurBüro 1994, 231; OLG Hamm v. 17.05.1994 - 15 W 317/93, FamRZ 1995, 50 = OLGZ 1994, 558 = Rpfleger 1995, 20; KG Berlin v. 15.11.1994 - 1 W 3454/94, FamRZ 1996, 227 = KGR Berlin 1995, 81 = NJW-RR 1995, 459 = Rpfleger 1995, 356; LAG Hamm v. 30.01.2002 - 4 Ta 148/01, BuW 2002, 660; LAG Hamm v. 01.02.2002 - 4 Ta 769/01, n.v.), es ist dann aber nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf v. 11.12.2000 - 9 W 74/00, AnwBl 2001, 373 = Rpfleger 2001, 244) stets und in vollem Umfang zum Bestreiten der Verfahrenskosten einzusetzen. Dies gilt unabhängig davon, ob es ein Bank oder Sparguthaben (OLG Koblenz v. 20.08.1999 - 13 WF 503/99, FamRZ 2000, 1094; BayObLG München v. 05.02.2002 - 3Z BR 325/01, BayObLGR 2002, 215 = FamRZ 2002, 1289), ein Bausparguthaben (OLG Köln v. 20.11.1996 - 26 WF 147/96, OLGR Köln 1997, 51; OLG Saarbrücken v. 31.10.1997 - 6 WF 58/97, OLGR Saarbrücken 1998, 205; OLG Dresden v. 23.07.1999 - 8 W 1413/98, JurBüro 2000, 314 = OLGR Dresden 2000, 258), Darlehensguthaben (BFH v. 18.09.1997 - VIII B 37/97, BFH/NV 1998, 490), den Rückkaufswert einer Lebensversicherung (VGH Baden-Württemberg v. 30.04.2002 - 14 S 2542/01, Justiz 2003, 38) oder den Auszahlungsanspruch aus einem sog. "Zukunftssicherungsbrief", einem Wertpapier einer Bank (OLG Koblenz v. 27.08.1999 - 13 WF 520/99, FamRZ 2000, 1094 = MDR 1999, 1346), betrifft. Würde man diese Rechtsprechung auf die Frage der Anrechnung einer Kündigungsschutz oder Sozialplanabfindung bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe im arbeitsgerichtlichen Verfahren übertragen, so dürfte nur die Differenz zwischen der gesetzlichen Schongrenze und dem vereinbarten Abfindungsbetrag zugrundegelegt werden, jedoch wäre dieser Differenzbetrag dann nicht bloß mit 10%, sondern in vollem Umfang anzusetzen. Dann müsste der Kläger nicht bloß 850,00 € (= 10% von 8.500,00 €), sondern könnte mit einem Betrag bis zu 6.199,00 €, der vollen Differenz von 2.301,00 € (Schongrenze) zu 8.500,00 € (Abfindungsbetrag), zum Bestreiten der Verfahrenskosten herangezogen werden. Hier verdient die vermittelnde Auffassung der Anrechnung von nur 10% des Nennwertes der Abfindung den Vorzug (so ausdrücklich Schwab, LAGReport 2003, 126, 127). Dass es sich vorliegend möglicherweise nicht um eine echte Abfindung, sondern (teilweise) um verschleiertes Arbeitseinkommen handelt, ist für die Frage der Einsetzung eines Teils der Vergleichssumme unbeachtlich. Es kommt allein darauf an, ob der vom Arbeitgeber zu zahlende Betrag als Abfindung oder als Lohn deklariert ist. Falls die Parteien hier eine echte Lohnzahlung verschleiert haben sollten, führt dies nicht dazu, dass der Kläger neben der (möglicherweise) ersparten Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben auch noch bei der Prozesskostenhilfe zu begünstigen wäre. 2. Nach § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2 BSHG kann von dem Betroffenen geltend gemacht werden, dass bei ihm eine besondere Notlage zu berücksichtigen sei. Mit anderen Worten, wenn die erhaltene Abfindung zur Behebung einer akuten Notlage gebraucht wird, kann der Kostenbeitrag von 10% der Abfindungssumme reduziert oder gänzlich fallengelassen werden (LAG Hamm v. 01.02.1999 - 14 Ta 10/99, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAGReport 2003, 125, 126 m. zust. Anm. Schwab). Dass der Kläger zur Behebung einer Notlage in vollem Umfang auf die Abfindung angewiesen wäre, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Selbst wenn man vorliegend der "Saldotheorie" folgen und die Antwort auf die Frage, ob ein einzusetzendes Vermögen vorhanden wäre, durch eine Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen errechnet würde (so BAG v. 22.12.2003 - 2 AZB 23/03, n.v.), käme man vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. In einem solchen Falle kommt eine generelle Höchstgrenze von 10% zum Tragen. Vielmehr ist die Frage, in welchem Maße dem Arbeitnehmer der Einsatz einer die Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG übersteigenden Abfindung zuzumuten ist, nach den konkreten Einzelfallumständen zu bemessen (BAG v. 22.12.2003 - 2 AZB 23/03, n.v.). Zieht man von der Abfindung von 8.500,00 € das behauptete Darlehen von 3.000,00 € ab, dann verbleibt ein Betrag von 5.500,00 € übrig, abzüglich des Schonvermögens von 2.301,00 € bliebe noch ein einzusetzendes Restvermögen von 3.199,00 €. Dieses ist ausreichend, dem Kläger einen Kostenbeitrag in Höhe von 850,00 € = etwas mehr als 25% der Restsumme aufzuerlegen.

3. Nach alledem hat die sofortige Beschwerde ohne Erfolg bleiben müssen.

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